Neuspielerplot 2022 - Gratenfelser Geschichten


Von BorBar, DanSch, Waldi und Iseweine (SL) und Schwarzweiher, Dunkelstein, Auroth, Wildklamm, Eisenfels, Graupen, Erzwacht, Weidenthal, Brinborn, Aelgarsfels, Kaltenklamm, Kranickteich, Ingrafall, Boesalbentrutz und Jorik

15. - 29. Phex 1045 BF Ort: Junkergut Neukrashof, Dorf Erzenschöffer in der Grafenmark Gratenfels sowie die Baronien Kranick, Schnakensee und Tommelsbeuge in der Landtgrafschaft Gratenfels

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Zusammentreffen in Neukrashof

Neukrashof, 15. Phex 1044 BF

Ein sonniger Frühlingsmorgen lag über dem Land praioswärts der Reichsstraße III, die vom Greifenpass in den Koschbergen aus kommend in Richtung Albernia führte. Die Grafenlande Gratenfels, die Baronie, die direkt dem Grafen Alrik Custodias, Herr der gleichnamigen Grafschaft unterstand, umschloss die Stadt Gratenfels und bildete zugleich die Grenze zum Kosch. Praioswärts der Straße, im flachen Hügelland auf die Koschberge zu, erstreckte sich das große Junkergut Neukrashof, schon seit vielen Generationen im Besitz des Hauses Greifax. Wenige Meilen abseits der Straße lag Dorf Neukrashof mit dem Sitz des Junker Oldebors. Innerhalb weitläufiger Getreidefelder, Weiden und eines großen Obsthaines lag innerhalb eines stabilen, durch eine zusätzliche Hecke umschlossenen Etters das Dorf Neukrashof. Auf einer Anhöhe neben dem Dorf thronte das befestigte Gutshaus, mehr eine kleine Burg, mit zwei wuchtigen Tortürmen, einem Hauptturm und schmalen, schießschartenartigen Fenstern in den dicken Außenmauern und einem kleinen Innenhof, um den sich Wohn- und Gesindegebäude und einige Stallungen scharten. Nicht ganz so sonnig, aber doch von Neugier und Spannung geprägt war die Stimmung im großen Rittersaal des Gutshofs, in dem sich alle Getreuen, Freunde und Weggefährten des Junkers auf seinen Ruf versammelt hatte. “Es freut mich, dass Ihr meiner Einladung Folge geleistet habt.” Oldebor Greifax, der Junker von Neukrashof, saß an der Stirnseite der langen Tafel und hob seinen Weinkelch. Der Kriegsmann, dessen dunkelbraunes Haar sich an den Schläfen bereits silbern färbte und dessen gepflegter Vollbart gleichfalls die Farbe von Salz trug, betrachtete mit Wohlgefallen seine Getreuen, die sich auf seinen Ruf hin versammelt hatten und die nun, nach einer kleinen Erfrischung aus frischem Brot, Schmalz und Schinken, jeder einen Becher mit Bier oder Wein, je nach ihrem Geschmack, vor sich stehen hatten.

Der Ritter trug sein Wappen auf der Brust seines Lederwams; "ein blauer Keil auf silbernem Grund, ein silbernes Schwert senkrecht in dem blauen Keil". Er war 45 Götterläufe alt. Das sah man besonders an seinem leicht grau melierten schwarzen gut geschnittenen Vollbart. Die Haare des Ritters, ebenfalls in der gleichen Farbe, waren leicht lockig, etwas zu lang aber nicht so lang, dass sie dem Ritter vor die Augen oder auf die Schulter fielen. Der Blick seiner braunen Augen war selbstbewusst und wachsam zugleich. Seine langen aber kräftigen Finger schlossen sich um den Kelch, der auf seinem Wunsch zuvor mit Bier gefüllt worden war. Seine Körpergröße maß 182 Halbfinger und seine muskulöse Gestalt und die breiten Schultern zeigten, mit seinem Langschwert an der Seite, dass dieser Ritter ein erfahrener Kämpfer war. Der Ritter erhob seinen Kelch mit den Worten: “Euer Wohlgeboren, ich bin Wolfmar von Wildklamm und auf Geheiß meines Vaters, Erdwain von Wildklamm, vertrete ich ihn bei dieser Versammlung, zu ihr gerufen habt. Zudem übermittle ich Grüße von Emmeran von Plötzbogen, meinem Herrn.”

Irminella von Eberbach, Vögtin von Gräflich Bösalbentrutz, die bislang aufrecht sitzend den Worten ihres Gastgebers gelauscht hatte, erhob ihren Weinbecher. Gekleidet war sie in feine Stoffgewänder in den Farben ihres Hauses, auf die auf Brusthöhe das Wappen des Hauses derer von Eberbach gestickt worden war. Ihre braungelockten Haare fielen ihr locker über ihre Schultern. "Ich danke Euch für Eure Einladung und die gebotene Gastfreundschaft, Euer Wohlgeboren." Bei diesen Worten blickte sie über die gedeckte Tafel und lächelte. Anschließend ließ sie ihren Blick über die Anwesenden schweifen. Dabei blieb ihr Blick bei Herrat von Bauernfeind und Thimorn von Hauerberg ein wenig länger hängen als bei den übrigen Gästen. Farold von Eychstädt, dem Ritter von Rittergut Brinborn, das, wie ihr eigenes Gut, ebenfalls der Baronie Tommelsbeuge untergeordnet war, nickte sie nochmals zu, nachdem sie sich vor Beginn des Bankettes bereits kurz begrüßen konnten.

Fulco von Kranickteich schaute sich in der Runde der versammelten Edelleute um. Wie gewohnt bei solchen Veranstaltungen trug er einfache Lederkleidung mit dem Wappen derer von Kranickteich, das Schwert an der Seite. Seine blonden Haare kurz seit dem Haffaxfeldzug, der Körper allerdings weiterhin trainiert und definiert. Er war sich immer noch nicht sicher, was der Gastgeber mit seiner Einladung bezweckte, was der wirkliche Grund für ihre Anwesenheit war.  Er beobachtet das ganze lieber noch etwas, bevor er sich äußerte. Er trank also an seinem Ferdoker Hellen und wartete auf das, was da kommen mag. Die Anwesenheit zweier Diener der Götter beruhigte ihn jedoch sehr. Ebenso war er erfreut, das der Sohn seines ehemaligen Schwertvaters, Ulfried Tommeldan von Argenklamm unter den Anwesenden war. Er freute sich sehr darauf, mal wieder ein paar Worte mit dem jungen Mann zu wechseln. Bei seiner Ankunft hatte er natürlich die anderen Edlen seiner Baronie - Rondragon von Spiegelberg, Krispinian von Tsawalden sowie Leodegar von Aelgarsfels- freundlich begrüßt. 

Leodegar von Aelgarsfels stand etwas abseits, einen Becher in der Hand und seinen üblichen, mürrisch wirkenden Gesichtsausdruck zur Schau tragend. In der einen Hand hielt er einen Becher mit Gerstensaft, die andere war in die Seite gestützt. Über seinem Kettenhemd trug er den Wappenrock in den Familienfarben, weiß mit grünen, roten und schwarzen Elementen und um die Schultern einen Pelzüberwurf aus Biberfell. Sein Schwert war wie üblich an der Seite festgeschnallt und es wirkte überdurchschnittliches groß im Vergleich mit dem kleinen Gerüsteten.

Neben der wuchtigen Eingangstür zu dem stattlichen Rittersaal lehnte eine irritierend hochgewachsene, massig gebaute Frau und blickte nervös zwischen den Anwesenden hin und her. Die imposante Gestalt war in einen weiß-roten Wappenrock gekleidet, auf dem zentral ein Löwenkopf prangte. Mit flinken Fingern fuhr sie wieder und wieder über den Griff des Rondrakamms, den sie in einem dunkelbraunen Schwertgehänge trug. Die schwarzen Haare hingen ihr zur rechten Seite leicht ins Gesicht, auf der linken Hälfte des Schädels fehlte jedoch jeder Haarwuchs. Stattdessen verunzierte eine schlecht verwachsene Narbe das eigentlich ästhetische Gesicht der Dame. Offensichtlich musste sie ein Prankenhieb schwer verletzt haben; das linke Auge schien die Klaue knapp verfehlt zu haben, verfolgte doch ihr huschender Blick jede Bewegung im Raum. Doch das Augenlid war nicht verschont geblieben, sodass sie das linke Auge unnatürlich zusammenkniff. Herrat von Bauernfeind war ungeduldig. Alles an ihr wirkte auf dem Sprung - und nur Disziplin und Selbstbeherrschung hielten sie davon ab, dieser Unrast Ausdruck zu verleihen.

Wie ein Zerrbild der agilen, energischen Frau stand Eblaus von Niedersprötzing am Fenster des Rittersaals und blickte nach draußen in den strahlenden Sonnenschein, der sich über das Land gelegt hatte. Der ganz in Weiß gekleidete Mann hatte seine Hände auf den Fenstersims gelegt und ruhte in sich. Den Vorgängen um sich herum im Saal, ganz zu Schweigen der Worte, die gesprochen wurden, schien er keine Bedeutung beizumessen. Seine leicht ergrauenden braunen Haare stahlen sich in ungebändigten Locken unter einer leicht schief sitzenden strahlend-gelben Kappe hervor. Mit einem dünnen, langen Finger bemühte er sich, die Strähnen zurück unter die Haube zu streichen, doch wo eine Locke ihren Weg unter den Hut fand, hatten sich zwei neue gelöst.

Der Hohe Herr Rondragon von Spiegelberg kam mit gemischten Gefühlen der Einladung nach. Zum einen freute er sich auf eine Zusammenkunft mit dem Ausblick, dass etwas verkündet wird, welches von großer Tragweite sein kann. Zum anderen war ihm das Geschnatter derjenigen schon im höchsten unpässlich, die um Aufmerksamkeit haschten. Rondragon war ein Mann des Schwertes und nicht der geschliffenen Worte, deren er wenig abverlangen konnte und sie eher als lästiges Basengesülze abtat.  Bereits bei der Ankunft war er höchst erfreut seine Nachbarn Krispinian von Tsawalden, Leodegar von Aelgarsfels und Fulco von Kranickteich zu entdecken. Mit allen Dreien tauschte er ein Lächeln und seinen Respekt aus. Bevor Rondragon sich setzte, schaute er sich jeden Teilnehmer einmal genauer an. Falls sich ein Blickkontakt ergeben sollte, so nickte er kurz zu. Gekleidet war Rondragon in Kette mit Wappen. Zu erkennen war ein schwarz-weiß  gezackter Schildhaupt, mittig ein goldener Handspiegel auf Blau. Seitlich hing sein Langschwert. Für den interessierten Betrachter kurz vorgestellt. Rondragon war ein muskulöser, groß gewachsener Mann mit breitem Kreuz und trug sein kinnlanges schwarz gewelltes Haar offen. Seine tiefblauen Augen wirkten klar und sein Dreitagebart kann sich als sehr gepflegt bezeichnen. Sein Gang war zielgerichtet, er wirkte ernst und gefasst. Nachdem der Gastgeber seine Anrede beendete und Irminella von Eberbach, Vögtin von Gräflich Bösalbentrutz dem Wohlgeborenen für die gebotene Gastfreundschaft dankte, hob er auch seinen Becher.

Der Hohe Herr Lysander Quintin von Eisenfels ließ es sich nicht nehmen, in voller Montur aufzutauchen, der Anlass rechtfertigte den Aufzug auf jeden Fall, es war der erste Besuch am Grafenhof für den, dann doch noch recht jungen, Ritter. Unter dem geviertelten Waffenrock, zwei Viertel schwarz, die weißen Eisenhutfeh auf blauem Grund gegenüberlagen, trug er seine Kettenrüstung, darunter, anstatt eines Gambeson, seine robuste Lederkleidung, die durchaus als leichte, alltagstaugliche Rüstung zu verstehen ist! Ausserdem Arm- und Beinschutz aus Metall, schwere Reiterstiefel dienten ihm als Schuhwerk. Mittlerweile saß er am Tisch und begutachtete die anderen Personen im Raum, noch war ihm keine Person bekannt, er war sich aber sicher, dass sich das wohl bald ändern würde! Seine Stimmung war gut, seine neue Knappin Peranna von Graupen hatte sich bisher als echter Gewinn herausgestellt, könnte eventuell auch daran gelegen haben, dass man verwandt und sich deshalb einfach näher war. Bisher klappte alles wunderbar, es gab keinen Grund zu mäkeln. Doch zurück zum Thema!  Mit einem Becher Bier in der Hand, das letzte Stückchen Schinken verzehrend, schaute er erneut, mit unglaublich strahlend blauen Augen über die Runde, während er sich in dezenter Zurückhaltung übte, ohne den Eindruck zu erwecken, sich nicht beteiligen zu wollen, ganz im Gegenteil! Er wirkte frisch, aufmerksam und auch recht gut gelaunt!

Die junge Knappin im Dienste Lysander Quintins von Eisenfels war mit ihren etwa vierzehn bis fünfzehn Lenzen ein hellhäutiges und natürlich wirkendes Ding von etwa 155 Schritt, schlank und hübsch anzusehen, gesegnet durch einige leichte Praiossprossen um ihre schmale Nase als hätte sie Peraine persönlich dorthin gepflanzt. Ihre hohen Wangenknochen und ihre schmolligvollen Lippen strahlten rosafarben wie die reifen Honigmirellen der örtlichen Bauern des Graupenhofes, wenn es dort Erntezeit gewesen ist. Wenn sie über seine Witze lächelte, zeigte sich ein wenig ihrer schneeweißen Schneidezähne, die etwas zu lang geraten waren. Insgesamt hatte die Kleine ein katzenhaftes Antlitz, das man auch ihren Tanten der Graupenseite unterstellte. Sichtbare Narben hatte sie soweit keine. Dazu fehlte es ihr noch an Lebenserfahrung im Gegensatz zu ihrem Großvater Fradrik I. von Graupen, möge Boron seiner Seele gnädig geworden sein. Gewachsen war die kleine Peranna seitdem, körperlich inzwischen ertüchtigt, zur jungen Dame erblüht. Ihre Pagenzeit schien ihr nicht schlecht getan zu haben. Die Knappin besaß die bosparanienbraunen Augen des Ritters Rabanus von Graupen, ihres Vaters, die hilfsbereit doch ein wenig eitel in die Welt schauten. Ihr strohblondes Haar war leicht gewellt, ebenso wie seines, und ihr einst kurzer Pagenschnitt war durch die Lenze bis zu ihren Schultern herausgewachsen. Inzwischen ähnelte ihre Frisur einem überlangen Pagenschnitt ohne Stirnfransen aus welligem, glänzenden Haar, das ihr Gesicht umrahmte. Eine dünne geflochtene Strähne zierte ihr wohl gepflegtes Blondhaar. Sie wirkte insgesamt sehr sauber, ordentlich und anständig und stand während des gesamten Banketts mit dem wenig verantwortungsscheuenden Habitus des Hauses von Graupen hinter ihrem jungen Dienstherren. Eine Ähnlichkeit zu ihm war nicht zu verkennen weder im äußeren Antlitz noch in der Eitelkeit mit der beide gepflegt waren. Sie tischte ihm auf und bediente ihn ohne Hadern und Mäkeln. Man munkelte über ihn, dass Lysander Quintin von Eisenfels seit Kurzem eine neue Knappin zur Seite stand und dies war angeblich seine Base. Eine Knappin aus solidem Hause. Sie legte ihm die Serviette zurecht und räumte für ihn ab, wenn es Zeit zum Abräumen war. Die volle Montur, die er mit Stolz an sich trug, hatte sie ihm verantwortungsvoll auf Hochglanz gebracht, um bei diesem Treffen, seinem Ersten am Grafenhof, zu strahlen wie er es ja auch konnte. Über ordentlicher weißer Unterkleidung trug Peranna selbst einen Wappenrock in den Farben des Hauses von Eisenfels mit seinem blau-weiß-schwarzen unverkennbaren Wappen, so wie es sich für die Lehrzeit geziemte. Dazu trug die junge Dame eine saubere weiße Hose und gepflegte schwarze Lederstiefel, die sauber geputzt waren. Ja, sie glänzten, dass man sich darin spiegeln konnte! Man mag sich irren, doch man glaubte fast, der Duft nach Mirellen ging ihr nach, wenn sie sich zum Tisch beugte wie es die anderen Knappen taten, um ihre Dienstherren zu bedienen. Nur roch sicher keiner von ihnen dabei nach Mirellen! Das Auffälligste an ihr war wohl abgesehen von jener Tatsache, dass ihr ein goldenes Amulett um den Hals hing auf dem das Emblem des Hauses von Graupen zu erkennen war. Nun, für einen Siegelring war die Knappin auch eindeutig noch zu jung. Und das machte es deutlich: sie also war jenes Graupenmädchen, das in die Fußstapfen von Vater, Vetter und Großvätern treten wollte! Und sie schien dabei Ehrgeiz an den Tag zu legen. Trotz ihrer jungen Lenze ging ein Pragmatismus und eine Tatkraft von ihr aus. Wenn dem neuen Dienstherren etwas fehlte, dann kümmerte sie sich hilfsbereit darum: sie schenkte ihm nach, putzte ihm hinterher, achtete darauf, dass er gesättigt war. Wenn er satt war und das Bankett beendet, würde sie abräumen. Der Duft von Bier war auch eine Wohltat für ihre Nase. Doch davon hatte sie noch nicht viel in ihrem Leben gekostet. Essen durfte sie nicht mit ihm. Es roch aber gut. Wenn Gastgeber und Gäste sprachen, fügte sie sich der Etikette. Ja, sie hatte ihre Lektionen gelernt. Manche von ihnen eher widerspenstig. Doch dieses heutige Ereignis auf dem Neukrashof wollte das Graupenmädchen mit der inneren Ruhe des Hauses Graupen meistern, sie wollte tatkräftig sein und etwas hermachen. Schließlich wollte sie unbedingt auch eines Tages eine rondragefällige Ritterin werden. Es war ihr großer Traum. Viel größer war er als in der kratzigen grünen Leinenrobe einer Perainegeweihten zu beten und in einem Perainetempel zu versauern wie es ihre werten Eltern zuerst für sie andachten. Den Zwölfen sei Dank waren sie verständig und milde genug ihre Wünsche zu erhören. Denn Hilfsbereitschaft hin und Perainegefälligkeiten her… Peranna Sabea von Graupen hatte stets ihren eigenen Kopf bewiesen. Und obwohl sie ihren Vetter nicht sehr gut und persönlich kannte, hoffte sie ihm bisher gute Dienste geleistet zu haben und das auch weiterhin zu tun. Sich in die Tradition der Rittersleut’ hineinzustellen, wobei Lehrjahre wahrlich keine Herrenjahre darstellten, machte sie stolz und sie bemühte sich sehr, weil es ihr Herzenswunsch war. Ein bisschen hatte sie heute Abend auch das Gefühl dazuzugehören. Sie wagte einen flüchtigen Blick auf die hohen Herrschaften und die Anwesenden und senkte ihn bald wieder, um für ihren Dienstherren da zu sein. Er sollte auch weiterhin bei guter Laune bleiben. „Baroschem!“, war die tönende Stimme des Zwerges Xorgolosch Sohn des Fuldoram zu vernehmen. „Da habt Ihr Euch ja nicht lumpen lassen, Oldebor. Die besten Grüße von Vogt Barox und meine Empfehlung an Eure Küche! Auf die Gastfreundschaft! Auf Euch!“, prostete der jüngere, bullige Angroscho – aber was hieß das schon bei seiner Spezies? – in Richtung Kopf der Tafel. Der kraushaarige Erzzwerg trug die knopfbestückte, schwarze Lodenweste der xorloscher Bergleute über einem weißen Leinenhemd. Aus dunkler, buschiger Gesichtsbehaarung ragten zwei Narben an Kinn und Brauen, die von unliebsamen Erfahrungen der Vergangenheit zeugten. Gemeinsam mit dem Edlen Gorthak Sohn des Glorinthax war Xorgolosch bereits eine Weile vor Eröffnung der Tafel auf Neukrashof eingetroffen. Gorthak, Sohn des Glorinthax hatte es sich neben Xorgolosch bequem gemacht, einen Becher mit Bier in der Hand. Wie sein Sitznachbar auch war er ein Erzzwerg, wenn auch einige wenige Götterläufe älter. Anders als dieser, übte sich Gorthak jedoch in etwas mehr Zurückhaltung, denn er hob bei den Worten des Oldebor Greifax lediglich seinen Becher ein wenig in Richtung des Junkers und lächelte leicht, auch wenn dieses lächeln durch den schwarzen Bart verdeckt wurde. Dieser war von salzweißen Strähnen durchzogen und geflochten. Bekleidet war der Zwerg mit einem schlichterem schwarzen Wams, dessen einzige Besonderheiten ein paar unauffällige silberne Nähte waren. Hose und Stiefel waren ebenfalls von schlichter Eleganz, dem Anlass angemessen ohne zu sehr aufzutragen. Einzig der Anhänger, den der Angroscho trug, ein roter tropfenförmiger Feueropal eingefasst in einem weißen fast durchsichtigen Bergkristall und umrahmt von einer goldenen Fassung stach heraus. Es war nicht das erste Mal das Leomar hier war, die Besuche waren selten aber er hatte seine Mutter schon zweimal hierher begleitet. Leomar von Weidenthal war für die Außenstehenden klar als Ritter zu erkennen, schon die Kleidung verriet das, standesgerecht mit dem Wappenrock seines Hauses. Die Kleidung an sich war gut verarbeitet und praktisch. Relativ wenig Verzierungen waren angebracht. Das rotblonde Haar war ungewöhnlich für diese Region und war zwar nicht nach der neuesten Mode geschnitten aber man konnte sehen das sein Besitzer darauf achtete das es in seiner Form blieb. Der Bart war sauber gestutzt so als ob er erst heute Morgen frisch rasiert worden wäre. Trotz seines mit Anfang 30 immer noch  jungen Alters wirkte er als ob er einiges erlebt hatte, sein Gesicht zeichneten ein paar Narben und die rechte Schulter war noch etwas zurückgezogen so als ob sie vor kurzem verletzt worden wäre. Sein Blick schien die gesamte Halle zu erfassen, zu analysieren. Wachsam, als ob er mit irgendetwas rechnen würde. Als die ersten der geladenen Edlen begannen sich vorzustellen blieb Leomar zuerst sitzen, manche Namen sagten ihm etwas, manche waren neu für ihn und würden im Laufe des Tages in die entsprechenden geistigen Schubladen fallen. Schließlich erhob er sich nachdem sich der Zwerg namens Xorgolosch  vorgestellt hatte. "Rondra zum Gruße Herr Greifax. Leomar von Weidenthal, Ritter des Tals und Junker des Edlengut Weidenthal aus der Baronie Schnakensee. Es ist mir eine Ehre heute hier sein zu dürfen und danke euch für diese Einladung. Möge Travia ihre schützende Hand über dieses Treffen unter Freunden halten.” Er lächelte kurz in die Runde. "Und auf die neuen Bekanntschaften die wir hier schließen können.” Schloss er nach  einem kurzen Moment.

Nach den ersten Worten Oldebors erhob Farold von Eychstädt feierlich seinen Bierkrug und nahm einen tiefen Schluck. Danach musterte er die illustre Runde mit ernstem Blick. Als er Irminella von Eberbach entdeckte, erwiderte er lächelnd ihr freundliches Nicken. Tommelsbeuge war also nicht schlecht vertreten. Sein dunkles Haar sah etwas zerzaust aus, während die blauen Augen eine tiefe Ruhe ausstrahlten. Farold war ziemlich gespannt auf den Grund der Einladung auf das Greifaxer Junkergut, schließlich hatte sich hier ein stattliches Aufgebot an Gratenfelser RitterInnen versammelt. Ihm waren zwar nicht alle Gesichter bekannt, doch konnte er glücklicherweise die Wappen einordnen.  ‘Vielleicht frage ich Thimorn nachher ein wenig ab‘, dachte Farold. Er war sich allerdings sicher, dass sein Knappe die meisten Wappen auf Anhieb erkennen würde, schließlich stand Thimorn von Hauerberg kurz vor der Schwertleite. Auf seinem Platz hinter dem Ritter stand der junge, aber dennoch großgewachsene Knappe bereit die Wünsche seines Schwertvaters zu erfüllen. Stumm, fast etwas eingeschüchtert lies Thimorn von Hauerberg seine wachen Augen durch die vielen unbekannten Gesichter schweifen und verglich sie mit seinen Vorstellungen von Helden aus Geschichten, denen er in seiner Kindheit nur allzu gerne gelauscht hatte. Damals war es nichts als ein Traum gewesen, einmal als Ritter an so einer Versammlung teilzunehmen, Kriegsrat zu halten und dann gemeinsam gegen dunkle Mächte zu ziehen. Und jetzt saß er tatsächlich hier unter Rittern, Edlen und Geweihten. Zwar nur Knappe, aber das spielte für ihn kaum eine Rolle. Trotz seiner Unsicherheit war ihm sein Stolz anzumerken. Den ganzen letzten Tag hatte er damit zugebracht, seine und die Ausrüstung seines Schwertvaters auf Hochglanz zu polieren und tatsächlich gab es an Kettenhemd, dem Rock mit dem Wappen seines jungen Hauses und dem Knaben selbst keinen sichtbaren Makel. Er versuchte sich so wenig wie möglich von seinem knurrenden Magen ablenken zu lassen, während er gespannt auf die weiteren Worte des Gastgebers lauschte. Am hinteren Ende der Tafel saß Jorik, gekleidet in eine weiße schlichte Leinenweste, unter die er eine Tunika aus perainegrün gefärbtem Leinen druntergezogen hatte. Das schwarze lang gewellte Haar lag locker über Stirn und Seiten und verlieh dem jungen Mann ein legeres aber dennoch gepflegtes Äußeres. Die tiefbraunen Augen waren gerahmt von sorgsam gestutzten schwarzen Brauen. Eine helle weiße Leinenhose und braune flache Schuhe rundeten die schlichte städtische Gestalt ab, und auch ansonsten war der junge Mann eher von jener durchschnittlichen Statur, die man häufig in den Städten des Mittelreiches antrifft. Mit seinen eindreiviertel Schritt war Jorik offenbar einer der kleineren Teilnehmer des heutigen Abends, aber das störte ihn nicht weiter. Sie waren schließlich alle aus dem selben Grund hier. "Na dann, zum Wohle!", wünschte Jorik den Anwesenden mit süßlicher Stimme. Dabei ließ er den Kelch einmal andeutungsweise kreisen, wobei er den hohen Leuten und deren Bediensteten ein freundliches Lächeln schenkte. Als sein Blick die junge Knappin des Herrn von Eisenfels streifte, schenkte er ihr ein kurzes Nicken. ‘Eine so junge Dame unter all diesen hohen Damen und Herren. Interessant.’, dachte er bei sich. Jorik schätzte das Bodenständige am Leben, und die junge Dame bildete einen spannenden Kontrast innerhalb der wohlgeborenen Gesellschaft. Zuletzt bedachte er den Junker mit einem tiefen und langen Blick in die Augen, bevor er den Kelch an die Lippen führte. Je länger das höfliche Gespräch zwischen den Anwesenden dauerte, desto Neugieriger uns Ungeduldiger wurde Fulco. Er beteiligte sich zwar höflich am Gespräch mit seinen Tischnachbarn, aber er war nur begrenzt mit den Gedanken bei der Sache. Was wollte Oldebor nun genau von dieser versammelten illustren Gesellschaft? Nun lumpen lassen hatte sich der Gastgeber nicht, es wurde gut aufgetischt. Fulco beobachtet weiterhin die Anwesenden mit großem Interesse. Wenn er sich nicht sehr täuschte, ging es einigen der Anwesenden ebenso wie ihm.  

Direkt neben Fulco von Kranickteich saß ein schmächtiger junger Bursche mit kurzem, lockigem braunen Haar, der wohl gerade einmal die 20 Götterläufe gesehen haben musste, und knetete aufgeregt seine Hände. Er trug eine hochgeschlossene Weste aus dunklem, rauhem Wildleder, die vorne mit Schnallen geschlossen wurde und hier und da mit Nieten aus Messing verziert gewesen ist. Darunter lugte ein dunkelgrünes Hemd mit langen Ärmeln hervor. Als der junge Bursche den Saal einige Minuten zuvor betrat, einen hölzernen Gehstock in der Hand, schien er freudig überrascht, in der Runde Fulco von Kranickteich zu erspähen. Mit einem lauten: “Onkel Fulco!”, setzte er sich humpelnd in dessen Richtung in Bewegung, das rechte Bein nur hinkend, und die metallene Spitze seines Gehstocks hinterließ klackende Geräusche auf dem Holzboden. Während er sich seinem Ziel näherte, wich die Freude aus seinem Gesicht und sein Kopf lief hochrot an. Den Blick noch immer auf den Edlen von Kranickteich gerichtet, setzte der Junge stammelnd hinzu: “Ähm…äh…Euer Wohlgeboren, es freut mich, euch zu sehen!”, und verneigte sich kurz vor seinem Gegenüber, der ihn freudig in die Arme schloss. Nach der innigen Begrüßung nahm Ulfried von Argenklamm direkt neben dem Edlen von Kranickteich Platz und musterte unsicher die anwesenden Personen, ihren Blicken wich er jedoch aus. Lediglich Oldebor schien er, ob bewusst oder nicht, kaum wahrzunehmen.

Krispinian von Tsawalden, Edler zu Dunkelstein, erhob sein Glas auf die Worte Oldebors. Dem etwa 40 Götterläufe zählenden, groß gewachsenen Mann mit hellbraunem, lichter werdendem Haar sah man auf den ersten Blick an, dass er im Gegensatz zu anderen Teilnehmern nicht der Rondra diente: In einfache, aber edle Kleidung gehüllt nahm er an der Tafel Platz.  Aus einer Familie stammend, die in Gratenfels seit Generationen treu als ministeriale Verwalter gedient hatten, war er voller Freude zu diesem Treffen gereist: Endlich wurde seiner Familie die Ehre zuteil, auf die schon sein Großvater gewartet hatte! Krispinian nickte allen Anwesenden freundlich zu, insbesondere seinen alten Jugendfreund Rondragon von Spiegelberg begrüßte er herzlich lächelnd, ebenso Wolfmar von Wildklamm und Fulco von Kranickteich, einen seiner direkten Nachbarn. 

Der Auftrag

“Ich begrüße euch hier in meiner bescheidenen Halle.” Die Augen des Junkers blitzten, als er die Versammelten musterte und auf die einzelnen Grüße jeweils mit einem Nicken antwortete.  “Der Grund, weshalb wir uns hier versammelt haben, ist delikater Natur. Darum erwarte ich, dass alles, was wir heute hier an diesem Ort besprechen, strikt sub rosa bleibt.” Er blickte in die Gesichter der Versammelten und setzte hinzu. “Unter dem Siegel der Verschwiegenheit von Rahjas Rose. So ihr dies nicht einzuhalten vermögt oder wünscht, steht es euch frei, jetzt zu gehen.”

„Ich verstehe!“ Amüsiert strich sich Xorgolosch Sohn des Fuldoram über den schwarzen, von drei schlichten Metallklemmen gehaltenen Bart. „Ich denke, ich spreche nicht nur für mich, wenn ich sage, dass wir den weiten Weg auf Euer einladendes Anwesen nicht für einen Happen Schinken und ein gutes Gesöff angetreten haben. Ich gab Euch einst mein Wort, also bleibe ich und stehe Euch bei!“ An seinen Tischnachbarn Gorthak Sohn des Glorinthax gewandt fügte er mit zusammengebissenen Zähnen ein um Ernstheit bemühtes: „Wenn es ihm um Angelegenheiten der Norgamasch geht – warum schreibt er das nicht vorher? Ich hätte meinen Stollentreiberkoffer mitgebracht.“ hinzu.

Der angesprochene lehnte sich leicht und langsam zu seinem Nachbarn herüber. Auf Rogolan und so leise, dass es nur Xorgolosch hören konnte antwortete Gorthak “Willst Du sie ein- oder ausgraben?” Danach lehnte er sich wieder entspannt zurück und harrte der weiteren Ansprache des Gastgebers, die ohne Zweifel kommen musste. Der Edle von Erzwacht schmunzelte, verzog die Mundwinkel dann anzüglich und richtete seine Aufmerksamkeit mit einer beiläufigen aber eindeutigen Geste seiner Interpretation von Oldebors Rahjabezug wieder der Tafelrunde zu.

Leomar nickte zur Bestätigung. Es war zu erwarten gewesen dass es um etwas … Diskretes gehen würde. Er hatte diese Vermutung seit er die Einladung erhalten hatte. "Mein Wort habt ihr."  Als er sich wieder setzte glitt der Blick über den Tisch und stoppte bei jedem der anwesenden kurz.  Dann wartete er darauf, dass der Gastgeber fortfahren würde.

Thimorn hatte schon seinen Mund geöffnet, biss sich aber gerade noch im rechten Moment auf die Lippen. Es war nicht an ihm jetzt zu sprechen. Auch wenn der Junker von Neukrashof auch nach dem Hause Hauerberg geschickt hatte, war er doch der Knappe des Hohen Herrn von Eychstädt. Neugierig fixierte er den erfahrenen Ritter. Er würde schon wissen, wie man den Worten ihres Gastgebers angemessen begegnen sollte. 

Ulfried blickte sich hilfesuchend im Saal um und musterte die Anwesenden flüchtig. Selbstverständlich wäre es für ihn kein Problem, eine delikate Angelegenheit nicht gleich mit seiner Familie zu besprechen, doch was, wenn die Angelegenheit nicht nur delikat, sondern sogar so brisant wäre, dass deren Verheimlichen einen Verstoß gegen seine Lehenspflichten gleich käme? Er schloss für einen Moment die Augen, senkte seinen Kopf und dachte angestrengt nach. Er brauchte Klarheit. Doch käme es nicht einem Affront gleich, wenn er jetzt begänne, Bedingungen zu stellen? Ihm wurde heiß und kalt zugleich. ‘Fulco muss eine Lösung haben!’, schoss es ihm durch den Kopf und er blickte nach links zu dem alten Freund seiner Familie.

Fulco hörte aufmerksam zu. Endlich kam der alte Haudegen zur Sache. Er bemerkte die wachsende Unsicherheit von Ulfried und versuchte ihm beruhigende Blicke zu zu werfen, er machte eine beruhigende Geste in Richtung des jungen Mannes.  ’So schlimm kann es ja nicht werden, es sind Diener der Götter anwesend‘ dachte er sich. Zudem war er viel zu Neugierig um jetzt die Hallen zu verlassen. Dazu gab es immer noch Gelegenheit. Dass es sich um etwas von Brisanz handeln musste, war bei der Art der Einladung ja schon klar gewesen. Fulco hob seinen Becher prostete dem Gastgeber zu und antwortete “Meine Verschwiegenheit sei euch gewiß.” 

Nach diesen Worten richtete Farold den Blick von seinem Bierkrug auf zu Oldebor. Seine Augen fixierten den alten Junker nahezu regungslos.  ‚Eine Angelegenheit, die Diskretion verlangt? Das verspricht interessant zu werden’, dachte Farold. Das Ansuchen eines alten Greifax könne man ohnehin nicht so leicht ablehnen, sinnierte der Ritter weiter. Er blieb sitzen und nickte lächelnd.

Die aufmunternden Blicke von Ritter Fulco und die Entschlossenheit, mit welcher dieser seine Verschwiegenheit versprach, ließen auch in Ulfried die Zweifel weichen. Er blickte, erstmals seit er an dieser Tafel saß, direkt zu Oldebor Greifax, und pflichtete nickend bei: “Selbstverständlich habt ihr auch mein Wort!”

Jorik setzte wie schon zuvor sein gewinnendstes Lächeln auf und sah zu dem Junker herüber. Statt diesem in aller Schwurform seine Verschwiegenheit zuzusichern, wie es die Hohen Rittersmänner und -damen taten, nahm er lediglich einen Schluck und schaute ihn weiter erwartungsvoll an. In Gedanken amüsierte sich der junge Mann aufs Herzlichste. Er fragte sich, welche Konsequenzen Oldebor sich wohl der versammelten Mannschaft gegenüber vorbehielte, wenn diese jetzt einfach den Tisch verlassen und gehen würde.

Wolfmar von Wildklamm nickte Rondragon von Spiegelberg und Krispinian von Tsawalden zu und nach den letzten Worten von Oldebor Greifax, nahm der Ritter langsam einen kräftigen Schluck aus seinen Becher und schaute dabei spähend über den Becherrand, wie die anderen Gäste sich benahmen oder sich gar äußerten. Dann stellte der Ritter den Becher ab und inspizierte das Angebot an Speisen und nahm sich vom köstlich duftenden Bauernbrot, Schmalz und Schinken. Erst als er sich sein Brot belegte, wandte Wolfmar seinen Kopf in Richtung des Gastgebers: “Um Diskretion bitten, ist das Recht eines jeden. Dem Wunsch gewähre ich.” sagte er.

Als Eblaus das Wort “Verschwiegenheit” vernahm, drehte er sich kurz von seinem Fenster weg und setzte dazu an, dem Junker ins Wort zu fallen. Seine rechte Hand zaghaft erhoben tönte nur ein “Also…”, dann aber zuckte er mit den Schultern und blickte wieder hinaus ins Licht.

Irminella hatte aufmerksam zugehört und nahm ihren Weinbecher erneut auf und führte ihn an ihre Lippen. Während sie in kleinen Schlucken trank, blickte sie über den Becherrand und taxierte Farold von Eychstädt für einige Herzschläge. Dann setzte sie den Becher wieder ab und lehnte sich das erste Mal an diesem Abend zurück, um ihrer Zustimmung Ausdruck zu verleihen. 

Leodegar rückte mit zwei vorsichtigen Schritten näher an die Versammelten und ließ mit seinem ruhigen Bariton vernehmen: "Bei Rondra und ihrer Schwester der Schönen Göttin, Eure Geheimnisse werde ich treu wahren Greif-", die Stirn legte sich kurz in Falten als er sich verlegen an die Gepflogenheiten der Anrede erinnerte,"ich meine, Wohlgeboren."

"Ihr habt das Wort von Haus Tsawalden, Eure Worte werden außerhalb dieses Raums ungehört bleiben."  Nachdem Krispinian von Tsawalden das Wort ergriff, sah er sich in der Runde um. Meist wandten sich die Augen der Anwesenden ihm zu, wenn er die Stimme erhob. Er war dies gewohnt - eine Folge seiner wohlklingenden, tiefen Stimme.  "Wir alle hier sind begierig darauf, was Ihr uns berichten wollt." Krispinian erhob sein Glas in die Runde und nahm wieder Platz.  'War klar, dass diese Einladung nicht ohne Motiv erfolgte' , dachte sich Krispinian und kniff die Augen zusammen. Als er dem Blick seines alten Freundes Rondragon von Spiegelberg begegnete erkannte er, dass dieser wohl Ähnliches dachte.  ‘Rondragon ist eher ein Mann der Tat und ich ein Mann der Worte’, dachte sich Krispinian lächelnd. ‘Ich werde unmittelbar nach diesem Treffen eine Einladung an ihn aussprechen.’ 

Fulco musste aufgrund der Reaktion des Geweihten des Götterfürsten kurz schmunzeln, hatte sich aber schnell wieder im Griff. Es freute ihn, dass er Ulfried fürs erste  ein wenig seiner Nervosität nehmen konnte. Er ließ die Blicke weiter im Raum umherschweifen, um die Reaktionen der anderen Edlen aufzunehmen. Wenn Oldebor endlich mit der Sprache rausrückte, muste er sich mal wirklich mit Ulfried austauschen, sie hatten sich ja eine ganze Zeit nicht gesehen. Zudem Interessiert ihn die Meinung des intelligenten jungen Mannes.  Gleichzeitig würder er sich - je nach Art der Bitte des Gastgebers - gerne mit den anderen Edlen aus seiner Baronie besprechen.  

“Bei der Leuin, so soll es sein” Rondragon Stimme klang fest und bestimmend.

Mittlerweile hatte auch Lysander Quintin seinen Becher erhoben und nickte in Richtung Oldebor.  “So wahr ich hier stehe und Lysander Quintin von Eisenfels heiße, Ihr könnt auch mich zählen! Und seid Euch meiner Verschwiegenheit gewiss!”  Ein Plappermaul war der Hohe Herr Lysander schließlich noch nie!

Oldebor betrachtet seine Gäste mit schmalen Augen und nickte, nicht unzufrieden, wie sich die Dinge bis dahin entwickelt hatte. Zumindest ein Gutes - die gesamte Situation war zerfahren genug. “Ich benötige Eure Hilfe in der Wiederbeschaffung einer Rüstung, die mir abhanden gekommen ist.”  Er ließ seinen Blick über die Gesichter der Anwesenden schweifen und erfuhr die gesamte Bandbreite von erstauntem Unglauben bis wachem Interesse. “Es ist eine Rüstung, die mir vom Grafen für eine spezielle Sache anvertraut wurde. Hlûthars Rüstung.” Die Rüstung des Heiligen Hlûthar, des Rondraheiligen der Nordmarken, war nicht nur ein heiliges Artefakt der Kirche der Leuin, sondern auch sehr pragmatisch ein Insignium des Landgrafen von Gratenfels, das der jeweilige Amtsinhaber trug. Es hieß, die Rüstung solle vor Drachenodem und Magie schützen, bekannt war, dass sie vor Urzeiten von Zwergen gefertigt worden war.

"Die Rüstung des Heiligen Hlûthar ist …", murmelte Irminella in einer Lautstärke, die wohl nur ihre direkten Sitznachbarn hatten vernehmen können. Sogleich ging ein Ruck durch ihren Körper und sie saß wieder aufrecht. "Es wird mir Privileg und Ehre zugleich sein, meinen Teil bei der Wiederbeschaffung dies Heiligen Artefaktes zu leisten, Euer Wohlgeboren!"  Anschließend blickt sie voller Erwartung in die Gesichter der übrigen Anwesenden, allen voran in das Herrat von Bauernfeinds.

“Tss”, schnaubte die große, breitschultrige Frau und tapste von einem Fuß auf den anderen.

Jorik stieß einen leisen Pfiff aus und nickte anerkennend. Dies war tatsächlich ein würdiger Grund, eine solch mächtige Runde einzuberufen, und diese dann natürlich auch zum Stillschweigen zu verdonnern. Er hätte zuvor vielleicht noch mit einem Wassergoldkleinod aus der Mitgift der Edlen Dame gerechnet, oder mit einem Stück edlen tulamidischen Mobiliars. Aber mit der Rüstung eines Heiligen? Noch dazu Einen der Rondra? Im Leben nicht.

“Abhanden gekommen? Euer Wohlgeboren? Oder meint ihr, dass die Rüstung gestohlen wurde?” Wolfmar reagierte direkt auf die Worte Oldebors. “Selbstverständlich werde ich meinen Teil dazu beitragen die Rüstung an ihren heimischen Platz wieder zurück zu bringen. Sagt uns, wie können wir alle…” Wolfmar zeigte in die große Runde  “...dazu beitragen? Aus was besteht die Rüstung des Heiligen Hlûthar? Gibt es eine Zeichnung davon? Habt ihr bereits Hinweise? Habt ihr einen konkreten Plan?”

Der Handwerksmeister mit dem Kelch in der Hand, vermutlich irgendein ein gelehrter Mann mit einem für Junker Oldebor Greifax interessantem Wissen, der sein Nicken in die Richtung des Hauses von Eisenfels und, dahinter, auch in die Richtung des Hauses von Graupen richtete, erntete ihrerseits, gefolgt von einem undurchschaubaren Zögern, ein kurzes dem Anstand entsprechendes Nicken durch den Adelssprössling bevor sie ihren Blick baldig von ihm abwandte, um ihre Aufmerksamkeit dem Junker Oldebor Greifax selbst zu widmen. Jetzt wurden ihre Augen groß! Peranna war sehr schlecht darin ihre Emotionen zu verbergen und das Lügen lag ihr auch nicht, daher lag ein plötzliches gewisses Glitzern des Übermutes in ihren Augen als der Junker vom Neukrashof eine ‘delikate Angelegenheit’ versprach. Natürlich hoffte sie noch mehr zu erfahren! Wenn es jetzt nach ihr gegangen wäre, doch das ging es nun einmal nicht, hätte sie sofort Verschwiegenheit in dieser Sache versprochen, denn die Knappin hatte einen gewissen Hang dazu sich aus Hilfsbereitschaft heraus in Schwierigkeiten zu bringen. Doch die Geweihten des Praios und der Rondra waren ja da, um für Recht und Ordnung zu sorgen, daher sah sie keinen Grund, dass ihr Vetter sowie Dienstherr anders handelte als sie dachte, das hoffte sie sehr. Sie würde jetzt das Fest höchst ungerne verlassen. Denn wie sie hörte, ging es um nichts Minderes als die Wiederbeschaffung der Rüstung des Heiligen Hlûthar, des Rondraheiligen der Nordmarken … Das erklärte auch die Anwesenheit der beiden Geweihten, der Rondra und des Praios. Abenteuerlustig biss sich Peranna auf die Unterlippe, denn sagen durfte sie ja nichts. Dies versprach ein Abenteuer zu werden. Die Rüstung gehörte zurück. Das Pfeifen und Murmeln so mancher im Saal drang an ihre Ohren. Sie staunte. Sie wollte ihren Teil beitragen. Der Hohe Herr Lysander konnte nur sein Interesse dazu bekunden. Sie schaute den glatten blonden Hinterkopf des großen Adeligen an, der in etwa elf Lenze mehr als sie zählte und dachte: ‘Er musste einfach helfen’.  Sie fand ihn noch etwas schwer zu deuten. Manchmal war er so verschwiegen im Gegensatz zu ihr, die ihre Meinung stets ohne Hehl mit sich trug, dass sie dachte, ihr Körper wollte einfach nicht lügen.

Fulco pfiff leise durch die Lippen … Das war es also … Oldebor hatte die Rüstung des Heiligen vom Grafen zur Aufbewahrung erhalten und sie war ihm - wahrscheinlich - gestohlen worden. Interessant … ’Ob der Graf dies wusste? ’  Oldebor musste wahrlich nervös sein … Nun gut, das war nicht seine Angelegenheit.Er lächelte kurz und ermunternd zu Ulfried.  Die Rüstung zurückzuholen war eine der Rondra Gefällige Tat, hier zu Unterstützen war heilige Pflicht. ’Wer weiß, welch unheilige Gedanken hinter der Tat stehen, wer die Rüstung jetzt in Händen hält. Wo möglich Anhänger des Rattenkindes.’ Bei diesem Gedanke verzog Fulco kurz das Gesicht zu einem grimmigen Ausdruck. Er beugte sich kurz zu Ulfried und sprach leise zu ihm “Das wird noch interessant hier.”  Dann hob er die Stimme an und sprach in Richtung des Gastgebers “Auch  meiner Unterstützung in dieser Sache sei Euch gewiss.  Der hohe Herr zu  Wildklamm hat die Fragen gestellt, die auch mir in den Sinn kamen bei Eurer Ausführung.“ Hier nickte er kurz dem Ritter von Wildklamm zu. Fulco hob seinen Becher an den Mund und wandte sich erneut dem Gastgeber zu, interessiert an den Antworten die Oldebar auf die Fragen erwidern würde. 

Wie konnte ihm nur solch eine Schande passieren. Rondragon schüttelte in Gedanken den Kopf. Gestohlen ? Sein Gesicht entgleiste bei diesem Gedanken.  Mit fester Stimme im rechten Moment sprach Rondragon von Spiegelberg “Euer Wohlgeboren, mein Schwertarm gehört Euch. Allerdings fehlen mir … uns … wichtige Details!”

Der Ritter des Tals hörte ersteinmal zu und wartete den aufbrausenden Sturm ab. Dann Meldete sich Leomar zu Wort und erhob sich. “Bei Rondra wird es mir eine Ehre sein euch zu helfen.” Die Ritter de Tals waren immer schon sehr Rondragläubig und mit einem Geweihten in der Familie war das auch ein wenig Ehrensache. “Könnt ihr uns mehr darüber erzählen? Ich denke es wird nicht eine aufrechte Seele in dieser Halle geben die euch nicht helfen will!” Zur Bekräftigung hieb er noch einmal auf den Tisch bevor er sich setzte.  

Krispinian von Tsawalden, Edler von Dunkelstein, hob erstaunt seine linke Augenbraue. Dieses Treffen nahm eine erstaunliche Wendung! Hesinde wohlgefällig nahm er sich die Zeit, die Reaktionen der anderen Teilnehmer zu beobachten und deren Worte einzuordnen.  'Eine illustre Schar, die sich hier versammelt hat. Ich glaube, hier könnten sich gleich mehrere interessante Gelegenheiten ergeben, dem Herrn Phex wird' s gefallen.' Krispinian nickte Rondragon vielsagend zu, nahm einen Schluck aus seinem Glas, hörte weiter aufmerksam zu und betrachtete die beiden Geweihten eingehend. 

‘Die Rüstung des Heiligen Hlûthar also …‘, Farold runzelte besorgt die Stirn. Sollte auch nur ein Wort davon an die Öffentlichkeit gelangen … Sollte die Rüstung nicht wieder auftauchen … Die Grafenfamilie … Gratenfels … Farold wischte sich mit der Hand über das Gesicht, um wieder einen klaren Gedanken fassen zu können. Was für eine Schande. Nun verstand er das Drängen Oldebors auf äußerste Diskretion. Dieser Vorfall schrie nach Gerechtigkeit und Sühne. Sichtlich erregt erhob sich Farold und sprach: “Als Vertreter des Hauses von Eychstädt und des Hauses von Hauerberg” - dabei nickte er seinem Knappen Thimorn zu - “stehen wir geschlossen hinter euch und der Grafenfamilie. Seid euch unserer Hilfe gewiss.” Mit einem ergebenen Nicken, nahm Farold wieder Platz und wartete mit zusammengezogenen Augenbrauen auf die Antworten Oldebors.

“Bei Rondra!” Entfuhr es Thimorn, der sich rasch wieder an seinen Platz in dieser hohen Gesellschaft erinnerte und den Mund hielt. Natürlich kannte er Geschichten über die Rüstung. Bei ihrer Wiederbeschaffung zu Helfen war eine große Ehre, eine größere konnte er sich im Moment kaum ausmalen. Und diese wollte er nicht auf Spiel setzen, weil er nicht in der Lage war seine Fassung zu wahren. Dankbar nickte er Faldor zu, nachdem dieser sein Haus erwähnt hatte. Für den Moment konnte er nichts tun als zuzuhören, die Zeit für Heldentaten würde sicher noch kommen.

‘Das war wieder einmal typisch für die Langbeiner. Da erhalten sie die Ehre, ein solches Meisterwerk zwergischer Kunst besitzen zu dürfen und dann ‘kam es ihnen abhanden’. Aber bei Angrosch, was will man von diesen Kindern auch schon anderes erwarten?’ Die entstandene Pause, welche durch die Schwüre der Anwesenden entstand nutzte Gorthak um sich erneut in Rogolan an Xorgolosch zu wenden.  “Der Junker erhält eine Rüstung, die gegen diese verfluchten Drachen schützt und dann ist sie ihm abhanden gekommen. Das klingt eindeutig nach Drachenwerk. Es scheint, als müssten wir etwas tun. Ka roboschan hortiman Angroschin!”

„Das will ich meinen, garoscho, so wahr ich der Sohn des Fuldoram bin!“, pflichtete der Jüngere seinem isenhager Landsmann in der rumpelnd-knirrschenden Zwergensprache bei. „Ein abhandenes Rad im Weltenmechanismus. Das Väterchen muss uns gesandt haben, das Getriebe wieder ins Laufen zu bringen! Ganz wie es Barox vermutet hat.“ Xorgoloschs Wangen glühten, die grauen Augen schimmerten ergriffen. Mit bebender Stimme schob er ins Garethi wechselnd nach, so dass seine Worte auch von nicht des Rogolan Mächtigen verstanden werden konnten: „Waren es nicht die Ehrwürdigen Großmeister Aurin und Raurin, die dieses legendäre Bollwerk gegen die Drachenmacht einst fertigten? Und muss das nicht exakt 8 und 8 Generationen her sein?“

Rondragon suchte die Blicke von Krispinian von Tsawalden, Fulco von Kranickteich, Wolfmar von Wildklamm und Leodegar von Aelgarsfels und nickte ihnen zu.

Eigentlich wollte Lysander gerade seinen Becher zum Mund führen, nachdem er nun erfahren hatte, um was es gerade ging, hielt er inne, seine Stirn legte sich in Falten, er wirkte jedoch nicht wirklich grimmig, eher nachdenklich und hielt es für den Moment nicht für nötig, selbst eine Frage zu stellen, da dies schon von anderer Seite getan wurde. Nach einem kurzen Blick zu Peranna, seiner Knappin, nahm er einen Schluck und schaute zu Oldebor, in Erwartung, dieser möge doch mit mehr Informationen rausrücken, die bisherigen waren dann doch etwas dürftig! Und eines ist völlig klar, ein solcher Frevel musste gesühnt werden, keine Frage! 

Diese Information musste Ulfried erst einmal sacken lassen. Während sich um ihn herum die meisten der Anwesenden in Erstaunen, Erschrecken, ja Fassungslosigkeit übten und die ersten Treuebekenntnisse und Unterstützungszusagen verkündet wurden, hörte Ulfried nur das Rauschen seines eigenen Blutes in seinen Ohren. Die Rüstung des Heiligen Hlûthar! Eine der wichtigsten Reliquien, die er überhaupt kannte, wurde mutmaßlich gestohlen. Vor über einem Mond wahrscheinlich, denn die Einladung hatte er bereits vor über zwei Wochen verfasst. Wer wäre zu so etwas fähig? So oder so, man würde es herausfinden. Ulfried schwoll stolz die Brust. Kann er sich eine wichtigere Aufgabe vorstellen? Und er, Ulfried Tommeldan von Argenklamm, wurde von Oldebor Greifax damit bedacht, das Verschwinden der Rüstung aufzuklären! Nicht seine Baronin saß hier mit am Tisch, sondern er. Er verdrängte den Gedanken, dass er es dem Ruf seines Vater zu verdanken haben könnte, überhaupt hier zu sein. Nur dieser Moment zählte für ihn und die Gelegenheit, sich vor den Augen der Götter zu beweisen. Entschlossen blickte er sich um und konnte bei den meisten der Anwesenden eine ebensolche Entschlossenheit entdecken.

Eine Rüstung mehr oder weniger

Der Junker von Neukrashof sortierte gedanklich die Anfragen seiner aufgebrachten Gäste - auch wenn gesagt werden musste, dass sich diese deutlich besser im Griff hatten als er selbst, als ihm die Nachricht überbracht wurde. Da die Fragen jedoch deutlich in den Gesichtern der versammelt Adligen standen, holte er weiter aus. “Hlûthars Rüstung stammt aus der Werkstatt der zwergischen Meisterschmiede Aurin und Raurin. Der Heilige selbst trug sie jedoch nie, da er vor ihrer Vollendung verstarb. So kam die Rüstung in den Besitz des Hauses Greifax und damit der Landgrafen von Gratenfels und wurde, wie das Hlûtharssiegel, zu einem der Grafeninsignien. Der Graf von Gratenfels, Alrik Custodias-Greifax, mein Vetter, plant die Hlûtharsrüstung zu einem Empfang am ersten Peraine in Gratenfels zu tragen.” In nicht ganz zwei Wochen. “Allerdings war einer der Verschlüsse defekt. Er hat die Rüstung mir zu treuen Händen übergeben. In Erzenschöffer, einem Dorf in der Nähe meines Gutes, gibt es einen zwergischen Schmiedemeister, der in der Lage ist, diese Arbeit auszuführen. Hiervon gibt es selbst unter den Angroschim der Nordmarken nicht viele. Dort ist sie gestohlen worden.” Der Krieger mit den kurzen, dunkelbraunen Haaren, die sich an den Schläfen schon großzügig ins Silber verfärbt hatten, runzelte unwillig die Stirn, trank einen tiefen Schluck aus seinem Weinkelch und hieb diesen deutlich lauter als nötig auf seinen Tisch. “Die Rüstung wurde vor gut drei Wochen geraubt - der Zwergenschmied Ferrombarosch, Sohn des Gerambolosch hat mir eine Nachricht geschickt.  Sie war fertig und hätte abgeholt werden können, so hieß es - doch als meine Leute vor Ort ankamen, war die Rüstung bereits fort. Meine Leute haben den Schmied und die Dörfler befragt, aber nichts Greifbares herausgefunden. Es kamen wohl einige Reisende durch Erzenschöffer, was aber nicht verwunderlich ist.” Oldebor schnaubte ungehalten. “Ich habe dem Schmied Stillschweigen über den Vorfall befohlen, um einen Eklat zu vermeiden. Die faule Büttelin dort ist nicht in der Lage, die Spur des Diebes zu finden.” Er holte tief Luft, knackte mit den Gelenken seiner geballten Faust und seine dunklen Brauen zogen sich drohend zusammen, ehe er mit einem unwirschen Kopfschütteln diese Gedanken  davonwischte. “Wenn ich die Garde in Bewegung setze, erfährt der Graf davon. Dies müssen wir vermeiden. Nehmt euch der Sache an - und bringt mir die Rüstung rechtzeitig zurück.”

Trotz der Situation musste Leomar ein wenig lächeln. Die Augen blitzten ein wenig.  Das klang aufregender als er gedacht hätte. Er wusste nur zu gut was eine gut organisierte Diebesbande schaffen konnte, hatte er vor ein paar Wochen nicht selbst noch ähnliche Probleme gehabt. Innerlich ging er die Karte der Region durch und schaute sich am Tisch um. " Was könnt ihr über dieses Dorf erzählen? Ansonsten schlage ich vor das wir nicht allzu lange trödeln. Drei Wochen sind lang genug um zu entkommen, es wird schwierig genug die Spur aufzunehmen."

Ulfried schnaufte durch und hob die Augenbrauen. Selbstverständlich war ihm bereits vor den Schilderungen bewusst, dass die Reliquie gestohlen worden war, aber den ganzen Ablauf aus dem Munde des Edlen zu hören, hinterließ einen Knoten in seinem Magen. Wer konnte es wagen, sich so an dem Adel und den Göttern zu vergehen? Alles an dieser Tat schien unrichtig, schrie danach, das Vergehen eines zutiefst verkommenen Geistes zu sein. Ulfried schluckte. Wie sollte ausgerechnet er dem Edlen dabei dienlich sein können, die Rüstung zurück zu erhalten? Sollte er humpelnd durch die Grafschaft eilen - wahrscheinlich war der Dieb, oder die Diebe, wie er sich in Gedanken korrigierte bereits weit über alle Berge - und Befragungen anstellen? Was könnte er tun, was nicht ein Trupp Bewaffneter oder vielleicht sogar ein Inquisitor viel besser könnte? Doch auch, wenn er wahrscheinlich vollkommen nutzlos wäre, alleine, dass man ihn eingeladen und eingeweiht hatte, hinterließ ein Gefühl des Stolzes in ihm. Was auch immer er tun könnte, er würde es tun! Beinahe schon ungeduldig und übereifrig, blickte er nach links zu Fulco von Kranickteich und wartete auf dessen Reaktion. Mit Vorfreude nickte Ulfried dem fünfzehn Götterläufen älteren Ritter an, ganz so, als woll er ihn zum Aufbruch drängen.

‘Bei den Göttern, was für eine dramatische Entwicklung dieses Treffens!’ Krispinian von Tsawalden, Edler von Dunkelstein, wartete eine kurze Pause der Redner ab und warf dann ein:  “Euer Wohlgeboren, Ihr habt recht: Diese Sache verlangt nach schneller Aufklärung, aber ebenso nach äußerster Diskretion. Ich bin mir sicher, dass man vor Ort mit den richtigen Fragen etwas Greifbareres als Eure Leute herausfinden kann. Ich bin kein Mann des Schwerts wie viele der Anwesenden hier; aber ich vermag die richtigen Fragen an der richtigen Stelle zu stellen. Wenn wir mit einer kleinen Schar unter einem Vorwand unauffällig nach Erzenschöffer reisen, werden wir Licht ins Dunkle bringen, bei Praios!”

Farold von Eychstädt lauschte ungläubig den Worten Oldebors und ballte seine Fäuste, während er einen unbändigen  Zorn in seiner Magengrube spürte. “Um Praios Willen, eine ungeheuerliche Tat!”, entfuhr es dem Ritter. Um sich zu beruhigen, nippte er an seinem Bier und vernahm die Worte Leomars und Krispinians. “Es ist gut, dass wir eine so große Gruppe sind”, begann er etwas entspannter. “Das gibt uns die Möglichkeit an mehreren Orten gleichzeitig zu suchen. Doch sollten wir uns möglicherweise zunächst einen Eindruck vom Ort des Geschehens selbst verschaffen?” Nachdenklich strich er sich über das Kinn. “Naja, wahrscheinlich wäre es unklug, wenn alle gleichzeitig in Erzenschöffer auftauchen würden …” Mit angestrengtem Blick musterte er die Runde. In seinem Kopf ratterte es.

Krispinian von Tsawalden wandte sich unmittelbar an Farold von Eychstädt nach dessen Worten. “Ihr sprecht klug und wahr. Wir sollten uns in kleine, unauffällige Gruppen aufteilen - und alsbald festlegen, wer welche Aufgabe übernimmt. Denn die Zeit drängt!”

Nachdem Irminella eine Weile grübelnd auf ihrem Stuhl saß, lehnte sie sich nach vorne, die Hände verschränkt auf den Tisch gelegt. "Wir müssen wahrlich bedacht vorgehen. Mir fallen zwei mögliche Motive ein, die solch einer Tat zu Grunde liegen. Entweder möchte jemand Eurem Haus oder Euch persönlich schaden, Euer Wohlgeboren. In diesem Fall ist die Rüstung vermutlich noch in oder um Erzenschöffer zu finden, oder…". Sie machte eine kurze Pause. "Oder sie wollen die Rüstung veräußern, was, gelinde gesagt schwierig bis unmöglich wird. Vor allem hier in den Nordmarken. Um letzteres aber ausschließen zu können, schlage ich schärfere Grenzkontrollen vor. An der Grenze zu Albernia werde ich entsprechendes unter einem Vorwand veranlassen." Dann blickte sie Farold von Eychstädt und Thimorn von Hauerberg an. "Habt Ihr nicht auch Zugang zum Tommel? Und Auroth selbst eine Grenze zu Albernia? Eventuell könnt Ihr ähnliches veranlassen? So könnten wir zumindest in Richtung Albernia den Schmuggel des Heiligen Artefaktes verhindern." Anschließend wandte sie sich Oldebor noch einmal direkt zu: "Dafür bedarf es einer weiteren Vertrauensperson, falls Ihr erlaubt? Ich selbst kann schwerlich erklären, weshalb ich neuerdings Frachten persönlich untersuche."

Farold nickte Irminella Recht gebend zu. “Das Haus Hauerberg wacht über den Fährhof Auroth einer Tommelquerung an der Grenze zu Albernia. Ich bin ein enger Freund des hohen Herrn Ingmar von Hauerberg, der über den Fährhof wacht.” Während Farold dies sagt, drehte er sich lächelnd zu Thimorn seinem Knappen, welcher der Sohn jenes Ingmars war. Dann fuhr er fort: ”Man könnte sicherlich eine Botschaft entsenden, die besagt, dass auffällige Reisende oder Warentransporte genauer begutachtet werden sollten, ohne dabei näher ins Detail zu gehen. Gerüchte über umtriebige Schmugglerbanden bei uns an der Grenze sind nicht selten. Das wäre also nicht allzu auffällig, nicht wahr Thimorn?”

Thimorn war noch in Gedanken über die Ausführungen Oldebors, als er von den beiden angesprochen wurde. Er blickte fragend gen Farold, aber da er direkt angesprochen war, erschien es im nur Recht auch zu Antworten: “Natürlich wird das Haus Hauerberg verhindern, dass die Rüstung über unser Lehen aus dem Herzogtum gebracht wird. So es unser Gastgeber erlaubt, werde ich meinen Vater über die benötigten Maßnahmen informieren. Das wird sicher auch möglich sein, ohne die genauen Gründe zu nennen.” Er atmete auf. Sein Vater war bedauerlicherweise trotz seines Ritterschlages kein großer Anhänger der Leuin und ihres Heiligen. Als Verehrer des Herrn Ingerimm würde er aber sicher erkennen, um was es sich bei der Rüstung handelte, wenn er sie einmal vor sich hatte. “Auch wenn ich fürchte, dass der Weg in den Kosch den Lumpen näher sein wird, als der über die Tommel.” sprach der Knappe seine Befürchtung aus.

Für einige Augenblicke fuhr Lysander mit dem Zeigefinger seiner rechten Hand über den Rand seines Trinkgefäßes, während er in aller Seelenruhe den Beiträgen der versammelten Personen lauschte, ohne sich zu empören, obschon ihm die Tragweite diese Diebstahls völlig klar war! Nachdem schließlich alle ihre Gedanken geäußert hatten, machte auch er sich bemerkbar, seine Stimme klang recht unaufgeregt und angenehm sonor. Seine ersten, nun folgenden, Worte galten Oldebor, dessen Tochter er recht gut kannte, hatten sie doch recht erquickende gemeinsame Tage verbracht, ohne dass man sich näher kommen wollte, was Lysander eindeutig recht war, entsprach das Äußere von Oldebors Tochter nicht wirklich seinem Ideal, was Frauen betraf. Ein wenig zu kräftig, für Lysanders Geschmack!  “Um es kurz zu machen, Euer Wohlgeboren, es müssen kleine Gruppen sein, da stimme ich mit den Anwesenden völlig überein, nennt mir ein Gebiet, dass ich durchkämmen soll, und ich werde alles tun um an Informationen zu gelangen!”   Sein Blick wanderte nun über die Anwesenden. “Wer sich mir anschließen möchte, kann dies gerne tun … oder ich schliesse mich, wem auch immer, an. Es wurde zwar schon gesagt, aber die Zeit drängt wirklich, jetzt sind   Nägel mit Köpfen zu machen, diese Ungeheuerlichkeit schreit geradezu nach Vergeltung!”

Ein Ruck ging durch den seit der Eröffnung des Junkers zur Salzsäule erstarrten Leodegar. "Ich stimme Euer Wohlgeboren von Tsawalden zu, es sollten die wortgewandten unter uns sich der Befragung annehmen. Da ich mich nicht zu diesen zählen kann, würde ich mich einer Gruppe anschließen die den greifbaren Spuren, sei es auch durchs Unterholz, nachgeht." Leodegar hoffte sehr, dass er sich durch sein waidmännisches Geschick auszeichnen konnte. Immerhin vertrat er das Haus zum ersten Mal alleine vor anderen Nordmärker Adligen und er wollte seinem Vater keine Schande bereiten.

Fulco verfolgte die Vorschläge der anderen Edlen gespannt und musste ihnen insgeheim recht geben … kleinere Gruppen machten durchaus Sinn. Fulco erhob sich und setzte an zu sprechen “Wir sollten dabei allerdings nicht vergessen, das die ganze Angelegenheit  eine hohe Brisanz hat und unsere - ich weiß nicht wie ich sie anders nennen soll -  Gegner eventuell auch ein Schwert zu führen Wissen. Aus diesem Grund sollten Männer des Wortes in gemischten Gruppen mit Männern des Schwertes zusammen ausschwärmen, wobei kleiner Gruppen durchaus Sinn machen.” Er wandte sich Krispinian von Tsawalden und Ulfried von Argenklamm zu und deutete mit seinem Becher in ihre Richtung ”Euer Wohlgeboren, ihr seid beide Männer des Wortes und ich halte euch wahrhaft von Hesinde gesegnet. Wie wäre es wenn wir uns, vielleicht mit Unterstützung von Hochwohlgeboren von Spiegelberg (hier wandte er kurz den Kopf mit einem Lächeln in Richtunge des Edlen)  nach Erzenschöffer begeben würden und die ersten Nachforschungen vor Ort stellen würden. Ihr könntet die richtigen Frage stellen, Seine Wohlgeboren von Spiegelberg und ich würden indes für Eure Sicherheit Sorgen.” Nach diesen  Worten nahm er wieder Platz und wartete auf die Reaktion der Angesprochenen. 

Ulfrieds Augen begannen zu leuch ten und er sprang beinahe von seinem Stuhl auf, sodass er sich an der Tischkante festhalten musste, um seinem steifen Bein die Zeit zu geben, einen sicheren Stand zu finden. “Ja natürlich Fulco! Ich bin dabei! … euer Wohlgeboren! Thusdrick wartet draussen … also … ähm … mein Stallmeister. Du kennst ihn ja.”

Wolfmar von Wildklamm erhob das Wort: “Ich bin der gleichen Meinung von Krispinian von Tsawalden und Farold von Eychstädt, wir sollten uns vor Ort aber auch anderswo erkundigen; nur nicht allesamt. Das wäre viel zu auffällig. Außerdem wäre es von nutzen, dass wir temporär natürlich, weitreichende Befugnisse bekommen. Gibt es noch weitere Informationen oder Anhaltspunkte, die wir nachgehen könnten, euer Wohlgeboren? Wie groß war der Kreis, der von der Rüstung in Erzenschöffer wusste? Und ich meinte namentlich.”

“Mein Ansprechpartner war ausschließlich Meister Ferrombaraosch”, antworte Oldebor. “Warum sollte ich mich mit den Namen seiner Leute beschäftigen? Ihr werdet die Namen schon von ihm erfahren.”

Nüchtern sprach Rondragon "Euer Wohlgeboren, es dünkt mir, als wäre die Rüstung nicht bloß durch einen Zufall, nein, mehr durch geplante phexische List abhanden gekommen." Während er sprach, kniff er seine Augen bis zu einem schmalen Schlitz zusammen und dabei holte er kurz Luft und sprach mit tiefer klarer Stimme weiter "Ihr habt etwas sehr wertvolles in Obhut bekommen und es ist verlustig gegangen. Die Zeit drängt und damit bleibt uns nicht viel an Handlungsoptionen." Der Hohe Herr Rondragon schaute während er sprach in die Runde und suchte mit jedem einen kurzen Blickkontakt, dann blieb sein Blick auf dem Wohlgeboren liegen "Einen Krieg gewinnt man durch die geschickte Wahl seiner Angriffsposition und des richtigen Zeitpunktes loszuschlagen. Der Vorschlag des Hohen Herrn  Krispinian von Tsawalden  klingt gut. Weitere Informationen sind zu diesem Zeitpunkt der Schlacht kriegsentscheidend."

Der Junker von Neukrashof lauschte den Vorschlägen der jungen Adelsleute und schüttelte schließlich kaum merklich den Kopf. Junge Leute - die aber ihre Jugend durch um so mehr Eifer wettzumachen trachteten. “Wollt Ihr nicht erst gemeinsam die notwendigen Informationen sammeln, bevor ihr euch in alle Sieben Winde verstreut? Reist gemeinsam nach Erzenschöffer, findet heraus, was es dort zu erfahren gibt, und entscheidet dann, ob ihr euch trennt - oder nicht.”

"Ihro Wohlgeboren hat Recht. Bei allem Tatendrang dürfen wir nun nicht in Aktionismus verfallen." Dann blickte sie kurz zu Lysander Quintin von Eisenfels an. "Und Vergeltungsgedanken trüben die Sinne. Die Zeit der Abrechnung wird gewiss kommen. Doch zuvor brauchen wir einen kühlen Kopf." Sie wandte sich wieder Oldebor Greifax zu: "Dennoch halte ich die Überprüfung der Grenzübergänge für notwendig. Was sagt Ihr?"

„Diese Bürokratie können wir dem Junker überlassen“, schnaufte Herrat ungeduldig. „Sicher - jeder gute Soldat sichert seinen Rückzugsweg. Aber deshalb erteilt er Befehle wo nötig und marschiert so schnell wie möglich, um die Initiative ergreifen zu können“, bellte die Geweihte in gewohntem Befehlston.

“Ihr habt natürlich recht”, stimmte Krispinian von Tsawalden Herrat und zugleich Oldebor zu.  “Wir sollten zuerst nach Erzenschöffer aufbrechen, und zwar allesamt. Lasst uns dorthin aber in kleinen Gruppen reisen. Später können wir vor Ort immer noch entscheiden, ob wir den Dieben öffentlich zeigen, dass ihnen die Gerechtigkeit auf der Spur ist und Praios’ Arm sie bald erreichen wird. Das zwingt sie vielleicht zu Fehlern. 

Nun denn”, und er wandte sich an Oldebor, “Wenn Ihr nicht noch weitere wichtige Details für uns habt, so rate ich dringend zum baldmöglichen Aufbruch, um mit Aves Gnade so schnell wie möglich in Erzenschöffer anzukommen. Denn die Zeit ist hier in diesem Fall de facto nicht unser Freund!”  Abschließend wandte sich der großgewachsene Edle mit einem bekräftigenden Nicken Lysander Quentin von Eisenfels zu und sprach in die Runde: “Ich stimme dem Vorschlag, die Kontrollen an Grenzen und Handelsposten zu verstärken, unbedingt zu.”

„Wer immer der Drachenknecht sein mag, der sich mit der Rüstung davongemacht hat: wenn er es darauf anlegte, hätte er längst das Reich verlassen.“ Der Edle von Erzwacht, der sein lückenhaftes Wissen über die berühmte Rüstung während der letzten Wortwechsel mit dem Edlen von Ingrafall ausgetauscht hatte, war sichtlich um einen klaren Gedankengang bemüht. „Wenn Ihr uns keine Verdächtigungen oder Hinweise nennen könnt, Junker, bleibt uns nur die Spurensuche. Euer Haus beruft sich auf den ehrwürdigen Rogmarok Greifax Rechtsetzer von Xorlosch. Lasst uns also in seinem Namen für das Recht kämpfen! Meister Ferrombarosch wird die Angelegenheit höchstpeinlich sein. Und ich kann mir vorstellen, dass er – verzeiht – einem Nichtzwerg gegenüber nicht ganz offen über alle Details sprechen mag. Gorthak und ich könnten ihm vielleicht einen entscheidenden Hinweis entlocken.“ Den Junker Greifax mit festem Blick fixierend bohrte er auf erzzwergische Art nach: “Ihr habt nicht die leiseste Vorstellung, wer hinter diesem Komplott stecken könnte?”

‘Diese kleinen Männer könnten in der Tat bei dieser Sache noch sehr hilfreich sein’, dachte sich Krispinian von Tsawalden. ‘Wir sollten nur darauf achten, dass sie nicht zu ungestüm zu Werke gehen.’ Er wandte sich an Fulco: “Mir gefällt Euer Vorschlag, werter Nachbar. Es wäre mir eine Ehre, wenn Rondragon und ich uns gemeinsam mit Euch auf unserem Weg nach Erzenschöffer austauschen könnten.”

Fulco nickte dem jungen Mann lächelnd zu. “Sehr gerne Euer Wohlgeboren, auch wenn wir  Nachbarn sind, hat man viel zu selten die Gelegenheit sich auszutauschen” Dann wandte er sich an Ulfried "Also zuerst alle gemeinsam, das wird bestimmt noch Interessant ” Diese Worte waren allerdings nur für den Edlen zu hören. 

Dieser Schlagabtausch der Worte wurde durch Peranna Sabea von Graupen aufmerksam beäugt. Sie saugte die Argumente zur gestohlenen Rüstung und zu seiner Wiederbeschaffung auf, insbesondere die des Hohen Herren Lysanders sowie des Junkers Oldebor Greifax und überlegte sich wie sie handeln würde, wenn sie nach Erzenschöffer reiste und anstelle der Büttelin Nachforschungen anstellen müsste. Es wurden viele Vorschläge vorgebracht. Weitgehend hörte sie der Unterhaltung des Hauses Eychstädt sowie Hauerberg zu. Und auch sie befand, dass diese Vorschläge taktisch kluge Optionen darböten. Es war gut, dass die beiden Häuser verbündet zu sein schienen. Insgesamt fand sie sehr viele der ausgesprochenen Argumente im Saal vernünftig und aufrichtig. Auch ihr Dienstherr Lysander war für die Zusammenarbeit, was sie sehr überzeugend fand. Wenn auch die gräfliche Burgvögtin, eine kluge Frau, wiederum recht mit ihren Worten an ihn hatte… Eines schien ihr klar: alle waren emsig und bemüht darum ihre Dienste zu leisten. Tatkräftig und entschlossen machten sie alle ihre Überlegungen, um zu einer ernsten Lösung beizutragen. Die Knappin war sich sicher, dass die göttliche Leuin das gutheißen würde. Hier lernte sie etwas über taktisches Vorgehen.

An Krispinian von Tsawalden gewandt sagte sie lächelnd: "Es freut mich, dass mein Vorschlag, die Grenzen zu sichern, Anklang bei Euch findet, Euer Wohlgeboren. Und auch ich stimme Euch zu. Die Zeit drängt und ist, wie Ihr sagtet, nicht unser Freund. Wir sollten zeitnah aufbrechen."

‘Erzenschöffer - mhh’, da lag Grubenduft in der Luft. Vielleicht würde der ein oder andere Arsenzker aufgetischt, ging es Xorgolosch durch den Kopf. ‘Dieser Wildklamm scheint mir ein Mensch nach meinem Geschmack, knappe Vorschläge, zielgerichtet, und auch die Eberbach und der Tsawalden äußern sich erstaunlich reif für ihr jugendliches Alter.’ Und schon schalt er sich einen Narren: ‘Merk dir endlich, Menschenjahre mal vier sind überschlagsweise Zwergenjahre.’ Sie mussten relativ gesehen sogar älter sein. Wen kannte er noch gleich aus den Haffax- und Alberniazügen? Meistens blieb man im Feldlager schließlich unter Isenhagenern. Waren nicht die Bauernfeind und der Kranickteich auch dabei gewesen? Was mussten sich diese faszinierenden Kurzlebigen auch ähneln wie ein Bergeisen dem anderen?

Wieder wartete Leomar eine Weile bevor er sich zu Wort meldete. ‘Zu viele Offiziere, zu wenige Soldaten’ dachte er bei sich. “Dem stehe ich zu Herr, das Dorf ist unsere beste Quelle für Informationen. Wie ich schon sagte, wir sollten wenig Zeit verlieren.” Am liebsten hätte er natürlich vorher eine Karte gesehen, mehr Informationen über den Ort bekommen doch das würde wohl warten müssen. Er verfluchte es ein wenig das Jonata nicht mitgekommen war, er würde in so einer Situation viel um den Rat seiner Frau geben, aber irgendjemand musste in der Motte bleiben und Präsenz zeigen. ‘Ich habe das Gefühl, dass der Junker uns nicht alles verrät’, kam es Krispinian von Tsawalden in den Sinn. ‘Hier entwickelt sich eine interessante Dynamik. Nun, es gibt keine bessere Gelegenheit seine Nachbarn kennenzulernen als solch eine gemeinsame Aufgabe …’ Krispinian suchte den Blickkontakt zu seinem alten Freund Rondragon und nickte ihm kurz zu. 

Zu Fulco gewandt sprach Rondragon "Gut, so soll es sein. Wir sollten in kleinen Gruppen reisen und uns dabei strategische Position einnehmen. Die Rüstung wird das Land nicht verlassen haben. Wir sollten Druck aufbauen"  An Xorgolosch gewandt und in sicherem Rogolan gesprochen "Ich teile Eure Haltung und Meinung, können wir auf Euch beim Schmied rechnen? Er wird sicherlich einem aus seinem Volke Fragen bereitwilliger beantworten."

Der Zwerg unterbrach seinen auf Oldebor gerichteten Blick für einen Moment und nickte Rondragon freundlich zu: “So Angrosch will, werden wir dort weiterkommen.”

“Wir werden, alter Freund, wir werden” Rondragons Stimme klang tief und wissend. während er Xorgolosch freundlich anschaute.

Gorthak, der lange geschwiegen und die Optionen überdacht hatte erhob sich zum ersten Mal an diesem Abend von seinem Platz, um nun auch seine Meinung mit den Anwesenden zu teilen. “Höchst ehrenwerte Anwesende, ihr alle bringt schlüssige Ideen und Gedanken ein. Eile scheint geboten, dennoch muss ich dem wohlgeborenen Junker zustimmen und zu einer gewissen Ruhe ermahnen. Sind wirklich bereits drei Wochen seit dem Diebstahl vergangen, kommt es auf einen oder zwei weitere Tage nicht an. Doch übereilte Hast kann uns wertvolle Spuren und Hinweise kosten, die wir übersehen oder durch Unachtsamkeit vernichten.” Er ließ sich einen Moment Zeit, bevor er weitersprach, um seine Worte wirken zu lassen. “Ich möchte dem Vorschlag des werten Roroximangrasch” wobei er auf den Edlen Xorgolosch deutete “Nachdruck verleihen. Hiermit bitte ich um Erlaubnis dem Angroscho Ferrombarosch, Sohn des Gerambolosch als erster unter allen hier Anwesenden Fragen stellen zu dürfen, würden doch einige Hinweise zur Bedeutung und der drachischen Bedrohung durch Euch unverstanden bleiben. Was natürlich das Risiko birgt, dass wir Blind in die falsche Richtung stolpern.” Nach diesen Worten verbeugte sich der Zwerg leicht, setzte sich wieder auf seinen Platz und blickte die Versammelten und den Junker an. 'Wohl gesprochen', dachte sich Rondragon.

Eblaus nickte kurz versonnen. “Ja, das klingt mir vernünftig”, säuselte er. “Wir wollen ja Licht in dieses Dunkel brin…” Ohne seinen Satz zu vollenden schlich sich ein breites Lächeln auf seine Lippen. Der junge Mann in weißem Ornat wandte dem Gespräch erneut seinen Rücken zu.

Die Reaktionen auf seine Vorschläge, welche sich mit dem ein oder anderen Vorschlag der Anderen abdeckte, nahm Lysander zur Kenntnis, eigentlich, so dachte er, wäre es wohl am besten gemeinsam loszuziehen, wenn es Oldebor so wünschte. Am besten sofort!

Wolfmar von Wildklamm erhob sich, seine angebissene Stulle noch in der Hand und sprach: “Ich werde nach Erzenschöffer reiten und mit dem Zwergenschmied Ferrombarosch, Sohn des Gerambolosch sprechen. Wer mich begleiten möchte, sollte sich zu dieser Stunde bereitmachen. Gemeinsam werden wir heraus bekommen, worin seine Nachlässigkeit bestand und vielleicht werden wir weitere direkte Hinweise bekommen. Anstelle von Hinweisen aus zweiter oder dritter Hand.” Das Brot legte Wolfmar zurück auf den Teller und nahm sich den Kelch. “Wir sollten eilen aber nicht in Panik verfallen, auch wenn unsere Gegner drei Wochen Vorsprung haben und uns nur zwei Wochen bleiben.” Dann trank Wolfmar aus seinem Kelch.

Xorgolosch war drauf und dran, den bohrenden Blick von Oldebor abzuwenden. Ein unterdrücktes „Unerhört!“ war jedoch alles, was seinen Bart verließ.

Krispinian von Tsawalden nickte bedächtig. “Ihr habt recht, Gorthak. Als Angehöriger seines Volkes bekommt Ihr sicherlich einen besseren Zugang zu ihm. Trotzdem rate ich dazu, zusätzlich weitere Fragen aus einer anderen Perspektive an ihn zu richten. So werden wir mit Sicherheit einige Schritte weiterkommen. Wir sollten nun in jedem Fall die Grenzen verstärken, so lange wir nicht wissen, ob das Diebesgut nicht schon bereits außer Landes gebracht worden ist.” Krispinian wandte sich an Wolfmar: “Ihr habt recht. Wir sollten hier noch alle offenen Fragen klären, aber alsbald aufbrechen.”

Innerlich ärgerte sich Gorthak zutiefst über die unhöfliche Art des Wolfmar von Wildklamm. Diese Menschen waren immer so stürmisch und ungestüm. Schlimmer als ein Kind, das um die Esse tobt und dabei alles von den Tischen stößt. Äußerlich ruhig und gefasst antwortete er an Krispian gewandt: "Natürlich sollen auch weitere Fragen gestellt werden, vermag doch der ein oder andere durchaus seinen Verstand zu gebrauchen." Bei diesen Worten blickte er Wolfmar vielsagend an. "Doch sollte man nicht versuchen, einen verärgerten Berg zu bitten, Platz zu machen." 

Irminella schmunzelte, erhob ihren Becher in Richtung Gorthak und nickte.

Krispinian nickte Gorthak respektvoll zu. “Danke für Eure Worte, aus denen die Weisheit Eures Volkes spricht. Ihr sagt es, gemeinsam kommen wir schneller und exakter zu einem Ziel.” An alle gewandt sprach er: “Ich glaube, dass wir hier in dieser Runde alle notwendigen Talente vereinen, um den Diebstahl aufzudecken. Lasst uns nur als Einheit auftreten und unsere unterschiedlichen Fähigkeiten gewinnbringend gemeinsam einsetzen.”

Der Junker nickte der Rondrageweihten kurz zu, bedachte den Wildklammer, der seine Anweisung dreist missachtete, mit einem scharfen Blick und erteilte dann die erbetenen Auskünfte. “Ich werde die Weisung geben, sich um die Grenzübergänge zu kümmern, und einen Boten nach Tommelsbeuge schicken.”  Er nahm einen neuen Schluck Wein, stellte fest, dass der Kelch leer war und winkte knapp einen seiner Bediensteten heran, um nachzuschenken. “In Erzenschöffer wusste der Schmied von der Anwesenheit der Rüstung, also dürft ihr davon ausgehen, dass auch seine Schmiedegehilfen und Gesellen dies taten.” Und damit wohl deren Kontaktleute, was die Insassen der Schankstube beinhaltete. Erzenschöffer war ein Dorf - und die Rüstung des Heiligen Hlûthar eine wichtige und aufsehenerregende Reliquie. “Selbstverständlich war der Aufenthalt der Hlûtharsrüstung auch an meinem Hof bekannt - und nein, ich habe keine Vermutung, wer hinter dem dreisten Diebstahl stecken könnte.” Sonst hätte er diesen auch schon längst selbst am Kragen gepackt und das Diebesgut aus ihm herausgeschüttelt. Bedauerlicherweise aber war das Haus Greifax prominent genug, um von sehr vielen Seiten Angriffsfläche für mehr oder minder sehr verwirrte, missgünstige, neidische oder einfach gierige Geister zu bieten. “Ich werde euch zwei Geweihte und den Herrn Herrenfels, einen Reisenden in Handelsdingen, mitgeben, die euch dem Schmied gegenüber als meine Gesandten ausweisen. Wer zuerst mit diesem spricht, klärt untereinander. Doch versucht, so diskret wie möglich zu handeln. Ich möchte nicht, dass diese unsägliche Angelegenheit an mehr Ohren denn unabdingbar notwendig gerät.” Er lehnte sich zurück. “Habt ihr darüber hinaus noch Fragen?”

“Ich denke, Ihr habt alle Fragen ausreichend beantwortet, Euer Wohlgeboren. Habt Dank dafür. Ihr sprecht weise, wir sollten uns einigen, wer mit dem Schmied und seinen Leuten spricht. Xorgolosch und Gorthak haben sicherlich den besten Zugang zu ihm. Ich biete mich an, die Befragung zu protokollieren und gegebenenfalls um Fragen zu ergänzen. Mit diesen Aufgaben kenne ich mich aus.”  Krispinian machte eine kurze Pause und blickte in die Runde:”Hat noch jemand einen Grund, um an der Befragung teilzunehmen? Wir sollten diesen Kreis nicht größer als nötig machen.”

“Wohl gesprochen Euer Wohlgeboren. Zu viele von uns würden dem Schmied wahrscheinlich zu sehr einschüchtern und zu viel Aufsehen erregen. Vielleicht könntet ihr Ulfried” hier nickte er dem jungen Mann an seiner Seite zu “die Gehilfen des Schmiedes derweil befragen.  Wie ich Euch kenne, lockert ihr mit geschickten Fragen die Zunge der Gehilfen mit Leichtigkeit. Ich würde euch für die schriftliche Niederlegung gerne zur Seite stehen.” Er wandte sich kurz an den Gastgeber “Eine Frage noch. Sind die Gehilfen der Schmiede ebenfalls Angroschim oder sind auch Menschen unter ihnen?” 

Ulfried blickte erstaunt zwischen Fulco und Oldebor hin und her, ehe sein Blick bei Fulco verblieb und er eifrig nickte: “Selbstverständlich kann ich es versuchen …also ja, ich werde ihn befragen.” Dann zeigte sich ein Lächeln auf seinen Lippen. “Mit den ganzen Rittern an meiner Seite werden wir ihm sicher nicht erläutern müssen, dass er besser bei der Wahrheit bleibt.”

Oldebor nickte knapp. “Zwerge und Menschen.” entgegnete er.

"Ich möchte bezüglich der Befragung des Schmiedes folgendes zu Bedenken geben. Wenn es wahr ist, was die Herren Xorgolosch, Sohn des Fuldoram und Gorthak, Sohn des Glorinthax vorgetragen haben und - wenn man mich fragt - ist deren Glaubwürdigkeit in keinster Weise fraglich, sollten dann nicht die Zwerge diese Befragung unter sich führen? Die Anwesenheit von Menschen würde laut den Aussagen der beiden zum selben Ergebnis führen. Nämlich, dass er nicht alles preisgibt. Was meint Ihr, Xorgolosch und Gorthak?" 

Dann wandte sie sich Krispinian zu: "Ich unterstütze Euren Vorschlag vollumfänglich, als Einheit zu agieren. Doch glaube ich, dass Eure Talente, so wie die meiningen, an anderer Stelle hilfreicher wären als in einem Gespräch unter Zwergen?"

Fulco nickte knapp in Richtung des Gastgebers “Danke” Er wandte sich zu Irminella von Eberbach "Da habt ihr Recht, das hatte ich nicht bedacht.  Dann laßt doch die Edlen von Dunkelstein und Argenklamm die Menschen befragen und die Edlen von Erzwacht und Ingrafall die Zwerge. Auch ich denke, dass unsere eigentliche Stärk in der Einheit liegt.” Nach dieser kurzen Rede setzte sich Fulco wieder und nahm einen Schluck von seinem Ferdocker Hellen. Dabei schaute er in die Runde und beobachtete gespannt die Reaktion der Anwesenden, insbesondere der anwesenden Zwerge. Der Ritter ging kurz seinen eigenen Gedanke nach ‘Ich werde versuchen in der Nähe der Zwerge zu bleiben und zuzuhören. Es scheint keiner hier zu Wissen - mit Ausnahme von Ulfried wahrscheinlich - oder es für wichtig zu erachten, das ich die Sprache des kleinen Volkes spreche.’ Bei diesem Gedanke musste Fulco kurz lächeln. 

Krispinian von Tsawalden nickte Irminella und Fulco zustimmend zu.  “Ihr sprecht wahr”, und dabei wandte er seinen Blick den Zwergen zu, “so kommen wir sicherlich am besten an die Informationen, die wir benötigen. Mein Vorschlag, die Befragung des Schmieds zu protokollieren rührte von der Intention her, bei der Befragung verschiedene …”, er suchte kurz nach einem passenden Wort, “Perspektiven zu berücksichtigen.” Mit einem Blick in die Runde ergänzte er seine Worte um die Frage: “Welche weiteren Aufgaben seht Ihr noch zusätzlich vor uns liegen, hohe Damen und Herren?” 

“Da wir nicht wissen, wer es gewesen ist und ich nach wie vor daran glaube, dass die Rüstung nicht unser Land verlassen hat, sollten wir uns strategisch verteilen und über Boten in Kontakt bleiben, während wir die Nachforschungen anstellen” Rondragons Stimme klang mahnend..

„Kangroscha, verehrte Standesgenossen, so soll es sein! Wie Meister Ferrombarosch reagieren wird, ist natürlich eine reine Vermutung unsererseits. Aber ich denke, sie ist nicht ganz von der Hand zu weisen. Wir werden sehen, ob wir Erfolg haben. Es spricht nichts dagegen, wenn es jemand anderes versucht, sollte er sich auch uns gegenüber verschlossen zeigen. Und macht Euch nicht die allergrößten Sorgen wegen der Aufzeichnung der Aussagen, Tsawalden."Mit einem leichten schmunzeln fügte der Edle von Erzwacht hinzu: „Wir Erzzwerge sind nicht unbedingt dafür bekannt, dass wir Vorgänge schnell vergessen.“ „Ich denke, mit der Büttelin, dem Gast- oder Herbergswirt der Reisenden und den übrigen Dörflern gibt es ausreichend Personen, die befragt werden wollen. Die Reisenden zu ermitteln, scheint mir von hier aus oberste Priorität zu haben!“

“Ich sehe es ganz, wie der werte Xorgolosch. Wir werden in Erfahrung bringen, was Meister Ferrombarosch uns zu berichten weiß. Sollten wir auf Granit beißen oder es noch offene Fragen geben, dann darf selbst verständlich einer der Euren seine Fragen stellen.” Ein kurzer Schluck von seinem Bier unterbrach den Edlen. “Und was das Protokoll angeht, so führen wir es hier…” wobei sich Gorthak an den Kopf tippte “... oder wenn unabdingbar so zähle ich das schreiben durchaus zu meinen Fährigkeiten.”

“Dann ist wohl alles gesagt!” Sein Blick wanderte über die illustre Runde, er wirkte nicht mehr so ernst, obwohl ihm die Lage der Dinge klar war. Eine kurze Pause folgte, dann fuhr er fort: “Ich würde ebenfalls in einer Stunde aufbrechen, so noch irgendwelche persönlichen Dinge abzuklären sind, dann sollten wir zusehen, dass wir uns in Bewegung setzen.”  Lysander klang entschlossen und so sah er nun auch aus, Zeit in Aktion zu treten.

Der Aufruf zum Aufbruch steckte die strohblonde junge Knappin in der Eisenfelstracht regelrecht an. Die Stimmen im Saal redeten auf Garethi und auf Rogolan durcheinander. Jetzt wollte sie dabei sein, wenn Befragungen durchgeführt wurden. Sie freute sich darauf sich in ein göttergefälliges Abenteuer zu stürzen. Junker Oldebor Greifax benötigte ihrer aller Hilfe, bei Rondra und beim Götterfürsten. Mit vereinten Kräften sollte die Rüstung des Heiligen Hlûthars von den Nordmarken doch wiederzubeschaffen sein und Gerechtigkeit getan werden. Tatenlustig wendete sie sich an ihren Dienstherren und Vettern. Man sah Entschlusskraft in ihrem Blick. Ihre Stimme jedoch wandte sich ruhig und in Vorfreude an ihn: “Sagt mir, wenn etwas vorzubereiten ist, Hoher Herr. Ich kümmere mich sofort darum.”, schlug sie ihm hilfsbereit mit einer vor ihm in der Öffentlichkeit angemessenen Verbeugung vor. Zum ersten Mal traten sie gemeinsam unter so vielen Herrschaften als Dienstherr und Knappin auf. Sie war bereit Initiative für die Sache zu zeigen. Sie konnte ihrem Dienstherren und Vettern dabei helfen wertvolle Zeit einzusparen, und sich baldig in Bewegung zu setzen. Ja, das Graupenmädchen schien ihn tatkräftig unterstützen zu wollen. Er konnte es in ihren Augen sehen, dass er heute Abend die richtigen Entscheidungen getroffen hatte. Ihre Art zu sprechen erinnerte ihn vielleicht dabei ein wenig an seine jüngste Tante, die Edle Dame Gundelin Rowene von Graupen, eine geborene von Eisenfels, die junge Schwester seines Vaters. Sie richtete herrliche Feste aus von denen er seine Base flüchtig kannte. Jetzt stand sie seit Kurzem in seinen Diensten.

Natürlich bemerkte Lysander den Tatendrang seiner Knappin Peranna von Graupen, bedeutete ihr jedoch, mit einer kleinen Geste seiner rechten Hand, sie möge sich noch für einen Moment gedulden. Wobei er ihr Engagement durchaus zu schätzen wusste!

„Wohlgeboren Greifax, eine letzte Frage: Ritter Wildklamm“, Xorgolosch nickte ohne ihn eines Blickes zu würdigen in Richtung des Ritters, „hatte nach einer Zeichnung oder exakten Beschreibung der Rüstung gefragt. Ich nehme an, eine solche könnten wir bei Meister Ferrombarosch bekommen, doch falls Ihr selbst über eine solche verfügt, könnten wir uns die Frage ersparen. Es könnte für die Identifizierung der Rüstung von Bedeutung sein.“

“Da Meister Ferrombarosch den Kürass des Heiligen so gut wie zur Zeit seiner ursprünglichen Erstellung instandsetzen sollte, hat er natürlich alle Unterlagen, die uns zur Verfügung standen, bekommen. Ich kann euch daher nichts mehr mitgeben.” Fragend blickte der Junker in die Runde, ob noch weitere Unklarheiten bestünden.

An Xorgolosch Sohn des Fuldoram gewandt sagte Wolfmar von Wildklamm: “Danke für eure Unterstützung Edler Herr.” An den Gastgeber Oldebor Greifax gewandt sagte der Ritter: “Euer Wohlgeboren, für den Fall, dass ich mich nicht korrekt benommen oder ausgedrückt habe, möchte ich hiermit mitteilen, dass ich Euch, sowie die Suche nach der Rüstung unterstützen werde. Ich bin ein Herr der Tat, nicht der großen Worte oder Gesten. Ich für meinen Teil würde daher nun aufbrechen wollen.” 

Thimorns Herz pochte laut und schnell. Die Zeit des Handelns war gekommen. Endlich würde er sich vor der Donnernden beweisen können. Und dabei würde er auch viel von den anderen Streitern in diesem Raum lernen, deren Namen und Taten größer waren als die seinen. Vorsichtig beugte er sich zu Farold vor und murmelte ihm leise einige Worte ins Ohr. “Gedenkt ihr mit den anderen aufzubrechen, Herr? Soll ich die Pferde bereit machen?”

Farold war während der Beratungen in aufmerksames Schweigen verfallen. Als Thimorn ihn ansprach, nickte er ihm knapp zu und erhob sich: “Wir brechen gemeinsam mit der Gruppe auf. Die Befragung des Schmiedes überlasse ich gerne unseren zwergischen Freunden.” Dabei lächelte er Xorgolosch und Gorthak freundlich zu. “Mein Knappe und ich werden uns anderweitig im Ort umhören.” Er senkte seinen Blick in den leeren Bierkrug vor sich. “Auch Diebe verspüren Durst und werden ihn sicherlich gerne in einer Schenke stillen. Außerdem …” Dabei wandte er seinen Blick wieder in die Runde. “... ist Erzenschöffer ein Dorf. Dort sprechen sich Gerüchte bestimmt schneller rum als man ‘Hlûthar’ aussprechen kann.” Farold war bereit aufzubrechen.

"Dann ist es beschlossenene Sache, wir reisen gemeinsam gen Erzenschöffer." Dann wandte sie sich noch einmal Farold zu: "Mit Eurer Erlaubnis würde ich mich Euch und Eurem Knappen, einmal in Erzenschöffer angekommen, zunächst anschließen. Die Reise zweier Ritter und eines Knappen aus einer Baronie erweckt eventuell weniger Aufmerksamkeit als ein offensichtlicher Zusammenschluss über Grenzen hinweg."

“Selbstverständlich, das ist ein guter Punkt. Ich würde mich über Eure Gesellschaft freuen.”, antwortete Farold freundschaftlich.

“Ja, dann machen wir es eben so.”, Ulfried nickte eifrig. Auf keinen Fall wollte er uneinsichtig erscheinen. “Im Dorf gibt es sicher auch einiges in Erfahrung zu bringen. Und ich schicke Thus… meinen Stallmeister zurück nach Schnakensee, er soll darauf achten, ob Verdächtige die Grenzen der Baronie passieren.” Ulfried stand noch immer und wirkte für den Aufbruch bereit.

Der Händler

In diesem Moment trat ein feister, großgewachsener Mann in feinem Zwirn den Rittersaal durch eine Pforte hinter Oldebors Thron. Er lächelte und seine blonden Haare schienen das Lächeln in besonderer Weise strahlen zu lassen. Aus grauen Augen betrachtete er einen Augenblick alle Anwesenden intensiv und eindringlich. Dann wandte er sich an den Junker: „Wohlgeboren, habt Ihr nach mir rufen lassen? Ich war nur kurz auf dem Abort“, scherzte er fröhlich. Demonstrativ strich er die teuren Klamotten aus rötlichem Damast glatt, die sich über seine doch signifikante Plautze spannten. „Ach, das müssen die Herrschaften sein, von denen Ihr spracht, nicht wahr? Na, das nenne ich mal einen ‚Aufmarsch‘. So viele Herrschaften von Stand hier versammelt?! Da kann diese unangenehme Angelegenheit nur zügig bereinigt werden.“ ‚Oder auch nicht‘, mahnte sich der Händler: So viele Adelige auf einem Haufen verhieß nur Ärger. „Ach, wie unhöflich von mir“, lächelte der Mann seinen scheinbaren Fauxpas weg. „Ich habe mich noch gar nicht vorgestellt. Mein Name ist Rhodan Herrenfels. Seine Wohlgeboren bat mich, die Herrschaften in einer delikaten Angelegenheit zu begleiten und meine mir eigenen Kompetenzen beizusteuern. Als Kontormeister der Familie von Mersingen in Rosenhain kenne ich mich in allerlei Geschäft aus. Es wird mir eine Freude sein, den Anwesenden zur Hand zu gehen.“ Der große Mann beschloss seine Worte mit einem gewinnenden Lächeln. Am anderen Ende des Raumes murrte die ebenso große Geweihte der Löwin: „Ein Pfeffersack ist so ziemlich das Letzte, was wir jetzt brauchen. Zeit, Initiative zu ergreifen.“

Rondragon von Spiegelberg konnte es nicht fassen, mit welcher Dreistigkeit dieser aufgeplusterte Pfeffersack sich dieser Runde gegenüber benahm. Ein böser Blick ging demnach in die Richtung Rhodan Herrenfeds. In einem züchtigenden Ton sprach Rondragon offen "Euer rüpelhaftes Benehmen, Rhodan Herrenfels, würde an meiner Tafel gezüchtigt werden!"

„Bitte was sagt Ihr? Ich vermag Euch nicht zu verstehen. Der Raum ist ziemlich groß und es sind so viele Leute hier beisammen“, erwiderte Rhodan noch immer ohne sein Lächeln zu verlieren. Doch innerlich hatte er den Herrn von Spiegelberg auf eine persönliche Liste besonderer ‚Freunde‘ gesetzt. Für alle hatte er einen angemessenen Dank auf Lager.

Krispinian zog die linke Augenbraue hoch. ‘Warum will der olle Oldebor ausgerechnet diesen Fatzke dabei haben? Welchen Wert sieht er darin?’ Er war froh, dass sein Freund Rondragon nicht an sich halten konnte. So kannte Krispinian ihn. ‘Diesen Händler galt es im Auge zu behalten’, dachte er sich. ‘Hier kommt mehr zusammen als nur dieser Diebstahl’, dachte er bei sich.

Eben noch Irminella zulächelnd, verhärteten sich Farolds Gesichtszüge mit dem Auftritt des in Rot gekleideten Händlers. Mit zusammengezogenen Augenbrauen beobachtete er die Szene - mittlerweile erinnerten seine Lippen eher an eine Grimasse als ein Lächeln. Schließlich strich er sich über das gelbe Wams und drehte sich unauffällig zu Thimorn. Leise zischte er ihm zu: “Na, das kann ja was werden. Nimm dich bloß in Acht.”

"Ihr solltet im Beisein des Wohlgeboren und der anwesenden Hohen Herren und Damen nicht wie ein frecher Gossenhund herumkläffen." Rondragon entspannte sich nun merklich und schaute sehr abwertend zu dem traurigen Pfeffersack hinüber.

Krispinian unterdrückte ein Lächeln und musste fast den arroganten Mut von Herrenfels bewundern, vor Adel und insbesondere vor Rondratum so aufzutreten. Erneut fragte er sich, warum der Junker ihnen unbedingt diesen Mann mitgeben wollte. 

"Dank Euch für Euer hehres Angebot, uns bei unserer Mission zu unterstützen", wandte sich Krispinian direkt an Herrenfels. "Welche Kompetenzen bringt Ihr als Kontormeister explizit  mit, um uns bei einer solch großen Aufgabe unterstützen zu können?", fragte er den feisten Händler und hob dabei die linke Augenbraue. 

„Sieh nur, Gorthak, das ist tatsächlich der Herrenfels aus Rodaschquell! Wir sind fast Nachbarn. Die Wege des Väterchens sind wahrlich unergründlich. Noch letzten Herbst hat er mich von diesem wohligen Stollenduft im Tiegel überzeugt. Angroschgefällige acht Fässchen der kostbaren Essenz hatte er für mich. Und das für einen Sonderpreis! Du weißt schon, ich will vorbereitet sein, falls sich eine Norgamaschna nach Erzwacht verirrt. Hattest du auch schon mit ihm zu tun?“ Der Edle zu Erzwacht hob grüßend den Arm in Richtung des Kontormeisters.

Gorthak schüttelte wie zur Antwort leicht den Kopf und murmelte “Aber das wird sich sicher ändern.”

Rhodan erwiderte den Gruß des Zwergs freundlich und respektvoll. Zwar fiel es ihm noch immer schwer, die Bärtigen auseinanderzuhalten - verdeckten doch die meisten ihre Gesichter mit so viel wallendem Haar, dass man das Gesicht selbst nur schwer erkennen konnte. Ohne näher auf die unflätigen, den Gastgeber beleidigenden Worte des Spiegelbergers einzugehen, antwortete Rhodan auf Krispians Ersuchen: “Eine berechtigte Frage, hoher Herr! Nun bedarf es meiner nicht, um mit den Mitteln der Autorität und gewitztem Verstand den etwaigen Übeltätern auf die Schliche zu kommen. Dazu hätte mich seine Wohlgeboren sicher nicht hinzugezogen, sondern diese Aufgabe allein in Eure Hände gelegt. Der Junker von Neukrashof hat allerdings zutreffendermaßen vernommen, dass es meine Stärke ist, Verlorengeglaubtes auf den Marktplätzen unserer schönen Lande aufzufinden. Das Kontor meiner Herrschaft in Rosenhain vertreibt zwar prädominant Öle und Weine der örtlichen Rosenölmühle. Der Edle von Erzwacht - Ihr hießt Xorgolosch, Sohn des Fuldoram, wenn ich mich recht entsinne? - wird bestätigen können, wie exquisit diese Produkte sind. Doch daneben wickeln wir über den Kontor allerlei andere Bedarfe der Junkerei ab. Und es fällt mir zu, diese Bedarfe in wirtschaftlichster und zugleich redlichster Weise”, Rhodan deutete dabei knapp in Richtung des Praioten, der mit einem bedeutungsschweren Kopfnicken bestätigte, “zu befriedigen. Deshalb befleißige ich mich besonderer Kenntnisse der hiesigen Geschäftswelt. Ich weiß, wo welche Güter zu beschaffen sind, kenne mich mit Qualitäten und Preis aus und habe den einen oder anderen Ansprechpartner auch für komplexere Geschäfte. Seine Wohlgeboren von Neukrashof erachtete diese Verbindungen offensichtlich für sachdienlich.” Rhodan war zusehends von seiner nonchalanten Art abgerückt und in Hochsprache verfallen, wobei er bewusst hier und da den einen oder anderen bosporanischen bzw. bosporanisierenden Begriff fallen ließ. Den Anwesenden im Raum durfte spätestens in diesem Moment klar werden: Der Mann war kein dahergelaufener Kiepenkerl, sondern ein gestandener Geschäftsmann. Nach einer kurzen Pause setzte der Händler mit ausladender Geste hinzu: “Schließlich muss ein jeder seine speziellen Kompetenzen in ein großes Gewerk einbringen. Der Herr PRAios hat uns allen eine ureigene Aufgabe gegeben; jeder Stand, jede Profession, ja jeder Mensch hat vor dem Höchsten eine eigene Verantwortung zu tragen. Die meinige ist es, den Kontakt mit der Geschäftswelt herzustellen. Nicht wahr, Euer Gnaden?” Rhodan sprach Eblaus von Niedersprötzingen direkt an, der - ersichtlich unwohl, das Wort ergreifen zu müssen - den Kopf von einer Seite zur anderen wog. “Ja, da habt Ihr im Wesentlichen Recht, Meister Herrenfels”, antwortete dieser langsam und gemessenen Wortes. “Aber wichtig ist immer: Redliches Handeln. Kein Geschacher mit der Wahrheit, wenn Ihr versteht.” Der dicke Händler lächelte und nickte so, dass er zugleich eine kleine Verbeugung anzudeuten schien.

„Exquisit, das will ich meinen, schließlich liefert Ihr auch an den Hof des verehrten Vogt Barox Sohn des Burgamon, wie mir zu Ohren gekommen ist.“ Die breite Stirn fast so kraus ziehend wie sein kohlenschwarzes Haupthaar fuhr Xorgolosch fort: „Als wie erlesen sich Euer selbstloses Angebot in meinem Fall herausstellen wird, liegt in der Hand des Väterchens. Die zwergische Brautwerbung ist eine komplexe Angelegenheit und kann schon einmal ein paar Jahrzehnte währen. Aber ich vertraue da voll und ganz Euren Zusicherungen, was Qualität und Haltbarkeit der Öle angeht!“

Krispinian wog bedächtig den Kopf hin und her, bis er schließlich zustimmend nickte. “Wie ich schon sagte, bündeln wir unsere vorhandenen Fähigkeiten und setzen wir sie gezielt ein, um dieses Rätsel zu lösen. Einen Mann mit Euren Kenntnissen kann uns da sicherlich behilflich sein,” nickte er Herrenfels zu. “Es wird nun Zeit, aufzubrechen!”

Ulfried war sichtlich irritiert von dem ganzen Getue und, vor allem, von den vielen Menschen, von denen jeder seine eigene Meinung hatte und nicht damit hinter dem Berg hielt, diese auch kundzutun. Mit einem auffordernden Blick sah er zu Fulco von Kranickteich und nickte ihm zu. “Gehen wir es an? Ich denke, hier werden wir nichts mehr von Belang erfahren.”

Fulco schaute sich das ganze mit einem leicht belustigten Gesichtsausdruck an und konnte sich ein leichtes schmunzeln aufgrund der Empörung seines Nachbarn Rondragon nicht verkneifen.‘ Ja, so hätte Vater sich auch aufgeregt‘. Dann wandte er sich an Ulfried “Gerne, lasst uns aufbrechen. Denn egal was hier noch zu sagen ist, die Zeit drängt und kann auf dem Weg besprochen werden. Zudem  denke ich, das wir  von unserem werten Gastgeber haben wir alles erfahren, was zu erfahren ist.” Er schaute kurz zu seinem Gastgeber ‘Oder was er uns sagen möchte‘ 

Gewiss würde die Ansprache an den Jahrmarkshändler nicht seine Wirkung verfehlt haben. Wie konnte er sich nur diese Unhöflichkeit herausnehmen und als Letzter einen solchen Auftritt zu inszenieren. Bei Rondra, dachte sich Rondragon. Das hätte er sich einmal während seiner Knappenzeit erlauben dürfen. Soviele Latrinen zu putzen … eine wahre Lebensaufgabe. Aber die Zurechtweisung war gerechtfertigt.

“Ihr kennt eure Aufgabe: verliert keine Zeit und brecht nach Erzenschöffer auf.” Oldebor trank entspannt noch einen Schluck des tiefroten Wein. Jetzt war es Zeit für die willigen Helden, die Rüstung zu finden. Der Vorrede war nun wirklich und endgültig genug. Er verabscheute solche langen Besprechungen gründlich. Knapp setzte er noch hinzu:“Ich werde denjenigen, die nicht beritten sind ein Pferd …” und mit Blick auf die beiden Zwerge “... und für die, die es bevorzugen, ein Eisenwalder Erzpferd bereitstellen.” Letztere stellten die lokale Rasse der Zwergenponys dar. Er drehte noch den Pokal in seinen Händen, dann nahm er einen Schluck. “Ihr findet mich dann in Gratenfels am Grafenhof. Ich erwarte, dass ihr die Rüstung rechtzeitig findet.  Euch viel Erfolg!” Er hob den schweren Silberkelch und prostete seinen Gästen zu.

Krispinian erhob sich und nickte dem Junker dabei zu. Anschließend wandte er sich an Fulco und Rondragon sowie an den Wildklammer: “Es wäre mir eine Ehre, wenn wir den Weg Seite an Seite reiten würden, um uns noch ein wenig auszutauschen.”

“Hohe Herren, wir sollten uns absprechen” Rondragon sprach Krispinian und Fulco an. Im Anschluß ging Rondragon zu Leodegar von Aelgarsfels “Werter Nachbar, wollt ihr ebenfalls mit uns reisen ?” um schließlich den tüchtigen Wolfmar von Wildklamm um die Option der gemeinsamen Reise zu fragen. Zu guter Letzt nickte er dem Junker zu.

Wolfmar von Wildklamm nickte Krispinian und Rondragon zu: “Sehr gerne Nachbarn, lasst uns gemeinsam nach Erzenschöffer reiten.” Wolfmar bereitete sich auf die Abreise vor.

“So laßt uns zusammen reisen werte Nachbarn. Der Edle zu Argenklamm wird ebenfalls mit uns reisen wenn es genehm ist. Er ist ein alter Freund und seine Familie ebenso” Fulco lächelte bei seine Worten in die Runde der Nachbarn und nickte Ulfried dabei aufmunternd zu. “Nun, dann wollen wir uns mal zum Aufbruch bereit machen” Er nickte nochmal seinem Gastgeber zu bevor er sich für die Reise bereit machte.

“Selbstverständlich reiten wir gemeinsam, es ist mir eine Ehre” Rondragon nickte.

Wolfmar wandte sich an Rondragon und den Adligen, die bei ihm standen: “Aus meiner Erinnerung weiss ich, dass wir von hier aus rahjawärts reisen müssen, um nach Erzenschöffer zu kommen. Die Reise dürfte nicht lange dauern. Also los, Kameraden.”

“Wir reisen rahjawärts, ihr habt recht. Auf der Reise sollten wir uns ein wenig austauschen” Rondragon antwortete dem kecken Wolfmar offen.

Für einen Moment richtete Lysander seine Aufmerksamkeit auf seine Knappin Peranna, er sprach nun etwas leiser: “Macht die Pferde bereit, spätestens in einer Stunde sollte es losgehen!”  Seine Stimme klang warm und freundlich, ein ebenso freundliches, wenn auch knappes, Lächeln war in seinem Gesicht zu sehen. Er prostete Oldebor noch einmal zu und war nun ebenfalls erfreut, dass die Besprechung ein Ende gefunden hatte, noch ein  letzter Schluck aus seinem Trinkgefäß, dann stellte er den leeren Becher wieder auf dem Tisch ab. So langsam wurde er ein klein wenig ungeduldig, schließlich hatte man klare Anweisung gegeben, und es gab gerade keinen Grund groß zu trödeln. Lysander Quintin könnte sofort und ohne Umschweife aufbrechen, mit Knappin Peranna, verstand sich!

Über diesen Auftrag schien sich seine pferdevernarrter Knappin zu freuen anstatt ihn als Arbeit zu wahrzunehmen. Peranna mochte die Eisensteiner Riesen des Gestüts Rickenbach gerne leiden. Bei ihrem weißen Schimmel Friedenand sowie beim Rappen Damian, dem Hengst ihres Dienstherren, verbrachte sie gerne Zeit und kümmerte sich um sie, wenn es gerade nichts anderes für sie zu tun gab oder es eben galt sich um die Pferde zu kümmern.  Sie folgte der Anweisung des Hohen Herren Lysanders, entfernte sich und verließ, wie er es ihr auftrug, den Saal zügigen Schrittes in Richtung der Ställe.  Es war ihr nicht unangenehm, denn Meister Herrenfels Mundwerk hätte sie am liebsten mit Kernseife ausgewaschen. Doch es ging ja nicht nach ihr! Einen kurzen Blick warf sie noch einmal auf die Geweihten der Götter: ‘Mochten sie mit uns sein.’, dachte sie bevor ihre zügigen Schritte sie weiterführten.

Irminella stand ebenfalls auf, erhob noch einmal ihren Becher in Richtung Oldebor: "Erneut danke ich Euch für die gebotene Gastfreundschaft und entschuldige mich nun. Ich mache mich bereit zur Abreise." Dann ging sie kurz zu Farold von Eychstädt herüber und sprach: "Begleitet Ihr mich auf der Reise? Ein wenig Austausch zwischen Nachbarn verkürzt sicherlich die Reitstunden." Dann blickte sie kurz Thimorn von Hauerberg an: "Auch Euch hoffe ich an meiner Seite zu sehen. Ich würde gern hören, wie es um Auroth heute bestellt ist." 

“Sicher, ich würde mich geehrt fühlen gemeinsam mit Euch zu reisen”, antwortete Farold nickend. “Ich bin gespannt auf Neuigkeiten aus Bösalbentrutz.” Dann wandte er sich seinem Knappen zu, dessen Anspannung er spürte, und sagt zwinkernd: “Nun geht es endlich los. Mach die Pferde bereit.”

Thimorn nickte Irminella lächelnd zu: “Es ist der Wunsch meines Schwertvaters, aber auch mir eine Freude Euch an unserer Seite zu wissen. Gerne berichte ich Euch alles was sich in Autroth getan hat, seit meine Vater das Gut verwaltet. Doch für den Moment würde ich mich entschuldigen.” Er deutet auf Farold. “Ihr habt meinen Herrn gehört. Die Pflicht ruft.” Mit diesen Worten wandte sich der Knappe um und eilte in Richtung der Stallungen davon, um den Anweisungen seines sogleich Ritters nachzukommen.

"Das freut mich zu hören. Ihr braucht Euch nicht entschuldigen, ich habe Euren Herren gehört." Dann ging sie lächelnd gemessenen Schrittes dem Herrn von Hauerberg hinterher, um auch ihr Pferd für den Ritt bereit zu machen. Dabei schüttelte sie milde lächelnd leicht den Kopf, blickte dem ihr enteilenden Thimorn hinterher und murmelte: "Der Feuereifer der Jugend ist noch immer unübertroffen." 

Im Stall

An der jungen Knappin, deren Schritte auch nicht trödelig waren, schoss irgendwann der großgewachsene junge Herr Thimorn von Hauerberg vorbei. Sie wusste nicht gleich weshalb. Ihre strohblonden Haare wehten für einen Augenblick. Sie machte sich ihre Frisur mit ein paar praktischen Handgriffen im Gehen zurecht, doch aufhalten ließ sie sich trotzdem nicht. Sie schritt weiter. Die Frisur saß! Ihr beider Ziel schien, so weit sie das ausmachen konnte, die Ställe zu sein: ‘Kein Wunder, die Herrschaften wollten aufbrechen und von ihnen gab es nicht wenige’, bemerkte sie jetzt. Doch obwohl das Graupenmädchen Pragmatismus und Tatkraft sehr schätzte, wäre sie nicht auf die Idee gekommen wie von der wilden Biene gestochen durch dieses Anwesen zu rennen, nur um als Erstes am Ziel zu sein.  Eines musste sie dem Knappen des Hauses von Eychstädt eingestehen: ‘lange Beine, die zum Rennen taugten, hatte er wirklich!’ Sie, ihrerseits, hielt sich an ihre flotten Schritte. Für ihren Hohen Herren und Vettern sorgte sie schon, dass sie frühzeitig aufbrechen konnten. Jedoch wollte sie nicht außer Ruhe in den Ställen ankommen, es war nicht gut für die Tiere, oder an ihrem ersten gemeinsamen Ausflug mit dem Hohen Herren Lysander einen schlechten Eindruck bei der Obrigkeit und deren Bediensteten hinterlassen. Wer weiß bei den Göttern, wer ihr gleich hinterherkam? Wie sahen ihre Haare dann aus - wie ein Vogelnest? Sie konnte ganz beruhigt darüber sein, wer hinter ihr herkam. Ihre Haare saßen. Und eine von den Ersten war sie so oder so, die die Tiere begrüßte.

Kurz nachdem die junge Knappin die Ställe betreten hatte, öffnete sich erneut das Tor. Herein trat Irminella. Sie blickte kurz zu Peranna herüber, sagte aber nichts. Sie ging geradewegs zu ihrer Stute herüber und begann damit, sie für die Abreise fertigzumachen. Nach einer Weile erhob sie das Wort: "Peranna Sabea von Graupen, nicht wahr?" Sie blickte Peranna dabei nicht an, sondern kümmerte sich weiterhin liebevoll um das Tier. "Ich muss Euch ein Kompliment aussprechen. Ich war beeindruckt von Euch dort drin." Während der letzten Worte drehte sie sich herum und blickte zu der jungen Knappin herüber. Dabei nickte sie ihr zu und lächelte kurz.

Lysander Quintin von Eisenfels Knappin war nicht lang nach Thimorn von Hauerberg in den Ställen angekommen. Sie schenkte dem jungen Herren ein deutliches Nicken zum Gruße, der aufgrund seiner Größe ja auch nicht zu übersehen war, bevor sie mit der inneren Ruhe des Hauses von Graupen an die ihr bekannten Hengste herantrat, die sie reisefertig machen sollte. Es waren zwei Eisensteiner Riesen, ein rabenschwarzer Rappe in seinen besten Sommern sowie ein junger schneeweißer Schimmel, der wohl noch Einiges dazuzulernen hatte. Bald hinter ihr betrat die Burgvögtin von Gräflich Bösalbentrutz die Stallungen.  Zwischen dem Duft von Tierleibern und Stroh wandte sie sich irgendwann mit einem Kompliment an Peranna während sie ihre Tiere für die geplante Abreise fertig machten. Die Wangen der Knappin erröteten mirellenrot und sie verbeugte sich tiefer als sie sich vor ihrem Vetter verbeugte: “Peranna Sabea von Graupen, sehr wohl. Seid bedankt, Euer Wohlgeboren. Euer Wohlgeboren sind sehr freundlich…”, sprach sie erfreut ohne ihren Blick direkt an sie zu wenden. Ihre bosparanienbraunen ehrlichen Augen streiften die Burgvögtin nur peripher. Sie erfreute sich des Lobes augenscheinlich und grinste ein wenig verschmitzt das Schmunzeln ihres Großvaters Fradrik, dem eine taktische Überraschung gelungen ist. Das Graupenmädchen trug schon vorher ihr Herz auf der Zunge.  Mit Verständigung und einer gewissen Routine kümmerte sich die Knappin zuerst um das imposante Tier ihres Dienstherren, schaffte es das schwungvolle Tier irgendwann ruhig zu halten und es zeigte sich ihr zuverlässig. Dann machte sie den eigensinnigen Damian reisefertig bevor sie sich genauso einträchtig und geduldig ihrem eigenen jüngeren, lebhaften Schimmel widmete, der anfangs eine feste beruhigende Hand benötigte, doch sich bald genügsam zeigte. Man erkannte des Graupenmädchens Leidenschaft für Pferde. Ihre Kenntnisse waren schon äußerst passabel dafür, dass sie sich erst seit Kurzem in dem Dienst ihres Vetters befand. Sie klopfte dem eigenen Tier bekannt den Hals, sah es an. Friedenand wandte sich ihr zu und stupste sie. Dann schnaufte er ruhiger als sie ihn leise ansprach. Er schien kein dummes Tier zu sein und auch sie war kein dummes Mädchen. Der Ritternachwuchs konnte besonnen mit anpacken. Einer Verantwortung schien sie sich nicht zu scheuen. Wenn auch der Griff zu ihrem Haar auffällig oft geschah. Es war aber auch hervorragend gepflegt! Das Mädchen war sehr sauber und ihre Haare waren schön und schimmerten herrlich in Praios Glanze.

Thimorn hatte die Ställe etwas vor den anderen beiden erreicht und kümmerte sich gerade darum, das Pferd seines Herrn reisefertig zu machen als die beiden nacheinander den Stall betraten. Er erwiderte Perannas stummen Gruß und wendete sich wieder dem Ross zu. Immer wieder wandte er jedoch den Kopf und versuchte verstohlen einen Blick auf die junge Knappin und ihren Umgang mit den Pferden zu erhaschen. Obwohl er mehr Götterläufe zählte entging einem erfahrenen Auge nicht, dass die Herrin Rahja Peranna mit dem größeren Talent beim Umgang mit den Rössern gesegnet hatte. Selten erkannte Thimorn die stummen Signale der Rösser, ehe diese sie allzu deutlich machten und versuchte allzu starr seinen eigenen Willen durchzusetzen.  Er war gerade dabei den Sattel zu Farolds Pferd zu schleppen, als auch Irminella den Stall betrat. Thimorn erstarrte in seiner Bewegung und errötete. ‘Verflucht’ scholt er sich, ‘Du hast die Wohlgeborene stehen lassen, wie eine zickige Kammerzofe.’ Aber noch unhöflicher wäre es wohl, ihr Gespräch mit dieser Knappin des Herrn von Eisenfels zu unterbrechen. So wandte sich Thimorn wieder dem Pferd zu und wartete auf eine Gelegenheit für seine Entschuldigung.

"Ihr erinnert mich, und ich hoffe, ich trete Euch damit nicht zu nahe, an das, was man von jungen Löwinnen erzählt. Sie hören auf ihre Mutter, aber man soll ihnen ihren Tatendrang ansehen. Beinahe greifbar soll er sein. Nun, da ich Euch begegnet bin, kann ich mir bildlich vorstellen, wie das aussehen muss." Mit diesen Worten wandte sie sich erneut Peranna zu. "Behaltet euch den Tatendrang genauso wie die Fähigkeit, im rechten Moment zu schweigen oder sich zurückzunehmen. Ich glaube, Lysander Quintin von Eisenfels hat in Euch eine wunderbare Knappin gefunden."

Den rondragefälligen Vergleich empfand die Knappin Peranna Sabea als große Ehrung. Ein Fradrik-Lächeln war in ihr Gesicht geschlichen. Ihre Haare wehten leuenhaft als sie sich mit einem respektvollen Dank wieder ihrem Pferd widmete, damit der Hohe Herr Lysander Quintin und sie bald abreisebereit waren. Schließlich sollte alles beim ersten Mal gleich gründlich auf den Tieren befestigt sein, so dass die Knappin keine doppelte Arbeit damit hatte oder es die Reise aufhielt. Sie tätigte geübt die letzten Handgriffe am jungen Schimmel und überprüfte, ob alles recht und ordentlich saß. Friedenand benahm sich indes wie ein kleiner Schelm. Der heranwachsende Hengst hatte augenscheinlich ein spielerisches Gemüt, mit dem sie jedoch gutmütig umging. Mit der Zeit, nicht durch den Zorn, kam Peranna ans Ziel. Sie blieb ruhig. Damian, der Rappe des Hohen Herren, war in ihren Augen stürmischer. Friedenand, der Schelm, pflegte wie es aussah Beziehung.

Über den Rücken Tamas hinweg, beobachtete Irminella die präzisen Handgriffe, die Peranna, trotz ihres noch sehr jungen Alters, ausführte. Anscheinend gefiel ihr, was sie sah, denn Irminella nickte ab und an oder lächelte kurz. "Dieser Hengst scheint dich beeindrucken zu wollen, Tama.", sagte sie lächelnd gerade so laut, dass auch Peranna es hören konnte.

Auf Perannas Zügen lag wieder ein fradrikgemäßes Lächeln bei dem ihre weißen Hasenzähnchen dieses Mal etwas aufblitzten. Ein Detail, das Fradrik nie besaß, wenn er sich belustigte. Genauso wurden seine Wangen nie mirellenrot. Amüsiert wagte die Knappin einen kurzen, überschauenden Blick auf die Stute Tama als sie sich unbeobachtet fühlte. An dem Graupenmädchen war augenscheinlich eine Pferdenärrin verloren gegangen, konnte man meinen, wenn man ihren neugierigen Blick auf das Tier der Burgvögtin erwischte: ‘Eines Tages, Friedenand, da sind wir mit deiner Ausbildung auch so weit’, erhoffte sie sich, schaute ihren Hengst liebevoll an und freute sich auf den Tag an dem der Schimmel so weit war wie Tama oder Damian: ‘Wir werden dann ja sehen, ob eine edle Stute wie Tama deine Freundin sein wird.’ Sie richtete ihren Blick dabei ein wenig trotzig auf ihr eigenes Pferd. Die wohlgeborene Irminella von Eberbach wollte sie gewiss nicht belästigen. 

Irminella fing noch einmal den Blick der jungen Knappin auf und nickte ihr zu. Ein kleines Lächeln huschte über ihr Gesicht wie in Momenten, an denen man sich an etwas schönes erinnert. Dann senkte sie ihren Blick und begann, einen schön gearbeiteten, mit verzierter Parierstange versehenen Anderhaltbänder länks an der Flanke des Pferdes zu befestigen. Dabei ließ sie große Vorsicht walten, um Tama nicht zu verletzen. Dann wandte sie sich um und schien erst jetzt die Anwesenheit von Thimorn wahrzunehmen. Sie nickte ihm zur neuerlichen Begrüßung zu. Ob das leichte Zucken ihres rechten Mundwinkels ein unterdrücktes Lächeln oder ein Verziehen selbigens als Bekundung des Unmutes war, konnte Thimorn nicht erkennen.

Thimorn verneigte sich vor Irminella: “Verzeiht Euer Wohlgeboren, der Tatendrang lies mich eben im Saal meine Höflichkeit vergessen. Und meine Klugheit ebenso. Natürlich waren die Stallungen ebenso Euer Ziel wie meines. Kann ich Euch als Entschuldigung bei Eurem Pferd behilflich sein?” Er räusperte sich rasch. “Nicht, dass hier auf meine Hilfe angewiesen wärt, natürlich.” Peinlich berührt blickte er zur jungen Knappin und ihren Pferden, während seine Ohren einen Rot annahmen, dass der Farbe des Hauerberger Wappens in nichts nachstand. 

"Mein guter Thimorn. Ich schätze Euren Eifer, Eure Euch auf aufgetragenen Pflichten schnellstmöglich zu erledigen. Und dennoch sollten Ihr Eure Umgebung dabei nicht vergessen. Ihr konntet zwar nicht wissen, dass ich ebenfalls zum Stall möchte, immerhin hätte auch ich einen Burschen entsendet haben können. Aber Ihr hättet fragen können und mich nicht einfach stehen lassen, als sei ich eine Holzpuppe, mit der nicht mehr gespielt werden wollte." Die letzten Worte klangen etwas eindringlicher. "Wenn Ihr so etwas mit einem anderen der Hohen Herren machtet, weiß ich nicht, ob es mit dem Herrichten des Pferdes getan sein würde."

Dann drehte sie sich wieder zu Tama, ihrer schwarzen Eisensteiner Riesin, um, sprach aber unverwandt weiter. "Kommt doch aber mal einen Moment herüber. Ich möchte Euch etwas zeigen."

“Ihr habt recht, euer Wohlgeboren. Mein Wort bei der Herrin Rondra, dass so etwas nicht wieder vorkommen wird.” Thimorn verneigte sich erneut tief vor Irminella und hoffte inständig, dass weder Farold noch sein Vater von dieser Sache hören würden. Schlimm genug, wie er die gräfliche Vögtin so behandelt hatte, aber vielleicht vermochte er seine Ehre ja noch irgendwie zu retten. Mit schnellen Schritten trat er an Irminella und ihr Pferd heran. “Sehr wohl, euer Wohlgeboren. Was ist es?”, sprach er nicht ohne Neugier in der Stimme.

"Das ist nah genug!" Mit diesen Worten gebot die gräfliche Vögtin dem Knappen, stehen zu bleiben. "Ab jetzt nur langsame Schritte an Tama heran." Gut so. Alle, die ein wenig von den edlen Tieren verstehen, hätten sehen können, dass Irminellas Pferd mit jedem Schritt, den Thimorn näher kam, nervöser wurde. Es trat auf der Stelle und war seinen Kopf hin und her. "Alles in Ordnung, Tama. Das ist Thimorn von Hauerberg, ein Freund. Da brauchst du keine Angst haben. Gaaanz ruhig." Sie sprach mit ruhiger Stimme auf das Pferd ein, das sichtlich ruhiger wurde. "In Ordnung, tritt heran. Sie wird sich aber nicht berühren lassen, also behaltet Eure Finger bei Euch." 

Jetzt, da Thimorn so nah an Tama stand sah er die vielen Narben, die unter der Satteldecke an der Flanke des Tieres hervorragten. "Tama und ich haben schon ein paar Kämpfe gemeinsam bestritten. Sie ist nicht mehr die Alte, müsst Ihr wissen. Der Krieg verändert nicht nur uns Menschen. Ich weiß Euer Angebot zu schätzen, aber sie würde Eure Hilfe nicht annehmen. Auch die eines anderen Knechtes, Knappen oder Stallburschen nicht. Selbst mein Sohn hat es bei ihr schwer." Nach einer kurzen Pause, in der sie beruhigend auf Tama einsprach, führte sie weiter aus: "Ich nehme Eure Entschuldigung an, Thimorn von Hauerberg. Unter der Bedingung, dass ihr mir auf Dem Ritt alles über Auroth berichtet.", fügte sie lächelnd hinzu.

“Danke, euer Wohlgeboren.” Der Knappe atmete erleichtert aus und lies seinen Blick beeindruckt zwischen Iriminella und Tama hin und her schweifen. “Ein wahres Schlachtross! Ich werde die Herrin Rahja bitten, weiter ihre schützende Hand über sie zu halten. Und die Herrin Rondra, dass Ihr beide Mut in unseren Reihen verbreitet und Schrecken in denen unserer Feinde.” Er trat vorsichtig von Tama zurück und wandte sich wieder an seine Reiterin. “Gerne kann ich Euch alles zu Auroth berichten. Meiner Pflicht folgend, wohne ich bei meinem Herrn im Gut Brinborn. Allerdings sind es von dort sind es ja nur wenige Meilen nach Auroth. Seid Ihr mit meinem Vater bekannt?”

"Alles zu seiner gebotenen Zeit, mein übereifriger Thimorn. Sicherlich wolltet Ihr gerade zunächst den Auftrag Eures Herren ausführen, bevor Ihr mir von Auroth berichtet, nicht wahr?" Sie lächelte und zog dabei die rechte Augenbraue hoch. "Nicht, dass die anderen ohne mich und Euren Herren enteilen!"

“Ihr habt wieder Recht, Wohlgeboren. Auf der Straße werden wir genug Zeit zum reden haben.” Der Knappe hatte sich schon wieder halb umgedreht, als er sich auf die Lippe biss. Er wandte sich wieder Irminella zu und verneigte sich erneut. “Wenn Ihr mich entschuldigen würdet, Euer Wohlgeboren.”

Sie nickte nur und drehte sich dann zu Tama um, um die letzten Handgriffe, die vor dem Ritt notwendig waren, zu tätigen.

Peranna glaubte, wer Tatendrang zeigte, und noch im Leben lernen musste, wie der junge Herr Thimorn oder sie, würde auch eines Tages genügend Fehler machen, um ein Donnerwetter abzubekommen. Zwangsläufig war es so… Der junge Herr Thimorn war schon älter als das Graupenmädchen, darum kannte er auch schon mehr Donnerwetter und hatte mehr Erfahrung im Leben. Donnerwetter waren in Perannas Augen etwas Gutes, denn sie prägten den Charakter. Natürlich hörte die Knappin des Hauses von Eisenfels der Burgvögtin von Gräflich Bösalbentrutz und dem Knappen des Hauses von Eychstädts zu als sie die letzten Handgriffe an Friedenand tätigte. Sie schaute sich wie ein Löwenjunges etwas von ihrem älteren Bruder ab: ‘So ein kleines Gewitter konnte auch die Luft reinigen’, wusste sie inzwischen. Das fand sie wirklich, denn: ‘Dem Löwenwelpen brachte es gar nichts in seinem Unterschlupf zu brüllen, wenn ihn dort doch niemand brüllen hörte.’ Es musste sich schon vor den anderen zeigen. Wie rot man dabei auch anlief. Nach den lehrreichen Worten der Burgvögtin von Gräflich Bösalbentrutz warf Peranna Thimorn von Hauerberg einen recht neutralen Blick zu, denn das Donnerwetter, das sich über ihn erging, hätte ja auch sie treffen können. So peinlich war er auch gar nicht! Er musste das mit dem Brüllen nur verinnerlichen. Sie nickte ihm ermutigend zu und ließ ihm sowie Irminella von Ebersbach den Vortritt und folgte ihnen mit den beiden Hengsten, Friedenand und Damian, aus den Stallungen.

Thimorn wandte sich nun endgültig von Irminella ab und trat den kurzen Weg zu den beiden Pferden in seiner Obhut an. Dabei blickte er wieder so Peranna und versuchte es mehr schlecht als recht mit einem selbstbewussten Lächeln. Was die junge Knappin wohl von ihm denken würde? Er war zwar älter als Sie, doch sie war sicher als Pagin aufgewachsen. Schon immer im Schoß des Adels und mit dem Bewusstsein, einmal mit als Knappin eines Hohen Herrn zu dienen. Sie durfte ihm auf keinen Fall seine Unsicherheit anmerken! Er war nicht mehr der Sohn eines Verwalters, sondern Thimorn von Hauerberg, Knappe eines Kriegshelden und womöglich in wenigen Jahren selber ein Ritter. Dementsprechend hatte er sich zu verhalten. Denn sonst… was würde man nur über ihn denken? So schoß es ihm durch den Kopf, während er die beiden Rösser fertig für die Reise machte.  

Dem Lächeln des großen Knappen von Hauerberg begegnete Peranna mit einem gleichgestellten Lächeln. Da sie sich erst seit wenigen Stunden kannten, machte sie überhaupt keinen Hehl daraus wie selbstbewusst oder unsicher es wirkte. Ihr zweiter Blick glitt in seine gepflegten Fuchshaare. Aufgrund der Farbe dachte sie noch einmal kurz an Löwenwelpen. Doch der Gedanke verflog mit den Tätigkeiten. Nach Thimorn holte sie die beiden Eisensteiner Riesen aus den Boxen und führte sie dem jungen Herren hinterher.

Leomar erwiderte den Abschiedsgruß von Oldebor und schloss sich den anderen an. Er hatte es nicht eilig, war er sich doch sicher das sein Pferd bereits versorgt und bereit zur Abreise war. Sein Knappe Gutmund hatte sich mit Sicherheit darum gekümmert. Er ließ den Jungspunden den Vortritt und machte sich eher schon Gedanken wie sie die ganze Sache am besten angehen konnten. Er summte leise eine aufmunternde Melodie, die Augen blitzten. Der Ritter war vielleicht kein Knappe mehr, aber das Abenteuer faszinierte ihn trotzdem ein wenig. Trotzdem würde er kein Risiko eingehen. Es würde noch ein paar Momente dauern bis er zur Tür kommen würde und dann würde es noch das übliche Chaos bei den Pferden geben. 

Krispinian nickte Rondragon, Fulco, Wolfmar und Ulfried zu. “Wohlan, lasst uns aufbrechen.” Er wandte sich dem Ausgang zu, verharrte aber plötzlich und wandte sich an Leomar: “Wir würden uns freuen, wenn Ihr Euch ebenfalls unserer kleinen Schar auf dem Ritt anschließen würdet. Ein Austausch mit Euch würde mich sehr erfreuen”, Krispinian lächelte Leomar dabei an, “Ihr seid eine interessante Persönlichkeit, wie mir scheint.”

Danach wandte sich der Tsafeldener an Rhodan Herrenfels: “Ich freue mich, Euch an unserem Zielort wiederzusehen. Mir dünkt, Ihr könntet uns sicherlich investigativ bereichern, wenn Herr Phex uns gewogen ist.” “Oh, das hoffe ich”, erwiderte er und tätschelte seinen Geldsack. Krispinian nickte noch einmal respektvoll in Richtung Junker und warf den beiden Zwergen einen freundlichen Blick zu. “Bei Aves, lasst uns keine Zeit mehr verlieren!”

Im Vorbeigehen blieb auch Rondragon stehen und sprache Leomar an "Hoher Herr, wir könnten Euch gut in unserer Runde gebrauchen. Es sei denn, Ihr habt bereits eine andere Zusage gemacht! Dann geht diese selbstredend vor.”

Ulfried wirkte ein wenig deplatziert zwischen all den Rittern. Er blickte einen nach dem anderen an und grüßte: “Es freut mich sehr euer Wohlgeboren! Ich bin Ulfried von Argenklamm und stamme aus dem kleinen Edlengut Kaltenklamm in Schnakensee. Es wäre mir eine Ehre, mit den hohen Herren reisen zu dürfen!”.

Rondragon musterte seinen Gegenüber und sprach “Habt keine Sorge und seid gewiss, ihr könnt gerne uns folgen.”

Als sich die Gruppe Richtung Tür bewegte, blickte sich Ulfried nochmals um und musterte Oldebor kurz. Als er vermeinte, kurz seine Aufmerksamkeit auf sich ruhen zu haben, nickte Ulfrid grimmig in seine Richtung. Er sollte sehen, dass er nicht mehr der Junge war, der sich weinend in seinem Zimmer verkroch, sondern ein erwachsener Edelmann, der nun mit einer Schar älteren Rittern reisen würde. Ohne eine weitere Reaktion abzuwarten, wandte er sich wieder seinen Begleitern zu und ging mit ihnen nach draußen, das rechte Bein hinkend, während sein hölzerner Gehstock rhythmisch bei jedem Schritt auf den Holzdielen pochte.

Den Jahrmarkshändler beachtete Rondragor keines weiteren Blickes. Er stellte zu diesem Zeitpunkt keinen weiteren Bedarf am Zurechtweisen fest. Und wenn sich dieser Banause weiterhin so lumperhaft benehmen würde, müßte er ihm halt den nötigen Respekt schon beibringen. Hopfen und Malz schien noch nicht endgültig verloren. Zu den Angrochim gewandt sprach Rondragon in Rogolan “Es wird mir eine Ehre sein, Euch bald schon wieder zu sehen.”

Dann begab es sich zu seinem Pferd um es fertig zu machen. Dieses stand im Stall. 

Fulco begab sich nach einem weiteren Blick in die sich auflösende Runde und begab sich zum Stall um sein Pferd bereit zu machen. Er war den Weg alleine angegangen, da er sich bei Oldebor nicht sicher war, welcher Natur seine Bitte haben würde. Er bemerkte die wachsende Sicherheit Ulfrieds und freute sich insgeheim darüber.  ‘Der Junge stapelt wirklich zu tief, er ist ein äußerst heller Kopf und kann es weit bringen’ Fulco freute sich auf den Weg und den damit verbundenen Austausch mit seinen Nachbarn. 

Leomar nickte den anderen Edlen einer nach dem anderen zu. Er war immer noch dabei die Namen zuzuordnen. Der Ritter wandte sich an Ulfried und Krispinian. "Ich danke euch für das Angebot und ich werde es gerne annehmen.” Er musste kurz lächeln. "Es wird keine einfache Aufgabe sein aber zusammen werden wir das schaffen so Rondra uns die Kraft schenkt.” Als Ulfried zur Gruppe stieß verbreiterte sich das lächeln noch einmal. "Kaltenklamm ? Ein schöner Zufall! Wir sind quasi Nachbarn.” Es fühlte sich gerade ein wenig mehr nach Zuhause an, auch wenn es ein Jahr her war das er dort einmal unterwegs gewesen war. Dann bewegte sich die Gruppe auch schon zur Tür und er konnte schon das wiehern der Pferde hören… “Seid Euch nur nicht zu sicher, dass Ihr uns abhängt, Tsawalden!” Etwas skeptisch wandte sich Xorgolosch an den älteren Zwerg: „Was meinst du, garoscho, sollten wir auf das großzügige Angebot des Junkers eingehen und deine Draxamorta-Droschke gegen die Eisenwalder eintauschen? Auch wenn es mir widerstrebt, beweglicher wären wir wohl.“

Gorthak wartete einen Moment, bevor er antwortete. In diesem Moment schien er nicht nur seinen letzten Schluck Bier zu genießen, sondern auch nachzudenken. Mit einem seufzen stand er auf. “Du wirst recht haben. Außerdem kommt es mir gelegen. So kann ich Ugrimtosch mit ein paar Aufträgen losschicken und wir können direkt nach Erzenschöffer reisen.” Bei seinen nächsten Worten fiel sein Blick auf die davon eilenden und gehenden Menschen. “Vielleicht können wir so verhindern, dass die Gigrim einen Fehler machen und den guten Meister Ferrombarosch verärgern. Zuzutrauen wäre es ihnen.”  Gorthak wühlte kurz in seinen Taschen “Was meinst Du, kannst du reiten und rauchen?” Dabei zog er zwei Pfeifen und einen Beutel Kraut aus einer Tasche.

Die Laune des schwarzbärtigen Edlen in Bergmannstracht besserte sich schlagartig. „Bisher nicht, aber das wäre doch gelacht, wenn sich ein Esbadosch von so einem Umstand abhalten lassen würde!“ Xorgolosch bedankte sich bei Junker Oldebor für Kost und Logis auf Neukrashof und knüpfte in etwas belegtem Ton an: „Dann würden wir uns auf zwei Eurer Vierbeiner wagen. Habt Ihr ein gutmütiges Tier? Ihr wisst, unser Volk hat einen ausgeprägten Sinn für Erschütterungen, der dem Gehoppel auf dem Pferderücken nicht sehr zugetan ist.“

“Ich werde euch die zwei ruhigsten Erzpferde aussuchen lassen. Sie sind das kleine Volk gewohnt und werden euch keine Schwierigkeiten machen.” Vermutlich - mit einiger guter Hoffnung. Es waren immerhin ruhige, genügsame Tiere, kein aufgeregtes Elenviner Vollblut. Der Junker nickte Xorgolosch höflich zu.

“Habt Dank, ich bin zuversichtlich, dass uns die Tiere eine große Unterstützung sein werden.”, der Zwerg wirkte nicht unbedingt, als wäre er von seinen Worten überzeugt.

Wolfmar von Wildklamm reiste gemeinsam mit seinen Nachbarn und allen, die sich angeschlossen hatten auf, nach Erzenschöffer.

Aufbruch

Auf dem Hof des Gutes schlug Ulfried zunächst den Weg zu den Stallungen ein und unterhielt sich dann eine Weile mit einem ähnlich jungen, aber deutlich größeren und muskulöseren Mann, der grobe Lederkleidung trug. Seine halblangen, rotblonden Haare fielen ihm immer wieder ins Gesicht, als er Ulfrieds Ansprache nickend zur Kenntnis nahm. Dann warf er mit verschränkten Armen einen skeptischen Blick auf die Schar Edelmänner und Ritter, mit denen Ulfried reisen würde. Der Gesichtsausdruck des jungen Mannes hellte sich jedoch schlagartig auf, als er in der Gruppe Fulco von Kranickteich erblicken konnte. Freundlich lächelte er diesem mit einer angedeuteten Verbeugung zu, ehe er in den Stall ging und nach einem kurzen Augenblick mit zwei Pferden wieder heraus trat. Die Zügel des eleganteren der beiden Pferde überreichte er Ulfried. Zudem zog er aus einer großen Satteltasche ein Schwert samt Scheide hervor und begann, Ulfried damit zu gürten. Als er das Gehänge umgelegt hatte, prüfte er noch einmal die Verschlüsse, zurrte den Gurt fest und nickte zufrieden. Er legte Ulfried seine Hände auf die Schulter und sprach etwas zu ihm, woraufhin der junge Edle nur nickte. Mit einer knappen Umarmung verabschiedeten sich die beiden und Ulfried blickte ihm noch einen Moment hinterher, als der junge Mann vom Hof ritt. Dann tat Ulfried, das Pferd am Zügel gepackt, wieder vor der Gruppe seiner Reisegefährten: “Ich bin bereit!”, sprach er entschlossen.

Als Fulco den jungen Mann an der Seite von Ulfried erblickte stahl sich ein erfreutes Lächeln auf sein Gesicht. Nachdem der Bursche die Pferde aus dem Stall geholt hatte, sprach er ihn an. ”Thusdrick ich hoffe es geht euch gut. Lange nicht gesehen. Mögen die Götter die Hand über euch auf  eurer Rückreise halten.” Dann wandte er sich an Ulfried und fragte so leise, das nur der junge Edle ihn hören konnte “Braucht ihr Hilfe beim Aufsteigen?”  

“Nein, danke Fulco”, Ulfried winkte knapp lächelnd ab, “ich habe über darun, schau. Zuerst den Linken in den Steigbügel und dann mit viel Schwung…”, ein kurzes Ächzen ging von Ulfried aus, aber es gelang ihm, sein rechtes Bein über den Sattel gleiten zu lassen. Dann saß er auf dem Pferd und lächelte, dann beugte er sich zu Fulco herab und raunte ihm verschwörerisch zu: “Aber warte noch zwanzig Götterläufe, dann muss ich dir auf dein Pferd helfen.”.   Fulco lächelt dem jungen Mann zu. “Da magst du recht haben” und schwang sich auf seuine eigenes Pferd

Krispinian nickte seinen Gefährten aus dem Sattel heraus zu. "Nun denn, lasst uns keine Zeit verlieren!”, rief er mit fester Stimme. “Es gilt, ein Verbrechen aufzuklären!”

Und zu den beiden Zwergen gewandt: “Ich will Euch beileibe nicht abhängen, ehrenwerter Nachbar. Dies ist ja kein Wettrennen. Eher wie ein Bootsrennen, und wir sitzen alle in einem Boot.” Er lächelte die beiden freundlich an und lenkte sein Ross hinüber zu Rondragon. 

Nachdem Fulco auf sein eigenes Ross gestiegen war, lenkte er es an die Seite seiner Reisegefährten und wartete auf den Aufbruch nach Erzenschöffer. 

Rondragon hatte sein Ross gesattelt und saß hoch auf im Sattel, dabei beobachtete er die Gefährten mit denen er die nächste Zeit verbringen sollte. Nachdem alle sich eingefunden hatten deutete er mit erhobenen Arm zum Aufbruch. Dabei sprach er “Gefährten, vor uns liegen Stunden, gar Tage der Suche. Rondra, die Leuin, schickt uns auf eine Queste, die wir bestehen sollten. Ich schlage vor, wir gehen besonnen mit unserer Aufgabe um. Aufsehen werden wir schon genug verursachen.” Dann lenkte er sein Ross neben das Ross von Krispinian und gen Erzenschöffer.

Er lächelte ihm zu. “Freund, dein Sohn schlägt sich wacker.”

Gorthak war indessen ebenfalls auf den Hof getreten und hatte sich zu einer Kutsche begeben, welche am Rand stand. Auf dem Kutschbock saß ein Zwerg, der Gorthak zum verwechseln ähnlich sah. Das auffälligste war ein breitkrämpiger Hut, den er auf dem Kopf hatte. Sie wechselten einige Worte. Nach einer guten viertel Stunde schien alles gesagt und so holte Gorthak ein wenig Gepäck und eine Axt aus der Droschke. Mit diesem Gepäck kam er auf Xorgolosch zu. Bei den Worten Krispians musste er schmunzeln. Eine gewisse Weitsicht und Weisheit besaß der Edle zu Dunkelstein scheinbar. Wenn dieses Abenteuer vorbei ist, würde er ihn einmal zu sich nach Ingrafall einladen. An Xorgolosch gewandt fragte er “Bist Du bereit?”

In ein vielfach ausgebessertes Kettenhemd und einen entbeulten Zwergenhelm gerüstet hatte es Xorgolosch mit Unterstützung eines der Stallknechte Oldebors in den Sattel geschafft. Es wirkte mehr wie eine Statue, die dem armen Tier aufgesetzt worden war. Der Zwerg machte nicht den Eindruck, als wenn er je für eine Pfeife eine Hand vom Zügel lassen würde. Mehrmals fuhr die Rechte um Halt suchend zum Sattelkamm. “Ich habe alles im Griff!” Diese Art des Reisens musste einer äußerst hinterhältigen List des Drachen entsprungen sein.

Rhodan hatte sein Pferd bereits gesattelt und war bereit zum Galopp gewesen, bevor er den Rittersaal betreten hatte. Aus Erfahrung wusste er, wie übereifrig eine große Schar Adliger oft war. Darüber hinaus interessierte ihn dieses Mysterium selbst. Wer hatte es gewagt, den Landgrafen zu bestehlen? Und dann auch noch so ein schwer liquidierbares Gut wie den Kürass des heiligen Hluthar? Schön dumm … Auf dem Rücken seines Rappen merkte man erst, wie groß Rhodan Herrenfels war: Er überragte einige der gesattelten Ritter deutlich. Herrat von Bauernfeind musste den Vergleich jedoch nicht scheuen. Die großgewachsene, muskulöse Frau hatte ihr Pferd ebenfalls in Windeseile gesattelt und war drauf und dran, alleine im gestreckten Galopp vorzupreschen. Nur ihre eiserne Disziplin hielten sie davon ab, voranzureiten. Sie war mit der allgemeinen Trägheit - so jedenfalls empfand sie die Gesamtveranstaltung - unzufrieden. Hier mussten Köpfe rollen. So ein wertvolles Stück wie die Hlutharsrüstung durfte nicht in falsche Hände geraten! “Die Leuin sei gepriesen!”, rief sie, als Rondragon den Namen der Schwertmutter aussprach. “Geschwind voran! Aber …” Herrat sah sich frustriert um und ballte die Linke zur Faust. Rhodan Herrenfels entging dies nicht. “Was habt Ihr, Euer Gnaden”, frug er gelassen. “Wo ist seine Gnaden von Niedersprötzingen?” bellte die Geweihte ersichtlich erzürnt. In diesem Moment trottete der Praiot mit seinem Pferd aus den Stallungen. Die Trense war ersichtlich nicht richtig angelegt. “Ähm… ich … kann mir jemand helfen? Ich reite nicht allzu oft …”, meinte der Mann kleinlaut und sah herzerweichend hilflos aus.

Die aus den Stallungen tretende Irminella hatte zwar das Hilfegesuch des Praioten nicht vernommen, konnte aber auch anhand der Trense erkennen, dass ein wenig Nachbesserung notwendig gewesen war. Also führte sie ihre Eisensteiner Riesin neben das Pferd Seiner Gnaden.  "Verzeiht, Euer Gnaden. Doch ich fürchte, die Trense müsste erneut angelegt werden. Darf ich?"  Ihre Frage war im Grunde eine rhetorische, dass der Herr von Niedersprötzingen Hilfe brauchte, sah man nicht nur seinem Gesicht an, auch das Pferd wirkte irgendwie hilflos. Also machte sie sich daran, das Pferd erneut aufzuzäumen. Dabei redete sie beruhigend auf das Tier ein, kannten sich die beiden ja bis zu diesem Moment nicht.

Der Geweihte ließ ein kleines, freundliches Lächeln sehen. „Danke vielmals. Ihr habt Herzensgüte“, sagte er. Ihm tat das Pferd auch sehr leid - warum auch sollte es ihn auf seinem Rücken tragen wollen. „Könntet ihr mir auch beim Aufsteigen helfen? Ich…ähm…bin nicht so groß und…naja…“ Er blickte aus großen Augen zu dem großen Pferd hinaus.

"Selbstverständlich Euer Gnaden, keine Frage." Sie half ihm dabei auf das Pferd aufzusitzen. "So sollte es gehen." Sie lächelte. Anschließend überprüfte sie noch einmal die Halterungen des Sattels, das Sitzen der Trense und ob die Steigbügel auf guter Höhe sind. Als alles zu ihrer Zufriedenheit war, sagte sie: "Nun kann es losgehen, Euer Gnaden. Ich begleite Euch gern das erste Stück. Frisch voran." Erneut lächelte sie den Geweihten an und ritt dann, sehr langsam, los.

Peranna führte die beiden abreisefertigen Hengste aus den Stallungen. Ihre kontrastreichen Felle glänzten rabenschwarz, daneben, schneeweiß an ihren beiden Flanken rechts und links von ihr. Beide Hengste schienen gesund, kräftig und gepflegt worden zu sein. Damian zeigte sein verlässliches Wesen. Der junge Friedenand neckte seine Reiterin ein wenig. Er zeigte sich genügsam, nachdem sie ihn streichelte und ihn mit tierlieber Aufmerksamkeit besah. Zaumzeug, Trensen, Sattel und befüllte Satteltaschen schienen sicher befestigt. Perannas Ruhe strahlte auch bei den Eisensteiner Riesen Zufriedenheit aus. Friedenand fügte sich ein, denn die Ruhe färbte auf ihn ab.

In diesem Moment war ein verstörtes Schnauben gefolgt von einem laut fluchenden „Prdrax!“ zu hören und das eigentlich sehr gutmütige Erzpferd brach mit dem Herrn von Erzwacht, der sich verkrampft mit seiner Rechten in die Mähne des Tieres klammerte, über den Hof.

Im Hof nahm Farold ein paar tiefe Atemzüge der frischen Frühlingsluft, als er Thimorn mit ihren Pferden etwas ungeschickt aus dem Stall treten sah. Er genoss den kurzen Moment der Ruhe, bevor er festen Schrittes in Richtung seines Knappen eilte. Während er seinen dunkelbraunen Reisemantel festzurrte, entdeckte er Peranna. Sofort erkannte er die Synergie, die zwischen der jungen Knappin und den beiden Hengsten herrschte. Ihr Talent im Umgang mit Pferden war offensichtlich. Anerkennend nickte er. Als er gerade begann über das besondere Verhältnis zwischen Pferd und Mensch nachzudenken, schoss Xorgolosch so dicht an Farold vorbei, dass dieser erschrocken zurücksprang. “Um Praios Willen!”, entfuhr es dem um haaresbreite Niedergerittenen. Einen kurzen Moment blickte er verdutzt der Staubwolke des Herrn von Erzwacht hinterher. Dann drehte er sich energisch um und rief seinem Knappen zu: “Auf, auf, Thimorn, frisch ans Werk!” Die Zeit der Ruhe war nun endgültig vorbei. Er lief zu den Pferden und bestieg sein Elenviner Vollblut. “Ist das die Hohe Dame von Landgräflich Bösalbentrutz davorne? Lass uns zu ihr aufschließen!”

Als Peranna Sabea von Graupen dem Hohen Herren von Eychstädt begegnete, verbeugte sie sich gebührlich vor ihm wie sie sich vor ihrem Hohen Herren Lysander Quintin verbeugte. Natürlich sprach sie ihn nicht an. Plötzlich schoss der Edle zu Erzwacht an ihnen zu Pferde vorbei und vorbei war es mit Friedenands Ruhe. Peranna gab sich alle Mühe, dass das noch nicht so trainierte Jungpferd ihr jetzt nicht durchging. Sie musste handeln bevor er hochstieg und davon galoppierte! Der junge kräftige Schimmel zu ihrer Rechten machte erste Anstalten zu scheuen. Die Knappin handelte beherzt. Sie griff noch gerade rechtzeitig sanft an die Zügel zur Verbindung zum Pferdemaul, um seine Aufmerksamkeit zurückzugewinnen. Sie versuchte ihn durch diesen leichten Griff am empfindsamen Maul dazu zu bewegen ihr Beachtung zu schenken. Erst hörte er nicht. Peranna versuchte an seiner Seite das Gleichgewicht auf ihren Füßen zu halten. Sie stolperte ihrem Pferd ein Stück hinterher und machte weitere umgängliche Versuche ihn auszubremsen. Die Zwölfe sei Dank rannte er ja nicht. Sie gab dem Schimmel einfache Sprachkommandos, führte seinen Kopf ohne Druck sicher herum, machte ihm bekannte Geräusche. Irgendwann fruchteten ihre trotzigen Versuche Friedenand zu führen und nicht umgekehrt. Seine Biegung der Nüstern zu ihrer Schulter hin ging durch seinen gesamten Körper und Friedenand trat mit dem inneren Hinterbein unter seinen Schwerpunkt. Somit war eine Vorwärtsbewegung für ihn unmöglich und er konnte sich nur noch um seine eigene Körperachse drehen. Jetzt hatte sie seine Aufmerksamkeit wieder. Wortlos, mit beruhigenden Gesten führte sie ihren Schimmel im Kreis an den alten Platz zurück. Peranna ergriff Damians Zügel wieder mit der linken Hand. Ihre hübsche Frisur war dahin. 

„Drodda! Ka baskan draxin!” In gestrecktem Galopp stürmte das Erzpferd in Richtung Freiheit und ließ sich wenig von den verzweifelten Versuchen des Zwerges beeindrucken zu beweisen, wer von den beiden Hauer oder wer die Erzader wäre. Es grenzte an ein Wunder, dass der eiserne Mähnengriff des Angroscho hielt und es wäre vermutlich nur eine Frage von Atemzügen, bis der finale Abwurf erfolgen würde.

Das Erzpony des Edlen Xorgolosch von Erzwacht galoppierte mit seiner verkrampften Wohlgeboren darauf weiter als wäre das Tier der Widersacher Praios persönlich. Selbst, wenn Peranna Übermut gezeigt hätte und auf ihr Pferd gestiegen wär, um ihm hinterher zu preschen, gab es stets einen Unterschied zwischen Übermut und Unsinn: in diesem Fall wusste sie von gar mehreren Gründen, die Xorgolosch dazu rieten besser etwas Unkonventionelles zu tun. Meist entschied sich das Graupenmädchen für den Übermut. So auch jetzt, denn sie schrie dem Zwergen im rechten Augenblick lauthals hinterher: “Springt ab, Euer Wohlgeboren, springt jetzt ab!” Dann brummelte sie um des Brummelns willen und lief gleichzeitig mirellenrot an. Sie wusste, was eventuell gleich geschah: Vor Xorgolosch lag der Götter sei Dank eine freie Strecke ohne Hindernisse. Doch der Edle Zwerg hielt geradewegs auf eine prächtige Matschpfütze zu! Es waren taktisch gute Voraussetzungen um weich zu fallen und am wenigsten sicher unter Pferdehufe zu geraten. Jeder, der in der Vergangenheit vom Pferd gefallen war wusste, dass die Voraussetzungen zum Abspringen hier passabel waren in Ermangelung anderer Möglichkeiten. Die Entscheidung zu rufen war seitens der Stellung der Knappin jedoch keinesfalls passabel. Aber vielleicht rettete Perannas Übermut dem Edlen mehr als seinen Stolz. Aus diesem Grund tat sie es. 

Xorgolosch, auf den der Tatbestand des “in der Vergangenheit vom Pferd gefallen” durchaus mehrfach zutraf, vernahm den aufmerksamen Ruf der jungen Knappin schon fast auf Höhe der Suhle. Es musste in der Nacht einen kräftigen Schauer gegeben haben, denn trotz des guten Wetters während der Versammlung stand dort sicher menschenknöcheltief Wasser zwischen einem Inselparadies aus Schlamm und Grassoden. Kurzentschlossen hatte der Erzzwerg seine Stiefel aus den Steigbügeln befreit und hechtete mit beherztem Sprung bäuchlings auf das einladende Matschbett zu. Mit einem gedämpften Platschgeräusch empfing ihn das seicht nachgebende Erdreich. Das siegreiche Ross wieherte triumphierend, wechselte in ein entspanntes Schritttempo und steuerte zielsicher auf ein saftiges Büschel Gras zu. “Rardosch! Drax rardosch!” Zwei empörte Flüche ließen vermuten, dass der Fall des Edlen nicht mit größeren Verletzungen einher gegangen war - wenn man einmal das angegriffene Ehrgefühl außer Acht ließ. “Brodexam bosekam!” Den Ärger in die frühlingshafte Brise grummelnd war die schlammbesudelte Gestalt bereits dabei, sich wieder aufzurichten und dem Morast-Archipel zu entsteigen.

Thimorn der die beiden Pferde am Zügel aus dem Stall geführt hatte, eilte seinem Herrn entgegen, reichte ihm die Zügel und half ihm auf sein Pferd. Er wandte sich an sein Ross und strich ihm sanft über den Hals. “Auf Raidri, endlich geht es los mein Bester.”, murmelte er seinem treuen Begleiter leise zu. Dann schwang er sich auf den Sattel und nickte Farold entschlossen zu. “Was immer ihr sagt, Herr. Ich folge.”

Jorik beendete in aller Seelenruhe sein Mahl und beobachtete die aufgeregten Diskussionen. Er würde abwarten, bis sich der größte Teil der Truppe zum Aufbruch anschickte, denn umso entspannter würde sich die eigene Abreise gestalten. Pferde gab es ja genug, und auch sonst bestand kein Grund zur Eile. Nachdem er sein ausschweifend üppiges Mahl beendet hatte, und das Gros der Gäste sich zur Abreise fertig gemacht hatte, erhob auch er sich.

Erzenschöffer

Eisiger Nieselregen begleitete die Reisenden seit dem Nachmittag,  und nur ein wahrhaft Phexgläubiger hätte diesem Tag irgendetwas abgewinnen können. Glücklicherweise war es nicht mehr als eine stramme Tagesreise auf ganz akzeptablen Straßen von Neukrashof nach Erzenschöffer, so dass die Adligen am Abend in dem kleinen Dorf in den Ausläufern der Koschberge ankamen. Gut 450 Seelen bot die von einem stabilen Holzzaun umfriedete Siedlung ein Zuhause. Die unbefestigte Straße, mittlerweile zu knöcheltiefem Matsch zerflossen, führt auf einen von drei uralten Linden beherrschten Dorfplatz mit einem überdachten Brunnen. Um diesen herum gruppierten sich mehrere bis zu drei Stock hohe Bürgerhäuser, das Fundament aus den grauen Steinen der Koschberge, die Geschosse aus hölzernem Fachwerk, dessen Ausfachungen leuchtend weiß gekalkt waren. Die steilen, mit grauen Schindeln gedeckten Dächer waren weit heruntergezogen, so dass der im Winter reichliche Schnee rasch abrutschte und nicht versehentlich den Dachstuhl eindrückte. Ebenfalls am Dorfplatz fanden sich der Tempel der Travia, kenntlich an einem kunstvollen Gänsebild über der verschlossenen Eingangstür, zu der vier Stufen hinaufführten, ein Schrein des Ingerimm neben einer rauchenden Schmiede, die sich entlang einer Seitengasse erstreckte und das dorfeigene Backhaus, an dem sich am wöchentlichen Backtag die Einwohner versammelten. Etwas außerhalb des Dorfes, mit der Traufseite zur Straße, befande sich an der Straße Richtung Gratenfels ein großer, einladend aussehender Gasthof, auf dessen Schild über der Tür stolz ein brauner Hügel prankte, über den in leicht ungelenken Lettern ‘In der Höhe’ gemalt war. Durch die mit Pergament verspannten Fenster des gastfreien Hauses drang helles Licht, und aus dem Inneren klangen Gesprächsfetzen und fröhliches Gelächter.

Leodegar von Aelgarsfels trudelte erst mit einiger Verspätung im Dorf ein. Er hatte kurz vor der Abreise feststellen müssen, dass eins der Eisen seiner Stute sich gelöst hatte und war daher nicht um einen schnellen Besuch beim Schmied herumgekommen. Doch war er durch seine vielen Jahre als Reisender Ritter einsame Ritte gewohnt. Darüber hinaus, war er sich der Lücken in seinem höfischen Benehmen bewusst und so mied er die Reise in einer großen Gruppe Adliger.  Nun jedoch, völlig durchnässt, etwas über Efferds übertriebene Großzügigkeit murmelnd, machte er sich auf die Suche nach den anderen.

Eblaus war wie zu erwarten war, schnell hinter die große Gruppe zurückgefallen, die mit strammem Ritt trotz miesen Wetters Richtung Erzenschöffer vorangeprescht war. Der gutherzige Praiot war schlicht und ergreifend kein guter Reiter. Noch weniger war er ein „Abenteurer“, der Wind und Wetter standhielt. Vielmehr liebte es der nette junge Mann, im Geiste den Tugenden der Sonne nachzusinnen oder die Choräle des heiligen Arras de Mott zu beten. So verlor er schnell den Anschluss und wurde einige Stundengläser später von Leodegar eingeholt.

"Würden Euer Gnaden mir die Ehre erweisen euch den Rest des Weges zu begleiten?", sprach ihn Leodegar an. "Ich glaube zwar nicht, dass sich die hiesige Bevölkerung an einen Diener des Götterfürsten wagen wird, doch gibt es auch wildes Getier in der Umgebung, dass nicht dieselben Skrupel besitzt."

„Oh ja, gerne“, keuchte der Priester außer Atem. „Ich bin das gar nicht gewöhnt.“

"Mir erginge es nicht anders, wenn ich einen Tempeldienst zelebrieren müsste", setzte Leodegar ungelenk aber freundlich an. "Der Herr Praios hat uns alle an den richtigen Platz gesetzt um, mhh, die...",er unterbrach sich, offensichtlich nach den passenden Worten ringend, "...Pläne der Zwölfe zu erfüllen. Doch bin ich sehr dankbar Euch in dieser Sache bei uns zu wissen, es ist beruhigend einen Deuter der göttlichen wie weltlichen Gesetze als, ähm…, Sachverständigen und geistigen Führer zu haben." Eblaus räusperte sich. “Der Weg, den wir zu gehen haben, ist uns allen vorgezeichnet. Wir müssen ihn nur erkennen. Meiner ist an Eurer Seite. Ich hoffe, die Verantwortung tragen zu können, die Herr PRAios auf meine Schultern gehievt hat. Diese Sache ist schon sehr tragisch… Da soll ein so heiliges, wertvolles Stück Erinnerung repariert werden und dann fällt ein paar Strauchdieben nichts besseres ein, als es zu entwenden. Warum man sowas nur macht?” Die braunen Locken des Geweihten wogten hin und her. “Das Wesen der Menschen ist mir manchmal unverständlich. Wie man nur so böswillig gegen der Welten Plan verstoßen kann?”


Einige Zeit darauf hatten sie die beiden Zwerge eingeholt, die sich mittlerweile leidlich mit ihrem wippenden Untersatz arrangiert hatten. Der vom eisigen Regen vollgesogene Bart des Edlen zu Erzwacht plitschte bei jedem Auf und Ab gegen das Kettenhemd. An der Helmkante sammelten sich größere Tropfen, die sich kleinen Lawinen gleich ihren Weg durch das verdrießlich verzogene Gesicht bahnten. Die Kälte mochte dazu beitragen, dass seine Gesichtsfarbe einen käsigeren Ton aufwies als noch an der Tafel des Junkers. Vermutlich hatte es aber mehr mit dem Zustand von Magen und Gemüt zu tun.

Leodegar dachte fieberhaft nach. War nun Baroschem der Gruß und Garoschem das Zuprosten oder verhielt es sich andersherum. Schließlich gab er es auf und versuchte es schlicht mit: "Angrosch zum Gruße!"

“Angrosch mit Euch” antwortete Gorthak mit einem leichten Kopfnicken, welches wohl eine Verbeugung darstellen sollte. Dieser schien sich ein wenig besser als sein zwergischer Reisegefährte mit der Reisesituation abzufinden. Vor dem Regen versuchte er sich mit der Kapuze seines Reisegewandes zu schützen, welches ebenso schlicht gehalten war, wie die Kleidung, welche er bei der Versammlung getragen hatte. Von einer Rüstung, wie sie der Elde Xorgolosch trug war augenscheinlich nichts zu sehen. “Hattet ihr auch so eine beschissene Reise wie wir werte Herren?” Eblaus schüttelte sich. “Also ich würde das ja so nicht ausdrücken…aber…das trifft es ziemlich genau…” Der junge Praiot machte einen erbarmenswerten Gesamteindruck. Auf Leodegars Gesicht jedoch zeichnete sich ein Grinsen ab, doch schwieg er um den Praioten nicht weiter zu quälen.

„Angroschs Esse für ein heimeliges Gewölbe über’m Kopf und einen Zuber Heißwasser! Wart ihr schon einmal in diesem Nest? Ihr kommt doch aus der Gegend, nicht? Weit kann es nicht mehr sein. Ich wette, unsere geschätzten Herr- und Frauschaften sind längst dabei, die örtlichen Biervorräte zu dezimieren.“ Man konnte sich Angenehmeres vorstellen, als die momentane Laune des Herrn auf Erzwacht zu ertragen. Doch Eblaus schüttelte nur zaghaft den Kopf. Zu mehr war er nicht mehr wirklich in der Lage. Gorthak lenkte sein Pferd so gut es ihm möglich war an Xorgolosch heran. "Der Regen hat auch seine Vorteile. Wenigstens kühlt er die überhitzten Gemüter der Menschen wieder herunter. Das Väterchen weiß schon, warum es Wasser über dieses Eisen kippt. Und für unsere Lebensflamme lieber Nachbar, habe ich das hier." Mit diesen Worten reichte er einen kleinen Flachmann herüber.

„Wo versteckst du nur all die Dinge?“, brummte Xorgolosch dankbar. „Seine Gnaden sieht mir aus, als könnte er auch ein Schlückchen vertragen!“

Eblaus’ Augen wurden groß vor Schreck. “Oh..ich..ähm…vielen Dank…aber, aber…ich trinke nicht so viel”, presste er zwischen schlotternden Kiefern hervor.

"Ich schon", erwiderte der Ritter und zog einen Schlauch aus seinem Packen,"und auf Reisen darf es gern ein Brand sein!" Als Gorthak seinen Flachmann wieder hatte prostete er Leodegar von Aelgarsfeld zu “Baroschem” Danach verstaute er den Flachmann unter seinem Reisemantel.

Es war längst dunkel, als sich schließlich die Lichter des Gasthofs in der Ferne abzeichneten.

Vor dem Gasthaus

Gutmund hatte gute Arbeit geleistet, der Hengst Liudger des Ritters war hervorragend versorgt worden. Der Regen war zwar hinderlich aber das war nichts gegen das was er vor weniger als einem Mond erlebt hatte. Er hielt gut mit Rondragon Schritt und wirkte mit jeder Meile die sie zurücklegten wacher. "Ihr denkt das hier ist unbequem ? Letzten Mond haben Ich und meine Freunde in einem eisigen Sturm ausgeharrt um eine Räuberbande auf frischer Tat zu ertappen die sich an den Vorräten des Weidenthals vergreifen wollten. Wir haben ihnen eine tüchtige Lektion erteilt, auch wenn sie auf Phexische Strategien zurückgriffen die ziemlich gut funktioniert haben.” Er schauderte wenn er an diesen Eissturm dachte. 

“Bester Gutmund, ich sehe einen interessanten Abend vor uns mit viel Gesprächsstoff, erzählt mir bitte mehr von den Listen und Euren Antworten” Rondragon schien sehr neugierig. Endlich wieder im Sattel seines treuen Rosses “Grimbald”. Rondragon wirkte sehr erfreut, gar bereit ganz Aventurien dreimal zu umrunden. Während sie durch das Dorf zum Marktplatz ritten, schaute er sich die Häuser und Menschen genau an. “In der Höhe” murmelte er . “Gefährten, hier scheint unser Nachtlager zu sein. Auch wenn ich die Kasernenpritsche jederzeit einem weichen Bette vorziehen würde, so sollten wir hier unser Lager aufschlagen” Rondragon blickte alle Gefährten an. “Zimmer für die Nacht und Unterkunft für unsere Pferde sollten festgemacht werden.  Wer übernimmt dies ? Zur Lagebesprechung schlage ich vor, wir treffen uns nach Lagerbezug im Wirtsraum an einem Tisch bei Wein und Brot, wenn möglich abseits und mit dem Rücken zur Wand. Wenn wir gefragt werden, was wir hier suchen, wäre eine Antwort, Rast für die Nacht.” 

“Ich geh mal rein und rede mit dem Wirt, was er zu bieten hat” erwiderte Fulco an Rondragon gerichtet. Er band sein Pferd an und ging Richtung Schankraum.

“Fulco, das ist eine gut Idee”. Rondragons Stimme klang tief aber gutmütig. “Es wäre von Vorteil einfach alle Zimmer für ein gewisse Zeit zu blocken, so daß alle unsere Gefährten, ganz gleich wann diese im Laufe des Abends eintreffen, die Möglichkeit des Lagerbezuges haben, auch den Stall sollten wir so frei halten.”  

Gemeinsam mit Farold von Eychstädt und Thimorn von Hauerberg ritt Irminella durch die Straßen Erzenschöffers. Mittlerweile nass bis auf die Knochen sehnte sie sich trotz angenehmer Gesellschaft nach einem Zuber voll dampfenden Wassers und einen ordentlichen Mahl sowie einem guten Tropfen Wein vor einem prasselnden Kaminfeuer. Als sie die Worte des eifrigen Rondragon am Rande mitbekam, schwand diese Hoffnung, wich aber zugleich neuerlichem Tatendrang, der zuvor vom Regen weggewaschen worden zu sein schien.  Sie richtete sich zur Gänze in Ihrem Sattel auf bevor sie Rondragon zunickte und sprach:

"Wohl gesprochen Herr Rondragon! Ich stimme zu, dass wir uns noch heute Abend erneut zusammenschließen sollten, um die kommenden Tage zu planen. Nichts ist weniger zielführend als unkoordiniertes Vorgehen, vor allem in solch delikater Sache. Wohlan denn. Ich werde alsgleich Quartier beziehen und mich dann am von Euch vorgeschlagenen Ort einfinden."

„Der hohe Herr hat Recht“, stimmte auch Rhodan zu. „Vielleicht können wir dann noch zusammentragen, was wir bisher wissen und welche Schritte wir unternehmen können, um unsere Ausgangslage zu verbessern.“ Herrat konnte bei diesen Worten nur die Augen verdrehen. Als ob diese geldgierige Krämerseele etwas von ‚Ausgangslagen‘ verstand. Aber im Ergebnis konnte die Rondrianerin nichts gegen die Absichten vorbringen. Kopflosigkeit hatte noch immer geschadet, auch wenn man schon viel zu lange gewartet hatte. Wahrscheinlich war dieses Pack schon längst über alle Berge.

Rondragon nahm Irminellas Ausspruch sehr wohl sofort wahr. Sie war ihm bereits im Saal aufgefallen und er hatte sich vorgenommen, sie bei nächster Gelegenheit kennen zu lernen. “Ich freue mich auf die gemeinsame Queste und eine Lagebesprechung sollte unser koordiniertes Vorgehen nur unterstreichen” dabei verneigte er sein Haupt. Auf Rhodan reagierte er in diesem Moment nicht, wohl wahr nahm er zur Kenntnis, was dieser sagte.  Im Anschluß übergab er sei Ross an den eifrigen Wolfmar von Wildklamm betrat nach Fulvo die Gaststätte.

Völlig durchnässt folgte Farold der Unterhaltung zwischen Irminella, Fulco und Rondragon und nickte schließlich. “Sehr vernünftig! Doch hoffe ich, dass wir nicht allzu viel Aufmerksamkeit auf uns ziehen werden. An einem solchen Abend sind sicherlich viele neugierige Ohren im warmen Schankraum versammelt.” Er hielt kurz inne und freute sich, dass bald auch seine Ohren, zu denen im Warmen gehören würde. Dann wandte er sich an Thimorn: “Während drinnen alles geklärt wird, helfe ich dir mit den Pferden. Du hast heute wahrlich gute Arbeit geleistet.” Schließlich richtete er das Wort an Irminella: “Falls es euch beliebt, können wir Euer Pferd gleich mitversorgen.”

"Ich fürchte, das wird nicht gehen, aber habt vielfach Dank. Ich bringe Tama selbst unter, sie hat sich ein paar lobende Worte von mir persönlich nach diesem doch recht unerquicklichen Ritt durchaus verdient." Nach einer kurzen Pause setzte sie fort. "Oh, damit meine ich natürlich nicht Eure Gesellschaft, die habe ich sehr genossen. Der Herr Efferd meinte es nur zu gut mit uns. Bringen wir die Tiere unter und sehen anschließend, was der Abend bringen mag."

Thimorn wischte sich das Regenwasser aus dem Gesicht und nickte dann den beiden hohen Herrschaften zu. “Danke Herr. Bei aller Verehrung für den Herrn Efferd, ein Platz am Feuer wird und allen gut tun.” Seufzend blickte er auf den matschigen Boden unter sich. Alle der Aufwand sein Gewand sauber zu halten war wohl vergebliche Mühe gewesen. Er lenkte sein Ross Raidri an eine überdachte Stelle, saß umsichtig ab und führte seinen Träger dann am Zügel die letzten Schritte zu den Stallungen.

Wie angekündigt begleitete Irminella, Tama an den Zügeln führenden, die beiden Herren zu den Stallungen. "Guter Thimorn, ich hatte Eure Frage gar nicht beantwortet. Nein, ich bin nicht bekannt mit Eurem Vater. Ich weiß, dass er ein bürgerlicher war, oder irre ich mich? Er soll eine Räuberbande zerschlagen und dafür das Lehen erhalten haben. Aber mehr als Geschichten, kenne ich nicht, tut mir Leid. Vielleicht lerne ich ihn eines Tages kennen. Dann kann ich ihn zu seinem tatkräftigen, manches Mal noch übereifrigen Sohn beglückwünschen." Ob auf Grund der Müdigkeit, der widrigen Umstände oder aus einem anderen Grund, verlor Irminella für einen Moment ihre meist strenge Miene und lachte herzlich auf. Nur einen kurzen Moment dauerte es bis sie sich wieder gesammelt hatte. Sie räusperte sich. "Verzeiht Thimorn. Das stand mir nicht zu." Danach ging sie geradewegs auf die Stallungen zu, ohne ein weiteres Wort zu verlieren.

Als Irminella auflachte, musste Farold ebenfalls unwillkürlich grinsen. “Ja, Thimorn ist ein sehr fleißiger, rondragefälliger Knappe.”, stimmte er Irminella zu. “Die Ideale der Leuin waren zu meiner Knappenzeit ebenfalls das wichtigste, was man sich vorstellen konnte. Das scheint heutzutage nicht anders zu sein. Doch irgendwann kommt das wahre Leben dazwischen.” Farold seufzte. “Wisst ihr, der Hohe Herr Ingmar von Hauerberg, Thimorns Vater, ist ein guter Freund von mir. Wir dienten gemeinsam am Hofe Hagunalds - möge Boron seine Seele gnädig empfangen haben. Hätte man Ingmar damals gesagt, dass er eines Tages selbst ein Hoher Herr sein würde, hätte er wahrscheinlich lauthals gelacht und dankend abgelehnt.” Farold grinste kurz bei dem Gedanken an seinen alten Freund. Dann fuhr er mit ernstem Blick fort: “Ingmar ist ein guter Mann, selbst für einen Nordmärker außerordentlich zäh. Haffax hat ihm einige Schrammen zugefügt, an denen andere leicht zerbrochen wären. Der Feldzug war nicht nur für die Streitenden an der Front schwer, doch wem sage ich das.” Farold schaute nachdenklich zu Boden, als ob er im Matsch die Szenen längst vergangener Zeiten beobachten würde. dann schüttelte er den Kopf und hob seinen Blick: “Verzeiht mir, das sind düstere Dinge von denen ich spreche.”

Thimorns Ohren waren bei Irminellas Kommentar und Lachen wieder rot aufgeflammt. Hilfesuchend sah er zu Farold und atmete ruhig während sein Schwertvater ihm die erste Antwort abnahm. “Ihr habt richtig gehört, Euer Wohlgeboren. Er wurde dafür ehrenhalber zum Ritter geschlagen, auch wenn der Titel damit wohl eigentlich meiner Mutter angedacht war. Sie starb bei der Verteidigung unseres Barons gegen Haffax Schergen den Heldentod und weilt jetzt in Rondras Hallen!” Auch wenn der Bursche die letzten Worte voller Stolz und ohne Trauer in der Stimme aussprach, verstummte er danach. Er führte sein Ross in die Stallungen und konzentrierte sich darauf, dass es gut versorgt war.

"Auch ich habe gedient, doch dabei eher eine untergeordnete Rolle gespielt. Wenig Ruhm, viel Schmerz. Nicht nur äußerlich, wie bei Tama. Wir alle haben in diesen Zeiten jemanden verloren, der uns wichtig war und noch heute ist." Bei ihren letzten Worten strich sie mit der Hand über den Griff ihres Anderthalbhänders, der aus seinem, an Tamas linker Flanke befestigten, Lederumschlag hervorragte. "Ein passendes Wetter für solch eine Unterhaltung." Sie stapfte weiter Richtung Stallungen, blickte dabei starr nach vorn, als sehe sie etwas, das sie keine Sekunde aus den Augen lassen dürfte.

Thimorn hatte sich daran gemacht den Sattelgurt seines Rosses zu lösen, während er Irminella immer wieder verstohlene Blicke zu warf. Die Vögtin machte ein Gesicht wie Farold bei diesem Thema. Immer wieder beriefen sich hohe Herrschaften wie die beiden auf ihre Erfahrung und doch schienen sie nicht zu verstehen, dass doch jeder Tote auf dem Schlachtfeld als Held gestorben war. Im Gegensatz zu ihm hatten sie doch sogar Gelegenheit gehabt mit ihren Geliebten auf dem Schlachtfeld zu streiten, ihre großen Taten zu sehen und die letzten Worte zu hören. All das hatte man ihm genommen und dennoch war er der einzige der den Heldenmut seiner Mutter mit Stolz vertrat. Stumm schüttelte er, verborgen hinter seinem Ross, das Haupt.

Bei den Worten Thimorns verzog Farold leicht den Mund, ließ sich aber sonst nichts anmerken. Er wusste nur zu gut, wie schwer der Tod von Thimorns Mutter im Herzen des Jungen lag. Doch war ihm auch klar, was der vermeintliche Heldenmut seinem Knappen bedeutete. Allerdings schien es ihm, als zöge er die falschen Schlüsse daraus. ‘Die grünen Burschen lechzen nach großen Heldengeschichten, um daraus Kraft und Inspiration für ihre eigenen Taten zu ziehen.’, überlegte er in der feuchte Kälte des Stalls. Doch eines Tages würde sicherlich auch Thimorn anders auf Ruhm, Ehre, Krieg und Tod schauen. Er strich sich über das feuchte Gesicht, als er Irminellas Worte vernahm und ihren Schmerz spürte. Anerkennend nickte er ihr zu. Farold spürte, dass es fürs erste keiner weiteren Worte bedarf. Um aus seiner Melancholie herauszukommen, half er Thimorn stumm beim lösen der Sattel. Sie fing den Blick Farolds auf und beide verstanden einander in diesem Moment ohne Worte. Sie nickte ebenfalls und begann, Tama abzurüsten.

Müde und hungrig schleppte sich der Alchimist von seinem Hengst herab. Er band das Tier am Unterstand für Reisepferde fest und schulterte das Gepäck, ehe er sich zum Gasthaus aufmachte, in der Hoffnung auf Speis’, Trank und eine gemütliche Bank. ‘Wahrscheinlich sind die Edlen bereits dort. Gut!’

Peranna brachte die Hengste Damian und Friedenand zügig in die Ställe. Aus ihr unbekannten Gründen musste sie dabei an ihren verstorbenen Großvater Fradrik I. denken, obwohl sie den anderen Gesprächen nicht zuhörte. Sie kümmerte sich um die Hengste, indem sie sie ordentlich trocken rieb. Sie machte sie rastfertig und nahm Gepäck von den Pferden herunter. Nun konnten die Tiere sich ausruhen und stärken, weil Peranna die Ausrüstung an sich nahm. Ihr Kurzschwert hing an ihrem Schwertgürtel. Es war vermutlich das Trockenste an ihr. Zwischen den Tierleibern wurde ihr schön warm. Ein heißes Bad, um sich wieder menschlich zu fühlen, erhoffte sie sich sehnlich. Sie war nach dem Tagesritt ein Eisklotz, doch bei Rondra, es war draußen nur Wetter! Der Phex machte eben, was er will. In neun Tagen hatte ihr Vetter und Dienstherr übrigens Tsatag. Sie freute sich darauf.  Ihre Haarpracht sah inzwischen fürchterlich aus. Das war eher das Problem. Zuerst musste jedoch das Notwendige getan werden. Das Gepäck würde sie reingetragen und für ihren Hohen Herren verstauen, die dreckige Wäsche des Tages musste sie waschen und zum Trocknen aufhängen. Sie war voller Schlamm. Stiefel mussten geputzt werden. Gleiches galt für die Pflege und Politur von Waffen und Rüstungsteilen. Es war wichtig. Wie sie die Hohen Herrschaften kannte, landete sie zum Schluss in ihrem brackigen Dreckwasser. Doch immerhin war das warm und besser als gar kein Wasser. Und vielleicht hatte sie Glück und badete noch vor den jungen Herren und den Bürgersleuten, wenn sie sich klug anstellte. Mit den Lenzen wurde das Graupenmädchen notdürftig erfinderisch. Sie hoffte an diesem Abend auf einen dampfenden Graupeneintopf und auf frisches Obst.

Noch bevor es Lysander Quintin sich in das Gasthaus begab, suchte er den Stall auf, er tat die recht flott und ohne weitere Worte, man muss ja nicht ständig plappern, wie ein Waschweib. Vermutlich wirkte er auf andere Personen vor Ort, als hätte er etwas dringendes zu erledigen, und in der Tat, Lysander sehnte sich nichts mehr herbei, als ein heißes Bad. Die frische, saubere Kleidung war schnell gefunden, sie bestand aus: einer Bruche und einem schmucklosen, kragenlosen Leinenhemd. Peranna ließ er ihre Arbeit machen, er wollte ihren Eifer nicht bremsen und ständig mit Worten um sich werfen, war sowieso noch niemals Lysanders Sache. Ein recht neutraler Blick in Richtung seiner Knappin musste genügen, wie er feststellen durfte, erledigte Peranna ihre Arbeit so, dass ein Eingreifen nicht nötig war. Kurz darauf entschwand Lysander in Richtung Gasthaus.

Gorthak verstand nicht viel von Pferden, doch auch er wusste, dass die Tiere genau wie sie froren und es nie gut war, zu nass in der Kälte zu stehen. Darum hatte er sich angeboten seines und das Pferd von Xorgolosch in die Stallung zu bringen und sich dort bestmöglich um sie zu kümmern. Eine kleine Diskussion mit dem benachbarten Edlen später hatten sie sich geeinigt, gemeinsam die Pferde von ihrer Last zu befreien und trocken zu reiben. Die Arbeit ging gemeinsam zwar schneller, durch die ungeschickten Handgriffe aber immer noch langsamer als erhofft voran.   Mit einem grinsen auf den Lippen sagte Gorthak “Nun haben wir aber trockene Wärme und ein kaltes Getränk verdient.”

„Das kannst du laut sagen, garoscho!”, grummelte Xorgolosch. “Angrosch hat uns nicht umsonst den feinsten Sinn für Beben mitgegeben. Ich bin froh, dass diese Ordamonsqual für heute vorüber ist!“

‘In der Höh’

Der zweistöckige, mit Schieferschindeln gedeckte Gasthof ‘In der Höhe’ lag auf einer kleinen Anhöhe, mit gutem Blick auf das Dorf. Es war ein in Rähmbauweise errichtetes Fachwerkhaus, dessen vom Alter schwarze Balken erzählten, dass es sicher schon seit einigen Menschenaltern den Weg zum Ortseingang von Erzenschöffer behütete. Die Fenster waren mit geöltem Pergament, das auf Holzrahmen gespannt war, gegen das Frühlingswetter abgedichtet. Butzenglasscheiben waren ein Privileg der sehr reichen Haushalte und somit der Pfeffersäcke und des Adels, und auch in deren Häusern oft nur den Guten Stuben vorbehalten.

Zum nach Praios blickenden Eingang führten fünf Stufen nach oben und entließen den Gast über einen kleinen Flur in den Gastraum, dessen Boden mit dunkelgrauen Schieferplatten belegt und mit frischen Binsen ausgestreut war.  Rechts und Links, in Richtung Rahja und Efferd, zogen sich lange Bankreihen an den Wänden entlang, durch deren Mitte sich jeweils eine aus mehreren aneinandergeschobenen Tischen gebildete Tafel über die gesamte Länge des Raumes erstreckte. Auf der Innenseite, mit dem Rücken zur Gasse, die zum Tresen führte, war jeweils eine weitere Bankreihe aufgebaut. Die Tische standen so eng, dass es nicht möglich war, sie auseinanderzuschieben. Ein großer Tresen, der sich über die Schmalseite des Raumes zog, war das Herzstück der Schankstube. Neben dem Tresen führte ein schmale, geländerlose Stiege nach oben, vermutlich in Richtung Schlafsaal. Hinter dem Tresen stand eine schlanke Frau leicht vorgerückten Alters mit einer schief sitzenden Haube über dem aschblonden, langen Haar, von dem ihr einige Strähnen ins Gesicht hingen, und schenkte gerade zwei große Humpen schäumenden Biers an zwei grobschlächtige Frauen aus, deren staubbedeckte Kleidung und das Arschleder am Leibriemen sie als Bergfrauen auswies.

Die Schankstube war an diesem Abend gut gefüllt - Bergmänner und -frauen in grauer, staubbedeckter Kluft, einige Handelsleut, Handwerker und Bauern, sowie die eine oder andere Gestalt in staubiger Reisekleidung, hatten sich über die Schankstube verteilt. Gesprächsfetzen und Gelächter hingen zusammen mit Tabakrauch, dem Geruch billigen Fusels und ungewaschener, verschwitzter Leiber, Steinstaub und einem Hauch Stall in der Luft. Ein dicklicher, kurzgewachsener Mann mit Halbglatze hievte auf einem hölzernen Tablett ein Dutzend voller Bierhumpen durch die Menge und bediente die Gäste an den Tischen.

“Travia zum Gruße!” wandte er sich an die Neuankömmlinge. “Wartet bitte einen Moment.” In aller Seelenruhe verteilte er seine Last und sammelte leere Krüge und Bestellungen ein, ehe er sich wieder seinen neuen Gästen zuwandte.. “Ich bin Rigbald Dumpfelmoser, der Wirt.” stellte er sich höflich vor. “Dies hier” er wies auf die Frau hinter dem Tresen “ist meine liebholde Gemahlin Marjan. Wie kann ich euch helfen?”

“Travia zum Gruße Herr  Wirt. Fulco von Kranickteich mein Name.  Wie viele Zimmer habt ihr denn noch frei. Wir sind eine recht große Gruppe Reisender, die heute Nacht bei euch Gedenken die Nacht zu verbringen. Wenn ich mich nicht täusche zählen wir  18 Köpfe. Zudem müssten genauso viele Pferde versorgt und untergebracht werden. Was könnt ihr also für uns tun?” wandte sich Fulo an den Wirt.“   

“Hui!” Der Wirt piff durch die Zähne. “Platz im Stall is jedenfalls genug für die Tier’. Wir haben noch dreieinhalb Doppelzimmer frei, und acht Betten im Schlafsaal. Wenn ihr mehr braucht, könn’n wir freilich noch’n paar Strohsäcke inn’ne Schankraum legen, damit ihr alle Platz habt.” Er überlegte kurz: “Sollt’ reichen. Wir ham’ auch noch’n Heubodn, aber der is’ arschkalt.’ “Erst waschen, dann in die Gästezimmer!” beschied die Wirtin energisch von hinter dem Tresen. Ganz offensichtlich war sie darauf bedacht, den Staub der Bergleute nicht weiter als in die Schankstube dringen zu lassen.

Fulco wandte sich daraufhin an seine Reisegefährten und gab die Informationen weiter: "Nun Edle Anwesende, es wird schwierig mit Einzelzimmer, aber das war ja zu erwarten. Die gute Nachricht ist jedoch, dass wir alle Reittiere untergebracht kriegen.  Es sind noch dreieinhalb Doppelzimmer frei, und acht Betten im Schlafsaal. Zudem könnten paar Strohsäcke im Schankraum untergebracht werden. Nun wie wollen wir uns aufteilen” Er lächelte in die Runde und wartete auf Antwort. "Ich würde mich anbieten, einen der Strohsäcke im Schankraum zu nutzen”

“Ich nehme auch den Strohsack im Schankraum” sprach Rondragon. Seiner Einschätzung nach gab es genug Kampfunerprobte in den eigenen Reihen, die Moral hochzuhalten war eines seiner Ziele, demnach, sollte es nicht schon am ersten Tag, sprich in der ersten Nacht zu den ersten Ausfällen kommen. Zu Fulco gewandt “Wir sollten schauen, wer die weiche Schlafstätte dringender benötigt als die harte Pritsche”

"Wohl gesprochen Euer Wohlgeboren” Fulco nickte Rondragon zu und schaute abwartend zu den anderen Edlen und Reisebegleitern. 

Krispinian von Tsawalden übergab sein Ross an Wulfmar und nickte Rondragon und Fulco zustimmend zu. “Ich würde mit einem Platz im Schlafsaal vorlieb nehmen. Und ich gäbe ein Vermögen für einen guten Schweinsbraten und einen Humpen Bier! Lasst uns die Strapazen der Reise abwaschen, unsere Habe unterbringen und bei Speis und Trank überlegen, wie wir nun weiter vorgehen wollen.”

Fulco lächelte Krispian zu "Das kann ich gut verstehen, doch lasst das mit dem Vermögen den Wirt lieber nicht hören.  “

Krispinian lächelte zurück. “Keine Bange, werter Nachbar. Ich kenne mich mit Wirten und Händlern aus, mehr als ein paar Geldstücke wird er für den Schweinsbraten nicht bekommen. Ich bin gespannt, wie gut die Küche hier in diesem Gasthaus ist.” An Rondragon gewandt: “Was meinst Du, alter Freund? Ist hier jeder der Beteiligten mit Herzen und Landestreue dabei, dieses Verbrechen aufzuklären?”

“Die Taten werden für sich sprechen” Rondragon antwortet so wie er es auch empfand. Viele kannte er noch nicht so, daß er Sie durch und durch einschätzen konnte. Aber es war auch unerheblich, wer wie zum Auffinden der Rüstung beitrug, entscheidender war es, dass die Rüstung überhaupt wieder auftauchte. In Gedanken versuchte Rondragon den Ablauf für sich in einen zeitlichen Fluß zu legen. 

Auch Herrat wählte den Strohsack, schließlich war ‘verweichlichen’ keine Option.

Auch Leomar musste nicht lange überlegen. “Für mich einen Platz im Schlafsaal, falls wir keinen großen Bedarf haben soll mein Knappe eins der guten Zimmer bekommen. Immerhin hat er sich das heute verdient.” Dann begann er selbst sein Gepäck nach oben zu bringen. Irminella, noch immer durchnässt und in scheinbar dunkler Stimmung betrat die Schenke. Sie hatte das wenige, das sie an Habe mit zu dem Treffen mit Oldebor genommen hatte, in drei Bündel verschnürt. Diese, sowie ihren Anderthalbhänder hatte sie sich über die Schultern geworfen. Kurz ließ sie sich ins Bild setzen, denn anscheinend wurden bereits die Zimmer verteilt. Sie legte Ihre Habe behutsam zu den Bündeln der anderen, lediglich ihre Waffe behielt sie bei sich. Anschließend nahm sie Lysander Quintin von Eisenfels kurz beiseite:

"Sagt, was haltet Ihr davon, wenn Eure Knappin und ich ein Doppelzimmer beziehen? Wie ich sehe, sind wir Damen nun unter uns. Selbstverständlich liegt die Wahl bei Euch, weshalb ich Euch beiseite nahm. Selbstverständlich soll auch Eure Knappin einverstanden sein." Sie lächelte aufrichtig in gespannter Erwartung der Antwort des Herrn von Eisenfels. 

Für einen Moment betrachtete Lysander die dann doch wesentlich kleinere Irminella, die ebenso durchnässt war wie er. Der Vorschlag ging für ihn in Ordnung, Lysander hatte kein Problem damit im Schlafsaal zu nächtigen. “Sicher, nur zu, ich werde im Schlafsaal schlafen! Eine ausgeschlafene Knappin ist mir allemal lieber, als eine schlecht gelaunte Kneifzange!” Auch er lächelte die schon fast … nun ja … auf jeden Fall ältere Irminella an, was Lysander jedoch gerade wesentlich  mehr beschäftigte, war, wie er wohl an ein heisses Bad herankommen könnte. “Ich muss auf jeden Fall noch eine Gelegenheit beim Schopf packen, um an einen Zuber mit heissem Wasser heranzukommen!” Sein Lächeln wirkte plötzlich irgendwie verschmitzt, ohne unverschämt zu wirken. “Alleine, versteht sich!” Ein jeder, der diese Aussage mitbekommen hatte, würde sofort verstehen, dass es sich um einen kleinen Scherz handelte! “Und genau darum werde ich mich jetzt kümmern!” Nach einer leichten, angedeuteten Verbeugung, schaute er sich um, um eine oder einen Verantwortlichen zu erwischen, der ihm diesen Wunsch ermöglichen konnte. Nur einen Augenblick später konnte Lysander Quintin die Angelegenheit abklären, die Nacht sollte er im Schlafsaal verbringen.

“Ich begnüge mich gern mit einem Plätzchen im Schlafsaal. Heute wird wohl keiner mehr eine frische Tinktur benötigen. Ist dort noch ein Lager für mich frei?”, fragte Jorik in die Runde und - bei Bedarf - auch gern den Wirt.  Fulco nickte dem Mann zu "Dann bezieht eine Bett dort, es sollte noch eins frei sein” “Ganz recht.”, antwortete Jorik knapp aber freundlich. Auch er war sich ganz sicher, dass dort noch was frei sein würde; wer will schon freiwillig im Schlafsaal hängen, wenn es auch Zimmer gab? Andererseits hatte der Saal auch seine Vorzüge, bekam man doch  gelegentlich auch mal etwas mit. Das konnte freilich nie verkehrt sein, auch nicht als einfacher Stadtalchimist.

Rhodan hatte sich bewusst lange zurückgehalten. Er beabsichtigte nicht, auf einer Pritsche oder gar einem Strohsack zu schlafen. Doch hatte er auch keine Lust darauf, mit den adeligen Herrschaften über Tugend und Disziplin zu debattieren.

“Ja, das Strohsacklager ist auch in Ordnung für mich.”, fügte Ulfried bei, wobei ihn in dem Gewimmel ringsum niemand Aufmerksamkeit zu schenken schien. Er nahm sein kleines Bündel und platzierte es zunächst in einer Ecke des Schankraums, seinen Lodenmantel, noch nass von der Reise, hing darüber. Er selbst setze sich direkt daneben und beobachtete das Treiben um sich herum. 

Fulco nickte Ulfried aufmunternd zu als sich der junge Mann setzte. ’ Ulfried ist gut in Form, mann sieht im die Reise kaum an. Er hat trainiert ’

Als Farold und Thimorn das Gasthaus betraten, schlugen ihnen die Wärme und die Geräusche des Schankraumes entgegen. Erleichtert seufzte Farold. “Ah, Fulco, ich sehe Ihr kümmert Euch um die Schlafplätze. Ob Strohsack oder Bett, mir ist alles Recht an einem solchen Abend.” Nach einer kurzen Pause fügte er hinzu. “Obwohl ein Bett gar nicht mal so schlecht wäre. Vor allem für ihn hier. Er hat es sich verdient.” Er zeigte auf seinen triefenden Knappen.

Dieser lächelte seinem Schwertvater dankbar zu und neigte leicht den Kopf. Der Tag war tatsächlich anstrengend gewesen. Eine warme Mahlzeit und ein gutes Bett würden ihm gut tun! Doch sogleich scholt er sich innerlich für den Gedanken. Sie waren nicht zur Erholung hierhergekommen. Er spannte sich an und blickte sich aufmerksam um, geradezu als erwarte er, die gesuchte Rüstung einfach in der Ecke liegen zu sehen.

Die meisten saßen längst umgezogen an den Tischen, als eine Gruppe triefender Wassergeister den eng gefüllten Schankraum betrat. “Heda, Wirtin, habt Ihr noch den ein oder anderen Schlafplatz unter Eurem Dach?”, tönte die übellaunige Stimme eines der beiden kleinwüchsigeren Erscheinungen aus den Tiefen eines klitschnassen Vollbarts. “Und einen Zuber heißes Wasser?”

“Hoi, Kleiner Herr, so spricht man aber nicht mit der Wirtin!” mischte sich ein hochgewachsener Mann mit spiegelnd kahlem Schädel ein, der, mit derben, schwarzen Lederhosen und einem weiten roten Leinenhemd angetan, über recht beachtliche Muskeln verfügte. An seinem Gürtel trug er einen breiten Dolch und einen gut abgenutzt aussehenden Hammer mit lederumwickeltem, schweren Griff, gerade groß genug, um ihn angenehm mit einer Hand zu schwingen. Seine Unterarme steckten in schwarzledernen Stulpen, auf die das Symbol von Esse und Feuer, das Zeichen des Herrn Ingerimm, punziert war. Das Bemerkenswerteste an ihm war aber sein linkes Auge, das ein Eigenleben entwickelt zu haben schien und starr in den Raum starrte, während der große Mann den stämmigen und triefnassen Angroscho musterte, den Kopf schüttelte und schließlich brummte. “Aber man lässt auch keinen Zwergen ersaufen. Ihr braucht ein kaltes Bier und ein heißes Bad, Mann.”

Xorgolosch blickte ihm mürrisch entgegen. Den Sattel des Erzpferds hatte er ungelenk geschultert. Auf dem Rücken zeichnete sich ein Schild unter dem Umhang ab. Die im Saal versammelten Bergleute trugen aber bereits zu einer Entgiftung seiner Laune bei. Als er die übrigen in den Rüstungsdiebstahl Eingeweihten an den Tischen entdeckte, nickte er beiläufig in ihre Richtung. “Schürt Ihr hier die Esse? Uns schlägt ein langer Ritt auf die Galle. Ein frisch Gezapftes wäre genau das richtige Heilmittel. Ein Willkommenstrunk, Gorthak?”

“Ingmar Isenhammer, der Ingerimmgeweihte” stellte sich der Kahlöpfige mit einem Grinsen vor und fixierte seinen Gesprächspartner mit rechts, während sein Linkes Auge suchend durch den Raum spähte.  “Rigbald, drei Bier!” rief er in die grobe Richtung des Tresen, wohl wissend, dass die Wirtin ihren Gatten lokalisieren und lossenden würde. Und wirklich, nicht viel später kam der beleibte Gastwirt und platzierte drei volle Humpen aus glasiertem Ton, über deren Rand verheißungsvoll duftender Schaum rann, vor den beiden nassen Unglücksottern und dem zufrieden dreinblickenden Priester. “Kühlt erstmal eure Kehlen, dann zeig’ ich euch, wo die Badestube ist. Ihr nächtigt doch heute hier, oder?”

‘Direkt wie eine Spitzhacke auf der Suche nach einer Goldader.’ Dachte sich Gorthak. ‘Der Geweihte und Xorgolosch werden sich bestens verstehen’ Der Zwerg, welcher bisher geschwiegen hatte legte seinen Reiseumhang ab, der trotz bester Bemühungen nur mäßig gegen den Nieselregen geholfen hatte. Mit einer leichten Beugung des Kopfes sagte Gorthak “Freut mich Ingmar Isenhammer deine Bekanntschaft zu machen. Wie ich sehe ehrst du das Väterchen mit Schmiedekunst.”  Wie als hätte wäre ihm plötzlich etwas lang vergessenes eingefallen sagte er leicht verlegen “Entschuldige meine Unhöflichkeit. Die Reise hat meinen Kopf mehr geschüttelt als es sich für einen Angroscho gebührt. Gorthak Sohn des Glorinthax ist mein Name. Mein Reisegefährte Xorgolosch Sohn des Fuldoram hat sich ja bereits schon deiner Aufmerksamkeit versichert. Aber um auf die Frage zurückzukommen. Ja wir werden die Nacht hier verbringen. Bei diesem verdammten Wetter habe ich einfach keine Lust, weiterzureisen." Mit einem Griff zu seinem Krug fügte er hinzu: "Gebadet habe ich heute bereits genug. Man soll ein Feuer schüren und nicht ertränken." ohne dabei jemand bestimmten anzusprechen. 

Xorgolosch wuchtete umständlich Sattel und Gepäck auf den Boden, langte nach dem Gebräu und stieß mit den beiden an. „Baroschem!“ Mit durstigen Schlucken hatte er den Krug beinahe geleert, als er wieder absetzte. Die weiße Schaumkrone hatte sich über den nassen Rauschebart verteilt. „Ich schiebe lieber eine komplette Schicht Lore als eine Stunde auf so einem Wackeldackel zu sitzen. Seht mir meine Laune nach, Euer Gnaden.“

“Ich kann’s verstehen.” lachte Isenhammer, mit einem Auge Xorgolosch fixierend, während sein anderes zu Gorthak schweifte. “Da fällt einem doch nach einem Wassermaß fast das Sitzfleisch ab. Ich bevorzuge Schusters Rappen hier.” und er klopfte mit seinen Stiefeln energisch auf den Boden. “Und ich bin auch schon den ganzen Winter hier. So eine warme Esse und ein gutes Bett in der Höh’ haben was für sich, will ich meinen!” Er nahm einen tiefen Schluck aus seinem Humpen. “Solang’s das Wetter hat, würd’ ich auch hierbleiben. Was bringt euch bei diesem Firunsgepiesel nach Erzenschöffer? Da jagt man doch keinen Hund vor die Tür.” Er schüttelte sich bei diesem bloßen Gedanken.

Xorgolosch blickte etwas unschlüssig auf den anderen Zwerg. “Sind heilfroh, dass wir es noch vor der Nacht geschafft haben. Habt Dank für das Bier, das ist hoch anständig! Ich hoff, das gibt noch ein paar Betten für uns. Ist ja lauschig voll hier!”

“Also vorhin war’n noch die meisten Betten frei - bei mir im Doppelzimmer ist auch noch ein leeres.” Er musterte die Zwerge mit seinem rechten Auge, während sich sein linkes in Richtung Nase dreht und daran vorbei in den Raum starrte. “Hier is’ immer ganz gute Stimmung. Gut, dass ihr hier seid - ‘s sind doch hin und wieder ein paar des kleinen Volks da, aber ‘s könnten ruhig mehr sein. Woher kommt ihr? Koscher seid ihr keine, oder?”  Er winkte dem Wirt und brüllte, als Rigbald grob in seine Richtung sah, aus Leibeskräften  “Rigbald, hat’s noch ein  Zimmer für die beiden Väterchen hier?” Er hielt eine Hand an sein Ohr, während der Wirt weniger laut, auf Fulco deutend zurückbrüllte “Der Edle Herr hier hat alle für seine Leut’ reserviert - wir ham’ aber Strohsäcke für die Gaststub’ später!” “Oh.” Etwas bedauernd hob der Ingerimmgeweihte die Schultern und blickte erneut die Zwerge an. “Dann müsstet ihr wohl den edlen Herrn fragen - oder ihr nehmt’ mit einem Strohsack vorlieb, aber für eine Nacht geht das sicher auch. Hier ist’s zumindest trocken und warm.”

Von Fulco erfuhren die beiden Angroschim, dass für sie ein Schlafplatz in einem der Doppelzimmer vorgesehen war, dorthin brachten sie Sachen, bevor sie sich dem Esssen und vor allem den wohlverdienten Getränken zuwandten.

Nachdem er noch kurz Zeit mit der Pflege seines Reittiers zugebracht hatte, betrat auch Leodegar das Gasthaus. Mit skeptischem Blick sah er sich um, grüßte mit einem Kopfnicken die edle Gesellschaft und das Wirtspaar und brummte "Ich brauche nicht viel. Eine warme Brühe, einen Platz am Feuer und einen trockenen Platz zum Schlafen." Auf die Antwort des Wirtes hin, sagte er: "So soll es einer der Strohsäcke sein. Immer noch ein besseres Lager, als ich meist auf meinen Reisen hatte." Er suchte den Praioten mit dem Blick und sah, dass dieser bereits versorgt wurde. Stattdessen fragte er in den Raum: "Wurde unsere weitere ...Reise schon besprochen?". Dabei rollte er so verschwörerisch mit den Augen, dass man unmöglich ignorieren konnte, dass er etwas anderes hatte sagen wollen, doch Leodegar kam sich dabei  äußerst raffiniert vor.

Fulco musste sich ein Grinsen verkneifen “Nein noch nicht, es scheint gerade der Sinn nach Ankunft und Essen zu stehen. Ich denke, das wir morgen früh die weitere Reise besprechen werden.” 

Zimmersortierung

Wolfmar von Wildklamm bemühte sich, bei seiner Ankunft in Erzenschöffer, beim Gasthaus “In der Höh” sein braunes Reitpferd Rubin, als auch sein mitgeführtes geschecktes Packpferd Halunke unterzubringen. Das gleiche machte Wolfmar mit Rondragons Pferd Grimbald, Fulco von Kranickteichs Pferd und Krispinians brauner Stute Larona. Danach ging Wolfmar mit seinem Bündel, seinen Kriegshammer und Schild mit dem Wappens von Plötzbogen in die Gaststube und steuerte den Wirt an. “Wolfmar von Wildklamm ist mein Name, guter Mann. Haben meine Reisegefährten eine Schlafstelle für mich reserviert? Wenn nicht, möchte ich bitte ein Bett für mich.”

“Der hohe Herr von Kranickteich hat Schlafplätze für Eure gesamte Gruppe bestellt, Herr. Ich habe ihm alles gegeben, was noch frei ist. Wie er sie zu verteilen gedenkt, mag gewiss er euch sagen.” gab Meister Rigbald dem Ritter gern zur Auskunft.

“Ich danke euch.” antwortete Wolfmar dem Wirt. An Fulco von Kranickteich gewandt, fragte Wolfmar von Wildklamm: “Ich habe die Pferde untergebracht. Der Wirt sagte, ihr hättet für uns Betten organisiert, Edler Herr? Wo darf ich mich breit machen?” letzteres unterlegte Wolfmar mit einem breiten Grinsen und wies auf sein Bündel vom Packpferd, Schild mit dem Wappen vom Haus Plötzbogen und Kriegshammer.

“Nun, es sind noch Betten im Doppelzimmer sowie im Schlafsaal frei” antwortet Fulco dem Edelmann. “Einzelzimmer gibt es in dieser Gaststube leider nicht. Wo darf ich euch einplanen?” Dabei hob Fulco entschuldigend die Schultern an. “Die Plätze im Schankraum scheinen schon Abnehmer gefunden zu haben. Es sei denn, die Doppelzimmer werden nicht komplett belegt, dann bleibt wohl auch hier nur der Strohsack in der Schnankstube”  Fulco wandte sich nochmal an den Wirt "Wo sollen die Reisenden, welche im Schankraum nächtigen, bis zur Nachtruhe ihr Gepäck unterstellen?” 

“Wir ham’ die Kammer neben der Schankstub’, Hoher Herr, da könnt’ ihr die Sach’n abstellen.” Der Wirt balancierte mit traumwandlerischer Sicherheit ein Holztablett voller Wein- und Bierkrüge, rotierte mit einer Leichtigkeit, die seiner Körperfülle Hohn sprach, einmal um seine eigene Achse und wies auf eine Tür im Gang, der von der Eingangstür zur Gaststube führte und dessen hauptsächliche Aufgabe es vermutlich  war, die Zugluft draußen und die Wärme drinnen zu halten.

Fulco wandte sich nickend an den Wirt “Habt Dank” Dann brachte er seine Habseligkeiten in die Kammer und ging zurück in den Schankraum zu seinen Reisegefährten.

“Danke Edler Herr von Kranickteich. Ihr dürft mich in einem Doppelzimmer unterbringen, wo ich meine Sachen verstauen kann.” Wolfmar von Wildklamm zeigte auf sein Bündel vom Packpferd, dem Schild mit dem Wappen der Plötzinger und seinen Kriegshammer. Um nicht zu arrogant zu wirken, fügte Wolfmar hinzu: “Im Schlafsaal ist es mir auch recht.” “Ein Doppelzimmer sollte noch frei sein, nehmt doch die Nummer 3, dies ist noch frei” wandte sich Fulco an Wolfmar. “Gibt  es jemanden, mit dem ihr das Zimmer teilen wollt oder ist euch euer Genosse für eine Nacht egal ?” “Danke Edler Herr, mein Mitbewohner muss das Schnarchen ertragen, nicht ich, haha . Sagt man mir jedenfalls nach. Kein Wolf traute sich auch nur in die Nähe unseres Lagers, in der Wildnis, wenn ich schlief. Das war beim Geleitschutz Plötzbogen oftmals von Vorteil.” sagte Wolfmar, was er ebenfalls mit einem breiten Grinsen unterlegte. “Gut, dann wird Gutmundt Praiostreu, Knappe des Ritters Leomar hoffentlich ein guter Zimmergenosse sein” erwiderte Fulco lächelnd. 

An den Wirt gewandt sagte Wolfmar: “Der Edle Herr von Kranickteich hat mir das Doppelzimmer Nummer 3 zugeteilt. Wenn ihr vorausgehen würdet, mein bester Herr Dumpfelmoser, ich möchte nur meine Sachen unterbringen. Wir haben sicherlich  gleich alle eine Besprechung.”

“Sogleich, Edler Herr.” Rigbald lieferte die letzten Krüge aus, stellte das leere Tablett auf dem Tresen ab, beschied seiner  Gemahlin die letzten Bestellungen und wandte sich dann wieder an den Ritter. “Ich bitt euch alle, Ihr Herrschaften, dass Ihr euch den Straßenstaub abwascht, bevor ihr die Schlafkammer betretet - sonst tragt ihr allen Straßenkot und Staub nach oben. Kommt, ich zeig’ euch gern, wo die Badstub’ ist, und dann, wo die Zimmer sind.”

Mit einer höflichen Verbeugung bahnte er sich seinen Weg voraus, durch die inzwischen gut volle Gaststube, an der alle vier Tische mehr oder minder eng besetzt waren, und durch eine Seitentür, die nach einem schmalen Gang und zwei Stufen nach unten eine kleine, blitzsauber gescheuerte Badestube, die zwar einigermaßen eingeheizt war, momentan noch aber über einen, sicher jeweils einem halben Dutzen Personen Platz bietenden Zuber verfügte. Auf einem Herd in einer Ecke - vermutlich er rückwärtigen Wand der Küche - stand ein großer Kupferkessel, in dem Wasser dampfte, und drei randvoll gefüllte Kufen mit klarem Brunnenwasser, die mehr als genug Möglichkeit boten, sich den Straßenstaub aus Leib und Kleidern zu waschen. Direkt daneben war ein Stapel sauberes Linnen abgelegt, und ein paar grobe Bürsten an der Eingangstür warteten auf ihren Einsatz.

Wolfmar kam den Wunsch des Wirtes nach und klopfte sich nochmals draussen den Straßenstaub von den Kleidungsstücken. Auch seine Stiefel reinigte Wolfmar oberflächlich und auch unter den Absätzen. Danach wusch er sich den Staub vom Gesicht, dem Bart und den Händen. Für seine Haare sah Wolmar noch keine Notwendigkeit.

Auch Lysander kam der Bitte des Wirts nach, wobei ihm der Sinn nicht ganz einleuchten wollte, ein Gedanke huschte durch seinen Kopf: “Wie soll ich denn bitteschön den Strassendreck herunterkriegen, ich bin völlig  durchnässt?” Kurz darauf betrat er wieder das Gasthaus und begab sich unter die Anwesenden, um sich in Richtung Bademöglichkeit zu verabschieden, ohne dies wirklich zu tun, wer sagt schon “Auf ein Wiedersehen”, wenn man sich einfach nur der Reinlichkeit widmen möchte!

Nachdem Thimorn sein Pferd versorgt, das Gepäck verstaut und sich frisch gekleidet hatte, betrat er erneut die Badestube. Zuvor hatte er hier nur den grundlegendsten Geboten des Gastrechts genüge getan und dafür gesorgt nicht unnötigen Deck in das Gasthaus zu schleppen. Jetzt sah er mit einem sehnsüchtigen Blick auf den großen Zuber, aber wandte sich dann den Kufen zu, um die Kleidung seines Herrn vom Dreck der Reise zu befreien. Schnaufend griff er sich eine der Bürsten und begann mit der undankbaren Arbeit.

Nachdem Lysander seine Zustimmung gegeben hatte, war es Irminellas sehnlichster Wunsch gewesen, sich die Reise von Körper und Kleidung zu waschen. Also war sie den Beschreibungen des bodenständigen Wirtes gefolgt und betrat kurze Zeit später die Badestube. Noch immer trug sie ihren Anderthalbhänder bei sich, ganz so, als habe sie Angst ihn zu verlegen oder zu verlieren. 

Kurz hielt sie inne, als sie den jungen Knappen erneut antraf, setzte ihren Weg Richtung Zuber dann aber unbeirrt fort. Sie begann sich zu entkleiden, legte die vollkommen von Regen und Matsch vollgesogenen Kleider beiseite und stieg in den Zuber. Erst als sie saß, sprach sie mit geschlossenen Augen. Ihren Anderthalbhänder hatte sie an die Außenverkleidung des Zubers direkt zu ihrer Rechten gelehnt. "Verfolgt Ihr mich, Thimorn?"

Thimorn lächelte der Vögtin scheu zu, als sie das Zimmer betrat und senkte dann rasch den Blick auf seine Arbeit, als er bemerkte warum sie hier war. Als gäbe es nichts interessanteres als den verdreckten Reisemantel seines Herrn. Mühselig reinigte er ihn mit der Bürste und blickte nur rasch zu Irminella als er sie sprechen hörte. “Euer Wohlgeboren? Verzeiht aber wie kommt Ihr darauf, schließlich war ich vor Euch hier?” Er schmunzelte kurz, rief sich dann aber wieder zur Fassung. “Aber wenn ihr etwas Ruhe wollt, kann ich die Sachen gerne woanders reinigen.” 

"Ihr habt Recht. Nein, lasst Euch von mir nicht stören. Ein bisschen leichte Konversation ist bei aller Ernsthaftigkeit dieser Reise gar nicht schlecht." Irminella hatte inzwischen die Augen geöffnet und blickte herüber zu Thimorn, der noch immer voller Inbrunst die Kleider seines Herrn zu schrubben schien. Dann schloss sie sie erneut, lehnte sich zurück. "Wie geht es Eurem Vater in seiner neuen Position? Ich kann mir vorstellen, dass es nicht leicht ist, plötzlich solche Verantwortung zu tragen." Sie hielt einen Moment inne. "Wenn Euch diese Frage zu persönlich ist, müsst Ihr sie nicht beantworten."

“Nun, ganz genau wird nur er Euch das sagen können. Aber ich denke, dass er sich in den letzten Jahren daran gewöhnt hat, das Gut zu führen. Und Auroth bietet auch genug Wald, dass er sich dort wohlfühlt.” Er hob den Mantel an und betrachtete ihn im Licht. Zufrieden nickte er und bürstete noch ein wenig hartnäckigen Dreck aus der Wolle, ehe er sich seinem eigenen Reiseumhang widmete. “Wenn ihr die Frage erlaubt, wie war und ist es denn für Euch in direkter Verantwortung des Grafen zu stehen?”

"Schön zu hören, dann würde Eurem Vater ein Besuch auf Burg Bösalbentrutz sicherlich ebenfalls gefallen. Mit wildreichen Wäldern können wir aufwarten. Um Eure Frage zu beantworten. Selbstredend ist die direkte Belehnung durch Hochwohlgeboren Custodias-Greifax eine große Ehre für unsere Familie und die damit einhergehenden Pflichten sind mir bewusst. Aber Ihr wollt gerade keine Politik machen, oder?" Sie schaute abschätzend zu Thimorn herüber. "Und deshalb lautet meine Antwort: ich weiß es nicht, da mir der Vergleich zu etwas anderem fehlt. Ich kenne das Leben als Ritterin und das als Burgvögtin von Burg Bösalbentrutz. Natürlich ist mir große Verantwortung durch die Verwaltung des Lehens als letztere beschieden. Aber wenn man einmal gelernt hat, mit Verantwortung umzugehen und sie nicht als Last oder Bürde zu empfinden, verbringt man weit weniger Stunden damit vor sich hin zu brüten, ob man denn nun alles richtig mache. Dennoch darf diese Geisteshaltung selbstverständlich nicht dazu führen, dass man nachlässig, übereifrig oder geblendet wird vom eigenen Glanze. Ein wenig Demut tut einem jedem Gut." 

Sie lehnte sich nach vorne, sodass ihre Schultern aus dem Wasser auftauchten und ähnliche Narben preisgaben, wie Thimorn sie bereits an Tamas Flanke gesehen hatte. "Wenn dies schäbige Wetter sich verbaschiedet und die Praiosscheibe erneut die Tage dominiert, werde ich Euren Vater zu einer meiner Jagdgesellschaften einladen. Dann lerne ich ihn einmal persönlich kennen." Anschließend tauchte sie ein-, zweimal ab, um ihre Haare nass zu machen. Als dies geschehen war, holte sie ihre mitgebrachte Seife hervor und begann ihren Körper sowie ihr Haar gründlich vom verbliebenen Matsch und Staub zu befreien. 

Thimorn musste unwillkürlich grinsen. Sein Vater als Teil einer höfischen Jagdgesellschaft, er wusste genau wie Ingmars Gesicht aussehen würde, wenn er diese Nachricht bekam. “Er wird die Einladung sicher annehmen, Euer Wohlgeboren. Und dennoch, wenn ihr mehr von meinem Vater kennenlernen wollt als die nötigsten Floskeln der Höflichkeit und ein unwohles Gesicht, dann würde ich Euch einen anderen Anlass empfehlen.” Er biss sich auf die Lippe und vertiefte seine Bemühungen auf einen der hartnäckigen Flecken am Saum des Mantels. Einmal mehr hatte er wohl zu viel gesagt. Eilig versuchte er das Thema zu wechseln, wobei er kurz zu Irminella aufblickte. “Aber verzeiht, es lag nicht in meinem Sinn Politik zu machen, wie ihr es ausdrückt. Wenn Ihr wollt, könntet Ihr mich an Euren Erfahrungen als Ritterin teilhaben lassen? Die Demut ist doch nicht umsonst auch eine der zwölf Tugenden.”  Prüfend musterte er den Mantel und legte ihn dann ebenso ordentlich beiseite wie den seines Herrn. Dann griff er zu einem verdreckten Stiefel und befreite auch diesen vom Dreck des regnerischen Tages. 

"Oh, na verstimmen möchte ich Euren Vater natürlich nicht mit meiner Einladung. Dann soll es ein anderer Anlass sein." Mittlerweile hatte sie anscheinend zu ihrer Zufriedenheit alle entsprechenden Stellen von Schmutz befreit und lehnte sich noch einmal an die Wannenwand. "Demut ist eine dieser Tugenden, dem Herrn Firun zugeordnet. Genau wie die Selbstbeherrschung." Sie ließ die Worte einen Augenblick im Raum schweben. "Doch auch der Mut. Behaltet ihn Euch!" Sie lächelte.

Der junge Knappe erstarrte in der Bewegung. Als er sich dabei ertappte, versuchte er sich nichts anmerken zu lassen und setzte seine Arbeit fort. Er wurde einfach nicht schlau aus dieser Frau und versuchte es daher mit eine diplomatischen Antwort. “Ich werde versuchen, Eure Worte zu beherzigen, Euer Wohlgeboren.” Sprechen ohne etwas zu sagen, so nannte sein Vater diese Art der Konversation. Auch wenn Vater und Sohn unterschiedlich waren, teilten sie doch die Abneigung dagegen. Aber manchmal war es der gebotene Weg. Der Ehre wegen.   

Nach einem Moment der Stille entstieg Irminella dem Zuber. Sie begann sich abzutrocknen und frische Kleider anzulegen. Die Schmutzwäsche ließ sie liegen. Anders den Anderthalbhänder. Nachdem sie sich die Haare gekämmt hatte, nahm sie ihn auf und ging Richtung Tür. Im Türrahmen blieb sie noch einmal stehen. "Es war wie immer eine Freude, Thimorn von Hauerberg! Ich freue mich auf weitere Gespräche. Wir sehen uns im Schankraum bei der Besprechung." Dann ging sie.

Thimorn erwiderte ihre Verabschiedung mit einem Nicken. “Mir ebenso, euer Wohlgeboren. Das werden wir, ich komme gleich hinunter.” Stumm setzte er dann seine Arbeit fort. Als er die Reisekleidungen von sich und die seines Herrn zu seiner Zufriedenheit gereinigt hatte, stieg auch er schließlich in den Zuber, um sich für den weiteren Abend vorzeigbar zu machen. 

Auf dem Weg in Richtung der heiß ersehnten Bademöglichkeit traf Lysander erneut auf Irminella, sie wurde mit einem freundlichen Blick und einem knappen Lächeln bedacht. Kurz darauf betrat er den Raum mit dem Zuber, allein der Anblick ließ ihn schon etwas entspannen, so er jemanden dort vorfand, würde er diesen, bzw. diese, nicht weiter beachten, Lysander wollte sich waschen und keine grossen Unterhaltungen führen, dazu war schließlich noch Zeit genug. Nachdem er für seinen sauberen Waffenrock und die frische Unterwäsche ein Plätzchen gefunden hatte, begann er sich seiner kompletten Rüstung zu entledigen, gerne hätte er sich helfen lassen, Peranna hatte jedoch zu tun, also erledigte er es eben ohne ihre Hilfe. Was ihm natürlich auch ohne Probleme gelang, für die Rüstung, Arm- und Beinschienen, sowie seiner Waffen fand sich auch ein Platz, die dreckige Kleidung deponierte er so, dass Peranna sie finden würde, wovon Lysander ausging! Nun splitterfasernackt, warf er schliesslich einen Blick in den Zuber, das Wasser war nicht mehr das frischeste, und so beschloss er einfach noch etwas heisses, frisches Wasser nachzugiessen. Schliesslich im Zuber sitzend begann er sofort damit, sich den Dreck des Tages herunterzuwaschen, er tat dies gründlich wie immer, seinen Haaren widmete er sich sogar noch ein wenig mehr. Lysander legte schon immer wert auf sein Äußeres, keine Frage. Ein wenig eitel war er schon immer, was das betraf! 

Normalerweise würde Lysander wesentlich mehr Zeit lassen, für heute beschloss er jedoch die Körperhygiene etwas zu beschleunigen, nicht, dass es ihn gestört hätte, hätte sich jemand zu ihm gesellt, Hunger und Durst wollten schliesslich auch bedient werden. Nach der Waschung gönnte er sich noch ein, zwei Augenblicke, in denen er sich zurücklehnte und die Augen schloss, dann wurde es Zeit: raus aus dem Zuber, abtrocknen, Haare kämmen, rasiert wird sich zu einem späteren Zeitpunkt, Kleidung, Rüstung und Waffen anlegen, was alleine natürlich etwas länger dauertee. Kurz darauf stand Lysander wieder wie aus dem Ei gepellt im Zuberraum. Ein Gedanke huschte durch seine Hirnwindungen: “So, jetzt wird gefuttert, ich könnte eine halbe Sau alleine verputzen!” Daraufhin verließ er den Raum mit dem grossen Zuber, und begab sich erneut in den Schankraum.

Der Erzwachter Edelmann nahm sich zunächst seiner Ausrüstung an, schöpfte sich dann etwas dampfendes, schon reichlich gebrauchtes Wasser aus dem Kessel und widmete sich gründlich der Körperpflege. Einen ordentlichen Bluterguss hatte der Sturz am Vormittag mit sich gebracht. Er würde schon wieder verschwinden. Schmerzen bereitete er jedenfalls keine. Wehmütig dachte Xorgolosch an die Warmwasserrohre der heimatlichen Binge. Die Gigrim lebten, was Mechanismen im Sinne des allmächtigen Baumeisters anging, in manchen Dingen wie die Sulakim. Erst vor einigen Jahren hatte er darauf bestanden, dass auch seine wiedererrichtete Residenz in den hohen Ingrakuppen mit dieser Annehmlichkeit nachgerüstet wurde. Schließlich wollte man eine Belagerung durch Geschuppte, Bepelzte oder, Angrosch bewahre, erneut Elementare wie beim ursprünglichen Untergang der Feste schon ein paar Jahrzehnte widerstehen können. Und zwar ohne dabei gleich weitgehend wie die Brüder und Schwestern im Amboss auf die kulturellen Errungenschaften der Altvorderen zu verzichten. Und nicht zuletzt sollte sich, so der Weltenmechanismus es vorsah, die künftige Herrin auf Erzwacht wohlfühlen!

Der Weg in die Zimmer führte die geländerlose, bedenklich ächzende Stiege nach oben , mitten hindurch den - feinsäuberlich mit Einzelbetten bestückten - Schlafsaal. Dahinter lag ein schmaler, dunkler und fensterloser Gang, von dem drei Türen abzweigten - hinter der Tür an der Schmalseite lagen die letzten beiden Doppelzimmer, von denen das hinterste nur durch das vordere zu erreichen war. Die Zimmer selbst waren schlicht, blanke hölzerne knarrende Dielenböden, Bettgestelle mit einem dick ausgestopften Strohsack und und mit sauberen Linnen überzogen, der Boden äußerst blank gefegt, in den Doppelzimmern jeweils noch einen Tisch mit zwei Hockern und zwei Truhen für die Habseligkeiten der Besitzer, im Schlafsaal ebenfalls Bettkästen mit Strohsäcken für jeden Schläfer und eine an der Wand entlanglaufende Bank, auf und unter der sich ebenfalls einiges an Gepäck verstauen ließ. Die beiden belegten Betten im gleichfalls peinlich sauberen Schlafsaal ließen, nach dem Gepäck zu urteilen, auf einen Metallwarenhändler und einen Medicus - oder etwas derartiges - schließen. Anwesend war, als die Reisenden ihre Plätze aussuchten, niemand.

Xorgolosch trat frisch gewaschen und umgekleidet in das Doppelzimmer am Ende des dunklen Gangs, als Gorthak schon seine Habseligkeiten verstaut hatte. “Alles sehr sauber und ordentlich hier! Das Wirtspaar versteht was von Gastfreundschaft. Ich werde mich unten einmal unverbindlich bei den Bergleuten umhören, wenn ich alles verstaut habe. Vielleicht bekomme ich von den Brüdern und Schwestern schon die eine oder andere Information. Was hältst du von dem Isenhammer?”

Gorthak zuckte nur mit den Schultern. “Für einen Kurzlebigen ein netter Kerl. Wäre er nicht so groß, dann könnte er fast ein Garoscho sein.”

Rondragon saß einem Tisch mit dem Rücken zur Wand und hatte so eine gute Sicht in den Schankraum. Sein Hab und Gut waren verstaut und Grimbald wurde im Stall versorgt. Er wartete nun auf seine Gefährten.

Krispinian von Tsawalden betrat den Schankraum, nachdem er seine Habe auf seinem Zimmer untergebracht hatte. Schnell nahm er die anderen Reisenden wahr, die es sich an mehreren benachbarten Tischen bequem gemacht hatten. Als er Rondragon erspähte, nickte er ihm erfreut zu und nahm an seinem Tisch Platz. Nachdem er ein Bier und einen Eintopf bestellt hatte, wandte er sich an die umliegenden Gefährten: “Wohlan, lasst uns nun über unsere nächsten Schritte sprechen. Die Zwerge befragen den Schmied, ich würde mich gerne den menschlichen Zeugen widmen. Wer mag mich dabei unterstützen? Wichtig wäre es auch, den Ort des Geschehens sprich den letzten Aufenthaltsort der Rüstung einer genaueren Inspektion zu unterziehen. Auch hier bringe ich ein gewisses Talent mit - wer von Euch hohen Damen und Herren kennt sich ansonsten mit dieser Art von Spurensuche aus?

Rigbald, der Wirt, nahm diensteifrig die Essensbestellungen seiner Gäste entgegen. Beim Wort ‘Schweinebraten’ aber zog er bedauernd die Schultern nach oben. “Zu Essen haben wir Eintopf mit Speck, Sauerkraut mit Leber- und Blutwurst, Graupensuppe, Suppe mit Knödeln,  Brot mit Schmalz und Geißen- und Schafskäs’, Pasteten und Speck mit Gmüskäs im Brotmantel und Grütz’ mit Speckwurst. - was darf’s denn sein, hoher Herr?”

Leodegar schritt heran und lehnte sich zum Wirt: "Eine Schüssel Eintopf, Wirt. Achtet darauf, dass er noch schön heiß ist. Der Alte Gott meinte es heute etwas gut mit uns."

“Ich bin für den Eintopf.” rief Wolfmar, “Da ist alles drin, was der Kämpfer nach einem Tagesritt und bevorstehenden Unternehmungen braucht.” Wolfmar aber brachte zuerst seine Sachen auf das Doppelzimmer. 

“Ich nehme ebenfalls den Eintopf,” erwiderte Krispinian von Tsawalden. “Und Ihr solltet den Dunkelsteiner Schweinsbraten mit Kruste anbieten, wenn Ihr neue Gäste anlocken möchtet.” Krispinian nickte dem Wirt freundlich zu. “Wenn Ihr Interesse an bestem Dunkelsteiner Schweinefleisch habt, lasst es mich wissen. Ich kann Euch sicherlich zu einem verlockenden Angebot verhelfen,” zwinkerte der Edle zu Dunkelstein Rigbald zu. 

Nach einem kurzen Abwarten um sicherzugehen, dass er niemandem ins Wort fiel, wandte sich auch Ulfried an den Wirt: “Ich nehme die Knödelsuppe!”, dann hörte er einen Augenblick auf seinen knurrenden Magen und fügte hinzu: “...und dann Sauerkraut mit Leber- und Blutwurst.”.

“Ich bring’s euch gleich, Edle Herrschaften!” nickte der Wirt dienstbeflissen und warf Krispinian einen überlegenden Blick zu - merklich grübelnd, wie er dessen Offerte wohl einschätzen sollte. “Braten ham’ wir nur, wenn Schlachttag is - und ein, zwei Tage danach, Edler Herr.” Er fuhr sich mit dem Ärmel über seine schweißbedeckte Stirn.  “Dank aber für Euer freundliches Anerbieten, Edler Herr.” Fast fluchtartig machte er sich davon, die gewünschten Gerichte zu besorgen und brachte diese, angerichtet in irdenen Schüsseln und Tellern, wenige später. Sie dufteten verheißungsvoll.

“Ah, was ein Glück”, dachte sich Lysander, als der Wirt ihm über den Weg lief, er sprach den geschäftig wirkenden Mann an: “Auf ein Wort, ich habe meine Bestellung noch nicht aufgegeben!” Der gross gewachsene Hohe Herr Lysander sollte freundlich auf den Betreiber des Gasthauses wirken. “Als erstes und sehr wichtig: Keine Innereien, vor allem keine Nieren!” So man vorhat, Lysander den Tag zu vermiesen, sollte man ihm einfach diese Innerei auftischen, aber das nur nebenbei! Lysanders Blick auf den Wirt wirkte wohl für den Moment fast ein wenig prüfend, gerade so, als wolle er feststellen, dass diese Ansage beim Wirt auch angekommen war. Nur einen Augenblick später lächelte er erneut, wenn auch knapp. “Dann wäre das geklärt, nun zu meiner Bestellung, Ihr könnt mir ansonsten alles auftischen, ein kräftiger Eintopf tut es ohne Probleme, aber Fleisch … oder Wurst sollten nicht fehlen, dazu Brot!” Für einen Moment legte Lysander seine Stirn in Falten, vor allem seine Zornesfalten zwischen seinen Augenbrauen, waren nun gut zu erkennen, wobei Lysander in keinster Weise auf Krawall gebürstet war, wirklich in keinster Weise. “Wisst Ihr was? Überrascht mich, ich verlasse mich mal darauf, dass Ihr mich gut versorgt, soll Euer Schaden nicht sein! Dazu einen Krug Wasser und ein grosses Bier!” Mit diesen Worten entließ Lysander der Wirt wieder, auf das er mit der Versorgung der Reisegruppe fortfahren möge. Nun war es für Lysander an der Zeit, dass er sich wieder zu seinen Mitstreiter*innen begab.

Nachdem das erste Bier getrunken war und das zweite soeben serviert wurde fragte auch Gorthak nach dem Speiseangebot des Abends. Nachdem der Wirt all die Köstlichkeiten aufgezählt hatte beschied Gorthak mit einem Ernst in der Stimme, dass man nicht an seinen Worten zweifeln mochte: “Einmal bitte alles, werter Wirt. Nur nicht alles auf einmal.” 

“Gewiss, Väterchen.” Rigbald sammelte die leeren Krüge ein und machte sich, wie schon dutzende Male zuvor, auf den Weg Richtung Tresen, um die Bestellung aufzugeben und mit vollen Krügen erneut auszuschenken.  Für den Start brachte er die Würste mit Sauerkraut und eine nicht krausrige Schüssel größe Graupensuppe mit einem dicken Kanten frischen Bauernbrots. Er wusste, was eine Bergfrau oder ein Bauer nach einem Tag harter Arbeit zu vernichten imstande war - und der Angroscho machte nicht den Eindruck, als stelle dieser eine Ausnahme dar. “Recht so?” wollte er wissen.

“Du lässt wirklich keine Wünsche offen.” Mit einem breiten Grinsen machte sich der Zwerg über die Graupensuppe her. ‘Nach einem Tag harter Arbeit ist ein ausgiebiges Mahl vonnöten, um wieder zu kräften zu kommen. Und dieser Ritt war wahrlich harte Arbeit.’

Fulco wandte sich ebenfalls an den Mann “Für mich auch den Eintopf bitte und noch ein Ferdoker Helles” “Kommt sofort, edler Herr - wenn’s auch das hiesige Bräu sein darf. Das Ferdoker haben wir hier leider nicht - aber wir brauen hier ein richtig leckeres Helles. Und ein Starkbier auch, wenn’s dem Edlen Herrn danach ist.”

Leomar kam von der Treppe wieder zurück in den Schankraum, hatte eine große Holzbox dabei und setzte sich neben Rondragon. 

Rondragon nickt ihm zu. Er freute sich, Leomar bereits so früh sehen zu können.

Gerade rechtzeitig um Krispinians Ausbruch von Enthusiasmus zu hören. "Normalerweise würde ich sagen wohl gesprochen, aber findet ihr nicht, wir sollten warten bis alle hier sind ? Wollt ihr euch wiederholen müssen ?” Es lag wenig Kritik darin, es war eher sachlich. "Es wird wahrscheinlich nicht einmal 1 oder 2 Stunden sein bis der Rest hier ist. Zumal….” Sein Blick ging zu den Bergleuten die rund um an den Tischen saßen. "Wir dann auch weniger Aufmerksamkeit erregen wenn der Abend weiter fortgeschritten ist.” 

“Wir können die Zeit damit verbringen, einander besser kennen zu lernen” Rondragons Stimme klang leicht, nicht so hart wie in den Stunden zuvor im Saal. Dabei hob er seinen Krug und prostete den Gefährten zu.

Er lehnte sich in die Bank zurück. "Abgesehen davon klingen eure Vorschläge gut.” Er klappte die Box auf und ein Haufen einfacher Figuren wurde offensichtlich, die Farbe war ein wenig abgegriffen so als ob sie schon häufig benutzt worden wäre. Den Boden der Box bedeckte ein Muster aus schwarzen und weißen Feldern. "Während wir warten, hat einer der Damen und Herren interesse an einer kurzen Partie Garadan ?” Die Augen blitzten dabei etwas.

“Wollt ihre eine besondere Schlacht nachstellen ?” Rondragon zeigte interesse an diesem Spiel. “Erklärt mir zuvorderst, wer sich gegen wen und in welcher Streitsituation befindet”

Das Lächeln wurde breiter. "Garadan ist recht simpel. Wir haben zwei ungefähr gleich starke Armeen.” Er überlegte kurz, wog ein paar der schwarzen Figuren in der Hand. "Habt ihr schon einmal Garadan gespielt ? Es ist jetzt hier in den Nordmarken nicht weit verbreitet, ich hab es damals in Albernia kennengelernt.” Er lehnt sich ein wenig zurück und muss bei dem Gedanken an die Knappenzeit lächeln. "Es sind weniger historische Schlachten, das Ziel der Spieler ist es durch den geschickten Einsatz der richtigen Figuren das andere Ende des Brettes zu erreichen.” Dann griff er nach ein paar Steinen. "Wenn euch das lieber ist können wir es auch mit einer historischen Schlacht verknüpfen. Diese hier fand 1028 im zweiten Jahr des Kriegs gegen Albernia statt. Es war die Schlacht um Crunolds Auen. Es war erst mein drittes Jahr als Knappe und mein Schwertvater Erpho von Richtwald zeichnete sich damals aus.” Während er sprach stellte er die Figuren auf. "Albernia hatte sich gegen das Mittelreich erhoben und die Nordmarken waren die ersten die dem Ruf folgten diese Rebellion zu beenden. Es war eine der ersten wirklich großen Auseinandersetzungen in diesem Konflikt. Diverse Albernische Ritter.” Er setzte zwei schwarze Pferde auf das Brett. "Thorwalsche Unterstützung” Zwei Weitere Figuren die Krieger symbolisierten [Equivalent zu Läufern] "Invher ni Bennain und Iolar von Norley, zwei der wichtigsten Persönlichkeiten die Albernia in dieser Dekade gesehen hatte.” Er stellte zwei Burgfiguren auf. "und das Heer an Albernischen Fußsoldaten.” Er stellte ein paar kleinere Kriegerfiguren auf [Bauern] "Auf unserer Seite standen die Herzogliche Flussgarde, die Nordmärker Garderegimenter, viele Ritter aus den Nordmarken und nicht zuletzt die Nordmärker Garderegimenter.” Es wurde die gleiche Zahl an weißen Figuren aufgestellt. "Ihr könnt gerne zuerst eure Seite wählen, weiß zieht zuerst.” Erwartungsvoll sah er Rondragon an.

“Wohl an” Rondragons Stimme klang interessiert, obwohl er sich mit brettspielen nicht wirklich auskannte, aber hier galt es eine Schlacht nachzustellen. Und keine unbedeutende zugleich. “Die Nordmärker werde ich führen. Ich ziehe mit der Herzöglichen Flussgarde”

Fulco setzte sich zu Rondragon, Krispian und Leomar. Er war froh, die Schlafplätze an den Mann/die Frau gebracht zu haben und nun ein wenig zu entspannen. Er hörte der Erklärung Leomars interessiert zu. Er hatte das Spiel schon mal von seiner Mutter erklärt bekommen, die Regeln aber nicht mehr präsent.” Nach der Erklärung wandte er sich kurz an Leomar “Ich wusste garnicht, das ihr Zeit in Albernia verbracht habt. Meine Mutter stammt von dort. Wie hat es euch dort gefallen?” 

“Fulco, ihr habt das sehr gut organisiert. Danke” Rondaragon lächelt seinen Sitznachbarn zu. “Die Gefährten sollten diese Nacht wohl verbringen und nur die Götter wissen, welche Erkenntnisse wir am morgigen Tage erhalten werden”. dabei schaute er  im Raume herum, um festzustellen, ob schon alle vor Ort sind und sich im Schankraum eingefunden hatten ? Solange dies nicht der Fall ist, wird sich Rondragon mit diesem für ihn neuen Brettspiel beschäftigen. 

Leomars Lächeln flatterte ein klein wenig. "Ich bin mit meinem Schwertvater dort gewesen, sehr schöne Landschaften muss ich sagen. Es ist eine Schande das es nicht… angenehmere Umstände waren. 1028 bis 1032 waren wir dort.” Er schüttelte ein wenig den Kopf. “Es wäre heute vermutlich anders aber die Erinnerungen kann man nicht wirklich abschütteln, zu viele Flüsse an denen Blut vergossen wurde. Versteht mich nicht falsch die meisten Leute gehörten nicht zu den Rebellen aber trotzdem.” 

Fulco hörte dem Mann aufmerksam zu und nickte. “Ja, der Streit im eigenen Reich war nicht gut. Mein Vater ist in einem der Gemetzel dort zu Boron gegangen” Fulco hieng kurz seinen Gedanke nach. "Dies war für meine Mutter sehr schwer”  

“Die Schlachten sind im Namen der Donnernden zu schlagen, was geschehen ist, ist geschehen” Rondragon dachte an den sich damals sehr lange hinziehenden Schlachtenverlauf  “lange sah es nach einem Patt aus, es wäre mir eine Ehre in diesem Spiel diese Ausgangslage ebenfalls lange offen zu gestalten”.  Dabei öffnete er scheinbar zufällig  die rechte Flanke.

Eine kurze Pause. "Es hätte nicht sein dürfen. Beide Seiten hatten ihre Gründe aber am Ende hätte man das friedlich lösen sollen.” Gewalt sollte die letzte Lösung sein, egal worum es ging.

Er machte ebenfalls seine ersten Züge. "Ich hab selten ehrlichere Leute getroffen. Dann ist da natürlich noch Havena, wir waren nach dem Ende des Konfliktes einmal dort, man vergisst diese Stadt nicht wenn man einmal dagewesen ist.” Gerade wenn man daran dachte was er mit dieser Stadt verband. Wie viele Altknappen hatte er nach dem Ende des Konflikts seine Schwertleite erhalten. Die Zeremonie und die Feierlichkeiten waren etwas was ihm vermutlich immer im Gedächtnis bleiben würde. Er wandte sich wieder Rondragon zu. "Die Barden übertreiben es ein wenig fürchte ich. Es war nicht so viel großes dabei.” Er musterte kurz die neue Aufstellung und machte seinen Zug. 

Rondragon mußte schmunzeln. Barden und diejenigen die sich durch ein Bardenlied unsterblich fühlen durften. Er kannte einmal einen Angroschim, der ganz und gar nicht wie ein Angroschim auftrat. Seine Name war Bartofix, der einzigartige. Ein Barde, der selbst über bedruckte bunte Karten verfügte. In Gedanken, setzte er ein wenig Fußvolk nach seitwärts und sprach “Ich lernte einen illustren Angroschim kennen, Bartofix….”

"Es war allerdings auch eine etwas andere Knappenzeit, man hat sich weniger Gedanken über die Eintönigkeit der Aufgaben gemacht und hat mehr vom echten Leben mitbekommen. Das prägt einen.”  Hier nickte Fulco dem Edlen zu” Das denke ich mir, dieser Konflikt war für keine Seite angenehm und alle haben ihre Erinnerungen daran.”  Rondragon nickte ihm zu.

Vier der Sechs Jahre in der Fremde hatten einen gewissen Tribut gefordert. "Ich bin mehr als froh, dass das höchste der Gefühle im Weidenthal inzwischen die Pelze und ein paar Banditen sind.” 

Weiden schoß es ihm durch den Kopf. Die Heimat seiner Mutter und der Schwerpunkt seiner Ausbildung. “An Schwarzpelzen hat es zu meinen Knappenjahren nicht gemangelt. Es ist allesamt Ratsamer den gemeinsam Feind zu bekämpfen als sich zu zerfleischen.”  Ein Zug.

“Ihr wart schonmal im Tal ?” Interesiert hob er die Augen vom Feld. "Das Weidenthal ist jetzt nicht so groß, wir sind ein kleines Gut innerhalb von Schnakensee, nichts wo viele Ritter oder Händler von außerhalb durchkommen würden, leider.” Es könnte soviel größer sein wenn man nur rechtzeitig in die richtige Richtung gesteuert hätte.  Ein weiterer Zug. "Vor allem bin ich froh wieder zuhause zu sein, Gratenfels und insbesondere das Tal haben immer… ein besonderes Gefühl. Etwas das man nur in der Heimat hat.” Das Brett befand sich noch am Anfang, er hatte ein paar seiner Fußsoldaten in Position gebracht und bereitete mit den Thorwalern allmählich einen Angriff vor. 

Die Flussgarde zog er nun vor den gegnerischen Truppen langsam über das Feld, ganz so als sollte sie sich in ihrer ganzen Pracht dem Feinde einmal zeigen.

Es hatte nichts Phexisches an sich, keine besonderen Tricks. Dafür war ihm Rondra immer noch zu nahe. Die Thorwaler rückten vor, und nahmen die erste Figur der Flussgarde. Er konnte sich ein lächeln nicht verkneifen. "Ihr seid gut für eure erste Partie.” 

“Fulco, ich hoffe, die Gefährten sind bald alle da.”

“Das hoffe ich auch” erwiderte Fulco.” So langsam mussten alle ihr Gepäck verstaut haben. Hoffentlich gibt es keine Alleingänge, das könnte die ganze Sache erschweren” Fulco schaute sich im Raum um und machte eine einladende Handbewegung in Richtung von Ulfried “Willst du dich nicht zu uns setzen.” 

Ulfried nickte eifrig und sprang auf, so schnell und elegant es sein Bein eben zuließ. Als er bereits den halben Weg zu dem Tisch der anderen gehumpelt war, hielt er inne und blickte zurück zu dem Bündel mit seinen Habseligkeiten, welches noch in der Ecke auf einer Bank lag. Dann zuckte er jedoch mit den Schultern und setzte seinen Weg fort. Am Tisch angekommen, stütze er sich mit beiden Fäusten auf der Platte ab und begutachtete interessiert das Spiel, welches auf dem Tisch aufgebaut wurde: “Wie geht das?”, fragte er in die Runde, während sein Blick noch immer die Figuren zu vermessen schien. Ohne eine Antwort abzuwarten, winkte er dann jedoch ab: “Ach, ein andermal, wir haben wichtigeres zu tun.” und ließ sich auf eine Bank sinken. Dann schien er sich an etwas zu erinnern und wechselte nochmals etwas unbeholfen seinen Sitzplatz, ehe er zufrieden lächelnd in die Runde blickte.

Leomar blickte kurz zu Ulfried. “Es wird vermutlich noch ruhigere Zeiten geben, falls ihr mal nach Schnakensee kommen solltet dann müsst ihr mal nach Weidenthal und zu uns auf die Motte.” Er sah das die Taverne sich langsam füllte. "Ich denke wir sollten das langsam beenden.” Der zweite Thorwaler ging in die Offensive und schlug eine größere Bresche. "Durchbruch in 5 Runden würde ich sagen.” Er musste lächeln, nicht herablassend sondern vor allem weil es eine spannende Partie war. 

“Ja, ähm, gerne…euer Wohlgeboren.”, Ulfried wirkte, als müsse er nach den richtigen Worten suchen und blickte unruhig im Raum umher, “allerdings…ähm…bin ich recht oft in Schnakensee, weil…ähm…mein Lehen liegt dort.”, dann blickte er beinahe schon peinlich berührt zu Leomar, ehe sich seine Augen weiteten und er hastig ergänzte: “Kaltenklamm!”.

Ein blitzen in den Augen. “Kaltenklamm sagt ihr ?” Wieder eines der Güter in der näheren Nachbarschaft. "Schon ein wenig her das ich dort war.” Ehrlich gesagt hatte er mit den dortigen Herrsschern nie viel zu tun gehabt, sie hatten das Korn aus Weidenthal importiert, dafür hatten sie das Holz für die Motte aus Kaltenklamm geholt. Dann hatte man mit den Schiffern die über die Ambla kamen zu tun natürlich aber übermäßig großen Kontakt hatte es nie gegeben. Unter dem alten Argenklamm war das noch schlimmer geworden. "Richtig, wir hatten uns ja heute morgen kurz kennengelernt.” Langsam machte das alles Sinn. "Es sind zu viele neue Gesichter auf einmal gewesen.” Er setzte sich ein wenig gerader hin. Dann musste er kurz lächeln. "Manchmal führt das Leben seltsame Zufälle. Wenn das hier vorbei ist, ist es denke ich mal Zeit für einen Besuch in Kaltenstein.” Vielleicht war der neue Herr besser als dieser alte, grantige Praiot von einem Ritter der sich immer auf die alten Traditionen gestützt hatte.  "Ihr interessiert euch für Garadan ? Das ist eines jener Dinge die leicht zu lernen aber schwer zu meistern sind. Da geht es mehr um Strategie als um alle Kniffe des Regelwerks zu kennen.” Er setzte einen weiteren Zug.

Ulfried wirkte erleichtert. “Ja, genau, aber grämt euch nicht, mir geht es nicht anders. So viele neue Gesichter und nur sehr wenige bekannte.” Sein Blick blieb kurz an Fulco von Kranickteich haften. “Es wäre mir eine Ehre, wenn ich euch im Sommer in Kaltenstein willkommen heißen dürfte. Es gibt zwar nicht viel, was einen Besuch lohnt, aber zum Lechminsfest ändert sich das.”  Erwartungsvoll lächelte Ulfried Leomar an, ehe ihm noch etwas einzufallen schien: “Oh, und natürlich ist auch eure…Gattin eingeladen!”, fragend hob er eine Augenbraue.

Das Lächeln wurde noch ein wenig breiter. "Sie würde sich freuen. Tatsächlich kümmert sie sich gerade um die Geschäfte im Tal, ich kann nicht abschätzen wie lange es dauert die Rüstung zu finden und sie ist kompetenter als jeder Vogt.” Die Augen blitzten ein wenig. "Aber für kurze Besuche kann ich mein Vertrauen in andere legen, vor allem wenn der Sommer ins Land zieht.” Er schien kurz zu überlegen. "Nach den Namenlosen Tagen… habt ihr immer noch dieses Fest am Anfang des Praios?” Er tat den letzten Zug. Danach hielt er Rondragon die Hand hin. "Gut gespielt würde ich sagen. Wenn wir Abends mal Zeit haben sollten wir das wiederholen.” Er begann langsam und sorgfältig zusammenzupacken, Figur für Figur, alles schien seinen Platz zu haben. 

Bei den ersten Sätzen von leomar schien sich etwas Enttäuschung auf Ulfrieds Gesicht abzuzeichnen, welche dann jedoch einem überraschten Ausdruck wich. “Nein, nein, das Lechminsfest beginnt immer am zweiten Markttag im Praios, so dass niemand während der finsteren Tage reisen muss! Aber sagt, was meintet ihr damit, die Rüstung zu finden?”.

Jetzt war es an Leomar irritiert zu wirken. " Die Rüstung die gestohlen wurde? Weswegen wir alle zusammengerufen wurden? Ich wusste es würde etwas langfristiger werden als Oldebor um Hilfe bat."  Das Gesicht hellte sich danach wieder auf. " wenn die Tage nicht allzu schlimm werden dann werden wir dort sein."  Mit einem klicken schloss er die Box. " Es ist sowieso Zeit das ich offizielle Besuche angehe, es war im Winter zuviel im Tal zu tun." 

Ulfried schlug sich mit der flachen Hand an die Stirn und begann leicht verlegen zu lachen. “Achsooo, ich suchte nach einem Zusammenhang zwischen dem Lechminsfest und einer Rüstung und dachte, ihr erwartet dort einen Tjost.”, dann winkte er, noch immer von Lachen unterbrochen, ab: “aber Ritterspiele wird es dort keine geben.”. Von einem auf den anderen Moment ebbte das Lachen jedoch ab und Ulfried sah nachdenklich aus. “Ich überlege gerade, wann ich das letzte Mal in Weidenthal gewesen bin. Das ist bestimmt schon mehr als zehn Götterläufe her. Mein Vater nahm mich damals nach der Frühjahrs-Trift mit und ich bestaunte die ganzen Stämme, die in der Ambla trieben. Hmmm…”. Er wandte sich wieder Leomar zu und fand sein Lächeln wieder: “Es freut mich auf jeden Fall, dass ich euch hier kennenlernen durfte. Wir brauchen mehr Austausch unter den Edlen und Rittern. Ich kann sicher auch von euch eine Menge lernen.”

Ein Nicken. “ Wir haben alle ähnliche Probleme, wenn wir das gemeinsam angehen dann geht das deutlich einfacher von der Hand. Und zwischen Kaltenklamm und dem Weidenthal liegen ja nur 2 Tage.” Er klappte die Box zu. “ Wir können immer etwas lernen, sonst ist es ein verlorener Tag.” Er musste kurz schmunzeln. “Aber ich denke wir sollten uns auch mit den anderen austauschen.”  Der Blick ging in Richtung der Gruppe die langsam größer wurde. Er hielt ihm eine Hand hin. “ Es war eine gute Fügung der Zwölfe das wir uns hier getroffen haben.” Dann stand er auf und begab sich langsam zu den anderen. Wolfmar von Wildklamm  kam zurück in den Gastraum, nachdem er seine Sachen im Doppelzimmer 3 unter gebracht hatte. Als Wolfmar sich umsah, wo sich Rondragon und Krispinian aufhielten, begab er sich zu ihnen. “Edle Herrschaften, gibt es schon einen Plan, wie wir vorgehen wollen?” An Fulco gewandt sagte Wolfmar: “Danke nochmals für das Bett im Doppelzimmer, edler Herr. Ihr habt das bislang sehr gut organisiert.”

Fulco nickte Wolfmar zu “Habt Dank. Ich hoffe, das alle zufrieden sein werden am Ende. Dies ist bei solch illustren Kreisen immer etwas heikel. Doch ich bin zuversichtlich. Hoffen wir, dass die Beratungen uns weiterbringen, die Zeit drängt.”

Leodegar lauschte aufmerksam aus der Nähe, doch war sichtlich unentschlossen inwiefern er näher heranrücken sollte. So begnügte er sich zunächst damit, in Hörweite zu bleiben und sich den Beteiligten zuzuwenden.

Krispinian sah Wolfmar in die Augen. “Wir sollten uns morgen früh beim Mahl gemeinsam mit allen versammeln und dann besprechen, wie wir uns für das weitere Vorgehen organisieren und aufteilen mögen. Ich werde alsbald nächtigen, um morgen mit frischer Kraft und voller Tatendrang der Aufklärung dieser Sache dienen zu können. Einen kleinen Spaziergang vielleicht vorher noch … Ich bin gespannt, wie wir vorankommen, wenn wir morgen alle Beteiligten an einem Tisch versammelt sind. Möchtet Ihr mich gleich auf einem kleinen Spaziergang begleiten?”

Wolfmar nahm das Angebot des edlen Herrn an. “Ja, ich habe auch Lust, mir nach dem Essen, die Beine zu vertreten. Ich komme mit. Lasst uns die Gegend ein wenig anschauen.” 

Fulco hatte Krispian aufmerksam zugehört "Gut gesprochen, ich denke auch dass es nach der Nachtruhe besser ist, sich konkrete Pläne zu überlegen.“ Er richtete seinen lächelnden Blick auf den Edlen "Wollt ihr beim Spaziergang alleine euren Gedanken nachgehen oder darf man euch begleiten? Ich würde mir nach dem Ritt und einer Mahlzeit auch gerne die Beine etwas vertreten.” 

“So wie es ausschaut, werden diesen Abend die Gefährten nicht alle Quartier beziehen. Zumindest jeder in seiner zeit. Es sollte einjemand den Ankommenden mitteilen, dass das Frühstück der geeignete Zeitpunkt der Absprache ist. Beim ersten Sonnenstrahl … “ Rondragon hielt inne und sprach dann weiter “...um die 9te Stund sollten wir uns an den Tischen zusammenfinden.” Dabei schaute er den treuen Wolfmar an “Während ihr bereit den Ankömmlingen die Kunde zu tun, wann die Lagebesprechung stattfinden wird ?”

Krispinian von Tsafelden lächelte Fulco freundlich zu. Er mochte seinen neuen Nachbarn, er erinnerte ihn ein wenig an seinen alten Freund Rondragon. “Natürlich, sehr gerne! Ich freue mich auf Eure Begleitung. Das gibt uns Zeit, uns als neue Nachbarn näher kennen zu lernen und uns ein wenig auszutauschen. Ich bin neugierig, mehr über Euer Lehen zu erfahren! Rondragon, ich würde mich freuen, wenn du dich uns anschließt. Wir haben uns schon viel zu lange nicht mehr gesehen, und ich brenne darauf zu erfahren, wie sich mein Sohn Cordovan kurz vor Ende seiner Knappenzeit bei dir schlägt.” 

Rondragon nickte. Und zog schnell einen Bauern nach vorne.

Gerne berichte ich auch über die Besonderheiten in Gut Dunkelstein. Von unserer Brauerei, der Räucheralrik-Manufaktur und unseren Dunkelsteiner Scheckenschweinen zum Beispiel. Und von der Burgruine, in der es angeblich spuken soll.” Bei seinen letzten Worten wandte er den Blick von Fulco ab und sah aufmerksam in die Runde. “Mag uns noch jemand auf unserem Spaziergang später begleiten? Eine gute Gelegenheit, sich schon mal ein erstes Bild der örtlichen Gegebenheiten zu machen.”

Fulco nickte seinem Nachbarn ebenfalls zu und wandte sich wieder ab Krispian. “Sehr schön, ich freue mich auf die Berichte aus eurem Gut. Die Idee, sich die Gegend bei einem Spaziergang anzuschauen, halte ich ebenfalls für gut, mann kann nützliches mit dem Angenehmen verbinden” Dann wendete sich Fulco Rondragon zu” Die 9te Stunde halte ich für eine gute Entscheidung, da kann ich vorher noch eine Runde laufen” Er nahm eine Schluck seines Bieres und schaut den Männern weiter beim Spiel zu. Zwischendurch hang er jedoch seinen Gedanken nach. 

Im Schankraum

Nach der Reservierung einer Pritsche im Schlafsaal und der Bestellung eines Humpens, dessen massive Größe die eine Hand deutlich übersteigt, kam Jorik den Krug mit beiden Händen vor sich her schleppend  zurück zu den Sitzplätzen im Schankraum. Er ließ sich zwischen den Mitreisenden rund um Fulco und Krispian nieder und prostete der Runde beidhändig zu. “Zum Wohle die edlen Herren. Auf ein fröhliches Pläneschmieden. ”

“Wohlan, lasst es Euch schmecken,” prostete Krispinian von Tsawalden, Edler zu Dunkelstein, dem Neuankömmling zu. “Auf ein phexgefälliges Pläneschmieden also! Sagt, wir sind uns bis dato noch nicht begegnet - was könnt Ihr mir über Euch erzählen? Wo wollt Ihr Euren Teil zur Klärung dieses schandvollen Verbrechens beitragen?”

“Zum Wohle” Rondragon prostete ihm zu. Als sein Freund Krispinian “phexgefällig sagte” schüttelte Rondragon nur den Kopf. Er kannte seinen Nachbarn zu lange und zu gut.

Nachdem Farold sein Gepäck verstaut, sich getrocknet und saubere Kleidung angezogen hatte, ging er herab in die Schankstube, wo er auf die anderen Herren traf. “Rondra zum Gruße!”, begrüßte Farold die Versammelten lächelnd. “Wie ich sehe läuft hier gerade eine spannende Partie.” Er setzte sich zu ihnen und freute sich endlich die Edlen in kleinerer Runde kennen zu lernen. “Zum Wohle.”, erwiderte er Joriks Gruß.

Krispinian von Tsawalden nickt auch Farold freundlich lächelnd zu und erhob seinen Humpen. “Zum Wohle, lasst uns Travias Gastfreundschaft miteinander teilen! Was möchtet Ihr gern in die Runde dieser illustren Schar beitragen, um des Rätsels Lösung zu finden?”


Rondragon wartete auf den nächsten Zug Fulcos. “Uns sollte der Wein zumindest nicht ausgehen, bis alle versammelt sind. Auf Euch und auf die Leuin”

Fulco hob seinen Bechern und prostete allen am Tisch befindlichen Personen zu, egal ob Edler oder Gemeiner "Auf die Leuin” Was Herrat schmetternd erwiderte, das es allen Anwesenden in den Ohren klingelte. Er wandte sich an Jorik. "In welcher Beziehung steht ihr zu Junker Oldebor” 

Rhodan Herrenfels setzte sich ebenfalls dazu und erwiderte die Grüße der anderen. Allerdings liebte auch er das Garadanspiel und betrachtete deshalb gespannt das Brett. Herrat von Bauernfeind hatte die Schankstube dementgegen erst gar nicht verlassen, sondern lehnte bequem an der Wand. Nur gelegentlich warf sie einen Blick über die Schulter auf die versammelten Spieler.

Im peripheren Sehen nahm Rondragon den Händler wahr. 

Nachdem die Partie geschlagen war, das Finale war doch spannender geworden als ursprünglich vorhergesehen packte Leomar die Figuren sorgfältig weg und begab sich zur Hauptgruppe der Versammmelten. Er hatte Rhodans Blicke durchaus bemerkt, nickte ihm kurz zu, dann grüßte er die Versammelten und ließ sich am Tisch nieder. "Was wurde bereits besprochen? Und wenn ich mich kurz einbringen darf, sollten die Diebe noch in der Nähe sein dann würde ich etwas wie die Berge als Versteck in Betracht ziehen, gibt es hier Damen und Herrschaften die sich in so etwas auskennen? Der Blick ging suchend in die Runde, ob die Zwerge bereits eingetroffen waren. 

Er konnte sie zu diesem Zeitpunkt noch nirgends entdecken. Entweder würden sie mit ihren kurzbeinigen Ponys später am Abend eintreffen oder irgendwo am Wegesrand übernachten müssen.

“Herzlichen Dank euch!”, antwortete Jorik, bevor er leise in seinen Krug hineinkichert, ehe er einen zünftigen Schluck heraussog und den Krug nach mehrmaligem Schlucken mit einem deutlichen “Ahhhh!” wieder absetzte. Es war in der Tat weise gewesen, den Herrn der Händler und auch der Diebe nicht vor einem edlen Herren zu erwähnen, der den Namen der Göttin des ehrenvollen Kampfes trug. Sein strenger Handwerksmeister wäre stolz gewesen. ‘Naja, vielleicht’. Der junge Mann stieß vornehm geschlossenen Mundes zweimal auf und begann: “Ach naja, über mich gibt es auch gar nicht so viel zu erzählen. Geboren, neunzehn Frühjahre gesehen.. Grundbildung, Grundlagen der Gratenfelser Wirtschaft.. und ich habe vor Kurzem meine Lehre zum Alchimistengesellen abgeschlossen. Im Gegensatz zu Euren Heldentaten sicher nicht viel, aber es war harte und ehrliche Arbeit.” Darauf erhob er erneut freundlich grüßend den Krug und nahm nocheinmal einen tiefen Zug. “Und Ihr? Welche Heldentat blieb euch in deutlichster Erinnerung?” Auf die Frage des Herrn Fulco hin verzog Jorik das Gesicht zu einer halbwegs freundlich verzerrten Fratze. “Nun ja ähh... meine Beziehung zum Herren Junker ist… kompliziert. Ich schulde ihm gewissermaßen einen Gefallen. Wegen meines Ausbildungsplatzes sozusagen.. zumindest zum Teil.”

Fulco schaute den jungen Mann bei seiner Ausführung genau an. “ Nun Oldebor einen Gefallen zu schulden ist nicht schwer” Bei den Worten winkte er kurz ab. “ Hat der Junker euch denn verraten, weshalb er euch mit auf diese Queste schickt? Eure Fähigkeiten sind ja sehr spezieller Natur” Mit diesen Worten schaute er Jorik abwartend an. 

Jorik zuckte ratlos mit den Achseln. “Nein, leider nicht. Der Meister und ich waren uns - nach stundenlanger und hitziger Diskussion - irgendwann einig, dass es nichts bringt, mit dem Junker darüber zu diskutieren, geschweige denn die Bitte abzuschlagen.” ‘Oder anders gesagt: Der alte Kartoffelsack hat sich einfach durchgesetzt. Verdammt zäh kann er sein.’, setzte er gedanklich hinzu und nahm verdrossen einen weiteren Schluck aus dem Krug. “Und so sitz ich nun hier, abseits der Stadt. Die gute Nachricht ist: Danach bin ich wohl raus aus der Sache. Also Augen zu und durch.” ‘Sofern Phex mir beisteht.’

Fulco nickte dem jungen Mann zu “ Der alte Haudegen wird schon einen Grund gehabt haben, euch unserer Gruppe zuzuordnen. Euer Beitrag wird sich bestimmt noch offenbaren. Die Götter werden uns die Augen schon öffnen und unseren Weg leiten” Mit diesen Worten postete er dem Alchemisten zu. 

“Sehr wahr und richtig gesprochen!”, antwortete Jorik und erhob ebenfalls den Krug drauf.

Abend

Die Gaststube war zum Abend hin wirklich voll geworden, dicht an dicht saßen die Zecher auf den Bänken, waren aber tapfer zur Seite gerückt, so dass die edel gekleideten Herrschaften nebeneinander Platz gefunden hatten. Dennoch saß der nächste Dörfler nicht einmal eine halbe Armeslänge entfernt. Neugierig musterten die Bergleute, Bauern, Händler und Reisenden die neuen Gäste und um sie herum wurde es etwas stiller, offensichtlich von nicht geringer Neugier getragen. Der Wirt Rigbald kam abermals vorbei, tauschte leere Bierkrüge gegen volle und ersetzte auch einen großen, mittlerweile leeren, fast drei Maß fassenden Weinkrug, wieder durch einen vollen.

Leodegars Misanthropie nahm nun langsam überhand. Er beschloss trotz des Wetters hinauszugehen und eine Runde um das Gasthaus zu laufen, womöglich mit einem kurzen Zwischenstopp bei seiner Stute. Er zog seinen immer noch durchnässten Reiseumhang über die Schultern und den Kopf und trat hinaus, in eine feuchtere aber auch deutlich ruhigere Umgebung. Als er derer Gewahr wurde die spazieren gehen wollten, wandte er sich ihnen zu und sagte:"Wäre es den Herrschaften genehm, wenn ich Euch begleite?"

“Selbstverständlich”, erwiderte Krispinian Leodegar. “Es wäre uns eine Ehre, wenn Ihr Eure Schritte gemeinsam mit uns zu einem Verdauungs- und Erkundungsspaziergang durch die Ortschaft lenken würdet! Ich bin gespannt, wie Euch der Götter Weg hierhin geführt hat, und wie Eure Meinung zur weiteren Vorgehensweise ist.”

"Meint Ihr die Reise aus Neukrashof oder den Lebensweg den mir die Zwölfe gewährten?", Leodegar musste bei diesen Worten schief grinsen. "Zumindest in der Sache unseres Anliegens denke ich, dass die gebildeteren Herrschaften, zu denen Ihr ohne Zweifel zu zählen seid, die Befragung zu unser aller Zufriedenheit durchführen werden. Ich selbst verstehe weniger von solchen Dingen, doch will ich stattdessen die Umgebung des Dorfes erkunden. Mögen die Götter uns auf beiden Wegen Erfolg bescheren!"

Krispinian beantwortete Leodegars Frage aufrichtig lächlelnd: “Wenn Ihr mich so fragt, mich interessiert beides. Und ja, ich stimme Euch vollends zu: Die Befragung der Zeugen ist von großer Wichtigkeit - aber ebenso wichtig ist es, die nähere Umgebung nach Spuren und eventuellen weiteren Zeugen zu erkunden. Kennt Ihr Euch mit der Spurensuche aus? Dann wärt Ihr die richtige Person dafür.” . Fulco wandte sich an Leodegar. “Stellt euer Licht mal nicht  in den Schatten. Ich bin davon überzeugt, dass wir alle wichtige Beiträge zur Lösung unsere Aufgabe beitragen werden. Wahre Stärke liegt in der Regel in der Gemeinschaft.Ich denke da wir alle auf diesem Spaziergang mit unterschiedlichem Blick gehen werden und alle Beobachtungen wichtig sind” Er unterstrich seine Aussage mit einem Nicken des Kopfes. Dann nahm er eine weiteren Schluck seines Bieres.    [Ping Leodegar] “Etwas frische Luft kann uns nur gut tun.” sprach Rondragon. “Wir sollten allerdings vorher eine Absprache treffen”.

Ulfried hob beschwichtigend die Hände: “Ich bleibe hier. So kann ich auch ein Auge auf unser Gepäck werfen.” Er deutete in Richtung der Bündel der Reisebegleiter, die allesamt in der Schankstube auf einem Strohlager nächtigen würden. Dann setzte er mit einem entschuldigendem Blick hinzu: “Und ich bin ohnehin nicht allzugut auf den Beinen.”

Krispinian lächelte Ulfried an. “Habt Dank, dass Ihr ein Auge auf die Sachen werfen wollt. Aber wenn Ihr uns begleiten wollt, passen wir uns gerne Eurem Tempo an. Wir möchten eh gemächlich gehen, uns ein wenig unterhalten und uns die lokalen Gegebenheiten schon einmal anschauen.”

Fulco wandte sich ebenfalls an Ulfried “Bist du sicher, das du nicht mit gehen magst? Wir wollen ja keinen Gewaltmarsch absolvieren” 

“Jaja, ich bin froh, auf einem Stück Holz zu sitzen, dass nicht ständig hin und her schaukelt.”, sprach Ulfried und winkte ab. “Erzählt mir einfach später, falls ihr auf einen neuen Gedanken gekommen seid.”

Die Haare offen und noch feucht kam Irminella die Stiege herunter. Aufgrund der Feuchtigkeit lockten sich ihre Haare noch stärker und wippten im Takt ihrer Schritte. Sie hatte saubere Kleidung angelegt, welche etwas bequemer wirkte, als jene, die sie soeben abgelegt hatte. Die Farbwahl blieb allerdings genauso dieselbe, wie das aufgestickte Wappen derer von Eberbach auf Brusthöhe.

Kurz hielt sie auf der Stiege inne und überblickte den Raum. Als sie sah, dass die meisten bereits bei Speis' und Trank zusammensaßen, gab sie ihre Bestellung direkt am Tresen bei der dahinterstehenden Dame ab. "Ach, und noch etwas Verehrteste. Gäbe es wohl die Möglichkeit meine Kleider reinigen zu lassen? Ich habe sie oben im Waschraum zurückgelassen, sie waren doch recht schmutzig. Euer Schaden soll es natürlich nicht sein." 

“Gewiss, hohe Dame, ich schicke gleich den Burschen.” gab die Wirtin zur Auskunft. Sie wandte sich in Richtung der halb offenen Tür hinter ihr und brüllte mit einer Laustärke, die mühelos über die gesamten Stimmen trug “Herigauz! Wäsche in der Badkammer!”  Schnelle Schritte im Hintergrund kündeten davon, dass ihr Ruf nicht ungehört blieb. Zufrieden lächelnd wandte sie sich wieder Irminella zu.  “Wir werden alles nach Euren Wünschen bereiten.”

"Habt Dank. Ich werde mich zu meiner Reisegesellschaft dort drüben begeben. Wenn Ihr mir dorthin nun noch ein wenig Eintopf mit Speck und einen Wein bringen könntet, wäre ich Euch sehr verbunden."

“Gewiss, Edle Dame.” Sie holte tief Luft “Auriane, Eintopf, Brot und Wein - vom guten Roten!” brüllte sie in Richtung der Küche. Nicht lange, und eine abgehetzt aussehende Magd brachte das Gewünschte.

Dann begab sie sich zu den versammelten Herren, die sich bereits angeregt unterhielten. "Die Herren, hättet Ihr noch einen Platz für mich?" Dabei ließ sie ihren Blick über die Versammlung schweifen. Als die Magd das gewünschte vor ihr abstellte, nickte Irminella ihr kurz zu. Mit einer einladenden Geste winkte Krispinian Irminella an den Tisch. “Gewiss, wir freuen uns auf Eure Anwesenheit, setzt Euch gerne zu uns. Einige von uns möchten abschließend noch einen kleinen Spaziergang machen. Uns austauschen und die Lokalitäten einem ersten Blick unterziehen. Wollt Ihr uns begleiten? Es wäre uns eine Ehre!”

“Nur zu, nur zu!” lächelte Lysander Irminella an, und würde auch ein wenig Platz machen, sprich etwas zur Seite rutschen, so dies denn nötig wäre. An einem Spaziergang hatte er kein Interesse, weshalb er es unterließ, sich vorerst zu dem Thema zu äußern. Mittlerweile war auch seine Bestellung zu Tisch gebracht worden.

"Habt Dank! Eurer Einladung entnehme ich, dass die Versammlung vertagt ist? Wenn ich mich so umsehe, ist das wohl die rechte Entscheidung. In diesem Falle nehme ich Eure Einladung herzlich gern an. Nach diesem Ritt ein bisschen spazieren ist sicherlich das Richtige, um wieder zu Kräften zu kommen. Doch wo ich von Kräften spreche. Lasst mich, bevor wir gehen, ein wenig essen und trinken. Dann könnte ich alsbald mit Euch aufbrechen." Sie blickte erneut in die Runde und nickte den Männern freundlich zu. 

“Natürlich, stärkt Euch erst in aller Ruhe”, antwortete Krispinian Irminella. Danach brechen wir auf zu einem gemütlichen Spaziergang, bei dem wir uns ein wenig austauschen und die nähere Umgebung begutachten können.” Er erhob seinen Humpen und prostete ihr zu. “Lasst es Euch schmecken, bei Travia!”

"Habt Dank!" Auch sie erhob ihren Becher. "Auf neue Bande, die geknüpft werden mögen."

Fulco nickte der Frau freundlich lächelnd zu und erwiderte den Gruß mit dem Becher “Wohl gesprochen” Er beobachtet die Frau kurz, aus ihr wurde er nicht so recht schlau. ’Die Frau ist interessant!’

“Dem kann ich mich nur anschliessen!” Mit diesen Worten erhob auch Lysander sein Bier, er trank und widmete sich dann aber auch recht schnell seiner ersehnten Mahlzeit, die Portion war ordentlich, es gab erst einmal nichts zu meckern. Auch das Brot war frisch und lecker! Seinen Durst löschte der großgewachsene Blonde mit der Narbe auf der linken Wange und dem frisch gekämmten, noch feuchten, blonden Haar jedoch mit Wasser, das Bier blieb in diesem Zeitraum unberührt. Lysander achtet darauf, nicht allzu viel Alkohol in sich hineinzuschütten, auf einen verkaterten Kopf verzichtet er gerne, ausserdem achtet er auf seine Linie. 

Als völlig durchnässt und durchgefroren Eblaus von Niedersprötzingen das Gasthaus betrat, sah der Händler seine Chance gekommen: “Ach, Herr von Niedersprötzingen. Bei allen Göttern, Ihr seht ja schrecklich aus! Friert Ihr? Zittert Ihr gar? Och herje! Wirtin: Bringt doch bitte umgehend eine dicke Decke für diesen armen Gottesmann. Ich werde umgehend dafür sorgen, dass er ein geruhsames Bett bekommt und die Nacht über ihn wachen.” Zwar hatte der große Mann noch nicht vor, zu Bett zu gehen. Doch das musste man an dieser Stelle niemandem auf die Nase binden. Als er den Mann hinaufführen wollte, wurde er jedoch von Marjan Dumpelmoser unterbrochen. “Is’ kein Zimmer mehr frei. Pech gehabt. Der arme Herr hier muss sich ein Zimmer teilen. Sie werdet doch sicher auch im Schlafsaal übernachten könne’.” Rhodan wollte schon protestieren, doch dann entsann er sich der Gelegenheit, die mit der Unterbringung verbunden war. Womöglich konnte er so erfahren, warum die hohen Herrschaften diese Strapazen auf sich nahmen. “Na gut, um des lieben Friedens Willen”, erwiderte er. “Begleitet Ihr den Herrn von Niedersprötzingen bitte auf sein Zimmer?” Eblaus konnte hierzu nichts anderes als ein zähneklapperndes Schlottern hinzufügen.

Mit noch nicht getrockneten Haaren kam Xorgolosch in die etwas klamme xorloscher Prospektorentracht gekleidet die knarzenden Stufen herab in die Wirtsstube. Gewissenhaft multiplizierte er den Bierpreis mit der geschätzten Zahl der Bergleute und errechnete einen gerade noch erträglichen Betrag. Er zwinkerte einmal in Richtung der anwesenden Eingeweihten von Neukrashof und zwängte sich dann an einen der Tische der Erzenschöffer Hauer. Mit erhobenem Arm klopfte er dreimal kräftig auf die brusthohe Platte. „Ich wünsche Glück, auf frische Gänge!“ In der Menschensprache wirkten die aus alter Zeit überlieferten Rogolanworte seltsam gestelzt. “Die nächste Runde geht auf den Esbadoschklan!“

Diese Aussage drang mühelos durch das Stimmengewirr der Gaststube. Die Bergfrauen und -männer wandten die Köpfe, um den Edlen Spender auszumachen, und hämmerten dröhnend ihre Krüge auf die schweren Tische. “Ein Hoch auf den Angroscho!” klang es aus vielen Kehlen, und, lauter noch, als die neue Runde ausgeschenkt wurde, “Baroschem, Väterchen!” Schnell wurde Xorgolosch in die Runde eingeladen und die Hauer rückten zur Seite, um ihm Platz zu machen. “Sag, wer bist du und was führt dich nach Erzenschöffer?” Eine grobschlächtige Frau wandte sich in fast unverständlichem und äußerst holprigen Rogolan an den Edlen. “Ich bin Gesine, die Steigerin hier.”

Xorgolosch nickte ihr anerkennend zu und räusperte sich etwas theatralisch. „Wie wir alle, bin ich nur ein Nachkomme der Altvorderen. Xorgolosch ist mein Name, was in eurer rogla soviel wie der aus dem Tal der sprechenden Gemmen bedeutet. Mein geliebter Herr Vater ist Fuldoram Sohn des Fratax und meine ehrwürdige Mutter Perthite Tochter der Rugi. Wir Esbadoschim können uns auf den großen Esbadosch Sohn des Erax zurückführen, der einst von seiner abseits gelegenen Binge den verzweifelten Widerstand der ingrakupper Angroschim gegen ein verschlagenes Heer niederträchtiger Echsenmagier organisierte. Wenn ihr sie hören wollt, erzähle ich euch die Geschichte gern.“ Eine kurze Atempause ließ kaum jemandem Raum für Reaktionen. „Doch auch der Sohn des Erax war nur ein blasser Abkomme der an Weisheit unübertroffenen Xorda und des im Fels selbst wurzelnden Furalm, die vom Allvater persönlich als erste der Angroschim ins Leben gerufen wurden. Gemeinsam mit ihren, einen Funken jüngeren, je sieben Zwillingsgeschwistern.“ Er nahm einen genießerischen Schluck aus seinem Humpen. „Seit alten Zeiten bauen wir Esbadoschim Eisenerz ab, hin und wieder fördern wir auch den ein oder anderen klaren Kristallit. Und so soll es auch weitere Jahrtausende bleiben. Ich gehöre zu den Prospektoren meines Klans. Keine Sorge, ich bin nicht hier, um euch eure Erze streitig zu machen. Es würde uns nie in den Sinn kommen, die heiligen Ingrakuppen zu verlassen. Vielmehr führte mich die Suche nach weiterer Einsicht in den Weltenmechanismus her.“ Der Zwerg ließ seine Worte wirken, was auch immer sie bedeuten mochten, und erkundigte sich nach dem Tagesgeschehen im örtlichen Abbau, nicht ohne die ein oder andere Anekdote aus seinen eigenen Bergmannstagen zum Besten zu geben. Möglichst beiläufig führte er das Gespräch auf besondere Vorfälle der letzten Wochen.

Die Bergleute waren natürlich erst erfreut über das Freibier und lauschten auch angeregt den Geschichten des Angroscho, aber als er dann anfing sich nach dem Tagwerk und vergangenen Vorfällen zu erkundigen, blitzten die Augen Gesines zornig auf und sie fuhr Xorgolosch an: “Das Bier war gut, aber wie und wo wir arbeiten und was hier passiert, das geht Euch nichts an! Ihr seid doch nur wieder einer von den Koschern, die meinen ihnen gehören die ganzen Berge! Aber nein, mein Herr, wir können selber die Mark scheiden und wir sind keinesfalls zu tief mit unseren Stollen gekommen! Sagt das Euren feigen Herren, die sich nicht selber hertrauen!” Wütend griff sie zum Bierkrug und überlegte erst, ob sie ihn dem Angroscho ins Gesicht schütten mochte, besann sich dann aber doch eines Besseren und trank den Krug mit einem Zug aus.

Die Steigerin begann Xorgolosch zu gefallen. „Recht so! Was im Berg bleiben soll, bleibt im Berg. Seht mir meine Neugier nach. Zu fern sind die Ingrakuppen und mir war einfach nach einem geselligen Abend unter Schwestern und Brüdern. Was kann ich tun um zu beweisen, dass ich kein Koscher bin?“

“Die Koscher”, begann Gesine und spuckte verächtlich einen Priem auf den Boden, “sind als geizig verschrien, wir Nordmärker Bergleut’ hingegen als durstig …” Sie wedelte mit dem leeren Krug und schaute den Angroscho immer noch herausfordernd an.

Xorgolosch musste sich eine grinsende Regung der Mundwinkel verkneifen. In solchen Situationen waren Bärte Gold wert. Allerdings begann sich der Abend in weniger goldigen Beträgen zu entwickeln als vorauskalkuliert. “So, so, dalang gräbt der Wühlschrat.” In vollem Brustton bellte er über das allgemeine Stimmengewirr hinweg: “Heda, Wirt, hier haben einige nordmärker Krüge ihre Grundteufe erreicht!” Mit wenigen Schlucken leerte auch er seinen Humpen und ließ ihn auf den Tisch krachen. “Nordmärker Bergleut trinken zusammen!”

Nachdem Xorgolosch die Bestellung aufgegeben hatte, entspannten sich auch die Züge Gesines wieder und nach der zweiten und dritten Runde auf Kosten des Angroscho begann sie auch von den Problemen die die Bergleute hier mit den Angroschim aus dem Kosch hatten zu berichten. Nach den alten Gesetzen ist es den Menschen nur gestattet Stollen in die Berghänge zu treiben aber keine Schächte anzulegen. Da aber immer Laufe der Zeit durch die Altmänner immer weiter in den Berg gegraben werden musste, waren irgendwann auch Wetterschächte notwendig. Und daher vermuteten die Koscher einen Verstoß gegen die Gesetze, so daß in letzter Zeit immer wieder vermehrt Prospektoren in die Nordmarken und nach Erzenschöffer kamen um dieses - meist verdeckt als Reisende wie Xorgolosch - zu überprüfen. Der letzte war erst vor ein paar Wochen da und hatte seine Nase zu weit in den Grubenbau gesteckt. Als ihn Gesine und ihre Bergleute dann entdeckt hatten, hatten sie ihm den Plan des Grubenbaus mit Stöcken auf den Rücken gegerbt und wieder in den Kosch gejagt. Seitdem waren sie bei solchen neugierigen Fragen sehr misstrauisch. “Aber bei einem solch spendablen Herrn wie Ihr es seid”, schloß Gesine ihre lange Rede, “können wir nur von Euren Interesse an unserer ehrbaren Arbeit ausgehen.” Mit einem “Baroschem, Meister Xorgolosch!” leerte sie ihren Krug und knallte den leeren Humpen so kraftvoll auf den Tisch, das es schepperte.

„Euer Rogolan ist gut! Baroschem! Wer war Euer Lehrmeister?“ Xorgolosch hatte während ihrer Ausführungen zugesehen, dass er mit dem Krugkippen nicht ins Hintertreffen geriet und war schon dabei Nachschub heranzuwinken. ‘Das klingt alles wenig verdächtig - jedenfalls was die Rüstung angeht.’ Aber wie er Oldebor einschätzte, waren seine Leute - wenn schon nicht in der Lage an Informationen zu kommen - gut darin Konsequenzen anzudrohen, sollte sich jemand Dritten gegenüber äußern. Seine grauen Augen wanderten über die Kombination aus Muskelpartien und Rundungen der Steigerin. Vielleicht sollte man sich einmal privater unterhalten. Später. Der Abend würde es zeigen.

“Meister Xorgolosch, Ihr wollt mir wohl Komplimente machen”, kicherte Gesine. Es war nicht ganz klar ob vor Verlegenheit oder Freude. “Wir haben hier einige Nachbarn, die vom Kleinen Volk sind und da schnappt man dies und das auf. Aber was treibt Euch dann nun hierher, zumal in der Begleitung so vieler edler Damen und Herren?” wollte nun die Steigerin von Xorgolosch wissen.

Mit möglichst versteinerter Miene grub er die Worte aus seinem Bart, die ihn bereits im Waschraum wie ein Funken von Angroschs Schmiedehammer getroffen hatten. „Ihr meint den Diener eures Sonnengotts und den jungen Rittersmann, mit denen mein Freund und ich hier ankamen?“ Er winkte ab. „Eine Reisebekanntschaft. Die anderen hohen Damen und Herren holten uns auf dem Weg ein und wir teilten eine Rast.“ Xorgolosch blickte ihr fest in die Augen. „Die Suche nach der alten Kunst, die Schätze dieser Welt freizulegen, führte mich her.“

“Sooo”, meinte Gesine. “Wenn Ihr das sagt. Es kommen nicht oft so viele Fremde an einem Tag an. Und es schien, dass die anderen mit euch bekannt seien.” Sie nahm einen weiteren Schluck aus ihrem Krug und versuchte dabei eine Reaktion bei Xorgolosch zu erkennen. “Das letzte Mal, dass hier so unterschiedliche Gäste waren is’ drei Wochen her.”

“Ja, doch, von den Koschern habt Ihr doch schon erzählt, Gesine.” Xorgolosch gab sich unbeeindruckt.

“Nee, das war’n nich’ die Koscher”, widersprach Gesine. “Das waren welche vom Kleinen Volk, ‘n paar Donnerer und ein Stutzer-Pärchen. Wie ich sagte buntes Volk.”

“So ein Stutzer-Paar klingt mir nicht sehr besonders. Treiben sich doch überall rum dieser Tage. Weshalb sind die Euch so in Erinnerung geblieben, garoschna?”

“Na, die sind alle hier in der Höh’ aneinander geraten und haben sich gegenseitig einen auf die Nase gegeben und Marjan und Rigbald ein Gutteil der Stühle zerdeppert. War’n Riesenspaß!”

Xorgolosch musterte einige teils ausgebesserte Lehnen und Stuhlbeine. Mit einem trockenen “Das geht ja zu wie bei den Ambosszwergen.” ließ er die junge Menschin etwas im Unklaren, ob er das nun guthieß oder nicht. “Mit den Donnerern und den Brüdern gerät doch keiner mir nichts, dir nichts aneinander. Klingt nach ner guten Geschichte! Lass hör’n, Schwester!” Für Xorgolosch war es bereits der sechste Humpen an diesem Abend, selbstverständlich zählte er mit. Die Bergleute hatten sicher bereits etwas Vorsprung. Anerkennend stieß er mit der Steigerin an.

“Na, so doll is’ die Geschichte auch nich’”, antwortete Gesine und zuckte mit der Schulter. “Wir haben hier so wie heute gesessen und über den Tag nachgedacht, da wurd’s an dem anderen Tisch laut und dann gab’s schon dort auf die Nase. Wir konnten gerade noch die Krüge retten … ” ‘aber nich mehr alle’, fügte sie in Gedanken hinzu, was Trübnis auf ihrem Gesicht hervorrief.

“Die guten Tropfen!”

Krispinian von Tsawalden konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen, als er den Zwerg sich bei den Bergleuten niederlassen sah. ‘Bei Phex, diese Leute aus dem Kleinen Volk wissen einfach, wie man an den richtigen Stellen an Informationen kommt.”

Als einer der letzten der Reisegesellschaft betrat auch der frisch gebadete Thimorn den Raum. Suchend blickte er sich um und schritt dann durch den Raum zu Farolds Platz. Er beugte sich Vorsichtig an seinen Herrn heran und murmelte ihm leise ein paar Worte ins Ohr: “Herr, die Kleidung ist gewaschen und liegt wieder bei unserem Gepäck. Gibt es noch etwas zu tun? Ansonsten würde ich mich etwas stärken.”


Rondragon von Spiegelberg, das Oberhaupt der Spiegelberger vom Schwarzweiher stand auf und begab sich in die Mitte des Raumes. Er schaute sich kurz um und hielt dann seinen Weinhumpen in die Höhe. Ein paar der um ihn herum sitzenden Zecher bemerkten die Geste und stießen sich mit den Ellbogen an. “Eine Rede!” dröhnte die Steigerin. “Haltet Euer Maul! Der edle Herr hält eine Rede!” Tatsächlich ebbte der Lärmpegel auf ein etwas niedrigeres Maß ab, so dass Rondragons Stimme im Gastraum zu verstehen war, ohne dass er zu sehr schreien musste. Mit Rempeln und Rascheln drehten sich die meisten der Zecher neugierig zu ihm um und selbst Rigbald, der Wirt, setzte seine vollen Bierkrüge ab und wischte sich, erleichtert übe die Atempause, mit dem Ärmel über die Stirn. Dabei sprach er mit lauter und fester Stimme “Gefährten, wir sollten nun alle am Treffpunkt versammelt sein. Hungrig und durstig und vor allem gespannt, wie wir nun weiter vorgehen sollten. Die Leuin schickt uns auf eine Queste, an deren Ende wir obsiegen werden.” Rondragon verweilte einen Moment und schaute in die anwesenden Gesichter “Erfolgreich sein, können wir nur, wenn wir als Ganzes funktionieren. Jeder von uns verfügt über besondere Fähigkeiten, die es einzusetzen gilt. Mein Vorschlag ist, entweder am heutigen Abend oder beim morgigen Frühstück einen Schlachtplan zu entwerfen, an dem wir uns halten können. Wir sollten unsere Kräfte wohl dosieren und gezielt einsetzen.” “Hoch, hoch!” brüllte ein schon offensichtlich ganz gut angeheiterter Reisender, dessen bunte Kleidung vielleicht an einen Söldling außer Dienst denken ließ, ehe er von seinen Nebensitzern mühsam wieder gebremst wurde. “Der ist doch mit Euch gekommen, nicht wahr?” frug Gesine den immer noch neben ihr sitzenden Angroscho.

Der Siegelberger, hieß er so?, hatte offenbar schon einen über den Durst getrunken. „Einer von den Edelleuten, mit denen wir zusammen rasteten.“, stimmte Xorgolosch ihr zu.

Rondragon nahm eine kurze Pause vor. “Kommen wir zur Abstimmung durch Handzeichen, wer ist für den heutigen Abend als passenden Moment sich abzustimmen, der hebe jetzt seinen Schwertarm.”

“Was issn das für eine Queste?” Flüsterte eine junge Frau mit Dolch an der Seite ihrem Gegenüber, wohl einem jungen Quacksalber, zu. “Keine Ahnung, aber das erfahr’n wir sicher gleich.” gab der nicht allzu leise zurück.

Es blieb Rondragon nicht unverborgen, was um ihn herum geschah. Dennoch war es ihm an dieser Stelle wichtig, alle zu erreichen. Über mehr hatte er nicht vor hier und vor Allen zu sprechen. Alle Gefährten unter ein Kommando zu vereinen war sicherlich nicht die leichteste Übung, aber hiermit hatte er damit begonnen.

“Braucht Ihr noch’n Schwert, hoher Herr?” Mischte sich der Söldling, der seine Nebensitzer kurzfristig abgeschüttelt hatte, so laut ein, dass es jeder in der Gaststube mitbekam. “Ruhe! Deinen rostigen Stecken will doch keiner haben!” rief Gesine quer durch den Raum. “Sei selber still mit deinem Geschrei! Mein Stecken ist gut geübt, der kann was!” brüllte der dunkelhaarige Söldner, dessen Haupthaar schon so einige lichte Stellen aufwies, in voller Lautstärke zurück und stürzte den Inhalt seines Humpens in seinen Hals, wobei ihm ein paar Mundvoll über das Kinn liefen. “Ach, Dunstan, bleib sitzen!” antwortete Gesine ebenso laut. “Deinen Stecken will hier keiner sehen!”  Diese Anspielung führte am Tisch der Bergleut zu ausgesprochener Heiterkeit und weiteren Zoten auf Kosten des Söldners. “Du sei mal ganz still, Gesine - du weißt doch: über Sachen, von denen man keine Ahnung hat, einfach mal die Klappe halten!” Womit auch Dunstan einige Lacher unter den Bauern und dem Ingerimmgeweihten auf seiner Seite hatte. Isenhammer wischte sich mit dem Ärmel über die Augen, hielt seinen Humpen fest, schüttelt energisch den Kopf und schnaubte nach Luft. “Handwerk muss man beherrschen.” erklärte er in Richtung Gorthaks und Xorloschs. “Ich und keine Ahnung?” grollte die Steigerin zurück. “Du musst ja viel Ahnung von Deinem Handwerk haben, deshalb hängst Du hier rum und bist nicht vor drei Wochen mit den Donnerern aufgebrochen!” Darauf wusste Dunstan nichts mehr zu sagen, glotzte verärgert den blanken Boden seines Kruges an und brüllte “Rigbald, noch eins - aber ein Großes!” Am Tisch der Bergleute setzte ob des verbalen Sieges über den tumben Söldner ein fröhliches Grölen ein.

Rondragon wandte sich an den Wirt und sprach “gebt jedem Anwesenden, dem es nach einem Humpen Bier dürstet, einen einzigen Humpen Bier auf die Rechnung der von Spiegelberg.” 

Das Gesicht der Wirtin hellte sich auf bei diesen Worten und sie begann, mehrere Krüge voll ihres besten Bieres abzufüllen, auf dass diese der fleißige Rigbald verteilen und die Krüge aller glücklichen Zecher nachfüllen konnte. “Hoch, hoch, edler Herr!” scholl es aus der Schankstube, als mehrere Dutzend Gäste wie mit einer Stimme die Ankündigung quittierten.

“Kangroscha! Auf den Spiegelberg!”, Xorgolosch prostete lautstark in seine Richtung.

“Auf die Angroschim” auf Rogolan proteste Rondragon zurück.

Der Sohn des Fuldoram spülte seinen auflodernden Ärger mit einem langen Schluck in Richtung Magen.

Aufgeschreckt aus seinen eigenen Gedanken und Aufmerksam geworden durch die unüberhörbare Ansprache des Ritters Rondragon schenkte der Angroscho dem Treiben um ihn herum nun wieder Beachtung. ‘Soviel zu der Diskretion, die der Junker erbeten hat. Ein Stolleneinbruch ist wesentlich unauffälliger’. Kopfschüttelnd murmelte der Zwerg einige Worte in seiner Muttersprache über die heißblütigkeit der langbeinigen Kurzlebigen. Die Worte des Ingerimmgeweihten schien Gorthak vor lauter Verwunderung nicht wahrgenommen zu haben. Anschließend verfolgte er die Szene um einiges Aufmerksamer.

Während Rondragon zu sprechen begann, war Irminella gerade dabei gewesen, ihren noch dampfenden Eintopf zu genießen. Je mehr Worte der Hohe Herr aber verlor, desto weiter hatten sich ihre Augen geöffnet und desto höher hatten sich ihre Brauen gehoben. Der Löffel in ihrer Rechten, den sie soeben hatte zum Mund führen wollen, war dagegen  immer tiefer gesunken, bis er auf den Tisch aufgetroffen war und diesen mit Eintopf bekleckert hatte. Vom Widerstand, dem der Tisch dem Löffel bot, war sie aufgeschreckt worden, hatte sich gesammelt und war, immer wieder zu Rondragon aufblickend, mit dem Essen fortgefahren. Als er geendet hatte, pfiff sie leise und sagte zum neben ihr sitzenden Krispinian: "Von wahrhaft phexischem Geschick Euer Freund."

Während Rhodan nur die Augen verdrehen konnte, räusperte sich Eblaus. Mit dünner, noch immer zitternder Stimme sagte er in die Stille hinein: “Ja. Äh. Wir stimmen Euch zu, hoher Herr von Spiegelberg, dass…ähm…wir alle Feinde der Ordnung…jederzeit bekämpfen müssen. Also…Euer Anliegen…sich dem Feind entgegenzuwerfen, das kann ich nur gutheißen. Ähm” Der geschwächte Praiot endete in einem belegten Hüsteln. Diese Steilvorlage nutzte der Händler: “Ja, ja, wohl gesprochen hoher Herr. Wir müssen zu jeder Zeit alle schrecklichen Feinde der Zwölfe bekämpfen. Noch lang sind in den schwarzen Landen nicht alle Feinde der Zwölfgötter besiegt. Auch in unseren schönen Auen lauern Unordnung und widernatürliches Gezücht. Es ist wichtig, wachsam zu sein. All denen, die an den Grundfesten Alverans rütteln, müssen wir mit Feuer und Schwert begegnen!” Herat von Bauernfeind kniff zunächst die Augen zusammen. Sie verstand nicht, was gerade von Statten ging. Doch der feiste Händler sprach plötzlich mit einem derartigen Pathos, dass es sie ansteckte. “Rondra zur Wehr! Den Feinden der Ordnung die blanke Klinge!”, brüllte sie lauthals und verschüttete dabei fast die Hälfte ihres Humpens Bier. “Hurra!”

Fulco verschluckte sich bei der Ansprach von Rondragon an seinem Bier und musste kurz Husten. ’ Bei allen Zwölfen, was hat Rondragon denn nun geritten. Auch mir geht das hier grade etwas zu sehr in eine nettes Treffen über, aber bei allen Göttern- DISKRETION. Nun gut Rondragon ist dafür bekannt, das er ein offenes Wort schätzt, eine Eigenschaft die ich an ihm eigentlich sehr schätze ’ Fulco erhob sich nach den Worten der Geweithen und des Händlers und sprach ruhig und mit fester Stimme an Rondragon gerichtet "Ich habe vermehrt Stimmen gehört, die für eine weitere Besprechung der -sagen wir -Reiseroute Morgen früh sind. Zudem sind noch nicht alle da und wir wollen den hart arbeitenden Bergleuten hier doch nicht die Abendstimmung durch Gespräche verderben, welche sie langweilen. Außerdem sollten wir zu unserem Spaziergang aufbrechen, bevor die Nacht anbricht und das Wetter noch ungemütlicher wird "Er wandte sich lächelnd  an den Wirt “Die nächste Runde geht auf mich” prostete in den Schankraum und setzte sich wieder. 

Ein lautes, zustimmendes “Hoch, der Edle Herr!” der gesamten Zecherschaft kommentierte diese großzügige Ankündigung.

Rondragon war zufrieden mit der Aufmerksamkeit. Er wußte, daß man sich schnell in allen möglichen Ecken verlieren könnte und dann jeder sein eigenes Süppchen kochen würde. Das galt es zu verhindern. Die Reaktion zeigte ihm, dass er auf des Schwertes scharfer Schneide ritt, aber diese Schärfe tat gut zu fühlen. “Wohl an, ein Spaziergang wird uns allen später gut tun. Zur Frühstückszeit, sagen wir die Firunsstund …” er hielt kurz nach einem Blick auf die Runde inne um sich zu verbessern “..zur Perainestunde sollten wir uns hier treffen.” Dann proteste er allen zu und setze sich neben Fulco und Krispian”.

Fulco wandte sich direkt an Rondragon, nachdem diese sich wieder gesetzt hatte “Ich verstehe euren Anspruch, dass es hier voran geht. Auch ich gehe lieber schnell und effizient zu Werke. Aber ihr dürft nicht vergessen, dass wir ein Stück im Verborgenen vorgehen müssen- auch wenn ich dies nicht so gerne mache und dass hier nicht nur Ritter beteiligt sind. Also müssen wir unser Tempo etwas anpassen” 

Als sich Rondragon setzte und Fulco zuhörte sagte er “Lieber Fulco, das Manöver musste sein und hat seinen Wirkung erzielt. Ein kleiner Preis ist ein wenig Aufmerksamkeit, welche ich vernachlässige. Ich stimme euch zu, das Tempo sollte auf die Spezialitäten der Anwesenden verteilt werden. Alles wird sich fügen, es beginnt gerade  …” dabei zwinkerte Rondragon Fulco zu.

Fulco hörte seinem Nachbarn aufmerksam zu und nickte langsam "Ja ich verstehe, da habt ihr natürlich recht. Ich bin gespannt, wie lange diese große Einheit hält und wann sich Einzelne nicht mehr an Absprachen halten. Das sollten wir auf jeden Fall versuchen zu vermeiden. Ich kenne nicht alle Anwesenden und kann sie nicht komplett einschätzen. Wie schätzt ihr den Händler und den Alchemisten ein. Was meint ihr, warum Oldebor uns die beiden an die Seite gestellt hat? Der alte Haudegen macht ja eigentlich nichts ohne Grund”

Rondragon nickte ernst, hielt kurz inne und sprach “Dies ist einer meiner Befürchtungen. Die Einheit. Ein Jeder hat eine Gabe die uns weiterhelfen wird. Einzig, die Koordination wird strategisch die wichtigste Herausforderung sein. Ich bin es aus vielen Schlachten gewohnt zu wissen, wer an meiner Seite kämpft. Wessen Schwertarm ich stütze und wessen Schild mich schützt. Hier ist es eine Schlacht mit vielen Unbekannten. Meine Ansprache sollte exakt dies bewirken, die Rückbesinnung auf das was wir vorhaben und der unbedingte Wille sich in kleinen Lanzen abzustimmen und koordiniert dann einzugreifen.” Rondragon holte kurz Luft bevor er weitersprach, nicht um noch schnell einen tiefen Schluck des roten Goldes zu genießen “der Händler hat im Saal gezeigt, welche Rolle er spielen wird. Aus dem Schatten agierend mit der List des Fuchses. Ein klassischer Einzelkämpfer, dessen Worte gezielt eingesetzt uns strategische Vorteile geben können. Der Alchemist, ja, das ist in der Tat eine gut Frage. Angenommen …”seine Stimmer wurde nun sehr leise “die Rüstung wurde äußerlich verändert und wir bräuchten jemanden der dies nachvollziehen könnte ..nur für diesen Fall einmal gedacht.”

Fulco schaute kurz Erschrocken "Es würde doch keiner Wagen, eine Relikt zu verändern” Er schüttelte nach kurzen Überlegen den Kopf "Nun vielleicht doch, in was für Zeiten wir leben. Ja, ich kann eure Erfahrungen aus eigener Erfahrung nur bestätigen. Wenn die formationen in der Schlacht aufbrechen, ist sie oftmals verloren. Im Feldzug gegen Haffax hat mir die Disziplin und das Vertrauen auf meine Männer Ruhe und Sicherheit gegeben, wahrscheinlich das Leben gerettet. Ihr mögt mit eurer Eurer Einschätzung recht haben, wobei der Händler ja von Natur aus dem göttlichen Fuchs  zugetan sein sollte. Ich hoffe dennoch, dass der Alchemist eine andere Aufgabe zugedacht ist, als von Euch ersonnen” Fulco nahm einen weitere Schluck aus seinem Humpen. “Aber mal eine andere Frage.  Mir scheint, ihr seid mit dem Edlen von Tsawalden enger bekannt. Habe ich das richtig verstanden, dass ihr der Schwertvater seines Sohnes seid?”  

Rondragon lächelte kurz dann antwortete er “An Aufmerksamkeit hat es uns in dieser unvermittelt anreisenden Gruppe nicht gemangelt. Es werden sich viele Fragen gestellt haben, was wir hier suchen und warum wir überhaupt da sind. Die Aufmerksamkeit wird nun, wenn von uns gesprochen wird, auf mich gezogen. Das ist ein Teil des Manövers. Die Lanzen, so sollten wir diese morgen einteilen können, werden davon losgelöst leichter vorgehen können. Es wird von Rittern gesprochen, da gehen Händler und weitere Gefährten schnell einfach unter. Hier kann sich ein Vorteil entwickeln.”  Er nahm einen weiteren kleinen Schluck. “Der junge Tsawalden, ja, ein aufgeweckter Bursche. Ich behandele ihn wie meine eigenen Kinder. Mit dem Haus Tsawalden verbindet mich eine tiefe Freundschaft.” Dann schaute er Fulco an “Wie schätzt Ihr den Händler ein und welche Vermutungen habt ihr bereits angestellt ?” Fulco nickte nachdenklich “ Ich schätze den Händler ähnlich ein wie ihr. Er wird aus der zweiten Reihe agieren und die etwas zwielichtige Seite bedienen. Nun gut, das kann er wahrscheinlich auch besser als wir und viele anderen Anwesenden. Ich denke, dass wir diese Eigenschaft leider benötigen werden. Ich hoffe nicht, dass es sich um Anhänger des Rattenkindes bei dieser Tat handelt” Hier stahl sich ein grimmiger Gesichtsausdruck auf das Gesicht des Ritters “ Die Umtriebe nehmen meiner Wahrnehmung nach in letzter Zeit erschreckend zu. Ich hoffe sehr dass ich mich täusche” Er nahm noch einen Schluck seines Bieres. “Nun egal wer die Tat vollbracht hat, wir werden sie schon erwischen” Er dachte noch einmal kurz nach “ Wenn diese Geschichte vorbei ist, sollten wir uns nochmals mit den Häusern Tsawalden und Aelgarsfels zusammensetzten und schauen, wie wir die Zusammenarbeit in der Baronie verbessern können und die Baronin noch mehr unterstützen können. Meiner Überzeugung kann eine noch besserer Zusammenarbeit nur gut für unsere Baronie sein und damit letztlich uns alle stärker machen” 

Die zweite Lokalrunde, diesesmal jene von Fulco, wurde gebracht, und sowohl Rondragon als auch Fulco durften sich wiederholt mit “Dank, Edle Herren!”  “Gibt es einen Grund für diese Runde, werte Herrschaften?” Und “lasst uns anstoßen auf die spendablen Fremden! Sprecht, wie sollen wir Euch nennen, edle Herrschaften?” in der ungeteilten Aufmerksamkeit aller Umsitzenden sonnen. “Sagt, sucht ihr etwas auf Eurer Queste?” mischte sich schließlich Dunstan, der Söldner, mit leicht verwaschener Stimme ein. “Könnn wir euch helf’n?”

Fulco prostete den Leuten jedes mal freundlich zu "Travia zu Ehren, die Regeln der Gastfreundschaft und Dankbarkeit für diese gelten auch für uns, Ritter Fulco reicht völlig”

“Zum Wohle” Rondragon hob seinen Becher und prostete kurz zu.

Dann wandte er sich an Dunstan “Habt dank für euer Angebot, aber wir benötigen bei dieser Reise keinen weiteren Schwertarm.” 

“Aber für’n Herrn Oldebor würd’ ich schon gern arbeit’n.” bekannte Dunstan. 

Fulco schaut überrascht und mit vorsichtigem Blick zu dem Söldner "Wie kommt ihr darauf, das wir für den Edlen Oldebor unterwegs sind? "Er schaute dem Mann genauso ins Gesicht bei dessen Antwort. ’War er gar nicht so betrunken, wie er tat?’

Der hickste und blies dem armen Ritter eine Wolke Biernebel ins Gesicht. “Aber ihr habt doch grad’ g’sagt, dass euch der Herr Oldebor ‘nen Händler und ‘nen Alchemisten mitgegeben hätt.” Ein gewaltiger Rülpser untermalte die Worte. “Verzssheit, Ritter Fulco, so isses doch.” Mit traurigem Blick blickte er in seinen Bierkrug, wo schon wieder der Boden sichtbar war.

’Mist, ich muss vorsichtiger sein im Gespräch mit Einzelnen’ ging es Fulco durch den Kopf. “Ja, da habt ihr recht, dies ist mit entfallen. Nun wer wäre nicht gerne im Auftrag des hohen Herren unterwegs. Für diese Aufgabe ist die Gruppe leider vollständig. Aber macht euch nichts draus, euer Schwertarm wird sicherlich bald wieder gebraucht werden. Kommt trinkt noch einen mit mir” Fulco orderte noch einen Humpen für den Mann und sich. 

“Hach, ihr seid ein guter Mann, Ritter Fulco!” freute sich der Söldner mit bierseligem Blick. “So schad’, dass ihr nich’ noch’n gutes Schwert brauchen könnt.”

“Dunstan, vielleicht werde ich zu einem späteren Zeitpunkt nochmal auf Euer Angebot zurückgreifen” Rondragon sprach den betrunkenen Söldner gütig an. “Auf die Leuin” er prostete ihm kurz zu.

Fulco nickte beiden Männern kurz zu und prostete mit ihnen an. An Rondragon gewandt  “ Ihr habt recht, vielleicht benötigen wir ja doch noch eine helfende Hand” 

“Jetzt brauch ich aber dringend mal ne Grundlage!” Xorgolosch schaute sich am Tisch der Saufgesellschaft um, ob er der einzige war, der sich bisher das Abendmahl rein in Flüssigform zugeführt hatte. “Is noch wer bei so’ ner Grütz mit Speckwurst dabei?”

Derweil wandte sich Rhodan Irminella und Krispian zu. “Bei allen Zwölfen. Das wäre beinahe schief gegangen. Der hohe Herr Rondragon hat ja Recht, aber…”, er blickte knapp nach links und rechts, “doch bei PHEx nicht hier! Ich bitte Euch eindringlich, achtet auf Herrn Rondragon. Womöglich könnte ihm ein bisschen Frischluft nicht schaden.”

Krispinian von Tsawalden lächelte verschmitzt in sich hinein. Ihm war klar gewesen, dass einer der rondrianisch geprägten Mitreisenden schnell dafür sorgen würde, dass ihre Reisegruppe Aufmerksamkeit erlangte - und er kannte seinen alten Freund Rondragon einfach zu gut, um zu wissen, dass er in jedem Fall für Aufmerksamkeit sorgen würde. Krispinian war das sehr recht; seiner Vermutung zufolge waren nicht alle Teilnehmer an dieser Queste daran interessiert, dem alten Oldebor zu helfen. Da war es besser, wenn alle ein wenig im Fokus stünden, was heimliche Aktionen schwieriger machte. Schwieriger … Krispinian sah es eher als Herausforderung denn als Schwierigkeit. Er wandte sich Rhodan zu.  “Ihr habt natürlich recht, mein alter Freund Rondragon war schon stets sehr … undiplomatisch. Seht es positiv: Wenn jemand der anwesenden Einwohner Dreck am Stecken und somit mit der Sache etwas zu tun hat, werden wir es ihm noch leichter anmerken als zuvor.” Mit einem Nicken in Richtung Irminella ergänzte der großgewachsene Edle:”Fürwahr, es wird Zeit für einen kleinen Spaziergang.” 

Anschließend wandte er sich an Rondragon: “Frisch und wahr gesprochen wie immer, mein alter Freund. Nun lass uns mit einigen der anderen Mitreisenden einen kleinen Spaziergang machen. Damit wir etwas über sie erfahren. Und über die Örtlichkeiten hier.” Er grinste seinen Freund schief an. "Du darfst der Bevölkerung natürlich dabei böse Blicke zuwerfen. Wenn ein Halunke unter ihnen ist, werden ihm seine Angst schnell anmerken.”

“Guter Freund, wo habt ihr eure Sachen deponiert, damit Sie sicher sind ?” Rondragon schaute Krispinian an.

“Wie immer an einem sicheren Ort, mein Freund”, erwiderte Krispinian lächelnd.

"Ich glaube, unsere Einschätzungen gehen hier ein wenig auseinander, Euer Wohlgeboren Tsawalden. Die Hoffnung, mit einem solchen Offenbarungseid, den der Herr von Spiegelberg hier wenig subtil hat einfordern wollen, einen Tunichtgut zu überführen? Ich weiß nicht. Einem gewöhnlichen Strauchdieb würde solch eine Ansprache vielleicht Angst einjagen. Sicherlich sind hier aber keine Strauchdiebe am Werk, das ist gewiss. Wer so etwas wagt, ja nur denkt zu wagen, ist mit mehr als einem Wasser gewaschen. Und jemand von diesem Kaliber lockt man mit einer kurzen Ansprache in einer vollen Kneipe sicherlich nicht aus der Reserve. Ich hoffe allerdings, dass ich in diesem Fall Unrecht habe. Sonst wäre, außer ein wenig Aufmerksamkeit auf unsere Gesellschaft zu lenken, nichts erreicht." Nach einer kurzen Pause sprach sie weiter. "Ja, ein Spaziergang tut jetzt gut. Der beruhigt die Gemüter ein wenig." 

„Vernünftig. Das könnte uns ein wenig Zeit einräumen, uns in Ruhe umzuhören“, flüsterte Rhodan mit Blick auf den Ingerimmgeweihten. „Womöglich sind hier einige Leute, die vielleicht doch das ein oder andere über den Diebstahl wissen - und uns preisgeben, ohne, dass wir das Geschehen direkt ansprechen müssen.“

"Mhm. Das setzt ein gewisses Fingerspitzengefühl voraus. Aber wie hier ja immer wieder betont wird, hat ein jeder seine Talente. Gut, machen wir uns auf, bevor der Matsch noch tiefer und der Regen wieder stärker werden. Ich gehe mir noch meinen Mantel holen. Entschuldigt mich einen Moment, meine Herren." Irminella stand auf und schob sich durch die Menge. Sie ging die Stiege nach oben und verschwand einen Moment in dem Zimmer, dass ihr als 'Das Fünfte' benannt und gezeigt wurde und das sie sich nun mit Peranna Sabea von Graupen teilte. 

Nach wenigen Augenblicken kam sie die Stufen herab. Sie hatte sich einen dicken Mantel mit Fellbesatz umgeworfen, der am Hals von einer blauen Schließe gehalten wurde. Erneut trat sie an den Tisch heran. "Wollen wir?"

Peranna schien ihre persönlichen Habseligkeiten schon ordentlich in ihre eigene Kleidertruhe eingeräumt zu haben, denn es roch aus ihr irgendwie nach Seifenduft. Sie selbst war nicht hier. Auf ihrem Hocker lag eine saubere hübsche Holzbürste. Nichts, was bei einem heranwachsenden Mädchen ungewöhnlich gewesen wäre. Es zeigte doch, auf was die Knappin im Alltag Wert legte: ihre Haare und ihre Sauberkeit, würde man meinen. Nichts, dass man von ihrem Dienstherren nicht auch sagen konnte.

Nachdem Rondragon seine Reisegepäck verstaut hatte freute er sich auf den Spaziergang. Irminella schien fertig zu sein und so antwortete er “ich wäre bereit”.

Abendspaziergang in Erzenschöffer

Der Nieselregen hatte etwas an Entschlossenheit zugelegt und auch wenn sich keine Flocken in ihm zeigten, so trug er doch unverkennbar des Herrn Firun Gruß auf die Haut der späten Spaziergänger. Die Straße war längst zu feinem Schlamm geworden, der an den Stiefeln der Spaziergänger zog und sie festzuhalten trachtete. Es war früh dunkel geworden, woran die dicken Regenwolken ganz sicher ihren Anteil hatten, und als die Spaziergänger vor die Tür des Wirtshauses traten, schlug ihnen die klare, kalte Luft wie der Hieb einer schlanken Klinge ins Gesicht und ließ ihre Ohren brummen von all dem Lärm, den sie mit den Schritten aus der Tür hinter sich gelassen hatten. Auf der Straße war nur ein einzelner Zecher, der mit einem über dem Mantel gezogenen Kopf in Richtung eines Hauses hastete und sich rasch ins Trockene rettete. Wie kahle, mahnende Finger standen die kahlen Linden auf dem Dorfplatz und trotzten wacker dem eisigen Frühlingsregen. Aus einigen der schönen Bürgerhäuser drang aus einzelnen Fenster noch Licht, und in einem der Häuser bellte lauthals ein Hund, woraufhin einige seiner Gesellen in der Nachbarschaft einfielen. Der Traviatempel lag still und dunkel da und machte einen kalten und abweisenden Eindruck. Die Läden waren samt und sonders verschlossen. Im größten Haus am Marktplatz jedoch brannten noch mehrere Lichter, was durch die fest verschlossenen Läden dennoch zu bemerken war. Zwei Läden - ein Krämer wohl und ein Schneider, insgesamt etwas wenig für ein Dorf dieser Größe, waren für die Nacht verrammelt, während im Stockwerk über dem Krämerladen noch etwas Lichtschein aus einem einzelnen Fenster drang.

Der Schrein des Ingerimm, nicht weit ab, war gleichfalls kalt und still. In der Schmiede mit einigem Abstand daneben drang noch leichter Rauch aus dem Schornstein, wurde vom Regen über das Dach gedrückt und kitzelte in den Nasen der Wanderer. Weiter hinein in die Seitengasse ragten der Anbau der Schmiede und einige Wohnhäuser. Der Wind frischte auf und brachte erneute feine, eisig kalte Tropfen mit sich.

Krispinian von Tsawalden lächelte, aber seine Augen blieben dabei ernst, als er sprach: “Nun denn, für Aufsehen haben wir nun ausreichend nicht nur mit unserer Ankunft gesorgt- dieser Massenauflauf war vielleicht nicht die beste Idee. Nun lasst uns ein wenig spazieren und überlegen, wer denn von den hehren Anwesenden am besten welche Aufgabe wahrnehmen sollte. Wir haben sehr unterschiedliche Talente in unseren Reihen, wie mir dünkt. So kann sicherlich der ein oder andere besser die Umgebung nach Hinweisen erkunden als investigative Befragungen durchzuführen.” Bei letzteren Worten zwinkerte Krispinian seinem Freund Rondragon zu. “Ich hatte gehofft, meinen Sohn Cordovan auch hier zu sehen, mein Freund.”

“Dein Sohn macht sich sehr gut. Beizeiten mit dem Kopf durch die Wand, aber genau das möchte ich von ihm sehen. Wie er dann mit dem was ich ihm beibringe umgeht. Seinen eigenen Weg sucht.” Rondragon lächelt “Du kannst sehr stolz auf ihn sein.”

Ein erfreutes Lächeln durchzog Krispinians Gesicht, als er das Lob seines Freundes über seinen ältesten Sohn vernahm. “Wenn er von jemandem alles lernen kann, was ein echter Rittermann zu tun vermag, dann von dir, alter Freund. Seine Schwertleihe steht bald bevor, und ich bin jetzt schon voller Stolz auf ihn. Bei Dir ist er in besten Händen, danke dafür.” Mit zusätzlichem Stolz ergänzte der Edle: “Meine Tochter Pelidara ist jüngst von Baronin Fedora von Firnholz mit der Ehre der Pagenschaft beschenkt worden. Ach, alle unsere Kinder bereiten uns viel Freude, bei Tsa. Pona ist etwas eigen, aber du kennst den Wildfang ja. Und sie hat ein Auge auf deinen Sohn geworfen, wie du ja weißt.”

Rondragon schmunzelte, kannte er den Wildfang Pona ja. “Mein Erstgeborener schlägt ebenfalls den Weg ein, den ich bereits gegangen bin. Haro wird, sobald mein Schwertarm nicht mehr bereit für einen donnernden Kampf ist, an meiner statt das Haus weiter lenken und leiten. Bei Rondra, das schwöre ich.” Rondfragon wirkte entschlossen während er weitersprach “Haro bringt viel mit, doch erwarte ich vorher noch Taten von ihm. Wer niemals gedient hat, kann nicht führen.”

Wolfmar von Wildklamm sprach unter seinem kapuzierten Reiseumhang leise zu den Adligen, die mit ihm den Spaziergang durch den Ort Erzenschöffer machten: “Was mich angeht, überlasse ich euch edlen Herrschaften das Reden, denn darin seid ihr geübter. Ich decke euch mit meinem Schwert den Rücken, wenns beliebt. Obwohl ich glaube, dass von hier aus keine Gefahr oder Bedrohung ausgeht. Auf ein Stichwort von euch, könnte ich dem Befragten natürlich besonders bedrohlich wirken. Ich glaube aber, dass Mann und Frau in diesem Ort mit euch kooperieren würde. Selbst wenn er oder sie irgendwie Dreck am Stecken hat. Übrigens könnte es sein, falls die Rüstung sich tatsächlich nicht mehr hier in Erzenschöffer befindet, dass der Dieb möglicherweise dieselbe Unterkunft benutzt haben könnte, wie wir, heute. Der Wirt, Herr Rigbald Dumpfelmoser oder seine Gemahlin Marjan könnten wichtige Zeugen sein. Denkt auch bitte daran, dass wir nur noch knapp zwei Wochen Zeit haben und der mutmaßliche Dieb drei Wochen Vorsprung. Aber was rede ich, ihr habt euch bestimmt genau solche Gedanken auch schon gemacht. Für den heutigen Abend würde ich gerne noch den äußeren Ring dieses Ortes begehen und schauen, wo sich welche Ein- und Ausgänge der Gebäude befinden.. In der Kriegerakademie in Elenvina, an der ich ausgebildet wurde, war Strategie eines der Hauptlehrfächer. Daraus habe ich unter anderem gelernt; kenne dein Schlachtfeld und wie du es nutzen und ihm notfalls entkommen kannst. Dazu wäre die Kenntnis der Lage der äußeren Gebäude und Wege dieses Ortes von Vorteil.”

Krispinian von Tsawalden nickte Wolfmar von Wildkamm anerkennend zu. “Ihr sprecht wahr, daher wollte ich unter anderem vor der Nachtruhe meine Schritte ein wenig durch den Ort lenken - und natürlich, um diejenigen kennenzulernen, mit denen ich mich auf diese Mission begebe.” Der kräftige, großgewachsene Edle von Gut Dunkelstein blickte sich im Kreise seiner Gefährten um. “Ich bin gespannt, Eure Meinung zur weiteren Vorgehensweise zu hören.”

Rondragon schaute um sich, um Ohren nicht mit Worten zu füttern, für die diese nicht gedacht waren. Dann sprach er  “Die Gesellschaft wird nun wissen, auf was wir uns konzentrieren können. Es wird schwer sein, ohne eine direkte Koordinierung jeden Einzelnen zu erreichen, aber sei es drum. Die diskreten Befragungen sollten durch Euch und … “es schien fast so, als wollte Rondragon Jahrmarksstandschreier sagen wollen “... den Händler Rhodan erfolgen. Hier scheinen sich Talente zu bündeln” Rondragon zwinkerte seinem Freund zu. “Die Angroschimlanze wird sich um den Schmied kümmern. Hier dürften sich dann erste Erkenntnisse ergeben. Mir dünkt es, dass wir wissen sollten, wer sich die 5 Tage vor dem Verschwinden der Rüstung in dem Dorf aufgehalten hat und wer seit dem Verschwinden auch nicht mehr gesehen wurde. Sei es ein Bewohner oder ein Fremder.” Rondragon wirkte nun sehr ernst. “Das Gelände, lieber Wolfmar, wird uns viele Antworten auf die Fragen geben. Dazu die Schmiede selbst und der Ort, wo die Rüstung sich befunden haben muß. Wie groß ist diese Rüstung und wie kann man diese unbekemerkt vor den Augen anderer transportieren?” Rondragon mochte die Art wie Wolfmar von Wildklamm dachte. Tüchtiger Krieger, der, wenn er den Weg konsequent weiter beschritte, seinem Ziel sicher näher kommen würde.

An diesem Punkt mischte sich Fulco ins Gespräch ein und wandte sich an Rondragon. ”Vergesst bei der Befragung Ulfried von Argenklamm nicht. Auch er ist eher ein Mann des Wortes. Hinter seiner Stirn sitzt ein kluger und wacher Verstand.” Bei den Worten nickte er bekräftigend. “ Lasst euch von der ruhigen und zurückhaltenden Art nicht täuschen, ich kenne ihn schon eine Ewigkeit, sein Vater war mein Schwertvater.”

Wolfmar antwortete den Worten Krispinians: “Kennt ihr den Geleitschutz Plötzbogen? Mein Herr und Freund Emmeran von Plötzbogen leitet diese Unternehmung. Wir kennen uns seit der Zeit an der Kriegerakademie in Elenvina. Von dort kommen die meisten Recken unserer …” Wolfmar machte eine kleine Pause und grinste ein wenig. “...Gesellschaft. Ich bin seine rechte Hand und wir begleiten und beschützen Waren- und Personenzüge durch die Nordmarken und die umliegenden Gebiete. Damit verdienen wir hauptsächlich unser Geld. Ich habe das Wappen der Plötzbogen auf meinem Schild, da ich kein geschlagener Ritter bin.” Wolfmar zeigt auf sein Wappen auf der Brust. Ein blauer Keil auf weißem Schild, inmitten des blauen Keils steht ein senkrechtes Schwert. “Ich hoffe eines Tages zum Ritter geschlagen zu werden, dann kann ich mein eigenes Wappen auf dem Schild tragen oder ich würde auch als ranghoher Offizier in der Armee zu dienen. ” Wieder nach einer kurzen Pause sagt Wolfmar: “Ich habe sogar die Idee, einfache Leute, Bauern und Handwerker und andere Freiwillige zu einer Miliz auszubilden und regelmäßige Wehrübungen abzuhalten. So ein bis zweimal im Jahr. Dann können wir uns besser und frühzeitiger gegen unsere nördlichen ewig streitenden Nachbarn wehren, falls es ihnen einfällt, uns anzugreifen. Von den Thorwalern weiss ich; die machen sie sowas mit ihren Kindern ab 12 Jahren. Daher können die Nordmänner und -frauen so gut mit Knüppel und Beil umgehen.”

Herrat murrte bei diesen Worten ein wenig, doch erschien ihr der Gedanke bei Lichte betrachtet immer bestechender. Wenn man die Bauern bewaffnete, also so richtig, dann könnten sie als schlagkräftige Soldaten dienen. „Aber Ihr müsst bedenken: Ehre und Tugend werden die Bauern dadurch nicht lernen. Dafür sind sie einfach nicht gemacht. Die Herrin Rondra hat den Adelsstand mit dem Schwerte betraut, weil nur Männer und Frauen von Ehre wissen, wann sie das Schwert zu gebrauchen habe. Man stelle sich vor, so ein ‚Daimokrat‘ wiegelte die Massen auf?! Wie schnell ließen sie sich missbrauchen!“ Herrat sah sich um. Dieses beschauliche Dorf wäre eine Keimzelle der Rebellion.

Wolfmar antwortete auf Herrats Worte: “Ich will die Leute nur zu Soldaten machen, nicht zu Anführern. Und unsere Ländereien im Norden der Nordmarken wären das erste Ziel von Andergast oder Nostria oder von anderen Truppen, die sich durch die streitenden Königreiche geschlichen hätten. Diese Militz müsste ihren Eid auf ihren Lehnsherren leisten.”

Fulco hörte dem Wortwechsel zwischen der Geweihten und dem Edlen gespannt zu. “Eine interessante Idee, welche ihr habt Wolfmar, aber ich muss ihrer Gnaden in dem Punkt der der Gesinnung Recht geben. Die Götter haben jedem  ihren Platz gewiesen und dies ist auch gut so. Ich denke eure Idee sollte nochmal überarbeitet werden, hat aber ihren Reiz. Wer weiß ob z.B die Massen der profanen Kämpfer des Dämonenmeisters bei wehrhafteren Menschen in de Orten so leichtes Spiel zu Beginn seiner Invasion gehabt hätte” 

An diesem Punkt war Rondragon gänzlich anderer Meinung als Wolfmar. “Eine Daimokratie wird uns nicht helfen. Im Gegenteil. Bester Wolfmar, ihr seid tüchtig und habt Ziele. Wenn es die Leuin für gerechtfertigt hält, werdet ihr eines Tages ein eigen Lehen euer eigen nennen dürfen und einem Herrn oder einer Dame dienen. Versucht dann Eure Vasallen im Kampfe möglichst früh zu ertüchtigen, aber lehrt Ihnen täglich den Respekt vor Ihren Herren.”

„Unheilig!“, rief Herrat, um die Finsternis fernzuhalten, die schon die Nennung dieses schrecklichen Titels mit sich brachte. „Wir sollten uns in einer ruhigen Minute über den Gedanken beraten. Er hat sein für und wider.“

Fulco nickt der Geweihten lächelnd zu “ Ein guter Vorschlag”

Krispinian von Tsawalden hörte interessiert zu und wandte sich direkt an Wolfmar. “Ein fürwahr interessanter Gedanke, den ich gerne mit Euch näher erörtern möchte. Rondrianische Übungen zum Schutz von Land und Lehnsherrn, das dürfte dem Herrn Praios gefallen. Als Edler von Dunkelstein würde ich diesen Gedanken gerne verfolgen und mit Euch über Möglichkeiten sprechen.”

“Eben, edle Herrschaften.” Wolfmar räusperte sich, um Zeit zum Nachdenken zu haben, dann fiel ihm etwas ein: “Wir brauchen ja auch kein stehendes Heer von Bauern und Handwerkern, aber eine gewisse militärische Ertüchtigung, um sie im Verteidigungsfall sinnvoll einsetzen zu können, wär wohl die bessere Lösung. Daher mein Vorschlag zur regelmäßigen Wehrübung. Ein bis zweimal im Jahr. Würdet ihr meinen Vorschlag dahingehend beim Baron und beim Graf unterstützen” 

Krispinian nickte ihm bejahend zu. 

Fulco zögerte mit seiner Antwort etwas “ Grundsätzlich schon. Allerdings müsste die Idee etwas präzisiert werden. Ich denke auch, das die Idee Potenzial hat. Und ob unser Wort bei eurer Baronin viel Gewicht, wird sich zeigen. Wobei Eure Lehnsherrin mit der uneren oftmals zusammenarbeitet und ich glaube gut befreundete ist”

Wolfmar antwortete Fulco: “Nur das, was ich bereits erwähnt habe; überwiegend Freiwillige, von Fachleuten…” Wolfmar zeigte auf sich “...ausgesucht, gedrillt und in einfachen Kampfsituationen ausgebildet, um einen bevorstehenden Feind, der über unsere nördliche Landesgrenzen kommen könnte, gemeinsam bekämpfen zu können. Eine regelmäßige Übungswoche ein- oder zweimal im Jahr, außerhalb der Erntezeit, sollte den kämpferischen Geist und den Zusammenhalt fördern. Am Ende jeder Übung sollte dazu ein Biwak mit einer kleinen Feier stattfinden. Jede Gruppe wird von einem ehemaligen Korporal, Weibel oder dem amtierenden Büttel oder Schulzen unterstellt. Ich würde die Organisation übernehmen.”

“Die Idee gefällt mir auf jeden Fall. Und die Schlachten der Vergangenheit haben uns gezeigt, das wir den Feind allzu oft unterschätzt haben. Mehr fähige Kämpfer in den Reihen der Bevölkerung zu Wissen macht durchaus Sinn und das Reich wehrfähiger. Diesen Gedanken sollten wir nach dieser Queste auf jeden fall aufgreifen. Eure Gedanke zur Organisation gefallen mir. ” Er nickte Wolfmar zu.


Die hühnenhafte Rondrianerin grübelte über die Worte des Spiegelbergers nach. „Hm. Wo erfahren wir, wer sich im Dorf umgetrieben hat, bevor die Rüstung des Heiligen Hlûthar gestohlen worden ist? Ihr habt Recht: Rigbald und sein Weib Marjan sollten wir befragen. Vielleicht gibt es noch jemanden, der sich hier auskennt?“

“Das Dorf sollte kurz skizziert werden. Wo stehen welche Häuser und was befindet sich dort drin. Wo wird gewohnt und wo einem Handwerk nachgegangen. Dazu sollten wir wissen, wo sich wann Fremde aufgehalten haben und sei es nur zur kurzen Durchreise” Rondragon wirkte nachdenklich. “Wohl gesprochen, Herrat.”

„Dann sehen wir uns um! Gut“, sie blickte einen Moment zum finsteren Himmel, „vielleicht ist jetzt nicht der beste Zeitpunkt - der Ort wird kaum mehr geschäftig sein, aber so ein wenig werden wir das Terrain auskundschaften können.“ Die Rondrianerin blickte sich auf dem Dorfplatz um. Die Ortschaft war stattlich für ihre Größe. Überraschend viele Steinhäuser scharten sich aneinander. Auffällig war einzig der große Abstand zwischen den Wohnhäusern ringsum und einem auffälligen Steinbau mit Kamin. Herrat betrachtete die Lage des Hauses, die Anlage der Straßen drum herum. „Da seht, das muss die Schmiede sein. Seltsam: Zwei Schmiedeöfen so nah beieinander?“ Sie deutete auf zwei Kamine in knappem Abstand. Einer der Kamine war aus hellem, fein gesprenkeltem Gestein errichtet und stach dadurch sogar in der Dunkelheit hervor.

Wie Herrat schaute sich auch Rondragon um und teilte kurz mit, was an Auffälligkeiten er sah “Dorfplatz, 3 uralte Linden, überdachter Brunnen, drei Stock hohe Bürgerhäuser, Tempel der Travia, Schrein des Ingerimm neben einer rauchenden Schmiede, Backhaus, zwei Läden” analytisch schweifte sein Blick über den Platz. “in manchen Häusern ist Licht, das kann bedeuten, dass ein zufälliger Beobachter Dinge gesehen haben könnte, die für uns von Interesse sein können. Wichtig zu wissen wäre zudem, welche Büttel haben Wache und was können Sie beitragen.”

“Der Tempel der gütigen Mutter wirkt abweisend und kalt, auch dies ist ungewöhnlich” sprach Fulco mehr zu sich selbst, aber laut genug, dass es alle Anwesenden hören konnten.   

Herrat nickte. „Allerdings. Das muss sich doch rausfinden lassen. Hatte der Edle Oldebor nicht erwähnt, wer hier das Sagen hat? Wo ist der Herr dieses Ortes?“

“Abweisend und kalt” ungewöhnlich. Wer eignet sich aus unserer Gefährtenschar für die Erkundung des Tempels ?” Rondragon holte die Meinung seiner Mitstreiter ein.

Fulco wandte sich an Herrat “ Ich glaube den Namen des Vorstehers am Ort hat er nicht genannt, es hat aber auch niemand von uns gefragt, wenn ich mich recht erinnere. Er hat nur den Namen des Schmiedes erwähnt, dieser heißt Meister Ferrombaraosch. Und er bezeichnetet die Büttelin als faul, hat durchblicken lassen, das er sie für unfähig hält.” Hier dachte Fulco nochmal kurz nach “Mehr Informationen haben wir über die Bewohner des Dorfes nicht, wenn mich mein Gedächtnis nicht trügt.” 

“Mir fällt gerade ein, dass uns Oldebor die zwei Geweihten und den Herrn Herrenfels mitgab, die uns gegenüber dem Schmied als seine Gesandten ausweisen können. Somit sollten Diese und die Angroschim sich um den Schmied kümmern” Rondragon dachte in alle Richtungen. Bereit das nächste Manöver zu fahren.

„Argh! Ärgerlich! Dann müssen wir uns durchfragen. Der Schmied wird uns sicher sagen können, wer der Dorfvorsteher ist. Oder dieser Pfeffersack. Der weiß sicher mehr und hält seine Informationen zurück.“ Die Rondrianerin kniff ihre Augenbrauen zornig zusammen.

“ Da habt ihr Recht” nickte Fulco Rondragon zu. An Herrat gewandt “ Wir sollten dem Ortsvorsteher doch erst morgen unsere Aufwartung machen, auch er hat seine Abendruhe verdient” Er schaute zur  Geweihten hin  ’Auch wenn die Göttin sie gewählt hat, -sie ist recht ungestüm. Nicht dass uns das noch zum Nachteil gereicht.’  

Rondragon nickte. Auch Herrat bestätigte das Ansinnen Fulcos. “Nehmen wir uns heute die Gelegenheit, uns mit der Umgebung vertraut zu machen. Morgen knöpfen wir uns die Verantwortlichen vor.”

Rondragon gefiel der nächtliche Austausch, das bisschen Regen tat gut. Er dachte an die Schlacht vor Yol-Ghurmak im Rahja 1021 BF. Die Nerven waren seinerzeit sehr angespannt. Doch seine Schwertmutter,  die Junkerin in der Heldentrutz gewesen war, gab ihm Ruhe und Zuversicht. “Ja, der morgigen Tag wird uns Antworten liefern. Heute werden wir unsere Lanzen sammeln und auf das vorbereiten, was morgen passieren kann und wird” Rondragon genoß diesen Moment. Aufrecht stehend.

Fulco nickte dem Mann zu “Wohl gesprochen”

Fulco wandte sich an Leodegar von Aelgarsfels  “ Wir hatten noch gar keine Gelegenheit ein paar Worte auszutauschen. Wie geht es eurem Herrn Vater”


Wie stets wartete Krispinian von Tsawalden einen Augenblick, um das Gehörte zu sammeln und einzuordnen. Dann wandte er sich an die anderen Spaziergänger. 

Eine Karte zu skizzieren von diesem Ort ist eine hervorragende Idee. Den Göttern zum Dank verstehe ich mich ein wenig darauf und kann sicherlich nach unserem Erkundungsgang aus unser aller Gedächtnis einen hilfreichen Plan erstellen. Ihr sprecht alle wahr, wir müssen morgen vornehmlich mit den Personen sprechen, die alles mitbekommen und selbst wie unsichtbar erscheinen. Trunkenbolde, Bettler, aufmerksame Großmütterchen, die von ihrem Balkonfenster alles beobachten …”, Krispinian sah sich bei dem Rundgang insbesondere nach solchen Personen um, “... und natürlich die auf der Hand liegenden Quellen, wie den Wirt, den Schmied, die Büttelin und die örtlichen Geweihten. Letztere sollten eventuell von anderen Dienern der Zwölf befragt werden, die anwesend sind. Ich kann mich bei allen Gesprächen anbieten, die Inhalte aufzunehmen und einzuordnen - darauf verstehe ich mich ganz gut.  Der Herr PHex hat mir eine scharfe Auffassungsgabe mit auf den Weg gegeben. Und ein Gespür dafür, wenn etwas nicht stimmt.” Krispinian lächelte die Anwesenden an, und es war ein offenes, ehrliches Lächeln. 

Wolfmar lächelte ebenfalls: “Wie ich bereits sagte, ich werde euch unterstützen; mich aber bei der Befragung vorerst heraus halten und euch allen Deckung gewähren. Ich möchte nur bemerken, dass wir die Gesandten aus der Befragung grundsätzlich heraushalten sollten. Dabei sein können sie ruhig. Aber die Angaben der Befragten könnten möglicherweise durch die Gesandten verfälscht werden. Die Idee mit der Zeichnung finde ich sehr gut und ich unterstütze dieses Vorhaben. Ich frage mich, ob es ratsam wäre, Protokoll über unser Vorhaben und der Befragung zu führen. Seine Wohlgeboren Oldebor verlangte zwar Diskretion aber mit einem Protokoll könnten wir sicher sein, alles versucht zu haben. Was meint ihr dazu?”

“Ihr klingt ja fast wie ein Inquisitor”, lachte Herrat. “Doch ja, die Idee ist gut. Einen ordentlichen Schreiber braucht das Land!”

Krispinian nickte Herrat zu. “Meine Familie versteht sich schon seit Generationen in der Grafschaft auf solcherlei Aufgaben. Wolfmar hat sicherlich recht, wir sollten die Gesandten erstmal außen vor lassen.”  Der Edle zu Dunkelstein wandte sich an Herrat. “Und vielleicht könntet Ihr den ein oder anderen unsere Gesellschaft überzeugen, die nähere Umgebung nach Auffälligkeiten zu untersuchen? In unserer hehren Schar finden sich doch einige, die sich auf solcherlei Dinge verstehen.”

“Hm. Sehr vernünftig. Freiwillige vor!”

Irminella hatte geschwiegen und den Männern aufmerksam zugehört. Nun ergriff sie das erste Mal das Wort. “Meine Herren, Euer Gnaden, ich muss sagen, dass ich ein wenig überrascht bin von der Entwicklung dieses Gespräches. Ihr seid euch einig, wir sollen die Gesandten des Herrn Oldebor Greifax außen vor lassen? Warum? Weil Ihr ihnen nicht vertraut und vermutet, dass sie etwas vor euch verbergen? Schwierig, in meinen Augen. Ich kenne die Herren genausowenig wie ich euch kenne. Deshalb machen wir das hier doch, oder?" Sie breitete die Arme aus und drehte ihren Oberkörper etwas hin und her. "Um uns kennenzulernen, nicht wahr? Wir sind alle Gesandte Oldebors oder hat jemand hier keinen Brief mit exaktem Datum erhalten und saß nur zufällig an diesem Tag an diesem Tisch? Der Herr Greifax sieht offenkundig in jedem von uns eine Hilfe. Wieso sollten wir es besser wissen und Einzelne ausschließen, noch bevor wir deren Wert kennen?" Sie wandte sich direkt zu Rondragon. "Ihr redet von Einheit und Eintracht und wollt dann bei einem Spaziergang darüber verfügen, wer hier einen Beitrag leisten darf? So eint man nicht, so sät man Zwietracht." Irminellas Ton war streng geworden. "Ich schätze Euer aller Tatendrang sehr, aber schießt bitte nicht über das Ziel hinaus. Wenn Ihr herausfinden wollt, Euer Wohlgeboren von Spiegelberg, wer Euch wohlgesonnen ist, dann schaut einmal, wer in Eure Richtung lacht. Diejenigen stehen aufrichtig zu euch."

Sie räusperte sich. "In den anderen Punkten stimme ich euch zu. Am morgigen Tage starten wir die Untersuchungen, ein jeder nach seinen Fähigkeiten." Die Stimme der Ritterin war nun wieder milder geworden.

Zunächst hatte Herrat zornig erwidern wollen, doch zügelte sie ihre Zunge und wartete ab, bis Irminella zu Ende sprach. Dann ballte sie die Rechte und nickte stramm. „Nein. Wir werden niemanden zurücklassen. Schlagkraft kann nur durch Einheit entstehen.“ Sie schaufte durch „Das gilt auch für diesen Herrenfels“, ergänzte sie. „Aber trotzdem: Ich habe das Gefühl, er weiß mehr als wir. Vielleicht hat er im Geheimen mit dem Edlen gesprochen? Wir sollten ihm einmal auf den Zahn fühlen.“

"Das könnten wir tun. Wer auch immer mit ihm spricht: lasst ihn reden. Er ist äußerst eloquent und rhetorisch geschult, wie mir scheint. Dass er sich gern selbst reden hört, könnte eine Schwäche sein. Stellt ihm eine Frage und schweigt nach seiner Antwort. Die meisten reden dann weiter, weil sie glauben, die Antwort war nicht zufriedenstellend."

Fulco schaute in die Runde und erwiderte an alle Anwesenden gerichtet “Ich denke, die hier Anwesenden sind sich einig, das wir nur als Einheit im gesamten zu Erfolg in unserer Angelegenheit kommen werden. Ich stimme ihrer Gnaden zu, das wir mit dem Herrn Herrenfels wirklich mal etwas genauer sprechen sollten. Er scheint mir auch mehr zu wissen, als er preisgibt. Und ihr habt recht, dass er sehr versiert auf rhetorischer Ebene ist” Hier nickte er kurz in Richtung von Irminella. Nun wandte er sich lächelnd an Krispian “ Ansonsten gehe ich mit euren Ideen 100 % d’accord” ’Hier ist Diplomatie angebracht, das wird noch schwierig werden. Bei Rondra, ich bin doch kein Rechtsgelehrter oder Diplomat.’ “Ich denke, das die Überlegungen, welche wir hier treffen, niemanden ausschließt, da möchte hier grade bestimmt niemand. Es handelt sich ja nicht um Entscheidungen, sondern Ideen” Bei diesen Worten hob er leicht entschuldigend die Schultern an. 

Herausgerissen aus seinen Gedanken und mit Mühe keinen scharfen Kasernenton anzuschlagen, schaffte es Rondragon seine drängenden Gefühle herunter zu drosseln. "Euer Wohlgeboren" Rondragon blieb erstaunlich ruhig "Aus welchem meiner Vorschläge leitet Ihr Zwietracht ab? Es bedarf Führung und Koordination. Ein wildes herumlaufen und mehrmaliges Befragen der selben Personen sollte unterbunden werden. Das Zusammentragen von Informationen dabei gewährleistet sein." Er ließ die Worte sich kurz legen und sortierte sich auf seiner Gefühlsebene neu. "Den Vorschlag zum Spaziergang habe nicht ich getätigt. Er kam von anderer Seite. Soweit ich mich erinnern kann, waren meine Worte klar und die Aufgabe gebietet es, daß ein jeder nach seinen Fähigkeiten mitwirken kann und soll. Die Lanzen werden sich finden. Eine Einteilung ist mir zu diesem Zeitpunkt nicht möglich und auch nicht angedacht." Rondragon lächelte Irminella an "Ihr werdet mir sicher zustimmen, dass unser Handeln dem Erfolg unterzuordnen ist" er schaute sich um und sprach sehr leise weiter "die gesuchte Rüstung in der uns noch zur Verfügung stehenden Zeit zu finden und möglichst den oder die Halunken der Obrigkeit zu übergeben, damit ein gerechtes Urteil gesprochen werden kann."

Die Rondrianerin nickte und machte ihre Bestätigung hörbar.

In der Zwischenzeit war die Gruppe langsam, aber stetig über den Dorfplatz geschlendert. Nun standen sie vor der ausladenden Schmiede und dem faszinierenden Ingerimm-Schrein. Die Mauer schien aus einem weißlichen Stein mit mineralischen Einschlüssen zu bestehen. Offensichtlich war dies ein ‚untypisches, anderes‘ Baumaterial.

In ruhigem Ton wandte sie sich erneut an Rondragon. "Ich leite Zwietracht aus den Worten Wolfmars und Krispinians ab, nämlich, dass man die Gesandten zunächst außen vor lassen sollte. Wie hättet Ihr reagiert, wenn man Euch, um in Analogien zu sprechen, nicht alles über den Schlachtplan einer bevorstehenden Schlacht verraten und Informationen bewusst nicht mit Euch geteilt hätte? Würdet Ihr Euch nicht hintergangen fühlen?" Sie machte eine Pause. "Haltet dieses Gefühl fest. So würden sich die Gesandten fühlen, würden wir sie außen vor lassen." Dann strich sie, wie nebenbei mit der Hand über die Mauer des Ingerimm-Schreins.

Rondragon mußte Irminella Recht geben. Es war absolut in nicht Ordnung Sie außen vor zu lassen. “Ihr habt Recht” sagte er knapp um zu ergänzen “ich bezog es auf mich, da ihr mich direkt angesprochen hattet. Verzeiht.” Zu Wolfmar und Krispinian gerichtet “Die Lanzen werden sich finden, uns unserer Stärke zu berauben, sollten wir nicht vornehmen. Aus meiner Sicht gibt es zudem keinen Grund Sie nicht dabei zu haben, oder ist euch einer bekannt?”.

"Ja, ich sprach Euch direkt an, weil Ihr derzeit diejenige Person, die, wie keine andere hier anwesende, für den Wunsch nach Einheit steht. Sollte den beiden Hohen Herren also kein triftiger Grund einfallen…" Sie ließ den Satz unvollendet und blickte die Wolfmar und Krispinian abwechselnd an.

Rondragon mochte den Schneid Irminellas. 

Fulco hörte dem Wortwechsel der beiden Edlen genau zu. Nach der letzten Bemerkung Irmellas schüttelte er -in Gedanke versunken - leicht den Kopf. ’ Wieder habe ich mich falsch ausgedrückt. Einheit ist das wichtigste in dieser Situation. Warum habe ich nicht die rhetorischen Fähigkeiten Mafaldas. Naja, es wird sich schon noch die Gelegenheit ergeben, dies klar darzustellen.’ Er schaute Irminella nochmal genau an. ’ Mit ihr möchte ich keine Fehde haben, sie hat Mut und Kopf. Eine interessante Mischung, es wäre besser so jemanden in einer Auseinandersetzung auf seiner Seite zu Wissen’ Dann verdrängte er seine Gedanken und sprach in die Runde “ Kennt jemand das Material, welches hier verbaut ist. Es scheint mir nicht das typische dieser Gegend zu sein” Mit diesen Worten deutete es auf  die Mauer,  welche aus  einem weißlichen Stein mit mineralischen Einschlüssen gefertigt war und schaute fragend in die Runde

Irminella blieb stehen und betrachtete die Mauer genauer. Dabei strich sie erneut sanft mit der Hand über das fremdartige Gestein. "Ich weiß es nicht. Diese Einschlüsse im Stein...so etwas habe ich noch nie gesehen."

Herrat trat ganz nah an die Mauer. Für einen Augenblick klebte sie fast mit der Nase an der Wand, dann drehte sie sich abrupt um und schüttelte heftig den Kopf. „Nein, mit Steinen kenne ich mich nicht aus. Naja, wenn man ihre Verwendung als Belagerungsgeschosse abzieht. Hm. Wenn ich es nicht besser wüsste, hätte ich gesagt, dieser Bau ist aus Marmor. Aber das wird für so ein Dorf wie hier viel zu teuer sein.“ Sie strich über den warmen Stein und umrundete langsam das Gebäude, um schließlich vor einem Alkoven stehen zu bleiben.

Krispinian von Tsawalden strich sich durch den Bart. An Irminella gewandt sprach er:”Ihr sprecht wahr, lasst uns die Fähigkeiten aller Anwesenden nutzen - unser Ziel ist von so immenser Bedeutung, dass wir jede Hand brauchen können. Mir ist nur wichtig, dass ein roter Faden entsteht, dass alle Informationen zusammenfließen. Dafür stehe ich wie erwähnt sehr gerne zur Verfügung.  Morgen sollten wir also alle gemeinsam identifizieren, wer mit welcher Aufgabe betraut werden sollte.” Krispinian machte eine Pause und blickte seine Gefährten ernst an. “Bei den Göttern, ich brenne darauf, die Hintergründe zu diesem dreisten Diebstahl zu erfahren.” Bei seinen letzten Worten konnte er eine gewisse Art von Bewunderung für diesen phexgefälligen Akt nicht verbergen. 

Das teure Baumaterial des Ingerimmschreins, schön zusammengefügte Granitbrocken, zeigte, dass das Gebäude etwas Besonderes darstellte. Ein Alkoven in der Außenwand  mit einer Darstellung der Elemente unter der Herrschaft eines eher zwergischen, denn menschlichen Gottes zeugte davon, dass in diesem Schrein Ingerimm als Herr der Elemente und Gott der Bergleute verehrt wurde.

Krispinian strich mit der Linken über die Wand des Schreins. “Fürwahr, eine meisterliche Arbeit. Die Schreine in meinem Gut sollten auch mal wieder einer Erneuerung unterzogen werden.”

"Ein Dosier halte ich ebenfalls für eine gute Idee. Wenn hier ein jeder seine Aufgabe hat und Nachforschungen anstellt, fallen viele Informationen an. Sollten wir sie nicht bündeln, übersehen wir vielleicht etwas. Ihr könnt Euch morgen in großer Runde gern erneut anbieten. Eventuell sollten diese Aufgabe aber zwei Personen übernehmen?" 

Dann trat sie wieder näher an den Schrein. "Marmor? Hmm… eventuell kann uns der oder die Geweihte des Dorfes erleuchten."

Krispinian nickte zustimmend. ‘Diese Irminella ist ein kluger Kopf”, dachte er bei sich.  Er wandte sich an Irminella: “Ihr sprecht wahr; wenn wir uns morgen aufteilen, sollten die Befragungen gebündelt und ausgewertet werden. Ebenso eine eventuelle Spurensuche in der Umgebung. Ich bin mir sicher, dass wir morgen schon wichtige Erkenntnisse sammeln werden. Lasst uns nun langsam unsere Schritte wieder gen Gasthaus wenden. Ein letztes Bier noch und dann eine Mütze voll Schlaf, das ist es, was ich will.”

Abschließend wandte er sich an Wolfmar, Fulco, Herrat  und Rondragon: “Wie schätzt Ihr die Situation ein, haben wir fähige Leute an Bord, die in der näheren Umgebung des Dorfs auf Spurensuche gehen könnten?”

Fulco schaute seinen Nachbarn ernst an “Mit Sicherheit haben wir für diese Aufgabe auch fähige Leute in der Gruppe. Ich glaube das der ein oder andere sich beim ersten Treffen bei Oldebor schon dahin gehend geäußert hat. Ich stimme euch zu, ein Bier und eine gute Nachtruhe tun uns allen bestimmt gut. Und Morgen früh mit allen einen Plan schmieden. Euer Vorschlag, das ihr und ggf ein weiterer unserer Gefährten” Hier nickte er kurz in Richtung Irimellas Richtung “ ein wenig den Überblick über alle Aktionen haltet unterstütze ich sehr. So läuft die Sache nicht aus dem Ruder oder es werden nicht einige Aufgaben doppel und andere gar nicht erledigt.” 

"Falls gewünscht, werde ich mich gern gemeinsam mit dem Hohen Herren Krispinian von Tsawalden dieser Aufgabe widmen. Als Spurensucherin stünde ich zumindest auf sehr verlorenem Posten." Sie lächelte kurz. "Ein Schlummertrunk ist in jedem Fall eine gute Idee. Lediglich bei dessen Art gehen unsere Meinungen auseinander. Ein schwerer Roter soll es sein."

Fulco lächelte die Edle an ” Ich könnte mit Euch auch gut bei den Befragungen vorstellen. Ihr seid der Rhetorik - scheint mir- ebenfalls zugetan und versteht Worte geschickt zu nutzen. Nun lasst uns Morgen darüber reden, wir wollten ja auch Entscheidungen mit alle treffen” Zu diesen Worten nickte er unterstreichend mit dem Kopf. “ Zudem glaube ich, das wir alle von der Reise ermattet sind und Morgen nach einer Nachtruhe mit mehr Elan und Ideen aufwarten können”  Krispinian stimmte Fulco lächelnd zu. Dann wandte er sich an Irminella: “ Es wäre mir eine Ehre, diese Aufgabe gemeinsam mit Euch zu einem Wohlgelingen zu führen. Auch ich denke, Ihr seid für diese Aufgabe bestens geeignet. Nun denn, lasst uns einen Schlummertrunk genehmigen - einer der Rondrianer in der Gaststätte ist bestimmt in Geberlaune und wir können uns einer Runde anschließen.” Herrat lachte aus tiefem Bauch. „Ja, das wäre jetzt Recht. Und für die Spurensuche wird sich auch noch jemand finden!“

An Rondragon gewandt, erklärte sich Wolfmar: “Ich kenne keinen der Gesandten. Ich meinte nur, dass die Gesandten uns bei der Befragung mehr schaden könnten, als nützen. Die zu Befragenden sind sicherlich schon durch uns allen eingeschüchtert. Wenn da noch ein direkter Gesandter von Oldebor dabei ist, könnte das die Befragung extrem beeinflussen. Stellt euch vor, ihr müsst euch wegen eines Fauxpas einem Büttel erklären und direkt hinter dem Büttel würde ein Gesandter des Barons oder des Grafen stehen. Ich bin mir sicher, ihr würdet dann nicht so mit dem Büttel reden, wie es eure Zunge beliebt.” Danach schaute auch Wolfmar sich den Ingerimmschrein an. Besonders der Alkoven interessierte ihn. Die Darstellung schien ihn an etwas zu erinnern. “Wir sollten den Schmied und die Bergarbeiter vor allem nach verlassenen oder geschlossenen Stollen befragen. Sie bieten eine gute Möglichkeit, sich oder etwas zu verstecken.” Nach einer kurzen Pause sagte Wolfmar zu allen: “Die Idee mit dem Schlummertrunk finde ich ausgezeichnet.” Wolfmar verließ die Idee, sich die äußeren Gebäude des Ortes anzusehen und wollte mit den edlen Herrschaften zurück zum Gasthaus gehen.

Irminella blieb stehen. "Sollten wir, nun da wir ohnehin erneut nass sind, nicht noch ein paar Minuten weitergehen? Wir haben bisher nur diesen Stein als Besonderheit entdeckt. Der Schlummertrunk läuft uns nicht davon."

“Natürlich, wir sind zwar auf dem Rückweg, aber der sollte uns noch ein wenig um Ort herumführen. Es ist wichtig, dass wir einen Eindruck der Gegebenheiten mit in den Schlaf nehmen, um uns morgen besser aufteilen zu können.” Krispinian lenkte seine Schritte an die Seite Irminellas. “Ihr sprecht weise und wahr. Lasst uns schauen, was uns dieses Örtchen noch so bietet! Und es würde mich freuen zu erfahren, wie Ihr Mitglied dieser hehren Schar wurdet. Ich für meinen Teil weiß, dass mich mein Verstand und meine Auffassungsgabe nicht nur zum Edlen von Dunkelstein, sondern auch zu einem Teil dieser Queste gemacht hat. Wie steht es mit Euch? ” Und er wandte sich damit an Irminella, aber auch an alle anderen Spaziergänger. 

’Nun gut da hat sie recht, nass sind wir ehe’ Fulco nickte in die Runde “Wohl wahr, nasser wird es wahrlich nicht mehr” erwiderte er lächelnd und erläuterte bereitwillig ” Ich bin dabei, weil ich Oldebor noch einen Gefallen schulde. Er hat mir mal das Leben gerettet, hat mich davor bewahrt, das ein wilder Eber mich über den Haufen rennt. Eine genaues Bild der Ortschaft kann uns wahrlich sehr von Nutzen sein” Er schaute sich neugierig bei seinen Gefährten um ’ Mal schauen, warum die anderen mit an Bord sind. Das könnte interessant sein ’   

Krispinian bedankte sich bei Fulco mit einem Nicken und blickte die anderen Anwesenden interessiert und auffordernd an. 

"Ich stehe im Dienste Seiner Hochwohlgeboren Alrik Custodias-Greifax, das ist sicherlich bekannt. Wie ich in seine Dienste kam ist sicherlich ebenfalls kein Geheimnis. Ich tötete ein Lamifaar, eine sogenannte Schwarzelfe und half damit einigen Waldbauern, aus Gut Gräflich Bösalbentrutz aus ihrer Misere. Damals lebte ich allerdings noch auf Gut Eberbach. Als die Stelle vakant und Seine Hochwohlgeboren mit der Sache vertraut war, belehnte er mich. Nun ist Oldebor Greifax nicht nur dessen Schwager sondern obendrein noch Gräflicher Rat für das Proviantwesen. Und da Gut Gräflich Bösalbentrutz äußerst wenig Fläche zum Anbau bietet, muss so einiges eingeführt werden. So entstand meine Verbindung mit seiner Wohlgeboren. Da es hier voraussichtlich keine Schwarzelfen zu töten gibt, mag er mich ob meiner Entschlusskraft und Intuition hinzugezogen haben."

Ferrombaroschs Schmiede

„Respekt, Respekt“, ließ sich Herrat hören. „Das ist eine beeindruckende Heldentat, hohe Dame! Sollte mir so ein Vieh vor die Klinge laufen, hat es nichts anderes zu erhoffen.“ Gegenüber des Schreins befand sich die Schmiede Ferrombaroschs. Die Rondrianerin schlenderte an dem Gebäude entlang.

Die Eingangstür wirkte massiv. Die Fenster waren klein und eng - fast wie Schießscharten.  „Hei, da drin ist es sicherlich finster wie in einem Stollen“, witzelte Herrat.

Wolfmar schaute in das auffordernde Antlitz von Fulco zurück. Eine kurze Weile sagte Wolfmar gar nichts, dann sagte Wolfmar endlich. “Ich stehe nicht in irgendeiner Schuld von Oldebor. Mein Vater Erdwain von Wildklamm und sein Bruder, mein Onkel Kalman von Wildklamm hatten eine wohl geschäftliche Vereinbarung mit seiner Wohlgeboren Oldebor Greifax. Ich bin auf Bitten meines Vaters hier.” Abrupt drehte sich Wolfmar in die Richtung von Herrat von Bauernfeind, die das Gebäude des Ingerimm Schreins begutachtete.

Fulco schaute dem Mann hinterher, sein Gesichtsausdruck kurz überrascht. ’ Oh, da hab ich Wohl einen Nerv getroffen. Nun ja, jeder sucht sich zu finden ’ dachte er. Er lenkte seine Schritte an die Seite seiner Nachbarn Krispinian und Rondragon. Er wandte sich lächelnd an Krispinian “ Ihr wolltet ein wenig von eurem Lehen erzählen” 

Krispinian lächelte bei den Worten von Fulco. “Mein Lehen … Die Baronin von Kranick hat mich mit dem Rittergut Dunkelstein betraut. Es ist eine große Ehre, und es ist ein besonderes Lehen, das ich jetzt schon als ein Stück Heimat ansehe.”.  Der hochgewachsene Mann machte eine Pause und fuhr fort:” Es ist ein besonderes kleines Stück Land mit besonderen Menschen, die besondere Dinge tun. Wie die Dunkelsteiner Scheckenschweine züchten, Ihr habt sicher schon einmal vom Dunkelsteiner Schweinsbraten mit Kruste gehört. Falls nicht, müssen wir das ändern.” Er lächelte Fulco an. “Auch unser Beringer Bräu kann ich nur empfehlen. Und von den Räucheralriks, die in unserem Ort Dünnwald hergestellt werden, habt Ihr mit Sicherheit schon einmal gehört.” Krispinian schlug Fulco freundlich auf die Schulter. “Ihr seid herzlich eingeladen, uns einmal zu besuchen. Es wäre mir eine Ehre, Freund Nachbar!”

“ Es wäre mir eine Freude, die Einladung nehme ich gerne an. “ er lächelte Krispian zu. “Wir sollten in der Baronie generell mehr mehr miteinander kommunizieren, die Stärke einer Einheit liegt im Zusammenhalt.” Hier nickte er kurz bestätigend “Ein freundschaftliches Verhältnis kann uns allen nur nutzen. Es freut mich, euch zu meinen Nachbarn zählen zu dürfen”  Er ging bei diesen Worten entspannt neben Krispian her und schaute kurz zu seinen anderen Nachbarn Rondragon und Leodegar. ’ Alle drei sind angenehme Reisegefährten und interessante Personen. Aus dieser Baronie kann wirklich noch was werden ’ 


Irminella griff den Scherz Herrats auf. "Man, pardon, Zwerg, will es eben heimisch haben. Habt Dank, Euer Gnaden. Sollte ein solches Wesen Euch vor Eure Klinge fliegen, dauert der Kampf sicherlich nur wenige Herzschläge, bis er zu Euren Gunsten entschieden ist. Sagt, welche Waffe bevorzugt Ihr? Ich weiß, dass es kaum eine Waffe geben mag, die eine Dienerin Rondras nicht zu führen vermag. Doch ein Lieblingsstück müsst Ihr doch haben?" Während sie sprach, hatte sie Herrat von Bauernfeind auf ihrem Weg begleitet.

“Selbstverständlich. Ich bevorzuge den Rondrakamm. Die ausgeglichene Klinge, die Durchschlagskraft eine Löwenpranke! Das ist meine Waffe!”

"Wahrlich eine Waffe, der Herrin Rondra würdig! Sagt, wie führt Ihr sie? Ich habe den Kampf zu anderthalb Händen lieben gelernt, wenn ich gleichwohl das Schwert wohl zu führen vermag."

“Offen und ehrlich: Mit beiden Händen und in beengten Räumen als Halbschwert. Wir müssen uns in allen Umgebungen wehren können. Aber die größte Wucht entfaltet der Rondrakamm, wenn man ihn schwingen kann.”

"Stimmt es, dass es eine besondere Art der Klingen aus dem Horasreich gibt? Ich erinnere mich, dass ich davon las."

“Tss.” Herrat verdrehte die Augen. “Dieses Volk hat keine Tradition, keine Werte. Sie meinen, alles neu machen zu müssen. Alles anders. Dieser ‘Modernismus’ ist Gift. Er verweichlicht. Habt Ihr schon einmal eine Horasierin kämpfen sehen? Sie nennen ihr Rumgehopse Fechten. Ich nenne es einfach nur peinlich.” Die großgewachsene Frau hatte sich in Rage geredet - ersichtlich erboste sie das Thema.

"Hmm, in diesem Punkt scheiden sich sicherlich die Geister. Doch wollte ich Euch nicht zu Nahe treten, Euer Gnaden. Sollte ich Euch beleidigt haben, war dies in keinster Weise meine Absicht sondern Kind meiner Unwissenheit."

Herrat fuchtelte ein wenig mit ihrer Hand herum, als ob sie Ungeziefer abwehren wollte. „Nein, nein. Ihr doch nicht.“

"Gut." Sie lächelte und nickte einmal kräftig. 

Krispinian von Tsawalden sah sich aufmerksam um, als er scheinbar im Gespräch vertieft mit den anderen durch das Dorf spazierte. In seinem Kopf kreisten die Gedanken. Dass es hier nicht einfach nur um den Diebstahl eines kostbaren Gegenstands ging war klar. ‘Die Motivation des Täters ist der Hinweis zu ihm’, hatte er einst gelernt. Der Edle zu Dunkelstein wandte sich an seine Begleiter:”Weiß jemand, wo genau sich der Ort des Diebstahls befindet?” Immer wieder blieb Krispinian kurz stehen, um seine Skizze des Ortes in seinem Büchlein zu aktualisieren.

Irminella löste sich für einen Moment aus der Unterhaltung mit Herrat von Bauernfeind und blickte zu Krispinian hinüber. "Nun, Seine Hochwohlgeboren sprach davon, dass der Schmied Ferrombarosch, Sohn des Gerambolosch ihm Nachricht über die Fertigstellung des Stückes sandte. Da ich nicht glaube, dass ein professioneller Handwerker seine Arbeit mit nach Hause nimmt - und vor allen Dingen kein Schmied -, sollte der Ort des Diebstahls die Schmiede des Herrn Ferrombarosch sein. Da ich gleichsam davon ausgehe, dass Erzenschöffer nur eine Schmiede besitzt, schätze ich, dass wir davor stehen…" Sie blickte von Krispinian zu dem Gebäude unweit des Ingerimm-Schreins, an dem Herrat und sie vor Kurzem noch vorbeigegangen waren. "Hier."

“Hmhm!”, bestätigte Herrat voller Überzeugung. “Irgendjemand hat die Rüstung des heiligen Hlûthar hier herausgetragen!” Sie warf einen Blick zurück auf die Schmiede. “Wie bei der brüllenden Löwin hat dieses feige Schwein den Kürass aus dem Haus schaffen können?”

"Viel dringlicher ist doch zunächst die Frage, wie die Diebe herein kamen. Bei dieser massiven Tür ist ein gewaltsames Eindringen sicherlich schwierig und würde Spuren hinterlassen. Insofern der Herr Zwerg seine Schmiede verschließt. Was ich tun würde, würde mir ein solches Stück zur Reparatur anvertraut." Irminella ging zur Eingangstür der Schmiede. Dort angekommen besah sie sich die Tür ein wenig genauer und drückte dann mit der Hand dagegen.

Bei den Worten der Edlen und der Geweihten zog sich die Stirn von Fulco kurz ärgerlich zusammen “ Welch ein Frevel” Während sich Irminella und Herrat mit Tür des Gebäudes beschäftigten, wandte sich Fulco kurz an seine anderen Begleiter “ Ich gehe mal kurz um das Gebäude um zu schauen , ob es andere Möglichkeiten in die Schmiede hinein gibt” Mit diesen Worten machte er sich auf den Weg, das Gebäude zu umrunden und dabei nach Einstiegsmöglichkeiten/ Eingängen zu schauen. 

Die Schmiede in der Nähe des Marktplatzes war ein aus Bruchsteinen gemauertes, zweiflügeliges, aber nur einstöckiges Gebäude, mit Schieferschindeln bedeckt, auf denen die dicken Dachsterne wurzelten, die erst nach fünf Jahrzwölften Wurzeln zu schlagen vermochten, so hieß es. Neben dem Eingang zur Schmiede besaß der zweite Flügel noch einen gleichfalls verschlossenen Zugang hinaus auf die Gasse, die das Gebäude von den Nachbarhäusern trennte. Die Nachbargebäude - nahezu alle aus Fachwerk - hielten achtungsvollen Abstand, obwohl der Rest des Dorfes dicht an dicht gebaut war. Doch der Funkenflug einer Schmiede hatte über die Jahrhunderte durch schmerzhafte Brände Achtung gelehrt.

Krispinian blickte seine Gefährten wertschätzend an. “Meiner Treu, Ihr vermögt rasch und überlegt zu handeln.” Er schritt die Hände hinter dem Rücken verschränkt im Halbkreis um das Gebäude und prägte sich jede Einzelheit genau ein. ‘Was hätte ich getan, um ein solch großes Objekt unerkannt aus einem solchen Gebäude zu holen?”, überlegte der Edle zu Dunkelstein. 

Die Tür indes gab keinen Zoll nach.  Irgendwo darüber unter dem dunklen Dachvorsprung war ein vernehmliches, mechanisches Klicken und Schnarren zu vernehmen.

Als Irminella das Klicken vernahm, machte sie einen Schritt rückwärts, blickte nach oben und lauschte. "Habt Ihr das ebenfalls gehört?", sagte sie an Herrat gerichtet, die ihr am nächsten stand. "Klingt mechanisch."

Dann drehte sie sich zu den anderen um. "Verschlossen. Und meine Fähigkeiten liegen dann doch in anderen Bereichen als der Spurensuche und der Mechanik." Bei den letzten Worten blickte sie erneut nach oben Richtung Dachvorsprung. 

Nach einer Pause. "Ehrlich gesagt, reicht es mir jetzt auch. Einen schweren Rotwein und ein warmes Bett ziehe ich nun endgültig Regen, Matsch und Kälte vor."

Die Rondrianerin zuckte mit den Schultern.

Nachdem Fulco von seinem Rundgang zurück kam schaute er sich bei seinen Gefährten um. “ Einen zweiten Eingang gibt es wohl, auch dieser verschlossen. Ich denke, mehr werden wir heute nicht mehr erfahren, lasst uns zurückgehen und noch einen guten Humpen genießen”


Wolfmar kehrte zurück in die Gaststube. Auch Fulco lenkte seine Schritte Richtung Gasthaus, schaute allerdings fragend in die Richtung der anderen Spaziergänger.

Krispinian nickte den anderen zu. “Ihr habt recht, genug des Spaziergangs für heute. Gehen wir zurück und schauen mal, wie sich die anderen im Gasthaus gehalten haben. So ich den ein oder anderen einschätze, hängt unser Anliegen schon morgen in der Früh am Schwarzen Brett des Ortes … “ "Wollen wir es nicht hoffen…" Irminella nickte Fulco zu und schickte sich an, dem Regen zu entkommen.

Derweilen im Wirtshaus

Die wenigen abwesenden Spaziergänger machten kaum einen Unterschied in der Menge der munteren Zechner. Kein Platz auf den Bänken war unbesetzt und die Gäste drängten sich dicht an dich an den langen Tischen. Es war laut von weit mehr als einem Dutzend Gesprächen, die alle gleichzeitig geführt wurden und versuchten, sich gegenseitig an Lautstärke zu überbieten. Die Bergleute hatten Xorgolosch in ihre Mitte genommen, und auch Isenhammer, der Ingerimmgeweihte, hatte sich zu der Gruppe gesellt und hielt beim Zechen mühelos mit.

“Da xin schon ornlix n paa runn’n xammngekomm! Kangroscha! Prooss, Freunde! Auf n’ Berg! Auf fungelnes Erz! Auf schummrischfeuschde Grottn!”, gingen die Gedanken des Zwergs etwas mit ihm durch, während er sich der körperlichen Nähe der Steigerin versicherte. Ohren und Wangen glühten, als wollte sie der Zwergengott selber zum Schmelzen bringen.

“Na, Meister Xorgolosch, bekommt Euch unser frisch Gebrautes nich’?” wollte Gesine von dem immer näher an sie rückenden Zwerg wissen. “Ich dachte, dass das Kleine Volk standhaft im Zechen sei …”

Der Angesprochene versuchte mit steigender Verzweiflung Dere am Drehen zu hindern, indem er sich an seinem Krug krampfhaft festhielt, aber zu einer Antwort war er im Moment nicht mehr fähig. “Muss ma’ eb’n rauz”, brummte er, stand schwankend auf und machte sich auf den Weg zum stillen Örtchen.

Neben Ulfried hatte sich eine hochgewachsene Frau mit breiten Schultern, unübersehbarem Bauchansatz breitgemacht und leerte bereits ihren zweiten Humpen verbissen und zielgerichtet, als sei er ein Feind, den es anzugehen gelte. Sie war gut, aber nicht sehr edel gekleidet, hatte ihr schmutzigblondes Haar in einen nicht sehr ordentlichen militärischen Bürstenschnitt geprügelt und als sie mit einem energischen “Auf Euer Wohl” in Richtung ihres Nebensitzers prostete, wurden offenbar, dass ihr die Hälfte des kleinen Fingers an ihrer Rechten fehlte.

Ulfried war es sichtlich unangenehm, dass ihm diese grobschlächtige Frau derart nahe rückte. Er versuchte jedoch die Fassung zu wahren und schenkte ihr, wenn immer sie ihren Kopf in seine Richtung wandte, ein knappes Lächeln. Ihren Trinkgruß erwiderte er ebenfalls mit einem Lächeln und ihren Worten: “Auf Euer Wohl!”. An seinem Krug nippte er jedoch nur. Als sein Blick dann auf Ihre rechte Hand und die fehlende Fingerkuppe ihres kleinen Fingers fiel, neigte er den Kopf leicht zur Seite und er zog eine Augenbraue nach oben. Ohne darüber nachzudenken, dass sein Blick seiner Banknachbarin auffallen könnte, starrte er ihre Hand wohl einige Augenblicke zu lange an, ehe die Dame in dem Wappenrock, die gerade gegenüber von ihm Platz genommen hatte, seine Aufmerksamkeit gewann und er den Blick neugierig nach vorne richtete. 

Seine Sitznachbarin seufzte tief, hob erneut ihren Humpen und leerte ihn bis zum Grund. Auf Ulfrieds Blick brummte sie ‘Nich schön, näch?” und stierte voller Unglück in ihren leeren Humpen.  “Abber was soll’s  - hat doch eh alles keinen Sinn mehr.” Mit einem noch unglückseligeren Seufzen versank sie, den Humpen anstarrend, in tiefes Brüten.

Ulfried wandte sich nach den Worten seiner Nachbarin wieder von der Büttelin ab und sah etwas entschuldigend nach rechts. Als er sah, wie die Dame so trübsinnig in ihren Becher starrte, dauerte es einen Moment, bis er seinen Widerwillen überwand. Dann fasste er sich ein Herz und sagte: “Ach, ist doch nur ein Teil des Fingers. Es gibt schlimmere Verletzungen, glaubt mir, ich weiß, wovon ich spreche.” Dann versuche er aufmunternd zu lächeln. “Also wenn ihr mich fragt, dann ist das kein Grund an der Sinnhaftigkeit von irgendetwas zu zweifeln.”

Auch Peranna saß irgendwann sauber und vorzeigbar mit am Tisch.  Wie die anderen Knappen kam sie erst später, denn es gab Aufträge, die sich nicht durch Wunschdenken erledigten. Lehrjahre waren wahrlich keine Herrenjahre. Sie hatte schon mehr dreckige Bruchen gezählt als ihr lieb waren. Ein Mensch unterschied sich wohl nicht von dem anderen… zumindest nicht in der Beschaffenheit seiner Bruchen nach einer langen Reise. Perannas Haare waren nach getaner Arbeit gewaschen und saßen vorbildlich. Während die Hohen Herrschaften schon ihre Teller geleert hatten und das große Bechern inzwischen begonnen hatte, hatte die junge Knappin noch eine recht volle Schale heißer Graupensuppe vor sich stehen, die ihr mundete und die Glieder wärmte, etwas Bauernbrot dazu und Lageräpfel vom vergangenen Herbst und trank aus einem Becher Ziegenmilch mit etwas Honig, den sie sich gelegentlich zu Gemüte führte, obwohl sie sehr durstig war. Das Graupenmädchen zeigte gute Manieren und aß nicht wie ein Schwein. Schweine aßen nämlich an Trögen und nicht an Tischen. Das Essen schien Peranna zufrieden zu stimmen. Davon abgesehen war ihre Aufmerksamkeit kurz auf ihren Dienstherren gelenkt. Sie dachte an seinen baldigen Tsatag und das erfreute sie wohl. Mal hörte sie ansonsten hier zu, mal hörte sie dort zu…

Lysander erachtete es nicht als nötig, Peranna sofort auf die irgendwie putzigen Hasenzähne zu fühlen, natürlich im übertragenen Sinne! Er ging davon aus, dass sie ihre Aufgaben zu seiner Zufriedenheit erfüllt hatte, ausserdem gehörte er sicherlich nicht zu der Sorte Ritter, Ausbilder oder was auch immer, die ihren Knappen, bzw. Knappin ständig hinterherstiegen und auf die Finger schauten. Peranna hatte sich bisher keinen Fehltritt erlaubt, wenn dann waren es Kleinigkeiten, ihren Haaren durfte sie jedoch immer so viel Aufmerksamkeit schenken, wie sie wollte. Er war da recht ähnlich gestrickt, da hatten sich zwei gefunden!  Ihre Tischmanieren waren schon recht anständig, Lysander ließ sie erst einmal in Ruhe ihre Mahlzeit einnehmen, mehr als einen freundlichen Blick und einem “Laßt es Euch schmecken, Peranna!” bekam sie nicht zu hören, ein freundliches Lächeln bekam sie obenauf, bisher kamen die Beiden wunderbar miteinander aus und es hatte noch nicht geknirscht, im Gebälk. 

Die weibliche Person, welche sich in diesem Moment mit Ulfried unterhielt, nahm er zur Kenntnis, mehr für den Moment jedoch nicht. Da Lysander mit seiner Mahlzeit schon zum Ende gekommen war, ergriff er auch immer wieder mal sein Bier, die Schlucke entpuppten sich bei genauerer Betrachtung jedoch eher als ein Nippen. Schlund auf und zehn oder gar mehr Biere in sich hineinzuschütten, das kam wahrhaftig selten vor.

Die hübsche Peranna bedankte sich bei Lysander mit einem ausgewiesenen Fradriklächeln. Im Augenblick war sie ganz offensichtlich zufrieden und hatte ein dickes Fell gegenüber fehlenden Fingergliedern, die rundliche Frauen mit Bürstenhaarschnitten ausmachten. Die Suppe schmeckte der Knappin weiterhin während sie auf den dicken Bauch der großen Fremden schielte. Pragmatisch aß sie derweil die Herrschaften geselliger oder betrunkener wurden und amüsierte sich ein wenig als besagter Wanst sich hob und schwabbelnd wieder senkte.  [Ping Lysander]

Für einen kurzen Augenblick betrachtete Lysander noch einmal seine Knappin, dann richtete er seine Aufmerksamkeit wieder auf das Geschehen am Tisch, aufmerksam, jedoch ohne gerade das Bedürfnis zu verspüren sich mal eben so einzuschalten.

“Ach, edler Herr, Ihr habt einfach red’n.” Seufzte die Frau neben ihr und Ulfried. “Rondralda Flemmler mein Name. Eisenwarenhändlerin. S’is doch nich’ der Finger. Mit ein bißchen hässlich kann ich leb’n. Abber sonst - ich mach hier kein’ Stich mehr, nimmer, phexseisgeklagt.”

Ulfried beugte sich trotz seiner inneren Abneigung gegen diese Frau und ihre Gestalt ein wenig zu ihr hin und raunte ihr zu: “Hier im Ort? Das klingt in der Tat nach einer Sache, die sorgenvoller scheint als nur eine fehlende Fingerkuppe.” Für einen Moment hielt er inne und musterte das Gesicht der Frau. Dann sprach er mit gedämpfter Stimme weiter: “Nun, ich bin nicht von hier und auch nur auf der Durchreise. Wenn ihr also euer Herz erleichtern oder einen Rat hören wollt, dann bin ich gerne gewillt, euch beides zu gewähren. Aber zunächst sollten wir noch etwas zu trinken bestellen, euer Krug ist ja leer!” Ulfried erhob sich leicht schwankend und wedelte dem Wirt mit seiner Hand zu. Als dieser seiner Gewahr wurde, hielt Ulfried zwei Finger in die Höhe und zeigte dann auf seinen Tisch. Hoffentlich wusste er das Zeichen richtig zu deuten. Ehe der junge Edle sich wieder langsam auf die Bank zurücksinken ließ, holte er nochmals tief Luft. Ihm war unbehaglich bei dem Gedanken daran, diese grobschlächtige Frau in ein Gespräch verwickelt zu haben. Immerhin war er aber umringt von kräftigen Rittern und deren Gefolge. ‘Es wird schon irgendwie gut ausgehen’, sprach er sich selbst Mut zu.

‘Ihr macht das wunderbar’, dachte sich Lysander, als er die kleine Unterhaltung dann doch irgendwie mitverfolgte und war irgendwie froh, sich dieser armen Seele gerade nicht annehmen zu müssen, außerdem geriet eine weitere weibliche Person in sein Blickfeld.

Der emsige Rigbald brachte das Gewünschte, mit einem freundlichen ‘Travia zum Wohl!” und verschwand wieder in der Gruppe an Gästen - die freizügigen Edelleute bescherten ihm heute einen ganz phex- wie traviagefälligen Zusatzumsatz.

“Habt Dank, Edler Herr!” Schniefte die Frau geräuschvoll und hob den Humpen in Richtung Ulfrieds, ehe sie sich geräuschvoll einen langen Schluck genehmigte. “Aaah, das tut gut.” brummte sie. “Wisst ihr,” erhellte sich ihre Miene eine Kleinigkeit, als sie so unverhofft auf einen verständnisvollen Zuhörer traf, “das Problem isses mit’m Markt. Ich verkauf da mein Zeuchs schon seit Jahr und Tag. Pfannen, Töpf, Messer, Dolch’. Armschien’ und Becher - was man halt so braucht.” Sie holte tief Luft und sorgte dafür, dass der Füllstand ihres Bechers rapide abnahm. “Aber wisst ihr, seit ein paar Wochen, da is sowas von der Wurm drin! Der dicke Zerfer und Plättners Wina, die ha’m auf einmal Preise, da komm ich nimmer mit - die sind so billig, dass ich dafür gut einkaufen würd. Ach … “ sie seufzte aus tiefstem Herzen “… das wird einfach nix mehr. Ich werd’ das sein lassen. Vielleicht nimmt mich ja die Marjan als Spülmagd.” Ein erneuter, abgrundtiefer Seufzer, und der letzte Rest des Bieres rann ihre Kehle hinab. Sie stellte übertrieben vorsichtig ihren Krug auf dem Tisch ab und fuhr sich mit beiden Händen über ihr Gesicht - und ließ sie dort, während ihre Schultern zu zucken begannen.

Jetzt weinte die kräftige Eisenwarenverkäuferin mit der großen Schwabbelschwarte so dass es Peranna nicht mehr sehr lustig ward. Das tat der Knappin dann doch ein wenig leid, dass es auf dem Markt billiger und billiger sein musste: ‚Die Bürgersleut‘ scheinen ihre Probleme zu haben‘. Phexseidank wurde die Weinende von dem Hohen Herren Ulfried getröstet und bekam sogar Bier, das sie fast wegatmete.

“Ach, ihr seid Schmiedin?” Ulfried blickte sie übertrieben überrascht an. Dann strich er sich mit seiner rechten Hand über das Kinn und überlegte. “Hmmm…und die anderen Schmiede aus dem Ort bieten ihre Waren nun zu unsittlichen Preisen feil. Habt ihr denn eine Ahnung, woran das liegen könnte? Sicher, der Herr Phex mag es gerne sehen, wenn man durch Schläue ein sogenanntes Monopol erreicht. Aber wenn man hierbei einen anderen übervorteilt, so mag dies weder Ingerimm noch Praios gerne sehen!” Dann schalt er sich einen Narren, die tumbe Frau mit derlei Überlegungen zu konfrontieren. “Naja, was ich damit eigentlich zum Ausdruck bringen möchte: Gutes Handwerk zu einem gerechten Preis sollte immer einen Käufer finden!”

“Ich handel’ mit Eisenwaren.”  holte die massige Frau mühsam Luft. “Aber wohl nimmer’ lang. Ich versteh’s einfach nit - der Zerfer und die Wina, die biet’n die War’n billiger an als das Roheis’n. So was geht doch nich’, hoher Herr.” Sie nahm einen letzten, tiefen Schluck aus dem Krug. “Dank’ für’s Bier, edler Herr. Nu’ is’  mir wohler. Und ich wollt’ dem edlen Herrn auch nich’ die Ohr’n vollheule - für heut’ is wirklich genuch, un’ der Herr Boron ruft schon.”  Sie schnaufte und machte Anstalten, sich unter Zuhilfenahme beider Hände in die Senkrechte zu stemmen - freilich nicht, ohne sich gründlich zu vergewissern, ob ihr Krug nun auch wirklich leer war.

Der blonde Händler, der die Worte der schwerfälligen Eisenwarenkrämerin mitgehört hatte, beugte sich über den Tisch und flüsterte Ulfried zu: „Das ist ja suspekt - diese Wina und den Zerfer, die sollten wir auf jeden Fall im Auge behalten. Kann natürlich auch nur ein Zufall sein…“

Ulfried nickte dem Mann neben ihm zu. “Ja, das erscheint mir geraten. Ihr solltet mit den beiden sprechen. Wartet…” Dann wandte er sich wieder an die Eisenwarenhändlerin: “Das habe ich gerne getan. Die Sorgen des Volkes sind auch meine Sorgen!” Ulfried schenkte ihr ein aufbauendes Lächeln, das etwas zu schief geriet. “Aber sagt gute Frau, wisst ihr, woher diese beiden ihre Waren und das Erz beziehen? Und wo könnte man die beiden finden, diesen Zerfer und diese Wina?”

“Der dicke Zerfer, der woh’t h’r irrendwo im Ort - der is’ zur Untermiet’, weil’r doch meist hier is’. Un’ Plättners Wina, die gönnt sich ein’s d’r Zimmer in d’r Höh.” Die Frau stemmte sich endgültig hoch. “D’r Travia sei’s gedankt, Hoh’r Herr - unnn Boron mit euch!” schnaufte sie und arbeitete sich mühevoll und mit unsicheren Gesten aus der Bank, um dann der Stiege nach oben zuzuwanken.

Die Blicke der Knappin folgten der glücklosen Eisenwarenhändlerin als diese sich schwer von ihrem Platz aufhievte. Alles schepperte und wackelte und damit war nicht nur das Geschirr auf dem Tisch gemeint: ‘So dick zu sein muss ziemlich unpraktisch sein. Man muss so viel mit sich herumschleppen.’, dachte sie. Selbst ihre Graupensuppe wackelte und in nächster Zeit würden sie wabbelnde Beschaffenheiten wohl am ehesten an Rondralda Flemmler erinnern.

Ulfried sah der Frau noch einen Moment besonnen nach. Dann schüttelte er den Kopf und wand sich nach links, wo der Händler aus seiner Reisegruppe saß. “Ihr habt es gehört. Diese Wina ist ebenfalls hier untergekommen. Und als Händler wird es euch doch sicher ein Leichtes sein, sie hier unauffällig aufzustöbern.” Bei seinen letzten Worten schmunzelte Ulfried kaum merklich. “Habt ihr denn schon eine Idee, was ihr sie dann fragen wollt?”

Rhodan nickte und schmunzelte. “Ja klar: Eine Händlerin fragt man am Besten nach ihrer Ware. Interesse zu zeigen ist der beste Weg, Händler zum Sprechen zu bringen. Nicht wahr? Natürlich kann ich mit den Kollegen sprechen. Aber noch besser - weil noch ‘unschuldiger’”, Rhodan setzte Gänsefüßchen an das Wort, “wäre es, wenn ein potentieller, zahlungskräftiger Kunde nachfrüge. Meint Ihr nicht auch?”

Ulfried zuckt mit den Schultern. “Das mag sein, nur kenne ich mich mit Eisenwaren nicht aus. Das wird man schnell herausfinden.” Mit seiner Rechten reibt er sich über sein Kinn und zieht seine Brauen zusammen. “Einer der Ritter wäre vielleicht geeigneter, oder?” Dann erhebt sich Ulfried langsam. “Aber lasst uns morgen darüber nachdenken. Ich bin müde. Der Ritt hat mir zugesetzt.” Dann nickt er den Anwesenden kurz zu und beginnt, sich in der nunmehr weitestgehend leeren Schankstube sein Lager einzurichten.

„Geruht wohl. Mögen die Sterne über Euch funkeln“, erwiderte Rhodan den Gruß zur Nacht.

Peranna hörte den Herrschaften im Gespräch aufmerksam zu. Sie würdigte es, dass hier tatkräftige Pläne für den morgigen Tag geschmiedet wurden. Dem Meister Herrenfels, dessen Bauchumfang auch nicht von schlechten Eltern war, nickte die Knappin zum Abschied zu. Dann wandte sie sich leise an ihren Hohen Herren Lysander: “Hoher Herr, was denkt Ihr über die Sache?”, fragte sie ihn neugierig. Ihrer Ansicht nach war das mit dem Eisen alles sehr mysteriös. Das einfache Volk schien viel mehr davon zu verstehen als der Adel.

Auf der anderen Seite des Tisches balancierte ein anderer Neuankömmling ihren Humpen durch die Gasse zwischen beiden Tischreihen, spähte suchend nach einem Platz und beschloss, diesen zwischen Thimorn und Leomar gefunden zu haben. “Ihr erlaubt, edle Herren?” fragte sie, während sie nur einen Atemzug später mit einem sehr erleichterten ‘Puh!’ den deutlich über zwei Stein wiegenden Tonhumpen auf dem Tisch abstellte und Rhodan und Farold, die ihre gegenüber saßen, freundlich zulächelte. “Länger hätte ich den nicht mehr tragen können.” Sie zählte vielleicht dreißig Sommer, und ihr rückenlanges, braunes Haar war zu einem strengen Zopf geflochten, den sie zu einer Schnecke aufgesteckt hatte. Sie trug einen verwaschenen, rot-weiß geteilten Wappenrock, und einen langen Dolch an der Seite. Ihre breiten Schultern erzählten von einiger Kraft. “Ich bin Ferlane Treck, die Büttelin hier. Und mit wem habe ich die Ehre?”

“Ah, das trifft sich ja ausgezeichnet!”, erwiderte Rhodan. “Mein Name ist Rhodan Herrenfels. Und wir haben bereits nach Euch Ausschau gehalten, werte Dame.” Der Händler lächelte gewinnend.

Es verhielt sich jetzt nicht so, dass Lysander sofort einer Art Brautschau verfiel, er konnte trotzdem nicht anders und lächelte überaus freundlich. “Lysander Quintin von Eisenfels, freut mich, Ferlane!” Seine gesunden, hellen, geraden  Kauleisten waren für einen Moment zu sehen, dann überliess er Leomar das Feld, wobei er Ferlane für einen Augenblick musterte, ohne sie anzuglotzen, wie einen dramatischen Fuhrwerksunfall.

Leomar lächelte der Dame kurz zu. "Ihr habt euch den besten Platz im Haus ausgesucht. Leomar von Weidenthal mein Name, Ritter aus Weidenthal. Erfreut eure Bekanntschaft zu machen Ferlane.” Er erhob ebenfalls seinen Humpen. "Ein schönes Örtchen habt ihr hier.” 

“Nicht wahr?” Ferlane strahlte mit etwas, das sehr nahe an Besitzerstolz herankam. “Lauter ruhige, fleißige Leut’! Hier herrscht wirklich noch göttergefällig Zucht und Ordnung!” Sie grinste, wobei ein zur Hälfte abgebrochener Schneidezahn in ihren ansonsten sehr hellen und sauberen Zähnen sichtbar wurde. 

Für einen Moment fielen Lysander Quintin dann die unübersehbar wirklich, wirklich hellen Zähne der Büttelin auf. ‘Aha, hier legt wohl wer Wert auf seine Beisserchen!’, was er wahrhaftig nachvollziehen konnte, wobei ihm einfiel, dass er eben diese ihm so wichtige Pflege seiner Zähne heute vergessen hatte. ‘Dem muss abgeholfen werden, nachher!’ huschte durch seinen hübschen Kopf, augenblicklich machte sich eine gewisse sonderbare Unruhe breit, die immer dann auftauchte, wenn er die Möglichkeit gehabt hatte, sich zu pflegen, und dies, aus welchem Grund auch immer, nicht komplett von ihm erledigt wurde. Dass ein Zahn von Ferlane schon in Mitleidenschaft gezogen worden war, beachtete er nicht weiter, das passiert, das wusste er, er selbst wünschte sich, dass ihm dies niemals widerfahren möge! Auch aus diesem Gedankengang heraus überließ er Leomar weiterhin das Feld, sich ständig in den Vordergrund spielen, während andere sich unterhielten, das war in der Regel Lysanders Sache nicht.

Der Ritter musste kurz schmunzeln. “Nicht zuletzt auch euer Verdienst, denke ich.” Er konnte zwar keinen abgebrochenen Schneidezahn vorweisen, aber 4 Jahre Albernia und der ein oder andere Rot- und Schwarzpelzüberfall hatte die ein oder andere Narbe hinterlassen. Bei der Erwähnung einer ruhigen Gemeinschaft ging der Blick zu den Bergleuten die inzwischen mehr als die Freibiere der Angroschim intus hatten. “Fleißige und friedliche Leute auf jeden Fall.” Leomar orderte ein neues Bier, es war erst das dritte, immerhin wäre es kontraproduktiv morgen mit einem dicken Kater aufzuwachen… 

Thimorn war noch dabei sein Mahl zu verspeisen und einen Kelch verdünnten Wein zu genießen, als sich die Büttelin neben ihn quetschte. Kauend und schluckend lauschte er dem Gespräch, ehe es ihm sittlich erschien sich daran zu beteiligen. “Verzeiht, Travias Gaben in diesem Haus sind zu schmackhaft für eine rasche Vorstellung. Ich bin Thimorn von Hauerberg, Knappe des Herren Farold von Eychstädt.” Und er nickte knapp zu seinem Schwertvater. Im Gegensatz zu den anderen Anwesenden wies nichts an seiner herausgeputzten Erscheinung auf vergangene Kampferfahrung hin. 

“Freut mich!” strahlte Ferlane. “Aber sagt mir, was führt euch hierher in das schöne Erzenschöffer?” Wobei sie dank der lauten Rede des Ritters vorhin schon so eine ungefähre Ahnung hatte.

Inzwischen fielen die bosparanienbraunen Augen der Knappin auf die Sitzreihe um Thimorn von Hauerberg zwischen den und seinen Schwertvater sich eine gewisse Büttelin mit großem Tonkrug niederquetschte. Gebannt zerkleinerte Peranna sich das Bauernbrot. Es landete stückchenweise in ihrer Suppe. Dann wurde es verspiesen. Sie sah zu wie dort hinten am Tisch Worte gewechselt wurden. Eine Vorstellungsrunde begann. Selbst der junge Herr Thimorn stellte sich vor. Also legte die Knappin für einen Augenblick das Besteck beiseite und stellte sich ebenfalls namentlich vor, nachdem ihr Vetter gesprochen hatte: “Peranna Sabea von Graupen, Knappin des Hohen Herren Lysander Quintin von Eisenfels”, grüßte sie, nachdem sie aufgekaut hatte und überließ dann weiterhin den Hohen Herrschaften das Reden. Die Suppenschüssel war nun leer und wärmte ihren Magen von innen. Die Lageräpfel vom letzten Herbst behielt sie noch vor sich.

Rhodan wartete ab, was die anderen Anwesenden der Büttelin berichteten. Der Händler lehnte sich zurück und lauschte den Gesprächen am Tisch.

Leomar lächelte knapp. “Nun warum wir hier sind könnt ihr euch wahrscheinlich schon denken. Allerdings weiß ich nicht ob eine volle Kneipe der beste Ort wäre das zu besprechen. Wobei, Erzenschöffer ist ein Dorf, vermutlich wissen das morgen früh eh alle oder?” Das Lächeln wurde breiter, er kannte Dörfer und Weidenthal war das beste Beispiel dafür. “Wir sind hier um eine Lieferung der Zwerge wieder zu finden.” Schloss er schließlich. 

Thimorn rutschte unruhig auf seinem Stuhl hin und her und versuchte den Kopf so gut es ging auf sein Mahl gerichtet zu lassen. Natürlich sollte man wahr sprechen, aber das hieß doch nicht gleich allzu offen ihr Wissen und den Auftrag preiszugeben. Aber wer war er das Handeln dieser wohlgeborenen Herrschafften zu hinterfragen? Am besten wäre es wohl, wenn er sich für den Moment zurückhielt und anderen das Reden überließ. Verstohlen versuchte er die Reaktion der Büttelin zu beobachten.

“Was meint Ihr mit ‘Lieferung der Zwerge wiederfinden’?” wollte die Büttelin interessiert wissen. Ein Diebstahl in ihrem Dorf? Thimorn konnte förmlich sehen, wie sie in  Alarmstimmung geriet. “Was wurde geklaut? Und wem? Erzählt mir unbedingt alles, was ihr wisst! Ich krieg’ den Schlingel! Ich kenne hier schließlich jeden in Erzenschöffer!”

Das Lächeln wurde ein wenig schmaler und die Stimme wurde noch leiser.  “ Zu viele Ohren hier, aber ihr habt Augen.” Der Blick ging über die Versammlung an Edlen und Ritter. “Euch sollte klar sein das es wichtig ist.” Er war zwar ehrlich aber er würde nicht riskieren das die Rüstung Dorfgespräch wurde. “Ihr werdet uns sicherlich helfen können, immerhin kennt ihr das Dorf, die Umgebung. Das ist ein großer Vorteil. Übernachten die Bergleute hier regelmäßig oder werden die irgendwann rausgekehrt ? Falls ja stattet uns morgen früh einen Besuch ab. Er schien kurz zu überlegen. Dann wurde die  “Versteht das bitte nicht falsch, ihr als Büttelin solltet das wissen aber ich will nicht das es Dorfgespräch wird.” Dann ging sein Blick von der Büttelin zu der Gruppe von Bergwerksleuten die immer noch einen Heidenlärm machten, stirnrunzelnd fragte er sich wie lange die wohl noch Zechen würden …

“Die Sperrstunde ist zur Ingerimmstund’ - dann werden auch die Bergleut’ geh’n, die haben im Dorf ihre Häuser.” Das Grinsen war aus Ferlanes Gesicht verschwunden. “Kommt morgen früh’ ins Schulzenhaus, da hab’ ich die Büttelstub’, und dann erzählt mir bitte, warum ihr hier seid, Hoher Herr. Oder ist’s so eilig, dass das heut zu besprechen ist?”  Die Büttelin runzelte die Stirn und blickte über die lauten und teils schon ordentlich trunkenen Zecher - Bergleute wie andere.

Peranna hörte den Gesprächen zu, steckte sich einen der Lageräpfel für später in ihre Tasche und fing an den übriggebliebenen Apfel zu halbieren. Eine Hälfte davon ließ sie liegen während sie sich der anderen widmete: sie schnitt ihn sich zu Schnitzen. Wenn sie so etwas Belangloses tat, konnte sie besser zuhören. Auch ihrem Hohen Herren bot sie etwas vom Apfel an.

Lysander nahm gerne ein Stück Apfel, Knappin Peranna erntete ein Nicken, gepaart mit einem knappen Lächeln.

Der Ritter nickte einmal kurz. “ Ich werde euch morgen aufsuchen, das ist denke ich besser.” Das würde vermutlich einiges helfen. Der Blick streifte noch einmal Peranna wie sie da so an den Äpfeln schnippelte aber er sagte nichts, man redete jemand anderen nicht in die Knappenausbildung herein. 

Lysanders Knappin bemerkte, dass für eine sehr kurze Zeit die Blicke des Ritters von Weidenthal auf ihr ruhten und dieser hatte eine wirklich imposante Gestalt.  Die Apfelschnitze des Graupenmädchens waren indes sehr mundgerecht gelungen und wie es sich gehörte, stülpte sie diese einzeln auf ihr Messer, um nicht zu essen wie ein Bauer, nachdem sie Lysander von Eisenfels den Vortritt zum Aussuchen ließ, falls er das wollte. Anschließend nestelte sie noch einmal an ihrer Haltung und an ihren Haaren bevor sie sich selbst dem Apfel widmete. Den Wohlgeborenen von Weidenthal wollte sie nicht belästigen. Nein, nein. Daher machte sie auch kleine Bisse und aß nicht wie ein Ferkel.

Der Ritter von Eisenfels bemerkte den Blick des Wohlgeborenen von Weidenthal auf seine Knappin Peranna, einen Reim konnte er sich nicht darauf machen. Kein Grund sich weiter Gedanken zu machen! 

“Fein, dann besucht mich morgen früh! Ich hab’ meine Amtsstub’ im Schulzenhaus!” freute sich die Büttelin und nahm einen tiefen Zug aus ihrem Humpen, ehe sie sich erhob und auf den Tisch klopfte. “Für mich ist gut für heut.”  Sie ließ den Blick über die Zecher schweifen und holte tief Luft, ehe sie brüllte. “Und ihr macht mir heut nicht mehr zu lang und vor allem keinen Unsinn mehr, verstanden?” Verschiedenstes Gebrummel antwortete ihr, das die Umsitzenden mit etwas Mühe als Varianten von ‘ja, ja, ist schon gut’ und ‘nein, nein, wir sind brav’ entziffern konnten.


Wieder zurück

Im Wirtshaus schlug den Rückkehrern feuchte, warme und nach vielen Menschen, Essen, Bier und ungewaschenen Leibern riechende Luft mit einer gewaltigen Wälle Lärm wie eine körperliche Präsenz entgegen. Mit dem Schwall Lärm drang Licht, Frohsinn und Bierdunst auf die Spaziergänger ein.

Nach wenigen Schritten, die sie in das Gasthaus getan hatte, blieb Irminella stehen und rümpfte die Nase. "An diesen Brodem muss man sich erst einmal gewöhnen..."  Sie wandte sich an die Spaziergänger und musste fast schreien, um Gehör bei ihnen zu finden. "Ich schätze, die Nachtruhe wird noch ein wenig auf sich warten lassen. Bei diesem Lärm kann ich ohnehin nicht schlafen. Dann werden es eben zwei Becher Rotwein." Den letzten Satz hatte sie mehr zu sich, als zu den anderen gesagt. "Mischen wir uns unters Volk?"

Kripinian deutete eine leichte Verneigung vor Irminella an. “Und wieder sprecht Ihr wahre und weise Worte.”  Er lächelte dabei in die Runde und sah sich aufmerksam das bunte Treiben an. Dabei interessierte ihn vor allen Dingen, was die anderen Mitglieder der Reisegesellschaft in ihrer Abwesenheit getan hatten. Augenscheinlich hatten sie sich unters Volk gemischt, manche waren aber auch anscheinend unter sich geblieben. Er suchte nach einer freien Ecke und winkte die anderen Spaziergänger zu sich. “Lasst uns eine Nische für uns finden, die erste Runde für uns Spaziergänger geht auf mich, bei Travia!” Der Edle zu Dunkelstein sah sich nach einer Bedienung um, aber zugleich nahm er die Geschehnisse im Raum noch näher in Augenschein.

Die Nische gestaltete sich schwierig  bis unmöglich angesichts der zwei langen, durchlaufenden Tischreihen, die den Raum unterteilten und die einzigen Sitzmöglichkeiten darstellen, die noch dazu dicht an dicht auf beiden Seiten mit den Gästen besetzt waren. Doch Rigbald, der emsige Wirt, war auf die Rückkehrer aufmerksam geworden, kaum, dass sie den Raum betreten hatten. “Was darf ich den Herrschaften bringen?” Brüllte er über zwei Köpfe und den Lärm der vielen Gespräche hinweg ihnen zu.

Irminella holte tief Luft und richtete ihren Körper auf, in der Manier, in der man es tut, wenn lautes Rufen vonnöten war. Sie schien sich dann allerdings anders entschieden zu haben, ließ sie die Luft doch geräuschlos entweichen. Stattdessen ging sie zum Wirt. "Herr Rigbald, einen schweren Roten, wenn Ihr habt." Sie blickte fragend über ihre Schulter zu den Rückkehrern.

“Ich nehme einen guten Humpen Bier, wenn’s recht ist, Herr Wirt. Die erste Runde hier”, und er deutete mit einer ausholenden Armbewegung auf die anderen Spaziergänger,” geht auf mich. Er wandte sich Irminella zu: “Bei den Göttern, ich hätte nicht erahnen können, dass man im Amt eines Edlen auch mit solcherlei Aufgaben betraut werden könnte. Doch wie Ihr bereits ebenfalls feststelltet, wir die Auswahl der an der Mission beteiligten Personen sicherlich einen fundierten Sinn haben - jeder von uns wurde von Oldebor auserkoren, weil er in uns verschiedene Talente gebündelt sieht, um diese für ihn sehr delikate Aufgabe zu erledigen. Was glaubt Ihr: Welches Motiv könnten die Räuber haben? Ist es nur die Gier nach Gold? Oder steckt noch mehr dahinter?” Bei seinen letzten Worten wurde er etwas lauter, so dass sich auch die anderen Spaziergänger angesprochen fühlen sollten.

Herrats Stirne legte sich in Zornesfalten. Ihre Backenmuskeln spannten sich an - plötzlich wirkte sie verkrampft. „Garantiert bösartige Schufte, die dem Grafenhaus schaden wollten. Oder aber widerliche Geschäftemacher, die nicht einmal davor zurückschrecken, ein so bedeutendes Artefakt zu Geld zu machen. Deswegen gehören Reliquien in die Hände der Kirche: Die Gläubigen der Leuin würden die Rüstung des heiligen Hlûthar schützen, pflegen und in Ehren halten.“

Sie nickte der Rondra-Geweihten zu und wandte sich an Krispinian und sprach mit gesenkter Stimme. "Dies waren die beiden Theorien, von denen ich bereits in Neukrashof an der Tafel sprach. Mittlerweile schließe ich die Verkaufstheorie aus. Dieses Artefakt ist unmöglich zu verkaufen. Sie ist sicherlich für jeden Hehler 'zu heiß'. Sagt man das nicht so?" Sie machte eine Pause bevor sie weitersprach. "Wahrscheinlicher wäre in diesem Zusammenhang ein Auftrag. Ein reicher Sammler und so fort. Doch selbst das glaube ich nicht. So jemand möchte gesehen werden, er will sich profilieren. Das ginge aber nicht. Denn wo viele Augen dieses Stück sehen, öffnet sich der ein oder andere Mund - ob aus Rondratreue oder Missgunst. Also scheidet auch diese Theorie aus, meiner bescheidenen Meinung nach zumindest." 

Sie blickte einmal durch den Raum. "Wahrscheinlich erscheint die Theorie, dass man dem Grafenhaus Schaden zufügen möchte. Dann stellt sich allerdings die Frage, wer davon profitiert, wenn das Grafenhaus in Ungnade fällt? Vielleicht finden wir hierüber einen Anhaltspunkt."

Krispinian von Tsawalden nickte zustimmend. “Ja, ich denke auch, dass wir einen Diebstahl aus Gier ausschließen können. Was die Angelegenheit nur umso delikater macht.”  Der gebürtige Gratenfelser nahm einen tiefen Schluck von seinem Bier, bevor er fortfuhr. “Dies sollten wir jederzeit in unsere Beobachtungen und Überlegungen einbeziehen: Wer könnte ein Motiv haben, dem Grafenhaus zu schaden? Nun, wenn Ihr nicht nur die jüngere Vergangenheit unserer Grafschaft anschaut - Missgunst, Intrigen und Verrat waren oftmals Begleiter in der ehrenvollen Geschichte unserer Heimat.”

"Oldebor sagte, dass Alrik Custodias-Greifax die Rüstung bei einem Empfang tragen will. Wenn er es öffentlich angekündigt hat, wäre der Auftritt ohne sie blamabel - bestenfalls. Der Graf ohne seine Insignien…"

Sie machte eine ihrer Pausen und rückte dabei noch näher an Krispinian heran. Ihre Stimme war zu einem kaum hörbaren Flüstern geworden, gerade so laut, dass der Herr von Tsawalden überhaupt eine Chance hatte, die Worte zu vernehmen. "Es gibt eine weitere Möglichkeit. Man sagt, die Rüstung schütze vor 'Drachenwerk'. Da Zwerge sie geschmiedet haben, gehe ich davon aus, dass sie damit Magie meinen. Wenn Alrik Custodias-Greifax also zukünftig ohne diese Rüstung auf Empfänge gehen muss…nun ja, sagen wir, seine Vulnerabilität stiege deutlich an." Danach rückte sie wieder ein wenig von Krispinian ab.

„Diese Vorstellung widert mich an“, polterte Herrat etwas zu laut. Dies bemerkte sie umgehend, sah sich kurz um, lachte dann laut und klopfte sich auffällig auf die Schenkel. „Der Witz war gut! Haha“, setzte sie hinterher. Als sie den Eindruck hatte, dass sie nicht mehr von der ganzen Wirtschaft angestarrt würde, flüsterte sie: „Wir sollten nicht zu schnell Möglichkeiten verwerfen. Aber Ihr habt Recht - wer dieses Stück zu Dukaten machen möchte, der braucht entweder einen Profi oder ist lebensmüde.“ Sie zuckte die Achseln. „Vielleicht kann uns der Schmied mehr über die Kräfte der Rüstung verraten. Oder er kennt jemanden, der mehr weiß. Eine Schande, dass noch kein wackerer Recke die Platte in die Schlacht tragen konnte. Wie sehr hätten wir vor Mendena Schutz und Trutz vor unheiliger Magie gebraucht.“ Die Rondrianerin fasste sich unbewusst an die tiefe Narbe, die eine Hälfte ihres Gesichts verunstaltete.

"Wahrlich Großes wurde dort vollbracht! Auf Ewig wird man sich des rondragefälligen Mutes, der dort bewiesen wurde, erinnern." Sie erhob ihren Weinbecher und blickte Herrat von Bauernfeind dabei an.

"Was die Sache betrifft, sollte ich vorschnell die zutreffende Theorie verworfen haben, so fürchte ich, sind wir hier überflüssig. Ich an der Lumpen statt würde sicherlich nicht hier veräußern und die ersten Stunden genutzt haben, möglichst viel Strecke zwischen mich und Erzenschöffer zu bringen."

“Oder sie haben Angst, mit der heißen Ware erwischt zu werden und verstecken sich in ihrem allerletzten Mauseloch, darauf wartend, dass jemand kommt, der ihnen die Last abnimmt”, grollte Herrat. “Ganz in der Nähe von hier gibt es ein Ordenshaus des Donnerer-Ordens. Wenn einer weiß, wer gegen wen in Fehde liegt, einen alten Groll hegt oder noch eine Rechnung zu begleichen hat, dann die Ordensritter. Niemand ist über ritterliche Angelegenheiten in Nordgratenfels besser informiert.”

Krispinian nickte bedächtig und stützte sein Kinn nachdenklich mit der Rechten. “Ich bin davon überzeugt, dass wir die Täter finden, wenn wir mehr über ihr Motiv herausfinden. Jemandem zum Ordenshaus der Donnerer zu schicken halte ich für eine vortreffliche Idee. Und wir sollten ein besonderes Augenmerk darauf haben, wie die Familien der anderen Anwesenden hier zum Grafenhaus stehen. Wenn der ein oder andere ein nicht ganz störfreies Verhältnis zum Grafenhaus hat, wächst schon einmal sein Motiv, etwas mit der Tat zu tun zu haben.” Vor seinen letzten Worten rückte dieses Mal er näher an Irminella heran und flüsterte ihr zu: “ Wir können nicht ausschließen, dass sich in unserer Gruppe Mitwisser oder gar Mittäter aufhalten. Die Diebe müssen Informationen aus erster Hand erhalten haben. Lasst uns dies morgen bei unseren Ermittlungen bedenken.”

"Ihr wisst, dass Ihr, sollte das zutage treten, den Zusammenhalt dieser Gruppe zerstört? Danach wird sich niemand mehr vertrauen. Und seid Ihr bereit, dieselben Maßstäbe an Euren Freund anzulegen, wie an mich, was die Prüfung des Verhältnisses zum Grafenhaus anbelangt?" Sie hatte ebenfalls mit gesenkter Stimme geantwortet.

Krispinian antwortete gedämpft und mit ernster Stimme. “Ja, das ist mir bewusst. Aber es ist nur logisch, dass wir diese Möglichkeit nicht ausschließen. Ich habe ein gutes Gespür für Menschen. Ihr seid eine aufrichtige, patriotische Frau. Mein Freund Rondragon würde für die Ehre sterben, er ist zu keinem bösen Gedanken fähig. Herrat ist ebenfalls über jeden Zweifel erhaben, ähnlich wie Fulco und Wolfmar. Wie Ihr seht, schließe ich nach und nach aus, wer ein Motiv haben könnte.” Dabei lächelte er Irminella freundlich und aufrichtig an.

Fulco hatte sich nach dem Spaziergang zu seinen Gefährten gesetzt und das Gespräch zwischen Krispian, Irminella und Herrat aufmerksam verfolgt, zumindest den Teil welchen er hören konnte. Er überdachte das gehörte kurz, bevor er sich mit gedämpfter Stimme am Gespräch beteiligte “Eine Tat aus reiner Habgier würde ich auch eher nicht priorisieren. Ich denke auch eher, dass wir es hier mit einem politisch oder religiösen  motivierten Raub zu tun haben. “ Er schaut in Richtung Irminella “ Ich geben euch recht, wir müssen aufpassen, das sich die Gruppe nicht durch Verdächtigungen entzweit und dadurch ein Zusammenarbeiten nicht mehr möglich ist. Die Stärke unsere Gruppe liegt unter anderem in ihrer Einheit  “ Hier nickte er bestätigend. “ Doch auch ich bin mir nicht sicher, ob alle in der Gruppe über jeden Zweifel erhaben sind.  Der Charakter offenbart sich nicht allein an Geburt oder Herkunft; an den Taten eines Menschen zeigt sich oftmal dessen Natur. Doch bei diesen Untersuchungen müssen wir vorsichtig sein. Ich würde allerdings seine Gnaden Eblaus jedoch ebenfalls ausschließen. Und ich bin mir sicher” Hier wandte er sein Gesicht in Richtung Krispian “ das Ulfried von Argenklamm ebenfalls ausgeschlossen werden kann. Ich kenne seine Wohlgeboren schon seit vielen Jahren und ich verbürge mich für ihn ebenso, wie ihr für euren Freund. Ulfried hat einen aufrichtigen Charakter” Auch diese Worte unterstrich er mit einen Nicken. 

"Sagt, wie kommt es, dass sich die Edlen der Baronie Kranick so gut kennen? Ich für meinen Teil habe zwar ab und an Korrespondenz mit Farold von Eychstädt, aber gut kenne ich ihn nicht. Ihr hingegen wirkt so vertraut." Sie runzelte die Stirn als grüble sie.

Fulco lächelte die Frau offen an “Nun, der verstorbene Vater des Edlen von Kaltenklamm war mein Schwertvater, ich habe meine Pagen- sowie Knappenzeit bei der Familie von Argenklamm verbracht. Da lernt man natürlich die gesamte Familie kennen. Nach dem Haffaxfeldzug habe ich die traurige Ehre übernommen, der Familie von Argenklamm die Nachricht vom Ableben meines Schwertvaters sowie seiner ältesten Tochter zu überbringen. Unsere Familien sind allerdings schon länger befreundet, auch wenn wir nicht aus derselben Baronie kommen.  Und mein Bestreben ist es, mit den anderen Edlen in meiner Baronie ein gutes, wenn nicht gar  freundschaftliches Verhältnis zu haben und zu pflegen. Auch hier sehe ich, das eine gute  Zusammenarbeit uns alle sowie die Baronie als ganzes  nur Stärken kann. Die Feinde kommen meist von außen. “ Hier hielt er kurz inne um einen Schluck aus seinem Krug zu nehmen “ Ich hoffe, das wir nach dieser Queste unsere Zusammenarbeit in der Baronie noch weiter ausbauen können” Hier nickte er wieder zur Bestätigung in Richtung von Krispian, Rondragion und  Leodegar. “ Allerdings finde ich, das gute Verhältnisse über Baronie Grenzen hinaus ebenfalls gut und in der Regel fruchtbar sein können” sagte er mit einem Lächeln in Richtung von Irminella. 

Irminella wandte sich Fulco zu. Flüstern war spätestens jetzt nicht mehr vonnöten, weshalb sie wieder lauter sprach. "Jagt Ihr?"

Fulco nahm noch einen Schluck “Oh ja, die Jagd bereitet mir großes Vergnügen” 

"Dann kommt doch im nächsten Travia- oder Boronmond auf Gut Bösalbentrutz und begleitet mich und meinen Mann auf der Jagd." Auch sie nahm einen Schluck aus ihrem Becher, allerdings einen vergleichsweise kleinen. "Vielleicht wisst Ihr, dass die Wälder in Gut Gräflich Bösalbentrutz äußerst wildreich sind?" 

Fulco nickte Irminella freundlich zu “ Habt Dank, die Einladung nehme ich gerne an. Es wäre mir eine Freude, euren Gatten kennen zu lernen. Ja ich habe schon davon gehört, das die Wälder im Gut sehr ertragreich sind. Die Freude an einer Jagd in ihnen teilzunehmen hatte ich indes noch nicht.  Ich freue mich sehr” 

"Dann wird es Zeit." Sie erhob ihren Becher. "Auf neue Bande."

Fulco hob seinen Becher und stieß mit Irimella an. “ Darauf trinke ich gerne.” erwiderte er lächelnd. “ Ich bin gespannt, ob wir Morgen von den hier gebliebenen noch etwas erfahren. Wir sollten auch mit dem Wirt oder seiner Frau sprechen, das wir morgen Vormittag den Schankraum für eine gewisse Zeit ungestört nutzen können. Ich geh mal und versuche das zu klären” Fulco bahnte sich seinen Weg zum Wirt “ Herr Wirt, auf ein Wort. Könnten meine Reisegefährten und ich Morgen zum Frühstück den Schankraum für eine Besprechung für uns haben? “ Er schaute den Wirt abwartend an. “Ja mei, edler Herr, ich würd’ ja schon gern, aber die andern Gäst’ müssen halt auch ess’n. Aber nach’m Frühstück ein Wassermaß, wäre das gut? Oder sollt’ ich ein Tisch nach drauß’n tragen lass’n für die andern?” Rigbald wischte sich mit einem nicht mehr sehr sauberen Tuch über seine hohe Stirn, die vor Schweiß glänzte. Dass die Gaststube zwischen Schlafräumen und Ausgang war, so dass sich nicht vermeiden ließ, dass hier hin und wieder ein Gast durchkam, hatte der hohe Herr gewiss einberechnet - hoffte der Wirt.

Fulco dachte kurz nach. “Wie soll denn das Wetter Morgen sein, wisst ihr das? Ihr könnt eure anderen Gäste ja nicht in den Regen setzten! Ansonsten ist ein Wassermaß nach dem Frühstück auch ausreichend, denke ich”    

“Dann mach’n wir das so, edler Herr!” nickte Rigbald dankbar. “S’könnt morgen scho’ wieder regn’n, so wie heut - und wir müsst’n Tisch und Bänk’ rausschlepp’n. Zur Perainestund’ mach’ ich euch die Gaststub’n leer, dann habt ihr se für Euch und all’ Eurer Begleiter.” Fulco lächelte den Wirt an. ”Gut dann machen wir es so, habt Dank.”  “Gern, hoher Herr!” nickte der und verbeugte sich trotz seiner Masse so enorm schwungvoll, dass Fulco fast um des Meister Dumpfelmosers Gleichgewicht (und die Sicherheit jener in seinem Einzugsbereich) zu fürchten begann.

Wolfmar klopfte sich seine Stiefel vor dem Eingang ab und achtete darauf, nur ein absolutes Minimum an Regenschlamm unterhalb seiner Stiefel in die Schankstube hinein zu bringen. Der Ritter nahm seinen Kapuzenumhang ab und strich sich mit seiner Schildhand über das leicht gelockte schwarze Kopfhaar und seinem kurz gestutzten Vollbart. Den Umhang hing Wolfmar auf. Ihm kam heisser Gewürzwein mit einem Schuss Schnaps in den Sinn und dazu Brezel oder gesalzenes Schinkenbrot. Und als Wolfmar den Wirt sah, bestellte er sein Lieblingsgetränk und das Brot bei ihm. Dann suchte Wolfmar einen Sitzplatz, möglichst Nahe des Kaminfeuers auf, um sich aufzuwärmen und nahm Platz. Er lauschte den Gesprächen der edlen Damen- und Herrschaften.

Es mochte lustig anzusehen sein, wie die Hasenzähnchen der Knappin an Apfelschnitzen herumkauten, die sie sich auf ihr Messer aufgespießt hatte. Je nachdem, ob man lange weiße Schneidezähne amüsant fand oder nicht. Doch das war nicht alles! Das Graupenmädchen nahm die ‘Heimkehrer’ wahr, spielte an ihrer strohblonden Haarsträhne herum, lauschte und hörte die Edlen miteinander reden. Besonders bei der Wohlgeborenen von Eberbach sowie beim Wohlgeborenen von Kranickteich machte sie besonders große Ohren: ‘Wie die wohl die aktuelle Situation einschätzten?’ Sollte sie sie fragen? Aufmerksam lagen ihre Blicke auf den Hohen Herrschaften. Als der Edle von Kranickteich ‘seinen Posten verließ’, sah die junge Knappin ihre Chance gekommen und wandte sich vertrauensvoll an die Burgvögtin mit der sie sich in der Nacht ja auch das Zimmer teilte. Natürlich verbeugte sie sich höflich. Dann begann sie zu flüstern als müsse sie mal austreten: “Euer Wohlgeboren, sagt bitte, meint ihr, die Büttelin kann uns helfen? Denkt Ihr, jemand aus dem Dorf ist zu so etwas fähig?”, fragte sie sie neugierig nach ihrer Meinung von junger Dame zu gestandener Dame. Probleme schienen die Leute im Ort ja zu haben. Zumindest mit Eisen. Das war für sie offensichtlich. Doch wo fing das Problem an und wo endete es?

Irminella nahm die junge Peranna ein wenig zur Seite. Sie blickte eine Weile zu der Frau herüber, die sie für die Büttelin hielt und sprach dann erneut mit gesenkter Stimme. "Nun, wenn wir Glück haben, müssen wir das nicht herausfinden. Seine Wohlgeboren von Spiegelberg hat seine inspirierende Rede ja vor ihrem Eintreffen gehalten, oder irre ich mich?" Sie blickte Peranna fragend an.

Fulco kehrte zum Tisch zurück und setzte sich zu seiner Gesprächspartnerin und der jungen von Graupen . Er nahm eine weiteren Schluck und wartete auf die Antwort der jungen Frau auf die letzte Frage von Irminella. 

Peranna benickte das: “Euer Wohlgeboren von Spiegelberg hat vor ihrem Eintreffen eine, hm… mitreißende Rede gehalten, Euer Wohlgeboren. Und das ist die Büttelin. Ferlane Treck ist ihr Name.”, flüsterte Lysanders Knappin der Burgvögtin zu und biss sich auf die Unterlippe bevor sie lachen musste als sie sich an die Rede des Edlen von Spiegelbergs zurückerinnerte. Es ziemte sich für sie nicht lauthals los zu lachen. Doch der Schalk saß ihr schon im Gesicht. Sie wartete ab bis er vergangen war bevor sie mit der Burgvögtin weiter sprach. Der Edle von Kranichteich gesellte sich hinzu: “Euer Wohlgeboren von Eberbach, erlaubt mir zu fragen, weshalb Ihr denkt, dass wir es nicht mehr herausfinden müssen. Denkt ihr, die Arbeiter sein inzwischen zu betrunken?”, erkundigte sich das Mädchen naiv und neugierig, denn Peranna bemerkte wohl wie die Bergarbeiter sich mittlerweile verhielten, nachdem die Hohen Herrschaften ihnen allerlei Humpen und Becher mit Travias vergorenen Säften ausgegeben hatten. Sie jubelten ihnen zu und ihre Sinne wurden trüber. Ihre Zungen waren mit der Zeit schwer geworden, manche von ihnen schielten und schwankten schon, andere hatten rote Gesichter bekommen oder schrien sich an wie Ochsen. An und für sich machte sich das Graupenmädchen gerne nützlich! Doch unter einer Gesellschaft von betrunkenen Bergarbeitern wusste sie nicht recht was sie tun konnte, um der Queste um die Rüstung beizustehen. Sie langweilte sich ein wenig nicht recht von Nutzen zu sein. Sie tat gerne etwas. Und irgendetwas war ja mit dem Eisen und den Rüstwaren. Und der Rüstung.

Als die Knappin die Rede erwähnte und man in ihrem Gesicht die Erheiterung ablesen konnte, war Irminella mit ihrem Blick schon zu der Büttelin gewandert. Peranna sah sie deshalb nur im Profil, konnte aber erkennen, dass sich der Unterkiefer der Burgvögtin anspannte. Dann schien sie sich zu sammeln und nickte mehrmals leicht. "Ferlane Treck, mhm…"  Dann blickte sie das junge Mädchen wieder direkt an und sprach dann wieder mit gesenkter Stimme. "Oldebor Greifax hatte am Bankett davon gesprochen, dass die Büttelin unfähig sei. Das lässt Raum für Interpretation. Natürlich könnte man meinen, er habe sie beauftragt und sie sei zu keinem Ergebnis gekommen - und deshalb unfähig. Oder es verhält sich genau umgekehrt. Seine Hochwohlgeboren weiß, dass Ferlane unfähig ist und hat sie deshalb gar nicht erst informiert." Irminella machte eine Pause um einen Schluck Wein zu trinken. "Welche der beiden Möglichkeiten es nun auch sein mag, was wir wissen ist, dass sie - den Worten Oldebors zufolge - nicht sonderlich…begabt ist, in dem was sie tut. Und unfähigen Menschen Geheimnisse anzuvertrauen ist ungefähr so sinnvoll, wie… mitreißende Reden vor Dorfpublikum." Sie machte eine erneute Pause, wobei sie aus dem Augenwinkel die Reaktion Fulcos zu erhaschen suchte.

Fulco musste sich ein grinsen aufgrund des Gesprächs der beiden Frauen verkneifen. Er kannte zwar die Intention von Rondragon, konnte aber auch die Unverständnis der meisten Anwesenden  verstehen. Er war ja ebenso überrascht gewesen von der Offensive seines Nachbarn. 

"Je weniger von dieser Sache wissen, desto weniger können der Sache durch Übereifrigkeiten oder ähnlichem schaden." Dann blickte sie an Peranna vorbei zu den Dörflern. "Bei den meisten ist nichts mehr zu holen. Zu betrunken. Menschen in diesem Geisteszustand können Wahrheit von Aberglauben, Sagen und Legenden nicht mehr unterscheiden." Sie suchte anscheinend jemanden in der Menge, bis ihre Augen an jemandem hängen blieben. "Wenn ich mit einer dieser Saufkumpanen reden würde, dann mit der da." Sie nickte in die Richtung einer Frau, die immer einmal wieder den Kopf schüttelte, wenn die gemachten Witze derb wurden und die nur leicht wankte, wenn sie aufstand. "So jemandem kann man, mit ausreichend Geschick zu reden bringen. Betrunken genug, um die Zunge gelockert sitzen zu haben und nüchtern genug, um noch einen klaren Gedanken zu fassen."

Peranna nickte mehrfach, denn das Graupenmädchen erinnerte sich wach daran zurück. Sie dachte sogar ähnlich, was die Anzahl der Mitwisser betraf... die hatte der Edle von Spiegelberg vermutlich weit übertroffen, fand sie. Dann folgten ihre neugierigen Blicke der der Burgvögtin. Sie beobachtete die leicht wankende Frau neben den Männern: „Euer Wohlgeboren, Ihr sprecht sehr weise. Und ich bin gewiss bereit zu helfen. Doch, ob ich die richtigen Worte treffe, die uns helfen, das weiß ich nicht.“, gab sie zu, denn von Taktik hatte die Knappin keine Ahnung: „Doch vielleicht erfahren wir noch ein wenig mehr. Fragen hilft doch immer?“, überlegte Lysanders Knappin laut. ‚Mehr als nichts kann das Gespräch ja nicht ergeben, wenn ich sie nach den neusten Begebenheiten im Orte befrage.‘, dachte Peranna sich. Mutig genug war sie.

Irminella hatte nun ein warmes, mütterliches Lächeln im Gesicht. "Ihr erinnert mich an meine Tochter Amadis, kleine Löwin. Sie schreckt ebenfalls vor keiner Aufgabe zurück und würde die Welt am liebsten alleine erobern. Ihr würdet euch gut verstehen… Ich glaube, dass diese Unerschrockenheit ein hohes Gut ist, dass ihr beide euch erhalten solltet. Solange man weiß, wann Zurückhaltung angebracht ist." Sie blickte nochmals zu der angetrunkenen Dame. "Versucht Euer Glück. Doch fallt nicht mit der Tür ins Haus. Ach ja, redet nicht so hochgestochen." Letzteres hatte sie mit einem Augenzwinkern gesagt.

Fulco lächelte der jungen Frau aufmunternd zu “ Ihr werdet schon die richtigen Worte finden” Er hatte sich aus dem Gespräch rausgehalten und zugehört. Die junge Frau schien Vertrauen zur Vögtin zu haben, das wollte er nicht mit einer unbedachten Bemerkung zunichte machen. ’Ein aufgewecktes Mädchen, hoffentlich bleibt sie so’

Peranna schien das sehr zu freuen. Sie hatte schon von dem unerschrockenen Wesen der Jungen Dame Amadis von Eberbach gehört. Amadis war die jüngste Tochter von Eberbach, wenn sie sich nicht irrte. Ein wenig älter als sie selbst müsste sie nun gewesen sein. Getroffen hatte Peranna sie noch nie. Auch das strohblonde Graupenmädchen neigte dazu sich in Unterfangen hineinzustürzen und für die Ausbildung zur Ritterin Rondragefälliges zu tun. Sie verbeugte sich zum Dank und Abschied tief vor der Burgvögtin und ließ baldig Taten folgen. Es ziemte sich eh nicht in Plauderei zu verfallen und war auch nicht Perannas Art, wenn es etwas zu tun gab: „Habt Dank, Euer Wohlgeboren.“, meinte die junge Löwin noch zur Vögtin von Landgräflich Bösalbentrutz. Dann suchte sie sich einen neuen Platz im Wirtshaus und mischte sich unter das bürgerliche Volk. Die Witze der Bergarbeiter waren hier drüben wirklich grob, so dass die Junge Dame bloß die Hälfte von ihnen verstand. Der andere Teil bereitete ihr mirellenrote Wangen. Alleine das Lachen der Arbeiter klang rau und betrunken. Dass es laut war, verschreckte sie nicht. Sie fasste Mut und sprach die Bauersfrau höflich an. Laut genug, dass sie sie hörte: „Die Zwölfe zum Gruße. Verzeiht, ist bei euch noch frei?“, fragte sie und schaute sie freundlich an.  Die Angesprochene, eine Bauersfrau im mittleren Alter mit sauberer Kleidung und bunt bestickter Haube über dem Haar, blickte angesichts der höflichen Ansprache auf.  “Travia zum Gruß, junge Dame, g’wiss ist hier noch frei.” sie rückte zur Seite und schob ihren Teller Suppe mit, ohne jedoch ihren neugierigen Blick von Peranna zu nehmen. Peranna lächelte, setzte sich zu ihr auf die Bank und warf einen Blick auf die bunt bestickte Haube über dem Haar der Bäuerin, die recht nett anzusehen war. Natürlich konnte sie sich auch mit ihr über Graupensuppe unterhalten: „Mein Name ist Peranna von Graupen. Eure Haube ist ja hübsch bestickt. Ein schönes Stück! Der Rosenstich gelingt mir nie so prächtig, genauso wenig wie der Grätenstich….“, gab sie offen zu, denn es war wirklich eine Haube von recht ordentlichem Handwerk: „Sagt, könnt Ihr selbst so gut sticken?“, erkundigte sie sich, wobei das wirklich nicht ihr Steckenpferd war. Es war das liebste Thema ihrer werten Frau Mutter. ‚Wie viele Kissen sie bestickte… niemand brauchte im Leben so viele Kissen!‘ “Gundela Zweifeldt, edle Dame.” stellte die Bauersfrau sich vor. “Meint ihr?” sie nestelte an ihrer Haube. “Nein, das hat mein Jast letzt’n Winter gemacht. Er hatt’ noch Garn übrig vom Kleid unserer Hadlin, das er bestickt hat. Er ist so geschickt mit der Nadel, ich könnt’ so was so fein auch nicht.”Sie lächelte ein wenig verschmitzt. “Manchmal hat einfach das Mannsvolk die feiner’n Händ’, meint ihr nicht?” Peranna kicherte hinter hervorgehaltener Hand: „Manchmal fügen es die Götter sorum!“, bestätigte die Knappin herzlich. Handfesten, erfrischenden Humor mochte sie gerne leiden. Jetzt konnte sie in ein Gespräch eintauchen: „Ihr und Eure Familie wohnt vor Ort?“, fragte sie weiter. „Ich besuche ihn heut’ zum ersten Mal.“, äußerte sie in der Hoffnung ein wenig über das neueste Geplaudere aus Erzenschöffer zu erfahren. Sie strich sich selbst eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Lysanders Knappin fand es nämlich recht aufregend mit den Bauersleut‘ von auswärts in den Kontakt zu kommen.  “Ja mei, sicher. Wir ham’ hier am Dorfrand einen Hof - sechs Äcker, acht Küh’, vier Ochsen und ein paar Säu’.” berichtete Gundela voller Stolz. Acht Kühe war, für eine Bauersfamilie, ein beachtlicher Besitz. “Und was führt euch hierher, junge Dame?” “Hört, hört. Peraines Segen liegt über euren Kühen, was?”, staunte Peranna. So etwas konnte sie anerkennen. Sagte man ihrer Familie doch nach, recht volksnah und perainefromm zu sein: “Ich bin die Knappin meines Hohen Herren. Ich darf ihn auf seiner Reise begleiten.”, erzählte sie der Bäuerin nicht ohne Stolz und dann schaute sie in Richtung der edlen Herrschaften, die genauso tranken und becherten wie die Arbeiter, die zu Gunelda Zweifeldts Seite saßen: “Ich diene dem Hohen Herren von Eisenfels, wisst Ihr.” Darüber schien sie sehr froh zu sein: “Eurer Familie scheint es zum Glück ja gut zu gehen. Einen beachtlichen Besitz habt ihr mit euren Kühen erwirtschaftet! Laufen die Dinge in Erzenschöffer alle so gut? Wie ist es hier?”, kam Lysanders Knappin auf das Thema, das sie eigentlich ansprechen wollte. Rondralda Flemmler, die Eisenwarenhändlerin, wusste ja ganz schön über die Eisen-Marktpreise zu jammern. Aber mit der Tür ins Haus fallen sollte Peranna Sabea ja nicht. Also geduldete sie sich, hielt sich an den Ratschlag der Burgvögtin von Eberbach und hörte Gunelda weiter interessiert zu: ‘War ja auch mal etwas anderes als Bruchen zu bügeln.’, fand sie. “Oh, eine künftige Ritterin! Na, da werdet ihr viel lernen, junge Dame!” zustimmend nickte Gundela. “Ja, hier ist’s gut sein. Der Markt ist jede Woch’n und wegen dem Schmied und den Erzhändlern sind hier immer viel’ fremde Leut mit guten Münzen. Und billig ist’s auch noch - ich hab’ mir letzte Woch’n vom dicken Zerfer eine neue Pfann’ gekauft, da hat’s gleich noch ein’ Topf dazu gelangt und ein Messer von der Wina dazu.” Sie strahlte ob des getätigten Phexensgeschäfts bis über beide Backen.  “Und was will Euer Herr hier besorg’n? Jetzt grad’ ist eine gute Zeit und der Herr Phex is’ mit uns!” Die zukünftige Ritterin stimmte Gundela zu. Dann blickte sie plötzlich erstaunt drein: “So günstig? Seit einer Woche, sagt Ihr? Es naht doch kein Fest? Dann muss Phex Euch in dieser Woche sehr hold sein. Meinen… ähm… Glückwunsch… für Euer Schnäppchen. Ich meine, der Schmied Zerfer und die Wina scheinen ja großzügige Preise eingeführt zu haben. Vermissen sie die Taler nicht?”, fragte sie naiv nach. Ihre Stimme klang gleich eine Oktave höher. Peranna konnte nicht lügen. Dann sprach sie etwas leiser: “Der Hohe Herr ist sehr nett, aber er hat es nicht gern, wenn ich über seine Angelegenheiten spreche.”, meinte sie ohne gelogen zu haben ganz direkt, so dass Gundela hoffentlich nicht mehr nachfragte. Danach lief sie mirellenrot an. “Ihr wisst ja, manche der Hohen Herrschaften haben ihre Ruhe gern.” Auch das stimmte ihrer Meinung nach. Lysander von Eisenfels war manchmal recht verschwiegen. Im Gegensatz zu ihr, die ein offenes Buch war. Dass es gewisse Unterschiede zwischen dem Adel und dem Bürgertum gab, die man nicht diskutierte, weil sie eben so waren, das war ja kein Geheimnis. Es war nun einmal so. Peranna lächelte die Bäuerin höflich an. Sie wollte sie gewiss nicht beleidigen. Eine unangenehme Stille trat ein. Die junge Adelige schwieg eine Weile, die wohl an ihrer guten Kinderstube lag? Wohl eher daran, dass sie Geheimhaltung wahren musste. Es war eine Stille, die sie mit einem peinlich-höflichen Lächeln füllte. Das musste man erst einmal aushalten können! Wirklich. Inzwischen hatte das Graupenmädchen das gehört, was auch die Eisenwarenhändlerin erzählte. Gundela Zweyfeldt hatte ihre Geschichte bestätigt. Das war doch schon einmal etwas, das half. Trotzdem verstand das Graupenmädchen noch nicht, weshalb die Händler so ‘großzügig’ waren. Sie überlegte, was vor einer Woche geschehen war: ‘Die Rüstung des Heiligen Hlûthars war seit drei Wochen verschwunden.’ Für sie ergab es bisher keinen Sinn. Bei Praios, sie stand im Dunkeln. Kurz war sie davor wieder von der hübschen Haube anzufangen. Doch sie blieb hartnäckig und zwirbelte sich eine Haarsträhne. “Na ja, s’is immer klug, sich nich in die Angelegenheit’n der Herrschaften zu mischen.” schmunzelte die Bäuerin wissend. “Ich hab’ mein Kochgeschirr letzte Woch’ gekauft - weil mir der Hago von gegenüber g’sagt hat, dass’ vorletzte Woch’ schon so phexbillig g’wesen sei. Ich glaub’ fast, s’isch scho’ länger so, junge Dame.” fügte sie hilfreich hinzu. Peranna schmunzelte zuerst und staunte dann wieder: “Mindestens zwei Wochen, sagt Ihr? Na das sind ja phexgefällige Dinge. Hör sich das einer an.”, meinte sie perplex. ‘Das passte jetzt sehr gut mit dem Verschwinden der Rüstung zusammen. Es war genau der passende Zeitraum.’ Falls Gundela nicht mehr zu erzählen hatte, verfiel Peranna noch ein wenig mit ihr in seichtes Geplauder. Sie glaubte nicht, dass der Hago, ein Nachbar, noch mehr zu erzählen hatte. Es reichte sich zu merken wo in etwa ihr Hof lag. Und dass sie acht Kühe besaß die Gundela Zweyfeldt. “Ja gelle?” nickte gundela emsig und fügte dann brav hinzu “junge Dame.”, ehe sie sich mit einem vorsichtigen Blick, ob die Knappin weitere Fragen habe, ihrem Eintopf widmete. “Lasst Euch den Eintopf munden und habt Dank für das gesellige Gespräch. Ich werde nachsehen, ob der Hohe Herr mich braucht. Es war mir eine Freude, Gundela Zweyfeldt.”, verabschiedete sie sich und schenkte der Bäuerin ein Nicken zum Abschied.

Ein neuer Tag

Eblaus von Niedersprötzigens Zimmergenosse, der Ingerimmgeweihte Ingmar Isenhammer, war sehr spät und zeitgleich mit den beiden Angroschim zwei Zimmer weiter die enge Stiege nach oben gepoltert, war in sein Bett gefallen und hatte prompt  verbal mit dem Versuch begonnen, die Koschberge im Alleingang zu entwalden. So wie es schien hatte die Kammer ein Echo, denn die Schnarchgeräusche wurden von den Wänden - oder doch vom Nachbarraum - zurückgeworfen.

Im Schlafsaal war neben einem schmächtigen jungen Mann, dessen Bündel ihn vielleicht als Medicus hätte ausweisen können, und der bereits tief und fest schlief, als die Gästeschar nach oben wankte, auch die glücklose Eisenwarenhändlerin Rondralda untergekommen, die sich, bierselig und wankend, ohne viel Federlesens auf einen der wirklich wohlgestopften Strohsäcke hatte fallen lassen und die nun wacker daran arbeitete, dem Lied aus den Doppelzimmern ihre Strophe hinzuzufügen. Die restlichen Betten wurden von der Gruppe der Ermittler belegt, bis auf eines, das leer blieb, da die entschlossensten unter den Adelsleuten mit der Schankstube einig geworden waren.

Im Speisesaal hatten die Wirtsleute, nachdem sie zur Ingerimmstunde die letzten Zecher unter lautstarkem Protest vor die Tür komplimentiert hatten, die Bänke an die Tische geschoben und eine Reihe Strohsäcke ausgelegt - und zuvor gar noch flüchtig gefegt. Die Wärme und die stickige Luft des Schankraumes taten das Ihrige, den Schläfern einen schweren Schlaf und tiefe Träume zu gewähren.

Der nächste Morgen dämmerte gnadenlos und grauenhaft, und ob das laute, penetrante Geschrei des Gockels auf dem Misthaufen hinter der ‘Höh’ das Schlimmere war oder das Werkeln, Scheppern und Klappern, das in der Küche direkt neben dem Schankraum (und unter den Zimmern und Schlafsaal) noch vor Sonnenaufgang einsetzte, war ungewiss.  Dort wurde das Frühstück für viele hungrige Mägen und Kehlen bereitet und bald schon kitzelten verheißungsvolle Gerüche die Nasen der Schläfer. Ein neuer Tag brach an.

Fulco stand beim ersten Krähen des Hahnes auf. Er ging so leise wie möglich aus der Kammer und lief seine übliche Morgenrunde um das Dorf.  ’Diesen Start in den Tag brauche ich einfach, den Kopf frei laufen’ Er lief seine übliche 30 Minuten. Im Anschluss ging er in den Waschraum und machte sich frisch. Dies machte er bewusst früh, er wollte mir den ersten wieder im Schankraum beim Frühstück sitzen, Nachdem er sich frisch gemacht hatte, ging er wieder in den Schankraum, bat den Wirt um einen kräftigen Tee und wartete auf die anderen seiner Gruppe.

Auch Irminella war am Morgen nicht imstande gewesen, den Lärm in der 'Höh' zu überschlafen. Im Waschraum hatte sie sich deshalb mit Fulco die Klinke in die Hand gegeben. Sie wusch sich, sparte dabei aber diesmal die Haare aus, kämmte sie lediglich und bändigen dann diejenigen Haare, die ihr ständig ins Gesicht fielen, vermittels einer einfachen Flechtfrisur, wobei noch immer ein Großteil des Haupthaars offen blieb. Sie legte ihre Kleider an und kam dann die Stiege herab.

Beim Wirt bestellte auch sie einen Tee, nachdem sie den dampfenden Becher vor Fulco stehen gesehen hatte und ging anschließend zu ihm herüber. "Guten Morgen. Ihr erlaubt?" Das Nicken Fulcos antizipierend, setzte sie sich ihm gegenüber und nippte noch immer müde an ihrem Tee. Dabei kniff sie ab und an die Augen zusammen und rollte anschließend mit ihnen, wie jemand die versucht, die Müdigkeit aus ihnen zu bekommen.

Herrat betrat in diesem Moment den Schankraum, wirkte aufgeräumt und erfrischt, beinahe energetisiert. Ihre Wangen waren gerötet und einige wenige Tropfen Schweiß hatten sich auf ihre Stirne verirrt. Sie streckte sich noch einmal und ließ sich dann mit einem lauten Rums auf eine der Bänke entlang der Seiten des Schankraumes fallen. Spätestens jetzt ging ein Ruck durch die Reihen der Schlafenden. “Auf, auf! Morgenstund hat Gold im Mund”, proklamierte sie vergnügt.

Fast gleichzeitig schlurften Rhodan Herrenfels und Eblaus von Niedersprötzingen die Stiege zum Schankraum hinunter. Der dicke Händler versuchte, seine steifen Schultern zu lockern - ohne jeden Erfolg. Doch noch schlimmer sah der junge Praiot aus: Dem armen Mann lief die Nase, er war bleich wie die Wand und dass die Augenringe nicht bis zum Boden reichten war ein Wunder. Ihm gelang es gerade so, die rechte Hand zum Gruß zu heben. Ein “Guten Morgen” blieb ihm auf halbem Wege im Hals stecken, stattdessen drang ein trauriges Blubbern aus der verschleimten Kehle.

Fulco schaute den jungen Praios Diener an “Euer Gnaden, das sieht nicht so aus, als ob ihr Einsatzfähig wärt. Wollt ihr euch nicht lieber wieder zu Bett legen? Ihr scheint euch den Dumpfschädel eingefangen zu haben. Damit ist nicht zu spaßen.” 

Aus verquollenen Augen zwinkerte Eblaus hervor. “Doch, doch”, krächzte er. “Das klingt schlimmer als es ist.”

Fulco schaute den jungen Mann an “Nun gut, wie ihr meint euer Gnaden. Ihr könnt euren Gesundheitszustand besser als jeder andere einschätzen”  Fulco zuckte beim Reden mit den Schulter “ Ich habs nur gut gemeint” Er lächelte den Geweihten bei diesen Worten offen an. 

Eblaus rang sich ein Lächeln ab. „Ja, das habe ich gemerkt. Mein Dank ist Euch gewiss. Ihr seid zugewandt und freundlich - das Licht des Herrn lächelt auf euch herab.“ Fulco nickte dem jungen Mann zu “ Habt Dank, dann freue ich mich auf eure Ideen zum weiteren Vorgehen, euer Gnaden”


Rigbald, der Wirt, quetsche sich vorsichtig an den Strohsäcken der letzten hartnäckigen Schläfer vorbei und brachte ein großes Tablett voller Krüge und Becher, das er mühsam balancierend auf einem der gewaltigen Tischen laut scheppernd und klappernd absetzte. Es duftete verheißungsvoll nach Kräutertee und dem dünnen Bier, das eine gute, gesunde Grundlage für anstrengendes Tagewerk darstellte. “Frühstück, wer mag, edle Herrschaften!” rief er, offensichtlich bestens ausgeruht und strotzend vor Unternehmungslust.

Leomar kam die Treppe relativ sicher herunter, der Kopf brummte zwar etwas aber nicht mehr als nach einer kleinen Feier. Er nickte dem Wirt zu, manövrierte sich ein wenig durch die Strohsäcke und ließ sich schließlich an einem der Tische nieder. “ Die Zwölfe zum gruße die Damen und Herren.” Grüßte er diejenigen die bereits saßen.

Wolfmar von Wildklamm kam, gut ausgeschlafen und frisch gewaschen in den Gastraum. Wolfmar nickte jedem, der ihn sah, zum Morgengruß höflich zu. Er trug seine langbeinige schwarzen Lederhose, geputzte schwarze Stiefel, ein frisches weißes Leinenhemd und darüber eine dunkelbraune geschlossene Lederweste mit seinem persönlichen Wappen auf der Herzseite. Ein blauer Keil in einem silberfarbigen Feld. In dem blauen Keil steckte senkrecht ein silbernes Schwert. Auffällig war sein breiter Waffengurt, an dem er an seiner rechten Seite einen schmucklosen Dolch und eine größere Gürteltasche hing. An der linken Seite hing eine Schwertscheide, in der ein Langschwert steckte. An Wolfmars Ledergürtel hingen zudem zwei dunkelbraune feingliedrige Lederhandschuhe links neben der bronzenen Gürtelschnalle, die das Abzeichen der Herzogliche Kriegerakademie zu Elenvina darstellte. Eine einfache dunkelblaue fellgefütterte Wolljacke ohne Embleme oder Abzeichen trug Wolfmar über seiner Schulter. Wolfmar hing seine Jacke, für ihn gut sichtbar, auf und nahm sich einen Platz um mit den edlen Damen- und Herrschaften zu frühstücken. Dabei lauschte er den Gesprächen und besonders den edlen Herren Leomar von Weidenthal, Fulco von Kranickteich und seinen Nachbarn Rondragon von Spiegelberg und Krispinian von Tsawalden.

Ulfried machte sich nur kurz frisch. Zu kurz war die Nacht und zu unbequem das Lager, als dass er sich ausgeruht fühlen könnte. Er ließ sich sodann auf die Bank neben Fulco fallen und begrüßte die anderen eintreffenden Mitstreiter mit einem wortlosen nicken. Immerhin versprach der Kräutertee etwas Belebung.

Gähnend betrat der junge Thimorn das Wirtshaus durch die Außentür. Er war schon seit einiger Zeit auf den Beinen, hatte sich um eine frische Rasur und die Pferde im Stall gekümmert. Suchend sah er sich im Schankraum um und trat dann an den besetzten Tisch. “Mit Eurer Erlaubnis, hohe Herrschaften?” Deutete er fragend auf einen der freien Plätze. Er war gespannt darauf, welcher Schlachtplan nun geschmiedet werden würde.

‘Der frühe Fuchs fängt das Huhn’ war einer von Krispinian von Tsawaldens Maximen. Und so war er bereits zu früher Morgenstunde erwacht, hatte sich frisch gemacht und einen erneuten kurzen Spaziergang durch die Ortschaft unternommen, um seine gestrige Zeichnung noch um einige Details im aufkommenden Licht der Praiosscheibe zu ergänzen. Eine Flut von Ideen, Fragen, Mutmaßungen und Vermutungen zischten dabei durch seinen Kopf. Er fühlte sich … ein wenig wie der Fuchs auf der Jagd.  Als er ins Gasthaus zurückkehrte, suchte sein Blick Irminella, Fulco, Herrat, Leomar, Rondragon, Wolfmar und die anderen Spaziergänger. ‘Das sind in jedem Falle Leute, mit denen man in dieser Angelegenheit etwas erreichen kann, dachte sich der Edle zu Dunkelstein und betrat lächelnd den großen Raum.

Ähnlich wie Thirmorn von Hauerberg kümmerte sich auch Peranna von Graupen nach dem ersten Gockelschrei um das, was noch für ihren Hohen Herren Lysander von Eisenfels anstand. Wobei ihre Haare vortrefflich gekämmt waren! Das Graupenmädchen war sauber angezogen. Die Waffen und Stiefel waren allesamt poliert. Sie selbst trug ihr eigenes Kurzschwert mit Stolz. Die Aufgaben ihres Hohen Herren von Eisenfels hatte die Knappin so gut wie erledigt. Geschlafen hatte sie ausreichend. Die Bruchen des Hohen Herren von Eisenfels waren zu seiner Vorliebe inzwischen frisch aufbereitet, sie waren sogar noch warm vom Bügeln, und seine Knappin freute sich darauf, dass bald der Tsatag ihres Vettern nahte. Ihrer lag auch nicht in ferner Zukunft. Was gut war, denn bald rückte sie einen Lenz näher an den Ritterschlag. Sein Tsatag war der Vorbote. Bei den Pferden, die sie sehr mochte, hatte sie ein wenig länger getrödelt und sich Zeit für die Versorgung gelassen. Der Kontakt zu den Tieren gab ihr die Kraft für einen neuen tatenreichen Morgen. Mehr als ein dampfender Tee es vermochte. Darum trat sie auch irgendwann nach Thirmorn von Hauerberg durch die Außentür des Wirtshauses ein, der bei allem was er tat unverschämt schnell war. Sie wusste nicht, wie der Knappe von Haus Eychstädt das bewerkstelligte, aber er saß schon am Tisch! Aves war wohl eindeutig mit ihm. Jetzt war sie gespannt auf die Besprechung. Das Gespräch mit der Bäuerin Gundela Zweyfeldt verlief ja gestern interessant. Peranna freute sich dann doch über einen dampfenden Kräutertee am Morgen als sie seine Würze in der Luft roch. Das Graupenmädchen konnte es jedoch nicht lassen zuvor mit dem älteren Knappen ein wenig in den gesunden Wettstreit zu treten: “Guten Morgen. Schon wieder mit allem fertig, junger Herr, ja?”, foppte sie den fuchshaarigen Knappen zur Begrüßung und nickte ihm zu. In ihrer jungen Stimme lagen weder Neid noch Bosheit. Ihre Körpersprache verriet Peranna sofort! Zwar stand sie herausfordernd und dickköpfig vor Thimorn wie Rondra persönlich, doch in ihren katzenhaften Zügen mit den leichten Sommersprossen blitzten Anerkennung und der Schalk.

Thimorn hob etwas erschrocken den Kopf. War er draußen zu übereifrig gewesen und hatte bei den Pferden etwas vergessen? Doch als er das Graupenmädchen so vor sich sah, verstand er und musste er unwillkürlich grinsen. “Wir können nicht alle so von Boron gesegnet sein, dass wir den halben Morgen verschlafen, junge Dame.” Erwiderte der Knappe dann. “Wenn ihr mögt, können wir unsere Pflichten morgen ja gemeinsam erledigen?” Insgeheim erhoffte er sich dabei nicht nur etwas Gesellschaft bei der drögen Arbeit, sondern sich vielleicht den ein oder anderen Handgriff beim Umgang mit Pferden von der jüngeren Peranna abzuschauen.

Jetzt tat Peranna aber beleidigt, was ihr nicht richtig ernst gelang: “Unterstellt Ihr mir etwa nicht mit dem ersten Hahnenschrei aufgestanden zu sein, Thimorn von Hauerberg? Dann muss ich Euch leider bitter enttäuschen! Direkt ab morgen früh belehre ich Euch eines Besseren!”, nahm sie die Herausforderung an und zeigte sich sehr zufrieden mit seinem freundschaftlichen Angebot. Es war schon etwas anderes unter ihresgleichen zu sein als unter den Hohen Herrschaften. Zu zweit konnte man sehr tüchtig sein und lernen wie von großen Brüdern. Damit war es abgemacht. Da ihr eigener Dienstherr noch nicht zugegen war, seine Bruchen lagen aber schon frisch für ihn bereit, fragte sie den Knappen mit dem ebenfalls gepflegten Haar freundlich, ob sie sich zu ihm setzen dürfe. 

Nickend deutete Thimorn auf den freien Stuhl, froh über etwas Gesellschaft die seinem Stand entsprach. Ganz alleine unter den Hohen Herrschaften wusste er nie recht, wann er reden und wann schweigen sollte. “Dann ist es abgemacht. Manchmal muss es auch gar nicht der erste Hahnenschrei sein. Und wenn man bestimmte Aufgaben schon am Vorabend erledigt, reicht es trotzdem um schneller zu sein, als manch andere.” Er zwinkerte dem jungen Mädchen lächelnd zu und deute auf die bereitgestellten Getränke. “Kann ich Euch etwas zu Trinken geben?”

Peranna setzte sich und fragte: “So, so?” Dann bat sie Thimorn um einen Becher mit Kräutertee und bedankte sich artig. “Wie ich hörte, seid Ihr kurz vor Eurer Schwertleite, junger Herr. Ist das richtig? Ihr seid ein wenig älter als mein älterer Bruder Krispinian Praioslaus, nehme ich an. Wofür schlägt Euer Herz in der Ausbildung des Hauses Eychstädt am meisten? Ich nehme an, Ihr habt sehr Vieles kennengelernt in den letzten Lenzen.” Peranna versuchte ein wenig mit ihm in das Gespräch über die Knappenzeit zu kommen und weiter weg von der Klugscheißerei. Mit einem älteren Knappen zu sprechen war stets wie durch ein Fenster auf die Zukunft zu blicken, wenn es ein ehrliches Gespräch war. So oder so ähnlich zumindest empfand sie es. Es war auf jeden Fall anders als mit ihrem Vater, ihrem Großvater oder ihrem Dienstherren darüber zu sprechen. Die waren ja schon Ritter und hatten die Probleme der Ausbildung nicht mehr. Peranna jedoch hatte einen Traum: Ritterin zu werden!

Thimorn zog das Tablett mit den Bechern heran und griff sich davon zwei Becher mit Kräutertee von denen er einen Peranna reichte. “Ich glaube zu meiner Schwertleite kann nur der Hohe Herr von Eychstädt etwas sagen. Aber wenn Ihr das so gehört habt… man wird euch ja kaum Märchen erzählen.” Thimorn versuchte dabei möglichst bescheiden zu klingen, was ihm jedoch kaum gelang. “Nun, in der Ausbildung versuche ich mir die zwölf Tugenden und natürlich die Aspekte der Leuin besonders zu verinnerlichen. Aber mein Schwertvater legt auch großen Wert auf die Führung des Gutes.” Er rollte etwas mit den Augen. “Ich hoffe, Ihr müsst Euch bei Eurem Vetter nicht mit sowas herumschlagen? Furchtbar langweilig und noch unnützer. Raidri Conchobair wurde doch auch nicht der Schwertkönig indem er seine Gegner im Berechnen von Steuern bezwang.”

Peranna nahm ihren dampfenden Becher Tee entgegen und befand, dass sie den jungen Herrn Thimorn gut verstehen konnte. Daher gab sie ihm Recht, vor allem, was den Schwertkönig und die Aspekte der Leuin betraf. Sie nickte: “Für mich sind auch Sticken, Tanz und Musiklehre Strafen.”, flüsterte sie dem Knappen von Eychstädt frech zu und grinste ein Fradrikgrinsen. Keines von den Dingen tat sie sehr gerne, wenn sie es nicht musste. Dann schüttelte sie mit dem Kopf: “Nein. Die Ritter von Eisenfels sind landlos.”, erklärte Peranna, was zu dieser Zeit auch stimmte. Soweit sie wusste, bemühte sich ihr Schwertherr darum, diesen Umstand zu ändern. Aber das war seine Angelegenheit. “Ich habe das Übliche dazu im Unterricht gelernt. Das ist wohl der Vorteil daran die Zweitgeborene zu sein. Man muss sich darüber weniger Gedanken machen. Habt Ihr Geschwister, junger Herr?”, erfragte sie unbedarft und neugierig.

Ein lächeln umspielte die Lippen des Knappen bei dem Gespräch. Das Graupenmädchen mochte jung sein, doch schien sie ihm dafür ganz vernünftig. “Mhh in der Regel mögt ihr Recht haben”, antwortete er langsam “Aber auch ich bin der Zweitgeborene meiner Familie. Aber meine ältere Schwester lebt schon seit Jahren in Elenvina und wird das Erbe meines Vaters nicht antreten.” Er nickte Peranna leicht zu, das Lächeln hatte sich von seinem Gesicht verflüchtigt. “In der Hinsicht war Phex wohl mit mir, wer weiß wo ich ansonsten gelandet wäre. Jedenfalls nicht als Knappe beim Haus Eychstädt.” Thimorn nahm einen tiefen Schluck von dem Tee und blickte nachdenklich im Raum umher. An seine ältere Schwester hatte er tatsächlich schon länger keinen Gedanken mehr verschwendet. Wie es ihr wohl erging? Bald müsste ihre Ausbildung abgeschlossen sein, vielleicht würden sie sich dann ja wieder sehen. Ob Praios Segen dann noch immer mit ihr sein würde? Mit einem Kopfschütteln riss er sich aus den Gedanken, das war weder der Ort noch die Zeit dafür. Stattdessen wandte er sich wieder Peranna zu: “Wer wird denn in Eurer Familie das Erbe antreten?” 

“So, so?”, fragte Peranna wieder und biss sich mit ihren Hasenzähnchen auf ihre Unterlippe. Fast hätte sie ausgeplaudert, dass ihr das auch blühen könnte, denn Krispinian Praioslaus interessierte sich derzeit, wie man hörte, nur noch für die Mägde vom Lande, weit unter seinem Stand, und nicht mehr für seine Pflichten. Die Graupenehre würde sie aber nicht beschmutzen: “Der junge Herr Krispinian Praioslaus.”, antwortete sie wie es stimmte. Dann schaute sie recht verwirrt: “Gelandet sein? Ich verstehe Euch nicht…” Sie hoffte nicht in einem Fettnäpfchen getreten zu sein. Ungeschickt wechselte sie das Thema, um eine Beschämung zu vermeiden. Man hörte sie bruddeln. Es klang wie Bruddeln: “Hmm!… Ward ihr schon einmal dort, in Elenvina, bei Eurer Schwester? Es soll ja prächtig sein. Vom Junkergut Storchengarten weiter im Süden erzählt man sich, es sei sehr fruchtbar.” Sie lächelte die Peinlichkeit weg. Manche Dinge fragte man einfach nicht. Sie wollte den Jungen Herren nicht in Verlegen  bringen.

“Nun, wenn Sie das Erbe antreten könnte, wäre ich wohl kaum zu einem Knappen geworden. Im besten Fall wäre dann vielleicht ein Diener der Leuin, so sie mich angenommen hätte. Im schlimmsten Fall wäre ich als Hilfsverwalter auf dem Gut oder in irgendeiner Schreibkammer geendet.” Thimorn versuchte wieder ein Lächeln aufzubringen, er merkte, dass er seine Gesprächspartnerin in eine unglückliche Situation gebracht hatte. Sie konnte ja nicht wissen mit welcher Bürde seine Schwester zu leben hatte. “Das Junkergut sagt mir wenig, aber ja Elenvina ist die prächtigste Stadt die ich je sah! Auch wenn es schon einige Götterläufe her ist. Die Wehrhalle des Herrn Praios müsst ihr euch unbedingt einmal ansehen und das Hlutharsdenkmal erst.”  Die Augen des Knappen leuchteten bei der Erinnerung. Einer der dortigen Lausbuben hatte behauptet, er hätte nicht den Mut, die Statue zu erklettern. Ha, dem Bengel hatte er es gezeigt! Das war die Ohrfeigen wert gewesen.

Somit war das geklärt und niemand trat sich glücklicherweise auf die Füße.  Peranna kannte das Wappen von Hauerberg. Sie wusste, dass sein Oberhaupt derzeit Ingmar von Hauerberg war und sie wusste, dass das Haus Hauerberg im Haffax-Feldzug ebenfalls Verluste erlitt. Doch dann war sie mit ihrem Bosparano auch schon am Ende! Was sie wusste war außerdem, dass auch ihre eigene Patentante, Ihre Gnaden Peridara aus Rieden, sowie ihr jüngerer Bruder Wendelin Perainerich von der Erbreihenfolge ausgenommen wurden, da sie fromm der Göttin Peraine dienten. Geweihte mussten ihre adeligen Privilegien mit der Weihe abgeben. Aus letzterem Grund wusste sie auch, dass die Gegend um das Junkergut Storchengarten besonders besuchenswert sein sollte. So nickte sie verständnisvoll dem Knappen von Eychstädt zu und widmete sich lieber der leichten Konversation. Mit der konnte man auch Einiges in Gesellschaft verkehrt machen, aber da machte sie sich wenig Sorgen. Ihre jugendliche Leichtigkeit hatte mit Sorgen noch nicht viel am Hut. Sie trank einen Schluck Tee. Alleine mit dem Hlûtharsdenkmal weckte der junge Herr Thimorn das Interesse der jungen Knappin im höchsten Maße und auf ihrem Gesicht lag urplötzlich ein Fradrikstrahlen: “Hört, hört! Und dann gibt es ja auch noch den Elenviner Rossmarkt!”, schwärmte die Knappin weiter: “Wenn es sich ergibt, würde ich den auch sehr gerne besuchen. Habt Dank für Eure Ratschläge, junger Herr Thimorn.” Heiterkeit lag auf ihrem Gesicht. Die Peinlichkeit war wie verflogen.

“Dafür nun wirklich nicht, junge Dame. Gerne erzähle ich Euch, woran ich mich erinner. Aber den Rossmarkt haben wir damals nicht besucht, tut mir Leid. Vielleicht ja beim nächsten mal. Oder Ihr seht es Euch bis dahin selbst einmal an. Mit Eurem Vetter solltet Ihr doch eigentlich viel im Herzogtum herumkommen, oder nicht? Wie kommt es, dass ihr da unsere Herzogstadt noch nicht besucht habt?” Als landloser Ritter war man doch immer auf der Straße. Unterwegs von Abenteuer zu Abenteuer. Und die kleine Knappin immer an der Seite. Kein Wunder, dass sie so gut mit den Pferden umzugehen wusste. Thimorn beneidete das Graupenmädchen schon fast um ihre Position. Ein jeder Ritter strebte nach Land, doch wofür? Ein Einkommen sicher, doch zum Dank war man an Grund und Boden gekettet. Wie sollte man dann noch Taten vollbringen, die den Liedern würdig waren?

Peranna nickte höflich. Dann schien sich ihre Stimmung sturmartig zu ändern von besonnen zu bockig: “Ja, junger Herr, man kommt viel rum auf den Pferderücken. Das wohl. Zuhause ist eben, wo die Pferde stehen.” Sie lächelte noch: “Doch wenn Ihr mich nach unserer Herzogstadt Elenvina fragt, dann… hat es sich eben aus unglücklichen Gründen noch nicht ergeben!”, meinte sie missgelaunt. Knappe Thimorn schien nichts davon zu ahnen, dass Peranna Sabea ihren Vetter erst seit sieben Monden begleitete. Noch, dass er mit seiner Formulierung unbeabsichtigt auf ihre Füße getreten war. Mit dem Oberhaupt der Familie, Großvater Quintin Wisinto von Eisenfels, ihrem ehemaligen Dienstherren, der so anders war und schwierig im Gegensatz zu Peranna, gab es im letzten Lenz Zerwürfnisse, die sie jetzt nicht vor Thimorn von Hauerberg ausbreiten wollte. Das Graupenmädchen war nur froh inzwischen ihrem Vetter zu dienen! Sie hatte das Gefühl, er war ihr ähnlicher und ihre zweite Chance würde sie gewiss nutzen. Sie war fest dazu entschlossen. Was immer der Knabe von Hauerberg wohl gemacht hatte, er hatte es geschafft, Peranna einmal wieder zu beschämen. Die rang nämlich nach Worten und zwirbelte sich die hübsche Haarsträhne: “Zudem liegen auch noch viele Lehrjahre vor mir. Vielleicht schaffen wir es zum nächsten Lenz dorthin. Zu meinem Tsatag! Das Derenrund ist groß. Es hat viele Ecken und Winkel.”, meinte sie peinlich berührt. Dann wechselte sie das Thema: “Des Hohen Herren Lysander Quintins Tsatag ist am 24. Phex und der meinige am 21. Peraine, junger Herr.” Das waren noch acht Tage bis zu dem ihres Vetters. Bis zu ihrem in etwa noch ein Mond. Sie feierte gerne Tsatage. Vermutlich erzählte sie es deshalb.

Thimorn biss sich auf die Lippe. Was hatte er nun schon wieder falsch gemacht, dass das Graupenmädchen die Stimmung so verhagelt hatte? Am besten er würde wieder mehr sprechen und weniger sagen. Damit trat man niemandem auf die Füße: “Ihr habt Recht, es gibt genug andere Orte die man besuchen kann.” Er machte er sich daran, ein freundliches Lächeln zu zeigen: “So? Dann hoffe ich, dass wir zum Tsatag Eures Vetters mehr als einen Grund zum feiern haben. Und zu Eurem sowieso.” „Darauf trinke ich mit Euch. Zum Wohl!“, wünschte Peranna versöhnlich und erhob ihren Kräuterteebecher. Nachtragend war sie nicht wirklich. Ihr Lächeln kehrte bald wieder auf ihre Züge.

Als letztes betraten die beiden Angroschim die Schankstube. Der Edle zu Erzwacht war sehr wackelig auf den Bein und das was man von seinem Gesicht zwischen Bart und Haaransatz erkennen konnte hatte die Farbe von frischer Milch. Langsam und vorsichtig ließ es sich auf der Langbank nieder und grüßte die Anwesenden mit einem Kopfnicken - eine Bewegung, die er sofort darauf bereute und um dann brummelnd fluchend sitzen zu bleiben.

Gorthak war seinem Freund leise feixend gefolgt und setzte sich neben ihn. Er hatte sich am Vorabend deutlich mehr zurückgehalten und sah ausgeschlafen und erfrischt aus.  “Ich wünsche Euch einen guten Morgen. Verzeiht, das es etwas später geworden ist, aber unser Freund hier” - er deutete dabei auf Xorgolosch - “war nicht so einfach aus dem Bett zu bekommen.” Dann winkte er dem Wirt, um sich ein Frühstück bringen zu lassen. “Konntet Ihr schon einen Plan für den heutigen Tag besprechen?”

Besprechung nach dem Frühstück

Rigbald Dumpfelmoser, der Wirt, hielt Wort - nach einem Wassermaß, passend zur Perainestunde, hatte er er den Gastraum von allen Fremden geleert und wandte sich mit einem “So, edler Herr, ihr könnt. Ich stell’ euch noch einen Krug Bier und einen Tee auf den Tresen, dann geh’n Marjan und ich auch. Klopft an die Küch’ntür, wenn ihr was braucht oder fertig seid, edle Herrschaften.” und einer flachen Verbeugung an Fulco, ehe er sich zurückzog.

“Habt Dank “ Fulco lächelte dem Wirt zu “Guten Tee den ihr da habt, er schmeckt ausgezeichnet” Dann wandte er sich wieder seinen Reisegefährten zu.  

“Habt Dank”, erwiderte Rhodan Herrenfels und wartete, bis der Wirt seine neugierige Nase zur Tür hinausgesteckt hatte. “So, endlich ein Funken Anonymität. Der gestrige Abend war ereignisreich, wie mir schien! Sagt, was habt ihr alles vernommen, das für unsere Untersuchung von Relevanz sein könnte?”

Krispinian von Tsawalden erhob das Wort. “Ein Teil von uns hat am gestrigen Abend einen kleinen Spaziergang unternommen, um die Örtlichkeiten in Augenschein zu nehmen.” Bei diesen Worten deutete der großgewachsene Mann auf sein Notizbuch, in dem er Skizzen und Informationen gesammelt hatte, die ihnen auf dem Spaziergang aufgefallen waren. “Gab es währenddessen im Wirtshaus etwas, was uns bei den Ermittlungen helfen könnte?” Dabei wanderte sein Blick auf die Mitglieder ihrer Delegation, die nicht auf dem Spaziergang dabei waren.

Ulfried räusperte sich kurz, ehe er sich beschwerlich von der Bank erhob und seinen Blick über die Versammelten streifen ließ. Bei den ersten Worten zeichnete sich sichtlich eine Röte auf seinen Wangen ab. “Ja, ähm, jedoch weiß ich nicht, ob es eine Bewandtnis in Hinblick auf unsere Suche hat.” Dann strich er sich mit seiner linken Hand kurz über seine lockigen Haare, während er sich mit der Rechten auf dem Tisch abzustützen schien, um das Gleichgewicht zu behalten. “Es gibt zwei, ähm, Eisenwarenhändler hier im Dorf, die ihre Waren so günstig anbieten, dass sie damit noch den Wert des, ähm, Roheisens unterbieten.” Dann richtete er seinen Blick an die Decke und kniff die Augen zusammen. “Ihre Namen sind, ähm, Zerfer und Wina.” Dann schloss er langsam die Augen und ließ sich gemächlich auf die Bank zurück gleiten. “Vielleicht haben sie die hochwertigen Waren für einen Gefallen zu einem sehr niedrigen Preis oder sogar kostenlos erhalten. Vielleicht wurden sie damit für ihre Hilfe oder ihr Schweigen bezahlt. So oder so, es ist nur eine sehr vage Spur.” Mit noch immer rot glühenden Wangen richte er seine Augen wieder auf seine Mitstreiter.

"Ich danke Euch für Eure Ausführungen, Euer Wohlgeboren." Irminella erhob das Wort. "Das sind wichtige Informationen, die Ihr da gesammelt habt. Hätten die beiden die Waren aber, wie Ihr vermutet, für einen Gefallen günstig oder gar umsonst erhalten haben, wären sie äußerst freigiebige Händler, wenn sie ihren Rabatt an die Kundschaft weitergeben. Die Gewinnmargen wären weit höher möglich, wenn sie gewöhnliche Preise verlangten. Dennoch ist es höchst merkwürdig und ja, ein Stück verdächtig. Passt denn der Zeitraum? Hat die Eisenwarenhändlerin dazu etwas gesagt?"

Rhodan schüttelte den Kopf. „Nein, über den Zeitraum hat sie nichts berichtet, aber scheinbar sind die beiden Kaufleute noch immer im Ort. Sicherlich kann uns die Büttelin Trek berichten, seit wann welcher Marktbeschicker seine Ware im Ort anbietet. Ansonsten können die hohen Herrn die zwei einfachen Bürger sicherlich zum Reden bringen. Und wer weiß, vielleicht gelänge das ein oder andere Schnäppchen en passant?“ Ein schelmisches Lächeln hatte sich auf die feinen Lippen des großen Mannes gestohlen. Nickend verfolgte Irminella die Ausführungen des Händlers.

Das Graupenmädchen hörte von ihrem Platz aus zu und dachte bei sich: ‘Ja. Das mit dem dicken Zerfer und der Messer-Wina hatte mir die Bäuerin Gundela Zweyfeldt gestern auch erzählt! Und von den Erzhändlern hatte sie berichtet… wie die dicke Eisenwarenhändlerin. Nur die musste mehr jammern.’ Was Peranna verstehen konnte. War es doch schöner einen Topf zu kaufen und eine Pfanne und ein Messer kostenlos dazu zu bekommen als einen einzigen Topf nicht zu verkaufen. Natürlich wartete die Knappin Lysanders brav ab bis die Hohen Herrschaften nichts mehr dazu beizutragen hatten. In diesem Moment würde sie sich für die Burgvögtin hörbar räuspern. Zu dem Zeitraum konnte sie durch ihren Zeugenbericht nämlich auch etwas sagen. Nur würde sich Peranna gewiss nicht aufdrängen! Nein, sie hielt sich zurück bis niemand mehr etwas zu sagen hatte. Die Burgvögtin wusste schließlich, dass auch Peranna Sabea sich am gestrigen Abend tatkräftig zeigte und ihren Hohen Herren bei der Lösung der Queste hilfsbereit unterstützte. Es ging ja um nichts Minderes als die Rüstung des Heiligen Hlûthar. Und um Gerechtigkeit und Ordnung. Und um den Grafen… Wenn sie dran war, dann war sie dran.

Eblaus schlug die Stirne in Falten. Seit einer Weile schien ihn etwas zu beschäftigen, doch sagte er zunächst nichts. Dann meinte er plötzlich leise, aber für alle deutlich hörbar: „Die junge Knappin scheint ebenfalls etwas auf dem Herzen zu haben. Es wäre wohl angetan, sie anzuhören.“ Irminella nickte nun auch in Richtung Seiner Gnaden. Dann blickte sie zu Peranna. Als sich ihre Blicke trafen, lächelte sie erneut das mütterliche Lächeln. "Sehr wohl, Euer Gnaden. Nun, dann soll sie Gehör finden. Was konntet Ihr herausfinden?" Irminella nickte noch einmal kaum merklich.

Peranna lief nun mirellenrot an. Rondraseidank war sie trotzköpfig und unerschrocken genug, um weiterzusprechen. Die Anwesenheit der Burgvögtin von Eberbach, die ihr mütterlich in die Augen schaute, und die Anwesenheit Seiner Gnaden Eblaus von Niedersprötzingen, der Wahrheit, Ordnung und Licht an den Tag hervorbringen wollte, halfen der jungen Knappin Lysander von Eisenfels dabei laut und deutlich genug ihren Bericht abzugeben. Sie stand auf, das reichte in etwa 155 Schritt weit, verbeugte sich angemessen, nahm sich eine Zeit, um ihre Stimme zu finden und erhob dann ihre Graupenstimme, wobei sie nicht lange um den heißen Brei herum schwafeln wollte. Begonnen werden musste trotzdem mit der nötigen Etikette, wobei sie vermutlich am Anfang viel zu schnell sprach, um es schlicht hinter sich zu haben:  “Eure Wohlgeboren, Eure Hohen Herrschaften, Eure Gnaden, alle Anwesenden.”, preschte sie hervor. Dann bemühte sie sich einsichtig langsamer zu sprechen: “Gestern Abend bestätigte mir die Bäuerin Zweyfeldt, deren Familie einen gut begüterten Hof am Dorfrand dieses Ortes führt, in der letzten Woche einen sehr günstigen Einkauf auf den Markt getätigt zu haben und zwar beim Schmied Zerfer, der zu einem gekauften Topf noch eine Pfanne und sogar noch etwas von der Messer-Wina als Geschenke obendrauf legte. Ihr Nachbar berichtete dieser Bäuerin davon, dass solche niedrigen Preise vor etwa zwei Wochen eingeführt wurden. Sie schätzte sogar vor etwas mehr als zwei Wochen! Seitdem gibt es diese günstigen Preise im Ort… Über die Erzhändler berichtete sie nicht viel. Außer, dass die Einkäufe beim Schmied und die des Erzes wohl sehr begehrt seien. Wegen ihnen kommen die Reisenden überhaupt her und lassen ihre Taler da”, erinnerte sie sich an gestern zurück. Dann schwieg sie, setzte sich wieder und wartete ab, was passierte. Ob ihr Bericht geholfen hatte. Ihre Wangen glühten immer noch nach. Ihr Herz raste. 

Irminella nickte anerkennend. "Dann wissen wir nun, Dank Euch, Junge Dame, dass der Zeitraum passt. Ihr habt gute Arbeit geleistet. Schön zu wissen, dass fähige, angehende Ritterinnen und Ritter unter uns sind." Sie wartete einen Moment, um Peranna die ihr gebührenden Anerkennung durch die anderen zuteil werden zu lassen. "Doch lasst uns nun keine voreiligen Schlüsse ziehen. Sie verhindern, dass wir andere Möglichkeiten in Betracht ziehen. Es scheint, als bestünde ein eindeutiger Zusammenhang, doch der Zufall treibt manchmal unglaubliche Blüten." Wieder wartete sie einen Moment.

"Wenn nun keine Erkenntnisse mehr mit den Anwesenden geteilt werden sollen, lasst uns darüber sprechen, was zu tun ist und wer welche Aufgabe übernehmen kann." Sie blickte in die Gesichter einzelner Anwesenden, bevor sie weitersprach. "Augenscheinlich tun sich bislang mehrere Anlaufstellen auf. Der Zwergenschmied, Zerfer und Wina, eventuell die Büttelin, je nachdem, ob sie im Bilde ist oder nicht, der Wirt… und irgendjemand sollte den Überblick behalten und die Informationen in einem Dossier bündeln. Was meint Ihr?" Erneut blickte sie sich um.

Fulco erhob seine Stimme “ Ich stimme euch in euren Ausführungen zu“ sagte er in Richtung von Irminella “ Ich habe eine Anmerkung zur Schmiede, das Gebäude hat auch einen Ausgang am Nebengebäude, vielleicht kann man bei der Befragung dort auch Nachfragen, ob dieser Eingang nach dem dreisten und unheiligen Diebstahl beschädigt war. Des weiteren könnte ich mir vorstellen, dass es Sinn macht, die Dorfjugend zu befragen. Diese Gruppe weiss in der Regel, ob es in den umliegenden Wäldern Möglichkeiten zum Verstecken oder ähnliches gibt” Fulco dachte kurz nach “Vielleicht wäre diese Aufgabe etwas für euch” Bei diese Worten deutet er  auf  Peranna, Thimorn und Gutmundt. “ Aus meiner Erfahrung heraus spricht die Jugend eher mit Leuten ihres Alters offen und frei, und ihr habt ja schon bewiesen, das ihr eine aufmerksame Beobachterin seid.” Bei den letzten Worten lächelte er in Richtung von Peranna.  “ Wenn mich mein Gedächtnis nicht trügt, haben sich der Edle von Dunkelstein sowie ihr, werthe Vögtin” Hier deutet er ein kurzes Nicken in Richtung Irminella und Krispian an “ Dazu bereit erklärt die Koordination und Bündelung aller gesammelten Informationen zu übernehmen. Mein Vertrauen für diese Aufgabe habt ihr.” Mit diesen Worten setzte sich Fulco und nahm einen Schluck von seinem Tee.

"Ich danke Euch für Euer Vertrauen, Euer Wohlgeboren von Kranickteich. Doch bereiteten wir diesen Vorschlag nur einer kleinen Gruppe - derer der Spaziergänger. Doch es sollten alle zu Wort kommen dürfen, bevor entschieden wird. Euren Vorschlag bezüglich der Jugend im Dorf unterstütze ich."

Der junge hauberberger Knappe sah bei dem Vorschlag überhaupt nicht glücklich aus. Er sollte sich mit der Dorfjugend abgeben, während die anderen die richtigen Aufgaben bei der Suche nach der verschwundenen Rüstung übernahmen? Mehr schlecht als recht versuchte er seinen Unmut zu überspielen, schluckte kurz und nickte Fulco und Irminella zu. Dann würde er eben den Aufpasser für das Graupenmädchen spielen müssen. Das hatte er sich selber zuzuschreiben, im Gegensatz zu ihr hatte er tatsächlich keine Informationen die er der Gruppe präsentieren konnte. Irgendwie hatte er sich den Auftrag des Grafenvetters ganz anders ausgemalt.

Krispinian von Tsawalden hörte den bisherigen Ausführungen aufmerksam zu und nickte bedächtig. “Wie der geschätzte Edle von Kranickteich bereits ausführte, wären die Vögtin von Gräflich Bösalbentrutz und ich allzeit bereit, unsere gemeinsamen Ermittlungen zu koordinieren - mit tatkräftiger Unterstützung aller Beteiligten, versteht sich. Zuerst gilt es, die nächsten Anlaufpunkte zu koordinieren, die wir partiell schon aufführten. Die Dorfjugend durch unsere jungen Mitstreiter zu befragen halte ich für eine hervorragende Idee. Bleibt noch, wer den Schmied, die Büttelin und diese beiden großzügigen Händler befragt. Auch bei den örtlichen Geweihten sollten wir Stimmen einholen.”  Während der Edle zu Dunkelstein diese Worte sprach, breitete er ein Dokument auf dem Tisch auf. Er hatte einen sehr detaillierten Plan des Orts erstellt und teilte diesen nun mit den anderen. “Da wären also Ort und Bewohner. Was wissen wir über die Umgebung? Wer von den Anwesenden hier nennt seine Stärken in den Gebieten Fährten- und Spurensuche und kennt sich abseits ausgetretener Wege aus?” Krispinian ließ seinen Blick in der Runde schweifen  und lächelte. Ihn interessierte zudem, was er in den Blicken der anderen so sah. 

Peranna wirkte dankbar und erfreut über das Lob für ihre Tatkraft bis zu dem Punkt an dem sie vermutlich ein ähnliches Gesicht zog wie Thimorn von Hauerberg. Jedoch war ihre Grimasse nicht ganz so schrecklich unglücklich, eher ungläubig. Danach trafen ihre jungen Augen erst den Hohen Herren Lysander Quintin von Eisenfels, ihren Vettern und Dienstherren nachfragend. Anschließend sah sie Thimorn von Hauerberg ertappend an, dessen Unmut ein Blinder mit Krückstock aus der Ferne sofort sehen konnte. Sie grinste ein Fradrikgrinsen! Folglich suchte sie den Blick des Knappens von Weidenthal zum ersten Mal seit dieser Reise auf. Zumindest hatte sie mit ihm noch nicht gesprochen. Bevor sie unbefangen mit den Schultern zuckte und im Anschluss ermunternd nickte. Natürlich kannte das Graupenmädchen Gleichaltrige, doch handelte es sich bei denen nicht um Gleichaltrige aus dem Dorf. Sie kannte ihresgleichen: junge Menschen mit gepflegten Haaren! Aber wenn sie sich mit einer sauberen Bäuerin über das Sticken und den Topferwerb austauschen konnte, weshalb sollte sie nicht mit Gleichaltrigen aus Erzenschöffer sprechen können? Sie scheute nichts. Außer fettige, verlauste Haare. Neugierig auf weitere Ideen trank sie von ihrem Tee und hörte den Hohen Herrschaften zu. Das Mädchen war schließlich hilfsbereit und mochte Tatkraft.

Wolfmar dachte über seinen gestrigen Gedanken am Ingerimm-Schrein nach, als soeben die Sprache nach Orten zu Verstecken aufkam. Er räusperte laut, um sich kurz Gehör zu verschaffen. “Falls ihr Orte zum Verstecken sucht, denkt bitte auch an stillgelegte Bergwerkstollen; sowohl kürzliche, wie auch ältere.”  ‘Stillgelegte Bergwerkstollen…’, versuchte sich die Knappin zu merken.

Die Rondrianerin erhob sich und erklärte: “Es ist nicht gerade meine Stärke, aber völlig ungeübt darin, die Spuren des Feindes aufzudecken, bin ich nicht. Mir ist es darüber hinaus gelegen, noch eine Idee aufzugreifen, die die hohe Dame von Eberbach äußerte: Wir sollten nicht aus dem Blick verlieren, wer ein Interesse an dieser Untat gegen das Grafenhaus hat. Wir sollten uns erkundigen, ob es jemanden gibt, der einen Groll gegen den Landgrafen und seine Familie hegt.”

"Sehr richtig, Euer Gnaden. Spracht Ihr nicht von einem Ordenshaus des Donnerer-Ordens ganz hier in der Nähe, die in diesen Dingen Auskunft geben könnte? Eventuell könnte man eine Delegation entsenden oder einen Boten entsenden? Ihr seid da sicherlich bewanderter im Umgang, als ich es bin. Eventuell könntet ihr dies mit der Untersuchung der Umgebung vereinbaren?" „Nun, das ließe sich machen“, bestätigte die Löwenritterin. "Gut. So schlage ich vor, dass sich all jene, die sich auf das Aufspüren und Verfolgen von Spuren jedweder Art verstehen, zusammentun, um als Delegation zum Ordenshaus zu ziehen und sich währenddessen in der Umgebung umzuschauen. Wer würde sich diesem Unterfangen anschließen wollen?" Irminella blickte in die Gesichter der Hohen Herren in Erwartung weiterer Wortmeldungen.

Leomar hatte sich lange zurückgehalten, dann ließ er eine weitere Bombe platzen. “ Es gäbe da noch etwas, gestern Abend war die Büttelin hier und hat ihr Interesse bekundet, warum sich die Anzahl an Rittern, Edlen und Knappen so stark erhöht hat. Ich würde sie nicht komplett einweihen, aber sie kennt sich hier besser aus als jeder von uns. Nach dem Frühstück würde ich sie aufsuchen und schauen was ich herausfinden kann, würde mich jemand begleiten ?” Eblaus nickte stumm. Das war wichtig, ja.

Fulco hörte seinen Reisegefährten aufmerksam zu. ’ Das geht schon etwas durcheinander, so läuft das etwas aus dem Ruder’ Er erhob erneut seine Stimme “ Ein guter Hinweis. Wenn ich kurz zusammenfassen darf, was wir haben. Erstens wollten wir” Hierbei hielt er einen Finger hoch, es sollten noch weitere folgen “darüber waren wir uns bei Seiner Wohlgeboren Oldebor ja schon so gut wie einig, den Schmied sowie seine zwergischen Gehilfen durch die Wohlgeborenen Xorgolosch und Grothak befragen. Zweitens würden wir unsere jungen Gefährten Peranna, Thimorn und  Guthmund bitten, sich bei der Dorfjugend umzuhören. Drittens, den Zuspruch aller vorausgesetzt, wären die Edlen Krispian und die ehrenwerte Vögtin Irminella unsere Anlaufstelle, sie sammeln und bündeln die Informationen, welche die anderen einsammeln. Viertens Ihre Gnaden Herrat würde mit einigen Gefährten die Gegend erkunden und in diesem Zusammenhang dem Orden einen Besuch abstatten. Wäre das nicht auch was für Euch Wolfmar und/oder Rondragon?  Fünftens Leomar würde sich mit Interessierten der Befragung der Büttelin annehmen.  Dann finde ich, dass wir den Hinweis von Peranna bezüglich der Preisentwicklung hier im Dorf  nicht außer acht lassen dürfen. Wäre das nicht etwas für die Herren Herrenfels und Aldenweyn? Im weitesten Sinne seid ihr ja Kollegen der Händler hier vor Ort. Dann würde ich Siebtens Vorschlagen, dass seine Gnaden Eblaus sich mit seinen Glaubensbrüdern und Schwestern vor Ort beschäftigt und die örtliche Gemeinschaft besucht.  Dann sollten wir dem Ortsvorsteher auch einen Besuch abstatten, das wäre dann achtens. Und zu guter letzte wollten wir auch die menschlichen Gehilfen des Schmiedes befragen, also neuntens. Habe ich irgendetwas vergessen oder ist jemand andere Meinung?  Ich würde mich gerne zur  Befragung des Ortsvorstehers und/oder der menschlichen Gehilfen des Schmiedes anbieten, vielleicht magst du mich dabei begleiten Ulfried.” Hier lächelte er den jungen Edlen kurz an “Wie sieht es mit Euch aus Wohlgeborenen Farold, Leodegar und Lysander, in welcher Gruppe sehr ihr Euch? “ Fulco dachte dachte kurz nach und nickte mehr zu sich selbst als zu seinen Gefährten. Er blickte in die versammelte Runde und machte ein auffordernden Gesichtsausdruck und wartete gespannt auf die Reaktionen der Anwesenden. Ihm war klar, das er vorgeprescht war und hier viele Personen versammelt waren,welche selber gerne den Ton angaben. Aber bei den Göttern etwas Disziplin und Tempo war schon geboten.  

So gefiel das auch dem Herrenfelser. Endlich brachte hier einmal jemand System in das Problem. Wie sonst sollte man knifflige Rätsel lösen, als mit ein wenig Struktur? “Gerne!”, erklärte der Händler. “Am Besten begleiten mich einige Herrschaften mit einem entsprechenden Geldbeutel. Womöglich der charmante Herr von Eisenfels? Ein gewinnendes Lächeln kann nie schaden!”

Auch Irminella nickte. "Die Vorliebe für schnelle Besprechungen teilt ihr mit Seiner Hochwohlgeboren Oldebor Greifax, Euer Wohlgeboren." Sie lächelte. "Oder darf ich Eure Ausführungen als Bewerbung als Organisator unseres Unterfangens deuten?" Sie machte eine Pause.  "Es ist zwar nicht meine bevorzugte Vorgehensweise alles auf einmal zu besprechen, aber Ihr habt alles erwähnt, was wichtig ist. Also…", sie blickte in die Runde, "machen wir es auf Eure Weise." Bei den letzten Worten war ihr Blick wieder bei Fulco angelangt. "Bitte, Hohe Herren, teilt Euch den Aufgaben zu, auf dass wir alsbald mit den Ermittlungen beginnen können."

Der Händler lächelte zufrieden. Fortschritt. Das tat wohl - für Geldbeutel und Wohlbefinden.

Ulfried nickte Fulco entschlossen zu und erhob sich dabei von der Bank. “Gehen wir es an!”

“ Sehr gut, dann machen wir dies!  Wir schaffen doch bestimmt den Vorsteher und die Gehilfen des Schmiedes oder was meint ihr” erwiderte er in Richtung Ulfried.  Dann nickte Fulco der Vögtin zu. “ Ich kann mich gerne für die Grundorganisation anbieten, will mich allerdings dahingehend auch nicht aufdrängen” Hier hob er beschwichtigend die Hände. “Dies liegt mir jedoch ganz gut. Ich würde auch lieber die Dinge differenzierter besprechen, jedoch ist eines der Probleme, das uns die Zeit im Nacken liegt” Er hob bei diesen Worten die Schultern leicht entschuldigend an und lächelte in Richtung Irminellas. 

Herrat merkte noch an: „Ich kann mich hier in der Umgebung nach Spuren umsehen. Doch zum Ordenshaus der Donnerer ist es ein weiterer Ritt. Ich denke, dieser Spur sollten wir erst nachgehen, wenn wir hier im Ort alle denkbaren Informationen zusammengetragen haben. Sonst verpasse ich womöglich noch das Wichtigste!“ 

"Ihr habt ja Recht, die Zeit war von Beginn an nicht unsere Freundin." Diese Worte richtete sie, genau wie die Folgenden an Fulco. "Es ist im Grunde gar nicht schlecht, wenn mehrere Personen den Überblick behalten. Doch sollten sich diese dann gegenseitig fortlaufend ins neueste Bild setzen. Sechs Augen sehen mehr als vier. Damit soll es aber auch gut sein. Hat jemand Einwände?" Sie machte eine Pause um eventuellen Einspruch zuzulassen. 

Krispinian von Tsawalden nickte zufrieden. Es lief alles so wie erwartet. ‘Faszinierend, wie sich mancher in die Rolle fügt, während mancher sich zu anderen Dingen berufen fühlt’, dachte sich der Edel zu Dunkelstein innerlich schmunzelnd.  Er deutete erneut auf seine Karte der Ortschaft und erhob die Stimme: “Dies greift meine Idee eines koordinierten Vorgehens auf. Lasst uns nun derart zu Werke gehen.” Er warf Irminella einen längeren Blick zu. “Wir werden hier auf Eure Ergebnisse warten, sie zusammentragen und erste Schlüsse daraus ziehen. Diese teilen wir dann zu späterer Stunde mit allen und einigen uns auf eine weitere Vorgehensweise. Gibt es dazu noch etwas zu ergänzen?” Er sah sich im Rund der Gefährten um. “Diese Preiserhöhung … Ich denke, dazu lassen sich Informationen an mehreren Stellen finden. Haltet bitte alle die Ohren in dieser Hinsicht auf, wenn Ihr Eure Erkundigungen beginnt.” An Herrat gewandt ergänzte er:”Euer Gnaden, vielleicht wollt Ihr einen Boten zu den Donnerern schicken? Mich dünkt, uns drängt die Zeit etwas.”

„Gut, ja, ich kann jemanden vorausschicken, der uns ankündigt. Aber…wie soll ich das richtig formulieren…?“ Die Rondrianerin rang nach dem richtigen Wort. Da fiel ihr Rhodan Herrenfels in Selbiges: „Die Donnerer achten nur - und ausschließlich - ihresgleichen. Sie verlangen einen ritterlichen Handschlag. Einem Fremden gegenüber sind sie nur dann aufgeschlossen, wenn er oder sie sich beweisen kann. Wobei eine reine Blutlinie Mindestvoraussetzung ist. Wir werden nicht umhinkommen, selbst zum Ordenshaus zu reiten. Aber wie gesagt: Das ist eine Spur, derer wir beizeiten nachgehen sollten. Zunächst…“ Die Löwenritterin war zwischenzeitlich rot angelaufen. Dieser überhebliche Pfeffersack hatte astrein getroffen, was sie zu sagen beabsichtigte, was ihr aber nicht gelang. Sie würde sich die Aufmerksamkeit wieder verschaffen: „machen wir uns hier schlau. Tragen wir zusammen, was wir zusammentragen können. Die Donnerer sind an jeder guten Geschichte interessiert“, bellte sie zwischenrein und funkelte den Rosenhainer Kontormeister böse an. Dieser gestikulierte beschwichtigend mit den Händen. Was so manche Dame von Adel zur Weißglut zu bringen geeignet war… So verletzliche Menschen…

Irminella hatte Krispinians Blick aufgefangen und mit einem leichten Nicken geantwortet. Dann war sie auf Grund des Hin und Hers zwischen Ihrer Gnaden Herrat von Bauernfeind und dem Händler Rhodan Herrenfels aus Ihren Gedanken gerissen worden und musste sich kurz sammeln. Dies tat sie, indem sie die Augen schloss und kurz den Kopf schüttelte. Dann stand sie auf.

Wolfmar erhob sich mit den Worten: “Ich werde mich der Gegenderkundigung anschließen. Als Kämpfer des Geleitschutz Plötzbogen kann ich dort am besten meine Fähigkeiten für die Gruppe einsetzen, denn ich glaube nicht, dass den Befragern in diesem Ort Gefahr droht.” Wolfmar nahm sich seine Jacke vom Haken, zog sie sich an und knöpfte sie sich zu. Danach zog er sich auch seine braunen feingliedrigen Handschuhe an und wartete an der Tür auf Herrat und diejenigen, die sich ihnen anschließen wollten.

"Gut. Ich glaube, ein jeder hat nun seine Aufgabe gefunden. Bedenkt, dass bei allem was wir tun, äußerste Diskretion zu bewahren ist, dass jede noch so kleine Körperregung Eures Gesprächspartners wichtig sein könnte und das Scheitern keine Option ist. Wir haben versprochen, nicht mit leeren Händen zurückzukehren und das werden wir nicht. Wenn ich mich umsehe ..." Sie machte eine ihrer Pausen. "... sehe ich Hohe Herren, Krieger, angehende Ritterinnen und Ritter, Diener der Götter und Kenner der Münze. Ich sehe Kompetenz in den unterschiedlichsten Bereichen. Lasst sie uns also gemeinsam gewinnbringend einsetzen, auf dass wir zurückholen, was des Grafenhauses ist! Geht nun, geht und findet heraus, wer sich am Grafenhaus und dessen rechtmäßigen Besitz vergangen hat! Ich zähle auf und vertraue in jeden von Euch!" 

Gorthak, der die Beratung bisher still verfolgt hatte warf einen Blick auf seinen Sitz- und Lehensnachbarn, der die Trinkwut eines echten Ambosszwerges bewiesen hatte. Die Lebensflamme zu schüren ist wichtig, doch was nützt es, wenn dies die Arbeitsfähigkeit so sehr beeinträchtigt.  Die Kurzlebigen schienen einen Plan und vorerst alles unter Kontrolle zu haben. Die beiden Angroschim der Gruppe hatten die ihnen zustehende Aufgabe. Das war zur Zeit alles was zählte, sodass es momentan nichts hinzuzufügen gab. Zufrieden kratzte sich der Angroscho am Bart und wartete darauf, was noch komme. Und wenn es das Aufbruchssignal war. 

Erneut blickte sie Krispinian an und setzte sich.

Krispinian von Tsawalden wartete, bis die anderen Anwesenden den Raum verlassen hatten. Dann wandte er sich mit ernstem Gesicht an Irminella.  “Wie ich gestern schon anmerkte - sieht man sich den Diebstahl aus der Perspektive an, dass jemand dem guten Oldebor schaden möchte, muss man verschiedene Dinge berücksichtigen. Meine Familie dient seit Generationen als minsteriale Verwalter, Schreiber und in weiteren Ämtern, die einen Einblick in die Ränkespiele, diplomatischen Verwicklungen und Bündnisse sowie Zerwürfnisse unserer Heimat gewähren. Resultierend daraus sollten wir bei unseren Recherchen berücksichtigen, dass auch unter uns jemand daran Interesse haben könnte, Oldebor oder gar unserem Grafen zu schaden. Ich habe gestern aufrichtig aufgezählt, wem ich hier vertraue - dabei seid Ihr eingeschlossen. “ Der Blick des Edlen zu Dunkelstein wurde noch eine Spur ernster. “Lasst uns daher die Augen offen halten und nach und nach die Spreu vom Weizen trennen.”

Je länger Krispinian von Tsawalden sprach, desto stärker legte sich die Stirn Irminellas in Falten. Als der Edle geendet hatte, ließ sie sich mit ihrer Antwort Zeit.

"Wenn Ihr diesen Umstand binnen kürzester Zeit wiederholt, muss es Euch Ernst sein damit. Ich hatte gehofft, dass unserer kleine Gemeinschaft eine verschworene ist. Doch, Ihr könntet richtig liegen mit Eurer Befürchtung und damit wäre es töricht meinem hehren Wunsch Vorzug zu geben. Gut." Sie macht erneut eine Pause, in der sich ihre Augen verengten. 

"Oldebor sprach von einem Empfang, auf dem Seine Hochwohlgeboren Graf Alrik Custodias-Greifax die Rüstung hätte tragen wollen. Bei solcherlei Anlässen überlässt man nichts dem Zufall - es muss also eine Liste geben, auf denen diejenigen verzeichnet sind, die eine Einladung erhalten haben. Und wenn wir Glück haben, auch eine Liste derer, die sich angemeldet haben - oder abgesagt. Letztere sind vermutlich sogar interessanter, was meint ihr? Wenn wir also an diese Liste kämen, könnten wir eventuelle Verbindungen zu den hier Anwesenden ziehen. Das ist zwar alles sehr vage, aber unversucht sollten wir wohl nichts lassen und ein Bote dürfte ja auch nicht lange brauchen." Krispinian von Tsawalden lächelte und nickte anerkennend. Diese Frau war nicht nur ein hübscher, sondern auch ein äußerst heller Kopf. “Ein hervorragender Einfall. Solch eine Liste würde uns sicherlich zusätzliche Aufschlüsse verschaffen. Ich arrangiere das mit dem Boten, das dürfte kein Problem sein. Nun denn, lasst uns nun Informationen einholen. Ich höre mich wegen diesen Preisen um, das scheint mir irgendwie eine sehr interessante Sache zu sein … Ihr werdet Euch ja der  Befragung der Büttelin widmen. Danach kehren wir zurück und bündeln die gesamten Informationen. Ich denke, ich werde Eblaus noch unterstützen.” Der Edle zu Dunkelstein erhob sich und lächelte Irminella einladend an. “Vorab aber lasst uns den Boten auf den Weg bringen.”

"Gut, danke. Macht das." Sie lächelte und nickte knapp. Anschließend erhob sie sich, um sich einen dickeren Mantel aus ihrem Zimmer zu holen. Als sie herunterkam, verabschiedete sie sich von Krispinian und ging zur Büttelin, um ihr gemeinsam mit Leomar auf den Zahn zu fühlen.

Marjan, die Wirtin, versprach, den Spüljungen nach Neukrashof zu schicken und eine Botschaft der Edlen mitzunehmen. ‘S’wird aber ein, zwei Tag’ dauern, bis er wieder hier is’’, warnte sie.

Der Brief

Krispinian von Tsawalden setzte sich kurz nieder und verfasste einen Brief an Oldebor: 

‘Euer Wohlgeboren, die Götter grüßend wenden wir uns mit folgendem Anliegen an Euch:  Die Ermittlungen sind bereits in vollem Gange, und um an einigen Stellen unsere Erkenntnisse konzertiert reflektieren zu können, bitten wir Euch um folgende Information:  Existiert eine Gästeliste für besagten Empfang, bei dem der zentrale Punkt unserer Ermittlungen von Graf Alrik präsentiert werden sollte? Wenn Ihr uns diese Liste zukommen lassen könntet, hätte dies womöglich entscheidenden Einfluss auf unsere Untersuchungen. Sollten zudem Kenntnisse darüber existieren, ob geladene Gäste bereits zu- oder abgesagt haben, würde es uns ebenfalls weiterhelfen. Habt vorab bereits Dank für Eure Unterstützung. Wir werden uns alsbald bei Euch mit neuen Erkenntnissen melden!

Die Götter zum Gruße Krispinian vom Tsawalden, Edler zu Dunkelstein, im Namen der Delegation zu Erzenschöffer’

Krispinian nickte zufrieden, versiegelte den Brief, übergab ihm den Boten und bat diesen eindringlich, keine Zeit zu verlieren. Bei diesen Worten steckte er ihm zwinkernd einen Silbertaler zu. 

Beim Schmied

Bei Tag erschien die Schmiede weit weniger finster. Das große Rolltor stand offen und von innen erklang das Fauchen des Blasebalgs und das helle, freundliche Klingen des Schmiedehammers auf dem Amboss. Eine Bäuerin mit einem wuchtigen Ackergaul stand davor, wartend, dass ihr Pferd beschlagen würde, und im Inneren ließen sich die Schemen von mehreren Menschen und Zwergen ausmachen.

Gorthak blieb einen Moment vor der Schmiede stehen, um die Eindrücke in sich aufzunehmen. Die Geräusche von Handwerk waren immer ein Wohlklang in seinen Ohren, unabhängig der Art des Gewerks. Es gab wenig Erhebenderes, als mit seinen eigenen Händen etwas aus Angroschs Schätzen zu schaffen. Da sich Xorgolosch nach der morgendlichen Besprechung wieder soweit gefangen hatte, waren sie ohne Umschweife zur Schmiede aufgebrochen. Ihnen beiden war klar, worum es ging und was auf dem Spiel stehen konnte. Vermutlich sogar klarer als den Kurzlebigen, die wieder einmal kaum weiter als bis zur eigenen Nasenspitze dachten. Nach einigen Momenten begab sich Gorthak in das Innere der Schmiede und sah sich aufmerksam um.

Xorgolosch war mit schwerem Kopf hinter Gorthak hergetappt. Die frische Luft hinterließ ihre Wirkung und so war sein Kopf auch schon fast wieder klar als sie vor der Schmiede standen. Allerdings schien Meister Ferrombarosch einen sehr lauten Amboss zu haben, denn das Geräusch des schlagenden Hammer klang so laut und schrill als ob der Amboss zwischen Xorgoloschs Ohren stehen würde. Stöhnend griff sich der Angroscho an den Kopf und ließ seinem Freund den Vortritt.

Die Schmiede war groß, größer jedenfalls als eine Dorfschmiede, und neben dem Schmied arbeiteten hier auch zwei Gesellen und zwei Lehrlinge. Die Haupterzeugnisse schienen Waffen und Rüstungen zu sein - zumindest waren dies die Werkstücke, an denen Schmied und Gesellen gerade zugange waren. Ferrombarosch Sohn des Gerambolosch, ein nicht ganz 66 Finger hoher Zwerg, stand an der Esse seiner Schmiede. Angetan war der Sohn des Gerambolosch mit schweren Stiefeln, stabiler Lederhose und dicker, von vielen Funkenflügen und Schmauchspuren versengter lederner Schmiedeschürze und einem drei Finger breiten eisernen Ring um einen beachtlich muskulösen Oberarm. Der Schmied blickte von seinem Werkstück auf, als die Gruppe die Schmiede betrat. “Angrosch zum Gruß, ihr Reisenden. Was wünscht ihr von mir?”

“Garoschem, ich bin Gorthak groscho Glorinthax und das ist Xorgolosch groscho Fuldoram und wir sind auf der Suche nach Ferrombarosch groscho Gerambolosch” sagte der Zwerg mit einer leichten Verbeugung und einer ruhigen Stimme. “Wir haben eine dringliche Angelegenheit zu besprechen.”

“Nun, dann habt ihr den gefunden!” Der Schmied lachte ein tiefes, polterndes Lachen, wie es nur der Kehle eines Angroscho entspringen konnte. “Und was liegt an?” fragte er, mit einem Mal deutlich ruhiger und ein gutes Stück wachsamer.

Xorgolosch versuchte immer noch den Kopfschmerz durch Schubbern und Reiben zu vertreiben, aber irgendwie gelang ihm das nicht recht. “Meister Ferrombarosch, es würde doch sicherlich besser sein, wenn das Gehämmere aufhört, oder?”

Während er einige Schritte an den Schmiedemeister herantrat, versuchte Gorthak so offen, freundlich und vertrauenswürdig zu wirken, wie es ihm möglich war. Als er nur noch 3 Schritte von Ferrombarosch entfernt stand, wechselte er vom Garethi ins Rogolan und sprach so leise, dass es nur der Schmied verstehen konnte. “Wir kommen im Auftrag des Junkers von Neukrashof, Oldebor Greifax. Wir sind mit der Untersuchung der Angelegenheit betraut, die sich hier vor gut drei Wochen ereignete. Wir möchten diese Sache …” hierbei drehte sich der Zwerg und schaute sich in der Schmiede um “... gerne vertraulich und unter sechs Augen mit dir besprechen. Ist und das irgendwie oder irgendwo möglich?” Hierbei versucht Gorthak soviel Vertrauenswürdigkeit in seine Stimme zu legen, wie ihm nur möglich war.

Xorgolosch war seinem Freund mit gequältem Gesicht gefolgt und nickte zustimmend. “Es ist sehr vertraulich!”

Ferrombarosch betrachtete die Angroscho (und Menschen) noch immer mit kritischem Blick unter finsteren, zusammengezogenen Brauen. Umständlich langsam löschte er sein aktuelles Werkstück - einen eleganten Dolch - in einem Wasserbottich ab, legte ihn beiseite und nahm seinen ledernen Bartschoner ab. “Dann kommt mal mit”, brummte er und führte seine unwillkommen Gäste aus der Schmiede, eine Steige im zweiten Hausflügel nach oben in eine vollkommen mit Holz vertäfelte Gute Stube, in deren Mitte ein großer Tisch mit Bänken und an deren Rändern mehrere kunstvoll geschnitzte und bemalte Truhen standen. “Setzt euch. Seine Hochgeboren Oldebor also?” Der kräftige Angroscho fuhr sich durch sein dichtes Haupthaar. Selbst auf seinen massiven Unterarmen wuchsen Haare, die manchen erkahlenden Menschen neidisch gemacht hätten - doch waren diese auch unterbrochen von vielerlei Brandspuren, die vermutlich feurige Funken geschlagen hatten. “Könnt ihr beweisen, dass ihr von diesem kommt?” Die saphirblauen Augen des Zwergen über der Knollennase wurden schmal. “Ich sehe ihn nämlich nicht bei euch. Also?”

Gorthak setzte sich und holte den kleinen Flachmann heraus, den er bereits beim gestrigen Ritt Xorgolosch angeboten hatte. Er bot den Flachmann den beiden anderen Zwergen an.

Xorgolosch griff nach dem Flachmann, murmelte etwas wie “Fangen wir damit an wo wir gestern aufgehört haben …” und nahm einen tiefen Schluck auf dem Flachmann bevor er ihn an den Schmied weiter reichte.

Auch Ferrombarosch nahm den Flachmann den ihm Xorgolosch reichte, roch kurz dran und nahm ebenfalls einen tiefen Schluck. Dann gab er die Metallflasche wieder zurück an Gorthak. “Das ist zwar ein guter Brandt, aber auch er klärt nicht wie ihr mit Seiner Hochgeboren zusammenhängt.” Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück und blickte erwartungsvoll die beiden an.

Nachdem er den Flachmann wieder verstaut hatte sah er den Schmiedemeister direkt aber auch offen und freundlich an.  “Ja wir kommen von seiner Hochgeboren Oldebor. Er beauftragte uns und einige Gigrim nach der entwendeten Rüstung des Heiligen Hlûthar zu suchen. Xorgolosch und ich stimmten dem ganzen Unternehmen zu, genau wie ein gutes Dutzend Menschen.” Er legte eine kurze Pause ein und dachte bei sich ‘auch wenn wir vermutlich andere Gründe haben als die kurzlebigen Kinder’.  “Sie alle stellen aktuell Nachforschungen an, um die Rüstung wiederzufinden. Seine Hochgeboren hat scheinbar anderes zu tun, als die Rüstung zu suchen, sodass er auch nicht persönlich hier sein kann. Wenn Du immer noch Zweifel an unserer Aufrichtigkeit hast, dann können wir dir entweder mehr erzählen oder wir lassen nach dem Herrn Herrenfels schicken, welcher sich unserer Suche ebenfalls angeschlossen hat und unseren Auftrag bezeugen kann. Er hält sich zur Zeit ebenfalls in Erzschöffen auf.” Gorthak sah sein Gegenüber mit einer Mischung aus Frage und Herausforderung in den Augen an.

“Nun gut - da nur Herr Oldebor und die Diebe wissen, was ich hier repariert habe und ihr nicht die Diebe seid, kann ich euch glauben”, brummte der Schmied. “Das verflixte Ding ist mir tatsächlich abhanden gekommen - mir!” Die Entrüstung erweckte loderndes Feuer in seinen tiefblauen Augen. “Die Rüstung war schon fertig. Eine der Seitenschnallen war defekt, und auch ihr Gegenstück angerissen. Das macht es nicht einfach - die Rüstung ist aus einer besonderen Legierung, die sehr schwer zu bearbeiten ist. Zum Glück sind mein Garoschim aus Rugoschrom im Besitz einer Ader des passenden Erzes und haben es mir gebracht.” Die Verärgerung verfärbte auch noch den drei Wochen noch sein Gesicht. “Ich habe sie die ganze Zeit in einer eigenen Kammer gut verschlossen gelagert, den Schlüssel habe ich immer hier am Gürtel.” Er deutet auf das schwere Schlüsselbund, dass er am Gürtel hängen hatte. “Dort sind auch die Edelmetalle, die ich verarbeite. Aber als ich dann am nächsten Tag da nachsah, um mir noch ein paar Brox Auromur zu holen - da war sie weg! Wie mit Drachenwerk fortgezaubert! Dabei war es doch erst kurz nach dem Mittagsmahl. Die Rüstung war erst am Morgen fertig geworden und wir haben die Nacht durchgeschmiedet. ‘Logoram Malmar molom logorom Borasch!’” Der Angroscho knurrte unwillig. “Als alles fertig war, habe ich das Stück gut verschlossen und bin mit den Lehrlingen, den Gesellen und den Garoschim in die Höh, um dort das Werk zu begießen - und gleich einen kleine Happen zu essen. Da aber hatten wir keine Ruhe, weil sich die fremden Gigrim, die in der Schankstube waren, mit ein paar ehrbaren Handwerksgesellen in die Flicken gekriegt haben - und wir haben nur mit Mühe ein Bier bekommen, weil die Wirtsleut mit der Büttelin versucht haben, die Streithähne zu trennen. Auriane, die Schankmagd, hat uns aber brav bedient. Und dann haben sie noch das Bier der Höh beleidigt und das war einem der Garoschim zu viel und schon hatten wir die schönste Keilerei. Als die dann zu Ende war und wir den Dumpfelmosers geholfen hatten den Schankraum wieder herzurichten und wir uns dann den Ruß aus den Kehlen gespült und ein paar Bissen gegessen haben, sind wir wieder in die Schmiede und haben weitergearbeitet - wir haben schließlich mehr als die Rüstung zu machen. Das war dann so zwei, drei Wassermaß später. Ich hab’ Rabine, die Gesellin, nach Neukrashof geschickt, um dem Junker Greifax Bescheid zu geben, dass die Rüstung fertig ist. Und am nächsten Tag, als ich in die Kammer bin, da hat’s mich fast umgehauen!”  Er donnerte mit der Faust auf den Tisch und seine Augen verschwanden schier unter seinen dicken, borstigen Brauen.”Bei Angroschs dicken Klöten! Wenn ich die Hundsfotte in die Finger kriege, schlag’ ich sie auf meinem Amboss zu Brei!”

Nachdem er sich den Bericht angehört und einige Momente still nachgedacht hatte sagte er: “Deine Wut ist mehr als verständlich. Wer einen Angroscho bestiehlt der verdient solche ein Schicksal. Aber versuchen wir erstmal die Diebe zu fassen, bevor wir sie strafen. Sag, kannst Du oder einer deiner Lehrlinge die Grigrim beschreiben? Namen, Besonderheiten… irgendeinen Anhaltspunkt? Etwas, dass ihr bei der Keilerei bemerkt habt?  Und wie sieht es aus, darf ich mir einmal die Kammer anschauen?” Nach einem kurzen Moment, in dem er geistesabwesend mit seinem Anhänger gespielt hatte fügte er hinzu “Wann ist es am einfachsten in deine Schmiede einzudringen? In der Nacht, wo keiner schaut, oder am Tage, während ihr in der Höh für Euer Recht gestritten habt?” Mit Blick zu seinem Reisegefährten fragte er: “Fällt Dir noch etwas ein, was wir wissen müssten?”

Nach dem Schluck aus dem Flachmann ging es Xorgolosch zwar wieder etwas besser, aber irgendwie konnte er der Geschichte am heutigen Morgen noch nicht ganz folgen, daher schüttelte er nur den Kopf.

“Wen ich im Verdacht habe? Hm - schwierig. An dem Tag waren viel bei mir. Meine Brüder und Schwestern aus Koschim - Datasch Sohn des Rumwim, der Steiger, und seine Gesellen. Die haben sich sehr für die Hlûtharsrüstung interessiert - aber immerhin sind sie Angroscho und die Rüstung ist eines der Meisterstücke von Aurin und Raurin, und immerhin haben sie Material dafür aus der Binge angeliefert. Dann kamen die Donnerer - eine Hauptfrau von Hinterwalden, so ein Albernischer Name, Enif oder so ähnlich. Die haben einen Zweihänder abgeholt, den sie haben reparieren lassen. Sie hatten in der Höh von der Hlûtharsrüstung gehört und gefragt, ob sie die sehen könnten - nicht oft haben sie die Freude bei einem so hohen Artefakt der Herrin Rondra. Plättners Wina und der Zerfer haben mich auch gefragt, ob ich ihnen die Rüstung nicht verkaufen will - aber ich hab’ ihnen gesagt, dass sie so viel Gold in zehn Leben nicht verdienen können. Und dann kam da noch der Liebfelder mit seinem Weib - Yaquirdorp hießen sie. Die bezeichneten sich als Zwergenforscher - als wärn wir Käfer, die man genau beobachten muss! Alles ganz genau über Aurin und Raurin und die Rüstung Hlûthars wollten sie wissen und haben noch nach den allerkleinsten Schmiedegeheimnissen gefragt, als ob die Gigrim das auch nur irgendwas anginge! Ja, nicht mal Rogolan haben die gesprochen! Ich hab’ sie wieder weggeschickt. Vermutlich hat sie das so verärgert, dass sie dann in der Höh Ärger gemacht haben - im Schankraum hat er sich geprügelt, grad’, als wir da unseren Mittagshumpen genießen wollten. Lauter Irre! Allesamt!”

Nach einigen heftigen Atemzügen fuhr dann fort: “Ich weiß nicht, wann der Einbruch stattgefunden haben mag, aber natürlich war die Tür verschlossen! Sowas von!  Und den Schlüssel hab’ ich immer hier!”  Er deutete auf das schwere Schlüsselbund, das mit einer Kette an seinem Gürtel befestigt war. “Ich habe das Schloss nach dem Einbruch auseinander genommen und dabei festgestellt, dass es innen Spuren von Kratzern gab. Das Schloß wurde mit einem Nachschlüssel oder Alrik aufgemacht. Angrosch hätte mich auch mit Blindheit geschlagen, wenn mir irgendwer meine Schlüssel wegnimmt!” 

“Viele Verdächtige Reisende. Jemandem aus dem Ort traust Du so eine Tat nicht zu oder?” Während er die Frage eher zögerlich stellte, spielte der Zwerg an seinem Amulett. “Hat das Lager von Angroschs Schätzen irgendwelche zusätzlichen Sicherungsmechanismen? Außer dem Schloss? Und wo wir gerade bei dem Schloss sind, den Schlüssel den Du hütest, wie die Drachen ihren Hort ist einmalig oder? Weil wenn dem so ist, dann fällt ein Nachschlüssel aus oder? Hast Du was dagegen, wenn ich mir den Schlüssel einmal anschaue, sowie das Schloss und den Ort der Missetat?” fragte Gorthak vorsichtig an.

“Auch wenn ihr zwei sagt, dass ihr von Meister Oldebor geschickt wurdet”, meinte der Schmiedemeister mit ernster werdender Miene, “ich werde euch ganz bestimmt nicht die Sicherungsmechanismen meiner Schmiede erklären! Und natürlich, bei Angroschs langem Bart, es gab sie und es gibt sie jetzt noch besser. Der Schlüssel ist ebenfalls einmalig, es ist ein altes Meisterstück, das vor vielen Jahrzehnten geschmiedet wurde. Ich habe es vor langer Zeit vom damaligen Ingerimmgeweihten geschenkt bekommen.” Dann stand er hinter seinem Tisch auf und winkte den beiden Angroschim ihm zu folgen. Er ging zurück in die Werkstatt und von dort eine kleine Treppe hinab in einen kurzen Kellergang an dessem Ende eine schwere mit breiten Bänder beschlagene Tür den weiteren Zugang versperrte. In der Mitte der Tür war ein komplizierte Schloss eingelassen, dass von Ferrombarosch mit einem sehr langen Schlüssel mit einem komplexen Bart geöffnet wurde. Als die Tür offen stand konnte die beiden erkennen, dass diese aus mehreren Lagen stabiler Bretter gebaut war zwischen denen Eisenplatten eingelegt waren. Der Raum dahinter war wohl gut drei Schritt im Quadrat groß und an den gemauerten Wänden standen mehrere schwere Truhen und Kisten. Es waren Metallbarren gestapeln und verschiedenste Rohlinge von Waffen stecken in Holfzässern. In der Mitte des Raumes stand ein - jetzt leeres - Holzgestell auf dem man ein Rüstung drapieren konnte. “Nun schaut euch um.”

Gorthak geht in den Raum und schaut sich mit großem Interesse um. Dabei gilt sein Interesse nicht nur den Schmiedearbeiten, welche er zwar nicht beurteilen, dennoch bewundern kann, sondern auch dem Raum selbst. Er schaut nach anderen Eingangsmöglichkeiten, außer der Tür, nach Schäden in Wänden, Decke oder Boden und natürlich nach Ungereimtheiten und Auffälligkeiten. Vielleicht hilft ihm hierbei ja sein Zwergennäschen sowie die Jahrzehnte, die er auf Reisen verbracht hat. Währenddessen sagt er fast wie beiläufig zu Ferrombarosch: “Du erwähntest noch nicht, wer aus dem Ort vielleicht ein Interesse an diesem Frevel haben könnte. Oder wer dafür genug Können und Wissen hätte.”

“Wenn ich das wüsste, dann hätte ich dem Dieb schon meine Faust zum Schmecken gegeben”, grollte der Schmied verärgert.

“Weißt Du, was ich mich die ganze Zeit schon frage: Hast Du in letzter Zeit Gerüchte über drachische Aktivität gehört? Warum sonst sollte jemand eine Rüstung, die gegen die Teufel schützt stehlen, wenn nicht um sie entweder gegen sie einzusetzen oder schlimmer, uns ihre Nutzung zu verwehren. So könnten die Monster einen Vorteil haben, der es uns etwas schwerer macht, sie zu bekämpfen.”

“Drax?” der Schmied schüttelte den Kopf. “Damit hatten wir in letzter Zeit zum Glück nichts zu tun. Ich glaube eher, dass das irgendein ein Gigrim den anderen einen auswischen will.”

Nicht ganz zufrieden mit der Ausbeute an Informationen grummelte Gorthak etwas, während er wartete, dass die Kammer wieder verschlossen wurde.  "Dank Dir, für die Hilfe und die Auskunft. Vielleicht ist dies ja das Zahnrad, was im Getriebe fehlt. Wir werden es bald wissen. Möge dein Feuer immer brennen und Angrosch deinen Hammer führen. Hoscha reworim" Mit einer leichten Verbeugung verließ Gorthak die Schmiede, versunken in seine Gedanken. 

Xorgolosch bedankte sich ebenfalls bei dem Schmied und folgte seinem Freund. Da dieser seine Gedanken sortierte und nicht sprach, ging er schweigend neben ihm her zurück in die Herberge.

Die Dorfjugend

Die Suche nach der Dorfjugend gestaltete sich schwierig - der Marktplatz war, was die jüngeren Einwohner anbelangte, leer, bis auf einen jungen Knecht, der am Brunnen mit einer Bäuerin schäkerte, während er Eimer um Eimer Wasser aus dem Brunnen nach oben kurbelte. Offensichtlich waren es einige Schritt hinunter bis zum Wasserspiegel. Neben den beiden standen noch acht mittelalte bis - in einem Fall - steinalte Herrschaften, die darauf warteten, ihre Wassereimer zu befüllen.

Währenddessen wanderte der örtliche Gänsehirt, ein vielleicht dreizehn Sommer zählender Bursche, mit seiner schnatternden und watschelnden Schar quer über den Dorfplatz.

“Seht Euch die Gänse an, ihr jungen Herren. Es ist doch herzallerliebst!”, entfuhr es der Knappin von Eisenfels, die sehr tierlieb war. Entzückt blickte sie drein. Der Gänsehirt schien etwa in ihrem Alter zu sein. Praktisch veranlagt, wie sie nun einmal war, sprach sie mit den jungen Herren gar nichts ab, sondern bewegte sich flotten Schrittes, vermutlich übereilt, als Erste dem Jungen mit seiner Gänseschar entgegen. Sie erfreute sich dabei an den gefiederten Tieren: “Die Zwölfe zum Gruße! Diese hier schnattern und watscheln am Schönsten. Haben sie Namen?”, erfragte das Graupenmädchen.

Thimorns Gesicht war von einem breiten Grinsen gezeichnet. Er hatte sich Sorgen gemacht, dass es schwer sein würde mit den Dörflern unverfänglich in Kontakt zu kommen. Aber die Begeisterungsfähigkeit des Graupenmädchens war weder vorgetäuscht, noch kannte sie scheinbar Grenzen. Gemächlich schritt Thimorn seiner jungen Begleiterin hinterher. Ein paar Schritt hinter ihr kam er zum stehen und nickte dem Gänsehirt freundlich zu, wartete jedoch erst auf seine Antwort.

Die Gänse allerdings bewiesen Travias Fürsorge und Wachsamkeit - für ihren Hirten. Als Peranna so forsch auf sie zulief, plusterten sich die Tiere auf, reckten die Hälse und schlugen mit den Flügeln, um sich groß und eindrucksvoll zu machen. “Kssssch, alles gut, meine Mäuschchen, alles gut!” versuchte der Junge seine vielfedrige Anhängerschaft zu beruhigen. “Ich bin Firman, junge Dame.” Er nickte bestätigend, so dass seine weizenblonden Haare in sein Gesicht fielen. “Und sicher haben sie Namen - das hier” er wies auf eine graue Gans, die sich direkt vor ihm aufgebaut hatte “ist Cella, und diese hier Elfgyva … und sie hören sogar darauf!” Das ärgerliche Zischen der beiden Angesprochenen ließ die Frage aufkeimen, auf welche Weise sie solcherlei Huld ausdrückten. “Was darf ich für euch tun?” schob er sicherheitshalber hinterher.

Beeindruckt trat die Knappin ein zwei Schritte zurück nach hinten. ‘Dass Gänse so böse werden konnten, das wusste ich nicht! Besonders diese graue Cella verteidigt ihren Herren mächtig.’, dachte sich Peranna. Das Graupenmädchen staunte über ihr Aufbäumen und Zischen: ‘Mit einer Herde Gänse, die auf ihre Namen hört, wollte ich hier und jetzt nicht rangeln…’. Sofort warf sie einen überraschten Blick auf den älteren und größeren Thimorn. Sie sah, ob dieser nun zu reden ansetzte, bevor Peranna Sabeas muntere Augen zu Firman, dem Gänsehirt, und seiner gefiederten Wächterschar zurückkehrten. Für das Erste verblieb sie wohlwollend und anteilnehmend. Falls der fuchshaarige Eychstädtknappe nichts sagte, vermochte sie weiterzusprechen. Die weizenblonden Haare des Jungen aus dem Dorf waren zwar nicht gekämmt wie sie es gewohnt war, aber die Farbe war nett anzusehen. Es war nicht abstoßend mit ihm zu reden. Obendrein war er freundlich.

“Wahrlich so wild wie die gütige Mutter, wenn jemand die Gesetze der Gastfreundschaft missachtet.” Der Knappe musterte neugierig die sich aufplusternden Tiere. Ein paar solcher Tiere würden sicher auch dem Hof Auroth gut stehen! Er blickte dann wieder dem Hirten der Tiere ins Gesicht. “Travia zum Gruße, Firman. Ich bin Thimorn von Hauerberg. Ein tüchtiges Dorf habt ihr hier.” Er wollte nicht zu viel sagen, vielleicht hatte das Graupenmächen schon einen Vorwand gefunden um mit dem Jungen ins Gespräch zu kommen. Innerlich fluchte er über sich selbst. Völlig unvorbereitet waren sie in die Situation gestolpert! Hätten sie doch einen guten Schlachtplan ausgetüftelt, dann wäre das alles viel einfacher.

Das Graupenmädchen machte sich überhaupt keine Gedanken über irgendwelche Pläne, denn zu lügen schickte sich eh nicht. Sie konnte das auch nicht! Was verschwiegen werden musste, das würde sie verschweigen. Man las sie sowieso wie ein offenes Buch. Also sprach sie wie ihr der Schnabel gewachsen war in dem Sinne, dass sie keine Umwege unternahm: “Peranna von Graupen. Es freut mich, Euch, Cella, Elfgyva… und die anderen kennenzulernen.”, meinte sie und schaute wieder auf die Gänse, die nun mehr Abstand zu ihr hatten: “Unsere Hohen Herrschaften erlaubten uns jungen Damen und Herren heute in den Ort zu gehen. Wir sehen ihn zum ersten Mal und wissen nicht, was junge Leute hier tun. Wir fragen uns, was machen junge Menschen hier, wenn sie spielen wollen, wo treffen sie sich, wo suchen sie Herausforderungen? Ihr wisst doch sicher etwas Kurzweiliges aus Erzenschöffer zu erzählen, Firman? Ihr kommt von hier und verbringt hier Eure Jugend.”, fragte die Knappin direkt nach seinen Geschichten. Am besten welche über stillgelegte Bergwerkstollen. Sie würden sehen.

“Ja mei.” Firman wischte sich seine strubbelligen Haare aus der Stirn und blickte die junge Edeldame unsicher an. “Wir arbeiten halt - was auch sonst? Ich hüt’ die Gänse, meine Schwester ist Lehrling beim Schmied, und die Kleinen helfen im Haus und auf den Feldern. Wir sind keine Herrschaften, edle Dame.” 

So hatte sich Peranna das Leben eines etwa gleichaltrigen Gänsehirten wohl nicht vorgestellt: “Achso? Natürlich, immer tüchtig, immer tüchtig.” Verlegen blickte sie kurz zu Thimorn und Gutmundt, denn sie fand auch nicht, dass ihre Dienstjahre unbedingt Herrenjahre waren, jedoch mag ein Gänsehirt’ das anders sehen, darum schwieg sie. Es half ja nichts. Wie sollte sie anders nach Verstecken fragen? ‘Die Gänse, natürlich!’. Sie setzte noch einmal an:  “Dann erlebt ihr sicher Vieles mit Euren Gänsen! Ist euch schon einmal eine davon gelaufen? Und hat sich… versteckt? Und Ihr musstet sie suchen gehen?”, versuchte sie es neu. Inzwischen war auf ihrem Gesicht ein Mirellenrot, doch sie machte tapfer weiter. Das Gespräch über die Gänse hatte vorhin ja geklappt. Vielleicht sollte sie bei des Gänsehirten Gänsen bleiben! Und Travia zeigte sich so fürsorglich und großzügig  den drei Knappinnen und Knappen eine Herdfeuergeschichte zu schenken, die ihnen und den Hohen Herrschaften von Nutzen war, um die Rüstung des Heiligen Hlûthar wiederzubeschaffen. Sollte der Junge ruhig denken, was er wollte im Bezug auf das Tagwerk der Edlen. Sie würde ihn nicht dafür tadeln, dass sie auch Arbeit hatten. Nein, sie wollten Verstecke hören.

“Ja klar - ich meine, gewiss, junge Dame.” Firman nickte energisch. “Die Fastrada, die ist mir letztens entwischt - und gefunden hab’ ich sie dann unter’m Holzstoß vom Schmied, die hatt’ richtig Glück’, dass ich sie wieder da vorgezogen hab, eh’s sie nachts der Fuchs g’holt hätt. Und den Bardo, aber der ist a bissl einfältig, der is in’n Stall vom Schneider g’wackelt, und hat g’ruf’n, als dann d’Tür hinter ihm zug’fallen is. Und die Emer, die is mal bis zum Misthaufen von d’r Höh flattert.” Er schüttelte entrüstet den Kopf über solche dummen Auslfüge. “Aber der Brin, der is in die Hecken gekrochen und den hatt’ dann wirklcih der Fuchs erwischt, bevor ich ihn abends gefunden hab.” Ein einfaches Leben war das Gänsehüten weiß Travia nicht!

“Und welche von ihnen ist die stolze Rohaja, die die ganze Gänseschar sicher übers Land leitet?”, merkte Thimorn halb amüsiert halb streng an. Mal ganz davon abgesehen, dass er alle Mühe hatte den Burschen zu verstehen hatte dieser doch  eine sehr eigenwillige Benennung seiner Schützlinge vorgenommen. Der junge Hauerberger Sprößling wusste nicht so recht, ob die kaiserlichen Namen nicht eine etwas unangemessene Wahl waren. Aber sie waren aus anderem Anlass hier, wie er sich erinnerte. “Wir haben von unseren Hohen Herren die Erlaubnis uns etwas in der Umgebung des Dorfes umzusehen. Weißt du ob es in der Gegend etwas zu entdecken gibt? Eine verlassene Ruine oder eine verwunschene Höhle, wie aus den alten Geschichten vielleicht?” Zufrieden mit sich selbst nickte der Knappe. Er hatte zwar nicht die ganze Wahrheit gesagt, aber gelogen hatte er auch nicht. Und Verdacht schöpfen würde der Bursche doch bei so einer Frage sicher nicht.

Peranna fieberte mit den Geschichten des Gänsehirten mit. Und seine Namen waren für sie zum Schmunzeln, waren seine Gänse doch sicher das Wichtigste für die Familie und so viel wert wie ein ganzer Schatz. Lustig wäre es selbstverständlich, wenn sie auch ihre Eigenschaften hätten… oder wenn Firman einige Küken nach ihnen benennen würde: ‘Peranna, Thimorn und Gutmundt’ und die liefen dann alle später schnatternd hintereinander... Doch das ging Peranna gar nichts an! Sie überließ nun Thimorn das Reden und nickte ihm brummend zu. Des Brummens wegen.

“Es gibt die Min’ - inn’n Bergen, ab da dürfn nur die Bergleut’ rein.” gab Firman bereitwillig zur Auskunft. “Die alte Scheun hat die Seblerin letztes Jahr wieder aufgebaut, die acht’t d’rauf, dass wir da nimmer rein geh’n, weil sie den Heuwagen und ihr Heu drin hat. Aber sonst wüsst’ ich da nix, junge Herrschaft’n.” Bedauernd schüttelte Firman den Kopf. “Aber vom Wäldchen auf’m Hagrechtsbuckel habt ihr’n guten Blick gen Kosch, da ist’s ganz hübsch, wenn ihr so was sucht.” versuchte er hilfreich herauszufinden, womit er die Fragen der Fremden vielleicht beantworten konnte.

Thimorn schaute sich fragend zu seinen Begleitern um. “Was meint ihr? Sollen wir einen Gang zu diesem Aussichtspunkt machen? Oder ist es weit dorthin?” Er blickte wieder gen Firman und kniff nachdenklich die Augen zusammen. Die Mine machte ihn auch neugierig, aber da rein zu kommen schien ohne triftigen Grund nicht ganz einfach zu sein.

Perannas Ausdruck schien nichts dagegen einzuwenden. Sie stemmte eine Hand in ihre Hüften und hörte dem Gänsehirten aufmerksam weiter zu. “Das is nich weit, grad’ mal eine Wegstund’.” erklärte Firman hilfreich. “Ich b’schreib euch den Weg, wenn ihr wollt.” Thimorn nickte und stemmte die Hände in die Hüften. “Habt Dank, den Ausblick wollen wir uns nicht entgehen lassen. Also auf welchem Weg leitet uns der Herr Aves zu unserem Ziel?” Der Gänsebursche beschrieb den jungen Herrschaften den Weg so gründlich wie er vermochte - und wie er ihn aus dem Gang mit seiner Gänseschar erlebte. Hoch zu Roß - oder auch ohne watschelnde, federtragende Entourage - war der Weg rascher zu bewerkstelligen. Der ‘Hagrechtsbuckel’ war eine kleine Anhöhe über einem Wäldchen und bot einen sehr weiten Blick ins Umland über die Vorberge des Kosch, vom Hügelland, in dem Erzenschöffer irgendwo verborgen liegen musste, bis hin zur Straße gen Firun, die irgendwo weit hinter den Hügeln und Wäldern auf die Reichsstraße III treffen würde. Ein hübsches Fleckchen Dere.

“Habt Dank, Firman. Mögen die Zwölfe mit Euch sein.”, verabschiedete sich das Graupenmädchen von dem Gänsehirten und seinen gefiederten Freunden. Heimlich hoffte sie darauf, dass es einmal Gänseküken gab, die ihren Namen tragen würden. Peranna und Thimorn. Ihr war nicht ganz klar, was sie herausgefunden hatten, doch war es doch manchmal gar nicht verkehrt sich einen Überblick zu verschaffen. Manchmal auch einen, der wortwörtlich so gemeint war! Sie wartete ab, bis der Eychstädtknappe sich verabschiedet hatte und sah Thimorn und Gutmundt entschlossen an: “Nun. Ist Euch nach einem Ausflug zumute oder nach einem weiteren abenteuerlichen Gespräch, junge Herren?”, fragte Peranna die beiden witzelnd, bevor sie die beiden Turteltauben am Brunnen ansah und sich eines Besseren besann. Ihre Begeisterung auf dem Gesicht blieb aus und verzog sich in eine Grimasse des Ekels. Sie verkreuzte die Arme vor ihrer Brust als schien es ihr lieber zu sein Erzenschöffer einmal aus der Vogelperspektive zu betrachten. Doch was hatten sie herausgefunden?

“Habt Dank, die Gütige Mutter mit Euch und Eurer Schar.” Verabschiedete sich auch der Knappe von dem Gänsehirt. Mit etwas Abstand wandte er sich an die anderen. “Nun außerordentlich ertragreich war das ganze nicht. Die Mine würde sich sicher als geeignetes Versteck dienen, aber dort hinein zu kommen scheint nicht ganz einfach zu sein. Vielleicht fragen wir noch etwas weiter herum und sollten wir bis zum Mittag nichts gefunden haben können wir mit unseren Pferden immer noch im Hellen den Aussichtspunkt erreichen.” 

Der ältere von Hauerberg sprach aus, was Peranna dachte. Sie nickte: “Ich gebe Euch recht. Vielleicht sollten wir uns etwas von den beiden am Brunnen über die Minen und die Bergleute erzählen lassen?”, meinte sie im angemessenen Tonfall, wobei sie nicht wusste, wie man noch zwischen die beiden Schäkernden geraten sollte. Wäre es nicht unter ihrem Stand, könnten sie bei der Wasserbeschaffung behilflich sein. Der Bursche dort drüben musste schon lahme Arme haben… Wobei er das nicht zeigte: ‘Wer kannte eigentlich bessere Verstecke als zwei Liebende?’, schoss es ihr plötzlich durch den Kopf. Es war schon etwas eklig. Doch nur die Götter wussten, ob bei dieser Begegnung nicht doch ein Sinn dahintersteckte. ‘Also Peranna, mutig voran! Oder Thimorn oder Gutmundt…’

Thimorn nickte Peranna zustimmend zu und wandte sich in Richtung des Brunnens. Mit großen Schritten stapfte er zu den beiden Turteltäubchen und räusperte sich vernehmlich. “Entschuldigt, würdet Ihr mir erlauben mit etwas Wasser aus dem nächsten Eimer meinen Schlauch aufzufüllen?” Umständlich nestelte er das Gefäß von seinem Gürtel und lächelte den beiden zu. Die Bäuerin, eine Frau Anfang zwanzig mit weizenblonden, zu einer Flechtkrone gebundenen Haaren, die unter ihrem Kopftuch hervorlugten, musterte die Knappen, die ihren eingehenden Austausch mit dem jungen Burschen beendet hatte. “Ja freilich, hohe Herrschaften. Etzel, gib’ ihnen doch den Eimer.” stupste sie den jungen Burschen an, der den Eimer auf dem Brunnenrand in Richtung Thimorn wuchtete. “Bitteschön.” meinte er höflich.

Vorsichtig füllte Thimorn das Wasser in den kaum halb leeren Schlauch und nickte den beiden dann freundlich zu. “Travia zum Dank Euch beiden. Meine Gefährten und ich würden gerne der Mine einen Besuch abstatten, für die Eure schöne Ortschaft hier bekannt ist. Könntet ihr uns mit einer Wegbeschreibung helfen?” “Hm, das müsst ihr mit der Steigerin abklären. Die bestimmt, wer in die Mine darf. Die findet ihr abends in der Höh. Aber tagsüber sind die Bergleut’ in der Mine. Und Abends wird das Mundloch versperrt, die haben extra ein Tor zimmern lassen, nachdem vor ein paar Götterläufen mal zwei Ziegen hineingelaufen und abgestürzt sind.” Der junge Mann grinste. “Meine Schwester ist ebenfalls Bergfrau, deshalb weiß ich da so gut Bescheid. Der Herr Ingerimm meint’s gut mit uns hier in Erzenschöffer.” Thimorn sah sich erst einmal nach seinen Begleitern um, während er den Schlauch wieder an seinem Gürtel festknüpfte. Mit der Information konnten sie wenig anfangen, aber vielleicht hatte einer der anderen einen guten Einfall. “In Ordnung. Das klingt doch erfreulich. Verzeiht meine Neugierde, doch wie ist das Leben in Erzenschöffer denn so für Bergbaufamilien? Mögt Ihr darüber erzählen wie es war und wie es ist?”, erkundigte sich Peranna, denn das könnte ihnen zumindest Aufschluss darüber geben, ob die Bergarbeiter in das Problem mit Hlûthars Rüstung involviert sein konnten oder ob sie sich auf der völlig falschen Fährte befanden. “Uns geht’s gut - das Bergrecht liegt bei den Zwergen, aber in der hiesigen Mine haben wir Abbaurechte und der Erzpreis ist richtig gut. S’ ist zwar anstrengend für die Hauer, aber’s bringt ein gut’s Auskommen. Besser als bei ei’m Bauern, wo auch mal eine Ernte schlecht sein kann. Dafür ist’s gefährlich, wenn’s einen Firstfall gibt und Hauer verschüttet werd’n, aber das is, ingerimmseidank, schon seit drei Dutzend Götterläufen nimmer passiert. Aber hier in Erzenschöffer wird scho’ immer Erz g’fördert.” Er lächelte zufrieden und sichtlich stolz auf seinen Herkunftsort. “Gibt es denn nirgendwo eine Möglichkeit in den Berg hinein zu schauen? Ich komme aus dem Flachland an der Tommel und Minen und Stollen sind etwas, das ich nur aus den Geschichten der Angroschim kenne. Ich würde gerne sehen woher das Eisen für den Stahl kommt, den ich in Händen halte.” Er klopfte sich mit der Faust gegen das Blatt der handlichen Streitaxt an seinem Gürtel. “Nein, junger Herr, ich fürcht’, das ist Sach’ der Bergleut. Und die woll’n auch nicht, dass Fremde ihr’ Kunst abschau’n, verzeiht, dass ich das so deutlich sag’.” Gab der Dörfler zur Auskunft.

Peranna hatte zu dem Ganzen nichts mehr beizutragen. Sie hörte, dass das Bergrecht Erzenschöffers bei den Zwergen lag, dass die Hauer Abbaurechte von ihnen bekamen und dass auch unter der Jugend bekannt war, dass die Erzpreise momentan sehr gut zum Taler ausgeben waren. Die Gespräche verliefen zäh, was vielleicht daran lag, dass niemand hier etwas Dienliches wusste. Die Knappin sah Thimorn an, ob dieser noch etwas zu fragen pflegte. Sie war wohl durch die Gesprächen bedient und würde sich als nächstes ihrerseits verabschieden, wenn es nichts mehr Spannendes aufzudecken gab. Inzwischen zwirbelte sie sich die strohblonden Haare, die etwas dunkler waren als die der jungen Bäuerin. Sie war von den Erzählungen gesättigt. Thimorn winkte ab. “Es gibt nichts zu verzeihen, ich habe gefragt und ihr geantwortet. Dass ich eine andere Antwort erhofft habe, liegt nicht in Eurer Verantwortung.” Er blickte sich fragend zu den anderen um, da es schien dass sie auch nichts mehr zu sagen hatten hob er die Hand. “Habt Dank für Wasser und Auskunft, die Götter mit Euch.” Er brachte einige Schritte zwischen sich und den Brunnen ehe er sich wieder an seine Gefährten wandte. “Mir scheint, als hätte der Gänsehirt uns nichts vorenthalten. Was sagt ihr, mit leeren Händen zurück zur Höh oder sehen wir uns noch an diesem Aussichtspunkt um?”

Peranna las den Stand der Praiosscheibe ab: “Junge Herren, so gerne ich auch einen Blick über den ‘Hagrechtsbuckel’ wagen würde, der Fortschritt des Tages empfiehlt, uns wieder auf den Rückweg zur Höh’ machen. Leider. Die Informationen über die Mine, die zwergengeführt ist und des Mitspracherechts der Steigerin bei ihrer Begehung bedarf wegen des inzwischen verschlossenen Mundlochs, sind doch schon mehr als gar nichts, oder? Mit dieser Information sollten wir erst einmal zurückkehren. Mich brennt es zu erfragen, was die anderen Hohen Herrschaften herausgefunden haben!”, schlug die junge Knappin vor. Sie war neugierig auf die Ergebnisse und vermutete, dass einige der Hohen Herrschaften schon zurückgekehrt sein könnten. Sie wollte nicht trödeln.

Thimorn nickte ihr knapp zu. Das Graupenmädchen hatte recht, viel hatten sie zwar nicht erfahren, aber ganz Leer waren ihre Hände auch nicht. “Dann gehen wir zurück, wenn die Hohen Herren es wollen können wir ja immer noch diesen Buckel aufsuchen. Aber vielleicht haben sie ja eine wärmere Spur.” Mit den Worten setzte sich der Knappe in Richtung des Gasthauses in Bewegung.

Auf der Spur der Donnerer Das Umland von Erzenschöffer war von dichten Wäldern wie von einem Teppich bedeckt. Fast nur eine Armesweite entfernt schienen in der kühlen, klaren Luft die Koschberge im Rahja. Der Weg, der die Reisenden von Neukrashof nach Erzenschöffer gebracht hatte, führte weiter in Richtung der Berge, wo vermutlich auch die Mienen des Ortes lagen. Ein weiterer Pfad aus festgetretener Erde, doch so breit, dass zwei Gespanne aneinander vorbeigepasst hätten, führte gen Firun, der Reichsstraße zu.

Herrat entschloss sich, die einzelnen Wege aus dem Ort zu erkunden. Wichtig war ihr, wohin die Täter hätten geflohen sein können, nachdem sie ihre Beute ergattert hatten.

Wolfmar begleitete Herrat. Auch ihn interessierten die Wege, die aus dem Ort führten. Er achtete auf Spuren oder Möglichkeiten, wo man längere Zeit etwas verstecken könnte oder auf entsprechende Hinterlassenschaften.

Der Weg, dem beide folgten, führte, gemütlich mäandernd und sich dabei dem Gelände anpassend, von Erzenschöffer aus gen Firun. Hinter dem Etter von Erzenschöffer befanden sich noch einige Obsthaine, ehe die Felder begannen. Den Weg, den die Rondrageweihte und der Ritter beschritten, säumten Steinbirnen und Mostäpfel. Nach einer Wegstunde wurden auch die Felder weniger und die Obstbäume verschwanden.  Eine weitere Stunde später waren es nur noch Wiesen und Wälder, die den Weg säumten. Und Wolfmar fand im Straßenstaub ein seltsam geformtes Ding, das sich, bei genauem Hinsehen, als Teil einer Schnalle eines Kürass entpuppte, etwas deformiert, wo es wohl ein Huf oder Karrenrad getroffen hatte.

Wolfmar hob die Schnalle hoch und zeigte sie der Rondrageweihten. “Was meint Ihr, euer Gnaden? Ist dieses Stück verbogenes Metall, wohl aus einem Kürass stammend, normal für diese Gegend?” Dabei beschaute er die Schnalle rundum, ob das Metall ihm etwas mehr aussagt, als das, was es ihm offensichtlich erschien. Wolfmar schaute sich auch in der Gegend um, ob ihm der Fundort etwas besagte.

“Lasst mich bitte mal sehen”, wandte sich die Rondrianerin an Wolfmar. Nachdem er der Geweihten die Schnalle gegeben hatte, schaute sie sich das Ganze sehr intensiv an. “Nun ich bin kein Plattner, aber es ist auf jeden Fall ein Teil einer Rüstung. Und es scheint schon ein paar Tage hier zu liegen, denn es setzt feinen Rost an. Aber vorher war es gut gepflegt. Wir sollten nach unserer Rückkehr das Stück Meister Ferrombarosch zeigen, der wird uns sicherlich eine bessere Auskunft geben können.” Herrat steckte sich die Schnalle in ihre Gürteltasche und blickte dann zu Wolfram: “Reiten wir weiter?”

“Ja, euer Gnaden.” Wolfmar wirkte nicht euphorisch und schaute weiter rundum in die Gegend. “Wir sollten schauen, wohin dieser Weg führt. Achten wir mal auf Gebäude oder Zäune, abseits des Weges.” Dann grinste der Ritter. “Verstecke oder Unterstände, die möglicherweise Fluchthelfer genutzt haben können, …versteht Ihr?”

"Ja allerdings." Herrat zog ihren Rondrakamm und zügelte ihr Pferd. Sie wollte keinesfalls einen verdeckten Hinweis übersehen. Und noch viel weniger wollte sie auf falschem Fuße ertappt und unbewaffnet überwältigt werden. 

Rondragon nickte seinen Begleitern stumm zu. Er war die letzten Stunden sehr schweigsam geworden, gingen ihm doch einige Dinge durch den Kopf. Der Edle zu Spiegelberg wandte sich an Herrat: ”Euer Gnaden, es ist immer gut auf der Hut zu sein”, bekräftigte er und zog ebenfalls seine Waffe. Dabei flüsterte er seinen Gefährten zu: ”Wir sollten aufmerksam sein. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass die Rüstung noch gar nicht so weit weg ist …”

Wolfmar sah sich um und zog sich langsam seine Handschuhe an. Dabei sagte er: “Einen Hinterhalt erwarte ich gerade hier nicht. Wir werden auf einfache Menschen stoßen, die alleine durch unser Auftreten eingeschüchtert genug sein werden. Wenn wir ihnen mit gezogenen Waffen gegenüberstehen, werden sie erst recht Angst haben, etwas preiszugeben. Diese Angst könnte zu unbedachten Handlungen ihrerseits führen. … aber gut. schauen wir uns etwas genauer um.” Mit angezogenen Handschuhen legte er seine Schildhand auf den Knauf seines Langschwertes. Sein Pferd Rubin führte der Ritter mit seiner Schwerthand.

Herrat hielt ihr Pferd an, im Schritt den Pfad weiterzulaufen. Sie blickte sich intensiv nach allen Richtungen um.

Die Straße führte weiter gen Firun, ein festgestampfter, durch den Regen der letzten Tage weich gewordener Lehmpfad, der sichtbar häufig von Fuhrwerken, Reitern und Fußgängern genutzt wurde. Rechterhand bog ein kleinerer Pfad zwischen den Wiesen hindurch ab, der vielleicht zu einem Weiler oder hinauf ins Gebirge führen mochte. Ansonsten war weit und breit niemand zu sehen.

Wolfmar kniete sich hin und sah den Beginn des Pfads auf der Suche nach weiteren Spuren. Dabei sagte er laut hörbar zu Herrat und Rondragon: “Ich bin immer noch auf der Suche nach einem geeigneten Versteck oder Unterschlupf. Ich denke da an einen aufgegebenen Stollen oder Bergwerk; meinetwegen auch etwas anderes geeignetes. Wenn dieser Weg hier nicht zu einem dieser Orte führt, oder zu jemanden, der uns weiterhelfen könnte, sollten wir wieder umkehren nach Erzenschöffer.” Kurz sandte er ein Stoßgebet gen Alveran. “Firun, zeig uns, ob wir hier richtig liegen.” Dann stand er auf und blickte auf den Lehmpfad.

Herrat nickte bedächtig. "Mich beschleicht das Gefühl, wir befinden uns in einer Sackgasse. Lasst uns dort auf die Erhebung reiten und uns einen Überblick über das Gelände verschaffen. Sollte sich dort nichts Markantes erkennen lassen, sollten wir umkehren und das Rüstungsteil untersuchen lassen." Sie deutete auf einen sanften Hügel, über den der Trampelpfad in den Wiesen verlief.

Wolfmar drehte sich wieder zu seinen Begleitern. “Ihr habt recht euer Gnaden. Reiten wir auf die Erhebung.” sagte er. Wolfmar stieg wieder auf sein Pferd und ritt der Rondrageweihten hinterher.

Der flache Hügel abseits der Straße, auf den sie ihre Pferde lenkten, erlaubte eine gute Rundumsicht bis zu den Vorbergen des Kosch, dessen Gipfelkette fahlblau im Dunst am rahjawärtigen Horizont schimmerte. Tief hingen die schweren Regenwolken über dem Land und überschütteten die Reiter mit hauchfeinem Nieselregen. In Richtung Erzenschöffer standen dünnen Rauchfahnen aus den verschiedenen Schornsteinen in der Luft, doch waren dies die einzigen Hinweise auf eine menschliche Siedlung. Keine Gebäude waren zu sehen.

Enttäuscht sprach Wolfmar zu seinen Gefährten. “Nichts zu sehen, edle Herrschaften. Wir werden zurückreiten.” Wolfmar rieb seinem Pferd das Fell über dessen Nüstern hoch bis zu seinen Ohren und dann am Hals entlang. In diesen Augenblicken war Wolfmar kurz in Gedanken versunken. Dann erst stieg Wolfmar auf das Pferd und ritt im Trab den Weg zurück nach Erzenschöffer, wo die Gruppe mehrere Stunden später wohlbehalten wieder ankam.

In Erzenschöffer erwiesen sich die anderen Adelsleute noch vertieft in mannigfachen Gesprächen, doch aus der Schmiede drang bereits wieder munteres Hämmern und auch die Esse im Ingerimmtempel qualmte fröhlich vor sich in.

“Kopf hoch. Lasst uns den Schmied hinsichtlich der Prägung konsultieren. Vielleicht erzielen wir mehr als erwartet”, versuchte Herrat den geknickten Wolfmar aufzubauen.

Wolfmar band sein Pferd Rubin an. “Lasst uns gleich in den Ingerimmtempel gehen. Ich erhoffe mir von dort enormes Fachwissen über die gefundene Schnalle”, sagte er mit einem gequälten optimistischen Lächeln.

“Ihr habt den Vortritt”, grinste Herrat, wobei die Narbe in ihrem Gesicht ein echtes Lächeln unmöglich machte. Aber ihre Augen blitzten schelmisch. Sie deutete mit der offenen Hand auf den Tempel und stapfte los. An der Tür des Schreins hämmerte sie kräftig und trat dann unumwunden ein.

Wolfmar nahm das Angebot der Rondrageweihten an und trat als erster in den Ingerimm-Tempel ein, auf der Suche nach dem oder einer Geweihten oder Akoluthen.

Ingmar Eisenhammer, der großgewachsene, kahlköpfige Ingerimmgeweihte, war den Adligen bereits am Abend zuvor ‘auf der Höh’ begegnet. Der berußte Geweihte war gerade dabei, ein Werkstück mit einer langen Zange aus der Glut auf den Amboss zu wuchten, als die Adligen eintrafen. Er tat zwei kräftige Hiebe, ehe er kurz aufblickte, die Ankömmlinge begrüßte und mit einem “Rondra und ihre Geschwister zum Gruß, Euer Gnaden, Edle Herrschaften!” auf sein Werkstück eindrosch, ohne aufzusehen. “Gibt es noch etwas? Eure Begleiter waren schon hier.” Herrat knurrte verschmitzt. “Ja, tatsächlich. Nämlich das hier.” Sie knallte das Rüstungsteil, das sie auf dem Pfad aufgelesen hatten, auf den Tisch. “Euer Gnaden, woher stammt das? Habt Ihr das vielleicht schon einmal gesehen?” In aller Seelenruhe bearbeitete der Geweihte sein Werkstück weiter, ehe er es in einem Wassereimer zischend ablöschte und dann zur Seite legte, ehe er sich die Schnalle geben ließ und sie eingehend inspizierte.  “Hm, das sieht aus wie eine liebfeldsche Plattenrüstung, Neethaner Stil.” Ingmar kniff die Augen zusammen und betrachtete das Stück mit einem Auge, während sein anderes über die Ankömmlinge streifte. “So was hat Plättners Wina vor kurz’m im Angebot gehabt - aber das war schon gebraucht und nimmer gut in Schuss. Ihr solltet mal sie fragen. Wer auch immer’s gekauft hat, lang gehalten hat’s ja nich.” “Hm, hm”, ließ sich Herrat vernehmen. Sie konnte sich gerade noch verkneifen, herauszubrüllen, dass Rhodan diese suspekte Figur eh befragen sollte.

Wolfmar nickte dem Ingerimmgeweihten zu. “Danke, dass ihr es euch anschaut, euer Gnaden und Meister der Esse. Meint ihr, es war nur ein Provisorium? Wegen der schlechten Qualität?” “Nä, Herr Ritter.” Isenhammer fixierte Wolfmar mit seinem rechten Auge, während sein Linkes Richtung Esse schweifte. “Die Rüstung war Mist, außen Hui, innen Pfui … und irgendein Pilger hat sich damals wohl über ein Schnäppchen gefreut.” “Jeder bekommt, was er verdient”, ergänzte die Rondrianerin ein wenig hämisch. “Ihr habt gesagt, dieses Teil kommt aus Neetha. Woran habt Ihr das erkannt?” “Verarbeitung, Muster und Schmiedetechnik … schaut hier, diese Krähenhaken zur Vernietung, das gibt’s vor allem bei den Neethanern.” lenkte Isenhammer den Blick der Geweihten auf ein paar winzige Details, die vermutlich einmal die Schnalle mit der Rüstung verbunden hatten. “Aber normalerweise setzt man da mehr als zwei - und nicht so kleine. Das ist richtig schludrige Arbeit, die hält nix.”

“Danke euer Gnaden und Meister des Schmiedefeuers. Euer Wissen ist unbezahlbar.” sagte Wolfmar zu Ingmar Eisenhammer. An seine Gefährten und vor allem an Rondragon gewandt fragte er sie: “Wollt ihr noch etwas wissen? Ansonsten sollten wir diese Wina aufsuchen. Vielleicht kann sie sich an den Käufer erinnern.” Seine Gnaden Isenhammer verabschiedete seine Gäste, spuckte in die Hände und widmete sich wieder seinem zu lange vernachlässigten Schmiedegut. Hoffentlich würde er nun eine Weile ungestört arbeiten können - doch die Hoffnung wuchs nicht besonders groß in ihm.

Die Händlerin

Plättners Wina war im Gasthaus untergekommen - ein Platz in einem Zweierzimmer hatte sie schon länger reserviert. Wina Mockenstock, wie sie sich vorgestellte, war hochgewachsen und schlank, vielleicht irgendwo Mitte Zwanzig. Als die drei sich vorstellten, bat sie die Herrschaften an einen der Tische im Schankraum, wo zu dieser Zeit kaum jemand war. „Die hohen Herrschaften sind sicherlich an meinem breiten Angebot an scharfen Klingen interessiert. Ihr mögt doch gewiss mein Sortiment sehen, oder?” Ein schelmisches Lächeln überzog die Züge der feingliedrigen jungen Frau mit den langen, blonden, zu einem losen Knoten geschwungenen Haaren, Feenküsschen auf ihrer hellen Haut und zwei fast wie Gemmen strahlenden grünblauen Augen. “Mein Name? Wina - für Euch einfach Wina, hohe Herrn.” Mit leuchtenden Augen blickte sie die zwei Männer an, nachdem sie der Geweihten höflich zugenickt hatte. Herrat zog die Augenbrauen hoch. Was war denn das für eine? Einfach Wina? Wollte die etwa gestandene Ritter angraben? Die Rondrianerin räusperte sich vernehmlich. “Ja, allerdings interessieren wir uns eher für Arm- und Beinschienen, Fräulein ‘einfach Wina’.” Wolfmar und Rondragon konnten förmlich spüren, dass eine Spannung zwischen den beiden Damen entstand, die sie auf Stutenbissigkeit zurückführten.

“ Schaut her.“, wobei die hübsche junge Frau eine schlanke Klinge zwischen ihre delikaten Finger nahm. Man konnte fast meinen, sie streichelte die tödliche Waffe. „Das ist bester Albenhuser Stahl. Kommt gern näher, hohe Herren.“ Herrat ignorierte sie großzügig und fokussierte sich auf Wolfma und Rondragon „Bitte schaut genau. Da, seht Ihr die ausgezeichnete Maserung? Wie der Stahl gefaltet wurde? Dieses Schwert wird Euch nicht im Stich lassen.“ Das blonde Haar der zarten, schlanken Frau floss wie zufällig über ihre Hand auf die Klinge. Beherzt ergriff sie Wolfmars Rechte und führte sie zärtlich über die Fehlschärfe. Die Berührung ihrer weichen Haut war elektrisierend.

Innerlich war Wolfmar amüsiert über den verbalen Zwist der beiden Frauen, versuchte sich aber ein Grinsen zu verkneifen. Die Zärtlichkeiten von Wina ließ sich der Ritter zunächst gefallen. Sehr langsam ergriff Wolfmar mit seiner freien Hand die ihre und drehte sie langsam, kräftig aber vorsichtig, ohne ihr Schmerzen zu bereiten, um ihre Handinnenfläche und Fingerkuppen anzuschauen. Der Ritter im mittleren Alter achtete besonders darauf, ob diese junge Frau schwere handwerkliche Höchstleistungen in letzter Zeit oder zuvor verübt hatte oder ob ihm andere Dinge auffielen. Mit seiner einfühlsamsten charmantesten Stimme sprach Wolfmar zu Wina: “Ihr seid sicher in vielen Dingen qualifiziert. Besonders in phexgefälligen Geschäften.” Wolfmar machte eine kurze Pause, um durch seinen kräftigen Griff  bei Wina Eindruck zu hinterlassen. Ohne seine Stimmlage zu verändern, sprach Wolfmar weiter. “Jedoch nicht, um meine Taten voraussehen zu können. Und was meint ihr, junge Dame, wird der Ingerimmgeweihte Ingmar Eisenhammer zu diesem Stahl sagen, den ihr uns verkaufen möchtet? Wird er eurem Angebot zustimmen oder uns eher davon abraten?” Immer noch hielt der Ritter Winas Hand fest und wenn sie sich aus seinem Griff befreien wollte, würde er schmerzvoll zudrücken. Ihren langen Ärmel schob er dabei mit seiner anderen Hand langsam zurück und achtete auf Tätowierungen oder Hautzeichen. Dann schaute Wolfmar Wina lange in ihre schönen Augen. Dabei achtete der Ritter darauf, ob und wie sich ihre Gesichtszüge veränderten. Die Handfläche Winas war glatt und gepflegt, ihre Nägel kurz und sauber, eine Tätowierung trug sie, soweit Wolfmar feststellen konnte, nicht. “Ihr mögt meine Hand jetzt loslassen, edler Herr - sonst glaube ich fast noch, es ist nicht die Klinge, für die Ihr Euch interessiert.” lachte sie und blinzelte den Krieger an, während sie in seinen Augen forschte, was er wohl denken mochte. Herrat verdrehte die Augen. So eine schleimige Schlange!

„Seid Ihr nicht von der Ware überzeugt? Schaut sie sie Euch doch etwas näher an. Fühlt sie. Spürt sie! So ein Schwert muss man einfach ausprobieren. Und ganz sicher würde Euch seine Gnaden nichts anderes sagen! Es ist allerfeinster Albenhuser Stahl, seht her, hier ist sogar das Zeichen des Schmiedes.“  Wina reichte ihm die Waffe. „Kommt, macht ein paar Probeschwünge. Könnt Ihr die Balance fühlen? Merkt Ihr, wie leicht sie in der Hand liegt? Die Fehlschärfe ist genau richtig. Nicht zu lang, merkt Ihr? Perfekt für Eure starke Hand, mein Herr.“ Sie lächelte auffordernd. Die Waffe war so offensichtlich ein schönes Stück, wie sie nicht neu war.

„Ihr könnt die Klinge für 10 Dukaten haben. Ich will doch, dass sie Eure neue Begleiterin wird. Das würde mich unfassbar glücklich machen.“ Sie lächelte bis über beide Ohren, ein wunderschönes, zufriedenes Lächeln. Mit den Sommersprossen auf ihrer Nase konnte man denken, sie sei keine Händlerin, sondern eine Hofdame im Ballsaal oder eine Blütenmaid in einem Weizenfeld.

Wolfmar löste seinen Griff um Winas Hand nicht, als er weitersprach, dabei änderte sich aber der Ton in Wolfmars Stimme leicht. Denn der Ritter wurde leicht zornig. “Es ist bekannt, dass ihr minderwertige Ware für gut verkauft. Wir interessieren uns nicht dafür, wie ihr eure Kunden abzieht, aber vielleicht der Büttel.” Wolfmar ließ diese Drohung ein paar Herzschläge lang wirken. Dann fuhr er fort, ihre Hand immer noch fest im Griff, aber ohne Wina Schmerzen zu bereiten. “Wir drei hier möchten nur eine Information über eine Rüstung Neethaner Stils, die ihr verkauft habt. Die Schnalle, die Euer Gnaden Herrat euch zeigen wird, stammt von dieser Rüstung. Wir möchten wissen, wann und an wem ihr die Rüstung verkauft habt, einfach nur Wina?” „Lasst meine Hand los, Herr Ritter! Ich bin eine freie Frau! Und wenn jemand meint, er wolle für fünf Dukaten einen Harnisch haben, kann er kein Zwergenwerk erwarten - daran ist nichts  verwerflich!” Sie zog an ihrer Hand und funkelte den Ritter verärgert an.

Herrat legte das Rüstungsteil auf den Tisch, zog die Augenbrauen hoch und deutete auf das schlecht verarbeitete Stück Blech: “Habt Ihr das verkauft? An wen? Und woher kommt dieser Schrott?” “Den habe ich günstig gebraucht gekauft!” funkelte Wina, offensichtlich gekränkt in ihrer Händlerehre. “Einem wandernden Abenteurer hab’ ich’s überlassen, der meinte, er könne gut feilschen. Ich hab’ ihm aber gesagt, er solle es nochmal vom Schmied überarbeiten lassen für das ganze Geld, das er sparte. Wollt’ er aber nich - also selber schuld.” Sie warf ihre weizenblonde Mähne zurück. “Und jetzt lasst mich los, Herr Ritter. Wenn ihr das Schwert nicht wollt, findet sich auch ein anderer Liebhaber.” In diesem Moment betraten Rhodan und Jorik das Gasthaus. “Na sagt mal, was geht denn hier vor sich?”, frug der dicke Händler und schürzte die Lippen. Was er ja gar nicht mochte, das war grobes Verhalten gegen Frauen und insgesamt gegen gemeines Volk.

Wolfmar lies Winas Hand los. Mit geschäftlicher Stimme sagte er zu den edlen Herrschaften:  “Wir haben uns nur unterhalten und ein wenig gefeilscht.” An Wina gerichtet, sagte Wolfmar. “Ihr findet sicherlich schnell einen Käufer für euer Schwert, Plättnerin Wina.”

“Da bin ich mir sicher, Herr Ritter - aber mit euch mache ich sicher keine Geschäfte mehr. Phex anempfohlen!” Sie nickte den Anwesenden zu, packte ihre Sachen und ging in Richtung ihres Zimmers, aus dem wenig später emsiges Rumoren erklang.

Wolfmar sah beide Begleiter an. “Was Plätterin Wina sagte, klang als wäre es Wahrheit. Ich glaube nicht, dass wir mehr aus ihr herausbekommen hätten. Was meint Ihr? Haben wir etwas übersehen? Unsere Erkenntnisse waren dürftig, ich würde sogar sagen, wenn die Erkenntnisse der anderen Gruppen sich mit den unseren nicht deckt, haben wir gar nicht herausbekommen, was unseren eigentlichen Auftrag des Herrn Oldebor nützlich war.” Wolfmar sah kurz zu Rhodan und Jorik. Dann wieder zu Herrat und Rondragon. “Jemand von euch sollte in der kommenden Besprechung unsere Erkenntnisse vortragen. Ihr könnt besser reden. Ich bin eher ein Mann des Schwerts und der Tat, als der Worte.”

“Ach. Ihr sprecht gerade heraus! Das ist doch genau das, was man braucht, um die Wahrheit ans Licht zu bringen”, meinte Herrat aufbauend. Rhodan ergänzte: “Die junge Dame wirkte mir aufgeschreckt. Ihr scheint einen wunden Punkt getroffen zu haben. Anders als der Herr Zerf ist bei ihr irgendwas faul. Auch wenn Sie Euch nicht viel preisgegeben haben mag, könnte sie uns noch einiges verraten. Habt bitte ein Auge auf sie, Euer Wohlgeboren Wolfmar. Sollte sie sich absetzen wollen, dann verständigt uns umgehend und folgt ihr unauffällig!” Rhodan unterstrich seine Worte, indem er einen Finger an den Mund legte. Herrat musste zugestehen, dass dieser Plan zwar phexgefällig, aber sachdienlich war. “Wir werden in der Zwischenzeit den anderen zutragen, was wir herausgefunden haben.” 

Wolfmar nickte den Herrschaften zustimmend zu. Er würde Plätterin Wina im Auge behalten und ihr tatsächlich folgen, falls sie das Gasthaus oder den Ort verlassen sollte. Bis dahin blieb er im Gastraum, um den Herrschaften zuzuhören.


Zu Besuch bei der Büttelin

Die Amtsstube der Büttelin befand sich im Erdgeschoss des Schulzenhauses direkt am Marktplatz. Als die Helden klopften, öffnete eine ziemlich ungnädig aussehende Ferlane, deren Antlitz sich beim Anblick der Helden schlagartig aufhellte.

Als die Büttelin die Tür öffnete, blickte Irminella kurz zu Leomar. Als dieser nicht reagierte, ergriff sie die Initiative. Mit einem leicht schiefen Lächeln auf den Lippen, das Leomar von ihr bislang noch nicht gesehen hatte, begann sie zu sprechen.

"Die Zwölfe zum Gruße! Ich war im Begriff mich für die Störung zu entschuldigen und ein ander Mal zurückzukehren, als ich euch so verdrießlich dreinblicken sah. Doch nun hat sich Eure Miene aufgehellt, sodass ich das Gefühl habe, wir kommen nicht ganz ungelegen?" Sie hielt kurz inne, ließ den Kopf sinken und schüttelte denselben kurz. Als sie ihn wieder hob, war ihr Lächeln breit geworden. "Wo habe ich dieser Tage nur meine Manieren, ich weiß gar nicht, wo mir der Kopf steht. Mein Name ist Irminella von Eberbach, Vögtin von Gut Gräflich Bösalbentrutz!" 

“Sehr erfreut! Ihr - oder vielmehr euer Begleiter, der Herr von Weidenthal” eine knappe Verbeugung in Leomars Richtung folgte “hattet mir doch gestern euren Besuch versprochen. Aber bitte, kommt doch mit herein!” versuchte sie ihre hohen Gäste so rasch wie möglich von der Straße zu holen, ehe jeder Nachbar davon erfuhr.

Die Amtsstube war schlicht eingerichtet, ein hölzerner Schreibtisch, und zwei unbequeme Holzsstühle davor, hinter dem Schreibtisch an die Wand gelehnt eine große Hellebarde und ein solide aussehender und gut benutzter Knüppel. “Bitte, hohe Herrschaften, setzt euch.” bot Ferlane beiden Platz an.

"Ich danke Euch." Irminella war der Büttelin ins Innere der Amtsstube gefolgt und kam sogleich dem Angebot Ferlanes nach, indem sie sich setzte. Sie schlug sogleich ihre Beine übereinander, nahm eine gerade Haltung ein und legte die Hände gefaltet auf den Knien ab. Ihren Oberkörper beugte sie kaum merklich ein wenig nach vorn, als sie das Wort erneut an Ferlane richtete.

"Gut. Was wisst Ihr bereits über die Sache? Vier Wochen …", als sie den falschen Zeitraum nannte, beobachtete sie die Reaktion der Büttelin genau, " … sollten ausreichend gewesen sein, um so einiges in Erfahrung zu bringen, meint Ihr nicht?"

Leomar hielt sich zumindest zu Beginn zurück und nickte der Büttelin zu. “ Ich halte meine Versprechen.” Er nahm  Platz und wartete ebenfalls auf die Reaktion der Büttelin. Passenderweise hatte er nicht zu viel verraten also konnten sie das jetzt gut testen… “Dazu, edle Herrschaften, müsst ihr mir erst einmal über die Sache erzählen, nicht wahr? Ich weiß, dass ihr im Auftrag von Junker Oldebor hier seid - und dass irgend etwas Rondrawichtiges abhanden gekommen ist. Dass es vor vier Wochen war, habt ihr mir gesagt. Also, edle Herrschaften, erzählt, was ist es?” Aufmerksam blickte sie ihre zwei Gäste an.

Bei den Worten 'irgendetwas Rondrawichtiges' waren Irminella für einen kurzen Moment die Gesichtszüge entglitten. Kurze Zeit später hatte sie aber wieder ein mildes Lächeln aufgelegt. Sie seufzte und hob dann an. "Nicht 'irgendetwas Rondrawichtiges', sondern …", sie machte eine Pause. "Nein, bevor ich Euch einweihe möchte ich Euch um etwas bitten. Diese Sache muss geheim bleiben. Kein Dorfgeschwätz soll daraus werden. Könnt Ihr mit dieser Bedingung leben?" Sie blickte die Büttelin eindringlich an. “Das mach’ ich, wenn’ nicht gegen den Landherrn oder die Götter geht, edle Herrschaften.” stimmte Ferlane vorsichtig, mit Argwohn in den Augen, zu.

"Gut." Irminella nickte. "Dem Zwergenschmied des Dorfes, Ferrombarosch, wurde vor drei Wochen die Rüstung des Heiligen Hlûthar überantwortet, da Reparaturen anstanden. Nun ja, sie wurde ihm gestohlen! Irgendwelch' Gesindel hat sich schweres zu Schulden kommen lassen und sich zu dieser Schandtat erdreistet - und deshalb sind wir hier. Die Täter ausfindig zu machen und dem Grafenhaus zurückbringen, was das Seine ist!" Erneut blickte sie Ferlane mit ernster Miene an.

“Ein Diebstahl? Der Hlûtharsrüstung! Wo? Wann? Warum habe ich davon nicht erfahren! Lasst uns die Verdächtigen verhaften! Auf zum Schmied!” Aufgeregt wandte sich Ferlane um und machte Anstalten, schnurstracks auf die Schmiede zuzustürzen.

Irminella stand auf und lehnte sich wie zufällig in den Türrahmen. "Ich bin angetan von Eurem Tatendrang, doch lasst uns nicht überstürzt handeln. Wenn Ihr nun zum Schmied stürzt und dort Nachforschungen anstellt, bekommen das mehr Leute mit als uns lieb sein kann. Nicht nur, dass die Diebe so alarmiert werden, falls sie noch in der Gegend sind. Auch das Grafenhaus nimmt Schaden durch Geschwätz - und beides wollt Ihr sicherlich nicht."

Sie gab die Tür wieder frei und lief ein wenig umher, die Hände auf dem Rücken durch den Raum blickend. 

"Begreift die Situation als Chance. Wenn Ihr die Sache nun gemeinsam mit uns mit Besonnenheit und damit klarem Verstand angeht, bin ich sicher, haben wir das Gesindel in den kommenden Tagen im Nacken gepackt, wie man es mit Hasen tut, die man einfängt… und wenn wir", bei dem Wort 'wir' blickte sie kurz zu Leomar, "berichten, welch große Hilfe eine gewisse Ferlane Treck bei der Aufklärung des Diebstahls war, ist es zu Eurem Schaden sicherlich nicht. Doch ein Schritt nach dem anderen. Setzt Euch bitte und lasst uns teilen, was wir alle hier wissen." Dabei bot sie Ferlane mit einer Geste quasi ihren eigenen Stuhl an und lächelte.

“Hmpf.” Die Büttelin schnaubte, wenig überzeugt davon, nicht sofort loszustürmen. “Also was wollt ihr mir erzählen? Was wisst ihr?” brummte sie dann und schielte zu ihrem Knüppel, als wolle ihr der Halt geben.

Irminella blickte erst Leomar an, sprach dann aber selbst. "Die Rüstung wurde vor einigen Wochen dem hiesigen Schmied Ferrombarosch, Sohn des Gerambolosch, zur Reparatur übergeben. Vor drei Wochen ungefähr wurde sie ihm aus seiner Schmiede, dies vermuten wir zumindest, geraubt." Ihre Stimme hatte sie für den kurzen Bericht zu einem Flüstern gesenkt. Ein paar Herzschläge lang wartete sie bis sie weitersprach. "Als gut informierte Büttelin wisst Ihr doch ganz bestimmt, welche Fremden sich in Eurem Dorf aufgehalten haben. Natürlich nur während des besagten Zeitraumes, aber das brauche ich Euch ja nicht sagen." Sie lächelte erneut herzlich.

“Hm.” Ferlane beäugte unternehmungslustig den Knüppel an ihrem Tisch, riss sich dann aber sichtlich mühsam von diesem Gedanken los. “Freilich weiß ich das.” Sie schüttelte verärgert den Kopf. “Durchgekommen und hier gewesen - ja mei … lasst mich mal überlegen.” Ferlane strich sich überlegend über den Nacken und musterte ihr Gegenüber aufmerksam. “Da waren die Zwerge. So ein ganzer Haufen. Ein paar mit schwarzem und ein paar mit rotem Bart. Und ein Blonder. Mit einem Karren. Wollten mir nicht sagen, was sie hier wollen, sind aber zum Schmied.” Sie pfiff überlegend durch ihre Zahnlücke. “Dann der Xander, das ist ein Krambold vom Kosch drüben - war früh dran, kommt aber jeden Götterlauf. Und’s war Markttag - also die Bauern und Handelsleut wie immer, Selinde, die Viehhändlerin war mal wieder da, Neun-Finger-Rondralda, der dicke Zerfer und Plättners Wina, die Eisenwarenhändler - die haben sich heuer fast in die Haare gekriegt, weil da irgendwas mit den Preisen nicht stimmte, und die Wina und die Rondralda haben sich fast gehauen, dann noch die Leut aus der Umgebung, drei Hohe Damen und Herrn vom Donnererorden - die blau-schwarzen, die kennt ihr doch. Und zwei ganz bunte Gesellen, die ich noch nie gesehen hab’ - die müssen aus dem Liebfeldschen gekommen sein oder aus dem Tulamidenland.”

"Ihr seid bestens informiert! Aber daran bestand im Vornherein ohnehin kein Zweifel! Was haben Euch die Streithähne und -hühner denn als Grund genannt? Preise? Von Eisenwaren? Wieso gibt es überhaupt drei Händler für Eisenwaren in einem Dorf? Oder ist Neun-Finger-Rondralda keine?" Sie schmunzelte. "Ging es bei der Prügelei im Wirtshaus ebenfalls um die Eisenwarenpreise?" Sie machte einen Moment Pause, um dann auf ein weiteres Thema zu sprechen zu kommen.

"Und was die Fremden betrifft. Bunte Gesellen sagt Ihr? Was meint Ihr damit genau? War Ihre Kleidung bunt? In unterschiedlichen Farben, so wie es bei den Dienern der jungen Göttin üblich ist? Was trugen sie denn auf den Köpfen? Sagt man den Tulamiden nicht nach, die Männer trügen eine besondere Art von Kopfbedeckung? Habt Ihr mit Ihnen sprechen können? Ich weiß, dass das viele Fragen sind. Aber Ihr wisst ja, dass jede noch so kleine Nichtigkeit am Ende doch ausschlaggebend sein kann."

“Das war grad’ ein Wassermaß vor dem Mittagmahl. Einer der Liebfeldischen hat gesagt, dass er gehört hat, wie Plättners Wina das Bier von den Dumpflern als Zwergenplörre bezeichnet hätt’ - und gesagt hätt, dass se nur in Senalosch schon mal Schlimmeres getrunken hätt. Die Wina wollt das aber nicht hörn und hat g’sagt, dass Rigbald das nur falsch verstandn hätt und die Plörre wie immer schmeckt. Aber da war’s wohl schon zu spät und die Wina hat dem Liebfelder mit dem Bierkrug auf die Finger gehauen, und einer der Zwerg’ hat sich beschwert, dass ihr Bier kaa Plörre sei’ - und dann ham’ sich se prügelt, dass es Fetze gschlagen hat und fünf Stühl’, a Bank, an Tisch und fast a dutzend Humpen hat’s zerhauen.”

“Die Liebefelder war’n zwei - aber in der Höh nur einer. Der hatte aber von dem Kurzen - verzeiht, edle Herren Zwerge - ganz schön eins auf die Fresse gekriegt.” Ferlane, die etwas Vertrauen gefasst zu haben schien, nickte bekräftigend auf ihre Worte.

“Die sah’n aus wie bunte Gockel.” erklärte Ferlane hilfeich und nahm dabei die Hände zu Hilfe. “Die Frau, äh… die hatte so’n komischen Namen, was mit Z.. aber ich komm’ nich’ drauf. Die auf jeden Fall trug so’ne Robe, wie unsere Geweihten, aber das war’se nich’, nee. Dazu so’n neumodischen Piekser. Pah! Nich’ mal ‘n richtiges Schwert hatte die. Und der Junge, war wohl der Bruder. ‘Siedeck Sirrer’ hat sie ihn immer gerufen. Der sah aus wie’n Gockel. und scharwenzelte immer um die Schwester ‘rum. Der hatte wenigstens ‘n richtiges Schwert, aber rumgelaufen. Ich sag’ ja wie ‘n Gockel. Wie die Altreicher. So enge Beinkleider, den Stoff, den er da gespart hatte, hatte er an den Ärmel. So was von albern. Und so’ne komische Mütze mit ‘ner Feder dran.” Bestätigend pfiff sie durch ihre Zahnlücke.

“Nach der Schlägerei in der Höh wollt’ ich die Gock … Liebfeldischen festhaltn, dass se den Schaden zahln - weil die Plättners Wina, die hat g’sagt, dass se net die war, die angfangen hat. Aber die war’n auf einmal weg - alle zwei. Dabei ist die Zech’ noch offen - un’ die Bank, fünf Stühl, den Tisch und das dutznd Humpn, das müssen sie noch zahln. Ich hab’ die Wirtsleut und Händler zusammengerufn und wir sind den Liebfeldschen hinterher. Die sind nach Firuns aus Erzenschöffer raus, zur Reichsstraß’, die Bauern dort und die Häcklerin, die Gänsmagd’, ham se gesehen. Aber nach einer Wegstund war’n sei auf einmal weg. Wie fortgezaubert.  Wir ham’ alle Bauern rundum g’fragt - und die warn auf’n Feldern draußn. Aber die Gock… Liebfeldischen war’n mit eimmal fort.”  Ferlane stemmte ihr Fäuste in die Hüften und schnaufte empört. Einen halben Tag verbissener Suche hatten sie die Fremden da gekostet! Sie tätschelte liebevoll den Knüppel an ihrer Seite, und ihre finstere Miene zeigte sehr deutlich, was den Liebfeldischen blühen würde, wenn die noch einmal wagen sollten, Fuß nach Erzenschöffer zu setzen!

Der Oberkörper Irminellas spannte sich. "Was liegt gen Firun? Und trugen die beiden etwas bei sich? Einen Sack? Das müssten die Bauern gesehen haben."

“Im Firun? Na, da liegt die Reichsstraß’ - die ganz’n Gäst kommen von dort.” Ferlane knackte mit den Knöcheln. “Und dabei hatt’n se ihr Gepäck auf den Pferden - die war’n nich zu Fuß. Jeder in dickes Bündel - die zwei Gock.. Gecken ham’ natürlich alles aus der Höh’ mitgenommen, die ham’ für den ganz’n Schadn nich mal einen Krümel dagelassen!” Verärgert holte sie Luft und ihre Braunen zogen sich zu einem dicken, geraden Strich zusammen.

"Die Reichsstraße, ja." Irminella nickte. "Aber als verantwortungsvolle Büttelin, die ihre Hand schützend über die ehrbaren Einwohnerinnen und Einwohner Erzenschöffers hält, habt Ihr doch sicher stets ein wachsames Auge und einen scharfen Blick auf die Umgebung des Dorfes. Lasst mich an Eurem Wissen teilhaben - was findet man links und rechts der Reichsstraße, wenn man sie entlanggeht?"

“Ja mei …” überlegte Ferlane mit gerunzelter Stirn. “Da hat’s a paar Felder, die Bauern dort hab’ ich natürlich all’ g’fragt. Weidn und am Feld vom Häcklers a Scheu’n, aber in der war nix, die ham’ w’r durchstöbert. Und die Obstgärt’n und Weid’n. Sonst nix. Nach etwa eim Tag kommt dann die Reichsstraß. Aber wie g’sagt - nach einer Wegstund war’ns weg, wie fort’zaubert. Ich bin bis fast zur Reichsstraß’, aber keiner hat die Gockel mehr g’sehn g’habt.”

Irminella hatte während des Berichtes sanft auf ihrer Unterlippe gekaut, ihre Augen verengten sich immer wieder, wobei ihr Blick unaufhörlich wanderte. Dennoch hatte sie aufmerksam zugehört und war Ferlane stets zugewandt geblieben. Dann blickte sie die Büttelin fest an. "Ist Euch an der Frau etwas aufgefallen? Ihr sagtet, sie trug eine Art Robe? Welche Farbe hatte sie, gab es Stickereien darauf? Hatte die Frau ein besonderes Mal an der Hand? Einen Wanderstab? Was hat Euer waches Auge Auffälliges an ihr entdecken können?"

“Hm, wenn ihr so fragt …” Ferlane strich sich über die Haare, warf einen weiteren Blick auf ihren Knüppel und zuckte dann die Schultern. “Eine grüne Robe hatte sie an - und ein rotes Samtbarett mit einer blauen, einer rosenfarbenen und einer dunkelgrünen Feder.  Und ein Notizbuch dabei. Aber nicht so wie die Hesindegeweihte, die ich mal in Gratenfels gesehen hab’. Braune Haare hat se gehabt - und im Namen irgendwas mit Yaquir … halt, nä, ‘aus Yaquirhof’ hat se sich genannt. Oder war’s Yaquirhus?” Grübelnd runzelte sie die Stirn.

"Mhm…". Irminella war den Ausführungen Ferlanes nickend gefolgt. Sie murmelte etwas wie "wahrscheinlich keine Zauberin". Dann redete sie wieder lauter. "Ihr habt gut daran getan, den Ort des Verschwindens in größerem Umkreis zu untersuchen! 'Einfach so' kann niemand verschwinden. Ihr seid da etwas auf der Spur. Könntet Ihr Euch vorstellen, mir den genauen Ort zu beschreiben, ab dem die … Gecken … nicht mehr zu sehen waren?" 

“S’war einfach auf der Landstraß’, edle Dame. Bis eine halbe Wegstund’ nach Erzenschöffer hatt’n die bunten Gockel noch ein paar Leut auf den Feldern und der Stra’ g’sehn - aber danach war’n die weg wie fortgezaubert.

"Gut, fassen wir zusammen. Es waren einige Besucher hier, von denen einige regelmäßig kommen und ihre Waren feilbieten wenn Markttag ist. Wir haben einen Haufen Zwerge, die zum Schmied wollten und einem Menschen ihr 'woher' und 'wohin' nicht preisgeben wollten. Dazu die Donnerer und die Liebfelder. Geht man davon aus, dass eine der Parteien die Täter sind, gelangt man via Ausschluss des Unwahrscheinlichen zu folgender These:

Die Liebfelder haben auf irgendeinem Weg, an dieser Stelle erhalten wir hoffentlich noch Informationen, über den Aufenthaltsort der Rüstung erfahren. Sie kommen hier her, schauen sich um. Als der Plan gefasst ist, beginnt einer der beiden eine ordentliche Wirtshausschlägerei und lenkt die Aufmerksamkeit nicht nur der Bürger sondern auch von euch zu diesem Ort. Die andere bricht ein, schnappt sich die Rüstung und beide machen sich aus dem Staub." 

Während sie redete, blickte sie ununterbrochen tief in die Augen der Büttelin, um ja keine Regung zu verpassen. "Ich bin nur eine Laiin und keine professionelle, verzeiht den Ausdruck, Spürnase wie Ihr es seid. Deshalb habe ich sicher Fehler in meiner Theorie. Was haltet Ihr davon?" “Könnt schon stimmen, hohe Dame. Hah, wenn ich die erwischt hätt, denen hätt’ ich das Fell gegerbt!” nickte Ferlane eifrig. “Praiosseisgeklagt sind se fort.”

"Nunja, wenn meine Theorie tatsächlich stimmen sollte - und Dank Eurer Expertise glaube ich nun ein wenig mehr an deren Richtigkeit - dann sind die beiden noch in der Gegend. Ich glaube, dass wir es hier mit etwas politischem zu tun haben. Und nun überführt sich das Thema in unser Metier." Hier blickte sie kurz zu Leomar. "Ich bin überzeugt, dass der Diebstahl nicht des schnöden Mammons wegen geschehen ist, sondern das Grafenhaus blamieren soll. Das heißt, die beiden Liebfelder - so sie es denn waren - müssen die Rüstung lediglich verstecken. Keine Hehler, keine Zwischenhändler und Grenzschmuggler. Einfach nur ein gutes Versteck! Wir sollten uns die Gegend noch einmal ansehen. Wenn die beiden keine Zauberer sind, müssen sie dort irgendwo verschwunden sein!"

Ferlane nickte, etwas nachdenklicher jetzt. “Ja, auffällig war’n se schon. Die hätten nicht weit kommen könn’n. Ich hab alle nach den Gecken g’fragt - nach ei’m Weib in grüner Robe mit so ei’m geschlitzten Hut mit bunten Federn und einem Kerl in so bunter, liebfeldscher Tracht - aber ‘s fällt halt schon auf, wenn die mit einmal nimmer auf den Straß’n sind - nach einer Wegstund hat keiner mehr so Gockel in solch’n Farb’n g’sehn. So Hüt’ und Tracht wär’n ja auf’g’falln.”

Irminellas Augen blitzten. "Von wegen Magie, meine Liebe!" Ihre Stimme klang nun aufgeregt. "Habt ihr nach Pferden gefragt? Nach zwei Personen, die Pferde bei sich führten? Was, wenn die beiden sich nur so angezogen haben, um so lange aufzufallen, wie es ihnen gelegen kam. Zwei stolzierende, bunte Herrschaften! Nach der Abreise haben sie noch eine Weile von sich reden gemacht, indem sie ihre bunte Kleidung offen zur Schau stellten. In einem unbeobachteten zieht die Frau die Robe aus, der Mann zieht sich etwas weites über und schwupps, die bunten Vögel sind verschwunden!" Erwartungsvoll blickte sie die Büttelin anschließend an.

“Hah, ich hab’ nach den Gockeln g’fragt … nich nach den Gäul’n.” grübelte die Büttelin. “Die bunte Tracht war halt am auffälligst’n .. meint Ihr wirklich, die ha’m sich um’g’zogn?” Grübelnd biss sie sich auf die Lippen und ihre Augenbrauen näherten sich rapide einander an. “Phexverflucht!” brach es schließlich aus ihr heraus. “So könnt’s g’wesen sein! Kein Wunder, dass se keiner mehr g’sehn hat!”

"Gut, so kriegen wir sie, davon bin ich überzeugt." Eindringlich blickte sie die Büttelin an. "Ich muss Euch noch ein Versprechen abnehmen. Gern gehen wir gemeinsam auf die Suche und ziehen diejenigen zur Rechenschaft, sofern sie es tatsächlich waren. Aber… mit Diskretion. Außer Euch, uns, dem Schmied und eventuell ein oder zwei anderen ist die Geschichte hier niemandem bekannt. Das soll auch so bleiben! Wie ich bereits eingangs sagte, werde ich Eure Unterstützung erwähnen, sodass sowohl die Hilfe, als auch das Stillschweigen Euer Schaden nicht sein sollen. Könnt ihr mir bei der Gottheit, der Ihr Euch am nächsten fühlt, schwören, dass hiervon kein Laut nach außen dringt?"

“Die sin fort, hohe Dame.” seufzte Ferlane. “Das war vor zwei Woch’n. Da müss’n w’r woander’s such’n -ein Fisch stinkt nie allein. Ab ich begleit’ euch gern, wenn’er wollt und wenn’s hilft - aber wer acht’ dann hier auf Erz’nschöffer? Dann is’ das schutzlos.” Sie runzelte die Brauen, als sie den GEdanken nachhing. “Ich schwör’ euch bei Travia und Praios, dass ich nich’ plappern werd’ - und nur denen Antwort geb’, die die Sach’ auch angeht, also den Junker, die Geweihten und den Schmied.” Sie grübelte. “Dem Schulzen nich?”

"Ja, Ihr habt natürlich Recht. Die beiden dürften auf und davon sein. Die könnten sich ja auch hier nirgends mehr sehen lassen. Aber wir können ihren Weg eventuell noch nachvollziehen, wenn wir nicht mehr nur noch nach der bunten Kleidung fragen. Und auch damit, dass der Fisch nie allein stinkt, habt Ihr Recht. Diese Tat ist geschehen, um dem Grafenhaus zu schaden, das machen keine Fremden. Sicherlich sitzt irgendwo jemand, der es mit den Grafen nicht zum Besten hält. Den finden wir aber nur über die angeblichen Liebfelder, schätze ich." Sie machte eine Pause und lächelte. "Ihr habt damit einmal mehr Eure Fähigkeiten bewiesen! Ich würde vorschlagen, dass wir abwarten, ob das Mitwirken des Schulzen notwendig wird. Mit ihm wird derzeit vermutlich ebenfalls gesprochen. Wenn ihn die Hohen Herren nicht ins Bild setzen, schlage ich vor, dass wir Ihn mit derlei Umtrieben in seinem Dorf nicht belasten."

“Aber mein Vater wird gar nicht glücklich sein, wenn’r merkt, dass ich was vor ihm verberg’.” seufzte die Büttelin unglücklich. “Und, hohe Dame, ich fürcht’, wenn wir jetzt nach zwei Reiter’ auf d’ Straß’ frag’n, da sin inne letzten Woch’n g’nug durchkomm’n, da werdet ihr nix finde.”

"In Ordnung, da ich auf Eure Kompetenzen vertraue, glaube ich Euch. Was schlagt Ihr denn vor, welchem Ansatz wir nachgehen sollten?" Sie setzte nach: "... und was Euren Vater betrifft, so verstehe ich, wenn Ihr Ihn nicht belügen wollt. Daher schweigt Euch aus. Es würde ihn belasten, was anbetracht der Tatsache, dass wir den Tätern nun auf der Spur sind, unnötig wäre, da sich alles bald aufklärt." Sie lächelte ihr gewinnenstes Lächeln. “Ich will’s probier’n, edle Dame.” seufzte Ferlane nicht ganz überzeugt. “Hm, ich denk’ nicht, dass da einfach zwei Leut reinspaziern un’ die Rüstung klau’n, wenn se nich wiss’n, wie der Ort so is. Also ich würd’ das nich tun.” Sie blickte auf ihren Knüppel und beschied sich dann damit, mit den Knöcheln zu knacken. “Ich würd’ guck’n, was hier sonst noch stinkt. Die war’n g’rad sicher nich’ allein. Vielleicht komisches Volk, das gleichzeitig oder kurz zuvor durchgekomm’n is’ und sich für die Rüstung oder den Schmied interessiert hat, vielleicht jemand, der was kauf’n wollt’ oder rum’g’fragt hat - oder jemand, der Waff’n hat verkauf’n wolln … irgend so was.” Die Gewohnheit siegte. Sie griff nach dem Griff ihres vertrauten Knüppels. “Und wenn ihr was g’fund’n habt, sagt mer’s, ich prügel’s aus dem Schweinsfott scho’ raus!”  Ihre Augen leuchteten unternehmungslustig auf.

Irminella musste schmunzeln. "Ich mag Euren Tatendrang. Und Ihr habt Recht, so etwas tut man nicht einfach so und ohne guten Plan. Ihr spracht von Preisen, die bei den Eisenwarenhändlern nicht passten. Was hatte es damit auf sich?" “Die Neun-Finger-Rondralda hat sich bei mir beschwert, dass ihr der dicke Zerfer und Plättners Wina das Geschäft kaputtmach’n, weil die so Schweinepreise ha’m, zu denen die Rondralda nich’ mal einkauf’n kann.” Ferlane zuckte die Schultern. “Aber der Marktvogt is’ mein Vater, und solang nieman was unredlich’s macht und die Steuern zahlt, dürf’n die den Preis nehmen, den sie woll’n - zumindest, wenn’s ein günstiger und kein Wucher is’.”

"Haben die beiden häufig in der Schmiede zu tun? Oder sind einfach häufiger einmal dort?" “Hin und wieder lass’n sie was reparier’n - aber sonst?” Die Büttelin runzelte die Stirn. “Aber da war’n vor kurzem noch ein paar Donnerer, die wollten zur Schmiede - das war auch ausländisches Volk, die Hauptfrau hatt’ einen Namen, der war nich’ von hier.” "Sind die vom Donnererorden nicht selbst Rondrageweihte? Ein Diebstahl, mitsamt Heimlichkeit und unlauteren Methoden? Wenn sie das Artefakt hätten für sich haben wollen, würden sie wohl eher auflaufen und selbiges mit fester Stimme einfordern, passend zum Namen ihres Ordens." Sie grinste, wurde dann aber wieder ernster. "Die beiden verkaufen also zu lächerlichen Preisen Eisenwaren und haben Zugang zur Schmiede. Kommt euch das nicht etwas komisch vor? Was, wenn die angeblichen Liebfelder ihnen etwas gezahlt haben dafür, dass sie sich ein wenig in der Schmiede umschauen? Oder bin ich detektivischer Naseweis wieder Auf dem Holzweg." Erneut lächelte sie die Büttelin etwartungsvoll an. Ferlane zuckte die Schultern. “Das kann ich euch beim besten Will’n nich sag’n, Edle Dame. Da müsst ihr wohl beim Schmied nachfrag’n, wo sie war’n  - oder vielleicht beim Geweiht’n. Und bei den Händlern - die Neun-Finger-Rondralda, die Wina und der dicke Zerfer sind noch hier.” "In Ordnung. Ich danke Euch für das erhellende Gespräch. Ich werde Euch selbstverständlich über weiteres auf dem Laufenden halten, ich weiß ja, wie sehr Ihr die Halunken dingfest machen möchtet! Ich werde Euch beim Rapport erwähnen und hoffentlich bleibt ein wenig von den Dieben für Euren Verstandeseinbläuer dort übrig." Sie deutete mit dem Kopf auf den Knüppel Ferlanes. "Wenn Ihr und der ehrenwerte Leomar von Weidenthal keine weiteren Fragen oder Informationen haben, werden wir uns nun empfehlen." Sie blickte in die Gesichter der beiden anderen im Raum. “Sagt aber Bescheid, wenn ihr das Gesindel kriegt, hohe Dame!” stieg Ferlane in den höflichen Abschied ein. "Selbstredend! Darauf gebe ich Euch genauso mein Wort, wie Ihr mir das Eure gabt bezüglich der Verschwiegenheit." Sie lächelte noch einmal, stand dann auf und wandte sich zum Gehen. “Danke. Und die Zwölfe mit Euch, hohe Dame!” Damit begleitete die Büttelin ihre Gäste zur Tür der Amtsstube.

Händlergeschichten

Heute war Windstag, windstill und die tiefhängenden Wolken verrieten, dass der Herr Efferd seine Anteilnahme nicht gänzlich vom Land genommen hatte. Der Marktplatz war, bis auf die üblichen Dörfler, leer, denn erst am übermorgigen Markttag würden wieder die Händler kommen und ihre Buden aufbauen. Die Ermittler wussten, dass der ‘Zerfer’ hier im Ort wohnte, Rondralda und Plättners Wina ‘Auf der Höh’.

Rhodan entschied sich, zunächst den Zerfer im Ort zu kontaktieren. Am Abend würde das Grüppchen eh in ihr Gasthaus zurückkehren müssen. Deshalb konnten sie zunächst den ‚Zerfer‘ aufsuchen und aus ihm herausquetschen, was herauszufinden war, bevor es unschicklich wurde, an dessen Türe zu klopfen. Um rauszufinden, wo dieser genau wohnte, fragte er beim Wirt nach.

Rigbald gab gern Auskunft - immerhin hatten die hohen Herren samt Begleitung ihm bislang nicht nur guten Umsatz beschert, sondern sich auch noch äußerst freundlich betragen … eine wahrlich traviagefällige Sache, was den Wirt anbelangte. Der dicke Zerfer, der mit vollem Namen Herigauz Zerf hieß, wohnte zur Untermiete beim Schneider, Erlfrid Tronde, der sein Haus in der Schulzengasse hatte. Der Zerfer kam fast jeden Mond nach Erzenschöffer, im Winter hatte er jetzt gar drei Monde im Haus des Schneiders verbracht, wusste der Wirt zu vermelden. Rhodan bedankte sich und stapfte, die edlen Herren im Schlepptau, los. Diese mochten sich womöglich fragen, was der Händler mit der Auskunft anfangen konnte, doch führte er sie zielstrebig zum Schneider Tronde. Vor der Tür flüsterte er den Adeligen zu: "Am Besten gibt sich einer der edlen Herren als Kunde aus. Dann kann ich so tun, als ob ich Euch an den Herrn Zerfer vermittelt hätte und schon haben wir nicht nur ein, sondern gleich zwei Steine im Brett." Auf Rhodans Wink hin lugte Jorik hinter seinem steinernen überkopfgroßen Bierkrug hervor. Er verbarg ein herzhaftes Aufstoßen hinter dem rechten Unterarm, schepperte fünf Kupferstücke auf den Holztisch und folgte dann leicht wankend dem Wink. Beim Schneider angekommen drückte er beinah überschänglich seine Zustimmung zum Plan aus. “Eine ganz hervorragende Idee. Allerdings bin ich wahrscheinlich gerade kein angenehmer” - wieder unterdrückte er einen Aufstoßer mithilfe des Unterarms - “Umgang für einen armen Schneidersmann. Ich halte mich deshalb lieber in der zweiten Reihe und achte darauf, dass wir halbwegs ungestört bleiben.”

Lysander hielt es ähnlich, wie Jorik, er zog es vor sich eher im Hintergrund aufzuhalten, was seiner Aufmerksamkeit in keinster Weise schadete.  

“Nun gut. Dann will ich mal nicht so sein”, lachte Rhodan und klopfte an die Türe. 

Auf des beleibten Meisters Herrenfels Aussage hin, nickte Lysander einmal knapp. ‘Na, da habe ich ja nochmal Glück gehabt! ‘ huschte ihm ein scherzhafter Gedanke durch den Kopf, dann verlegte er sich komplett auf ‘s Zusehen und Zuhören. 

“Herr Tronde, bitte macht einigen Interessierten auf. Wir sind auf der Suche nach dem Herrn Zerf und seinen feinen stählernen Waren.” Der Händler trug bewusst etwas dick auf. Schmeicheleien hatten noch nie wirklich geschadet.

‘Das könnte durchaus so klappen!’ schmunzelte Lysander Quintin in sich hinein.

“Jo, der is da.”  lachte der Schneider, der, ein Maßband über dem Arm und ein Nadelkissen am Handgelenk, die Tür geöffnet hatte. “Ich führ’ euch hin.” 

‘Na also, klappt doch hervorragend.’  huschte es ihm durch den Kopf. Wenig später saßen die Ermittler in der Stube des Schneiders, ihnen gegenüber Meister Zerf, der seinen Spitznamen ‘der dicke Zerfer’ wohverdient hatte. Der Mann war mittelgroß und mit ‘fett’ treffend beschrieben, hatte ein hochrotes Gesicht, einen schwarzen, unordentlich geschnittenen Kinnbart, kurzes, schwarzes Haar, das an den Schläfen bereits hohen Geheimratsecken wich, und dazu passend eine kahle Platte am Hinterkopf. Aus aufmerksamen braungrünen Augen, die schier hinter seinem aufgedunsenen Gesicht verschwanden, musterte er die Gäste und deren Fragen nach seiner Ware, die er bereitwillig beantwortete. „Ach, die hohen Hertsssaften! Ihr ssseid sssicherlich interesssiert an ordentlichem, ehrlichem Stahl! Wir haben hier nur das Betssste im Angebot. Wenn es Euch beliebt, dann gibt es zu einem SSSatz Beintsssienen die Armtsssienen heute direkt dazu.“, lispelte er. “Sicherlich bietet Ihr auch den besten Preis, werter Herr!”, lobte Rhodan(zum Schein).Auf eine höfliche Nachfrage Rhodans nach dem Preis plusterte er sich empört auf. „Was, nein! Die Beintsssienen kosten nicht 20 Dukaten. Ihr könnt sie für 3 Dukaten haben. Also natürlich mit den Armtsssienen.“ “Ho, ho. Das war jetzt nicht der beste Preis, von dem ich sprach, werter Kollege.” Rhodan schüttelte betreten den Kopf. “ Ich habe doch den Herrschaften hier versprochen, dass Ihr die niedrigsten Preise bieten könnt!” Rhodan wartete ab. Würde der Preis noch niedriger, wenn man Druck auf den Mann ausübte? “Wollt Ihr uns womöglich Eure … besondere … Ware vorbehalten?”

Auf Rhodans Andeutung hin zwinkerte der Händler. “Ihr interessiert Euch für meine beste Ware, was? Die könnt Ihr sehen.” Er deutete auf die Arm- und Beinschienen. Nach einem Moment zog er noch einmal einen vergleichbaren, jedoch besser verarbeiteten Satz hervor. “Weil Ihr es sssseid. Dassss issst Meisssterarbeit. Mein Preisss gilt.” Zerf stemmte die Arme stolz in die Hüften. Rhodan währenddessen betrachtete die Werkstücke genauer. Die Ware war vorzüglich. Der reine Materialwert näherte sich 3 Dukaten bereits an - doch die Verarbeitung musste unmöglich teuer gewesen sein. Wie konnte der Mann von diesen Geschäften leben? Rhodan verzog die Miene. “So, jetzt raus mit der Sprache. Woher habt Ihr diese Ware? Das ist feine Arbeit. Eure 3 Dukaten, die decken kaum den Preis des Erzes, das in diese schönen Teile geflossen sind. Wollt Ihr uns zum Narren halten und bemakeltes Gut andrehen?”  „Wassss fällt Euch ein?! Einen ehrbaren Handeltsssmann tsssmutziger Gesssäfte bezssichtigen?! Wie könnt Ihr esss wagen? Wer hat Euch dasss…?” Rhodan fuhr dazwischen - leise, aber schneidend: “Der Landgraf.” Wie bitte, der Landgraf?!” Rhodan nickte. “Hier treibt jemand faule Geschäfte”, behauptete er felsenfest. Der Zerf sah eine Öffnung und nutzte sie: “Oh, äh… Alssso die Mockenssstock, die, die, die…issst unversssämt! Deren Preissse kann nich mal ich unterbieten. Da issst sssicher wasss faul mit der!“ “Wir reden von Euch! Deutet nicht mit dem schmutzigen Finger auf andere”, erwiderte Rhodan ruhig. „Hey, ssso eine Frechheit! Ich will mich nicht rausssreden. Ihr unversssämten…!“ “Dann beweist es!”, forderte der großgewachsene Mann. Er war gespannt, wie sich der Zerf herausreden wollte. Bisher machte er einfach nur einen panischen Eindruck. „Meine Bücher! Wir können in meine Bücher sssauen!!! Da hab ich allesss aufgezeichnet. Bei der neuen Ware sollte ich auch noch einen Durchssslag haben!“ Rhodan kniff die Augenbrauen zusammen. Er wollte sich in die Bücher schauen lassen?! Der musste es wirklich ernst meinen. “Na dann. Legt uns Eure Bücher vor. Wir werden sehen, ob Ihr sie gut genug manipuliert habt.” “Wasss unterssstellt ihr mir da?” plusterte sich der Händler fast zum anderthalbfachen seines bisherigen Umfangs auf. “Meine Bücher sssind in Ordnung!” Dann aber brachte er das gewünschte und ließ Rhodan, Jorik und Lysander einen Blick in seine penibel untereinander aufgeführten Einnahmen und Ausgaben machen. Bald zeigte sich den geschulten Augen zumindest zwei von dreien der Prüfer, dass Meister Zerfs Preise ihren Ursprung in einer geradezu phexgünstigen Charge Arm- und Beinschienen hatte, die er vor drei Wochen hatte erwerben können - von einem fahrenden Händler, der sich ‘Meister Reineke’ genannt hatte. Der Händler zuckte, auf den Lieferanten angesprochen, die Achseln und meinte ‘Ein Geschäft ist ein Geschäft - der Reineke sagte, er habe das aus dem Lagerbestand eines Witwers, der nach dem Tod seiner Frau sein Geschäft hat auflösen wollen - wenn’s länger gelegen wär, wär’s nur verrostet.” Rhodan blickte in die Bücher, prüfte diese Behauptung und sah dann seine Begleiter an. Sein Blick fragte: Glauben wir ihm das? “Hm.”, gab Jorik auf einem Stück Brot kauend, dessen Konsistenz eher an eine lederne Schuhsohle erinnerte als an ein Stück Gebäck aus Mehl und Wasser. “Grundsätzlich kann ich nichts Schlechtes daran entdecken. Es soll Phex zum Dank günstige Gelegenheiten für den findigen Händler geben.” Ratlos hob er die Hände. “Mir scheint er sauber.”

Letztendlich nahm Lysander Quintin die Bücher des Meister Zerf auch einmal unter die Lupe, auch er konnte auf Anhieb keinen aussergewöhnlichen Vorgang entdecken. Auf Rhodans Frage hin, nickte er sachte. “Ja, glauben wir ihm mal!” Für einen Moment legte Lysander die Stirn etwas in Falten, wodurch seine sowieso schon vorhandenen Zornesfalten, noch etwas zorniger wirkten, ohne, dass der lange Blonde mit dem zumeist gepflegten Haarschpf auch nur im geringsten zornig gewesen wäre. ‘Diesen Meister Reineke merke ich mir mal.’ Mit diesem Gedanken schaute der grossgewachsene, blonde Ritter Lysander von den Büchern des fetten Meisters auf und stand nun wieder zu voller Grösse aufgerichtet da. So, wie es aussah, war es Zeit diesen Ort zu verlassen. Lysander ging davon aus, diesen Meister Zerf nicht zum letzten Mal getroffen zu haben. Und wer war nochmal diese Mockenstock?

Der dicke Händler wog den Kopf hin und her. Er hatte selbst diesen Eindruck. Offensichtlich hatte da einer wirklich Glück und wusste nicht, wie man wirklich daraus Kapital schlug! Als ob es hier möglich wäre, die Konkurrenz einfach so aus dem Geschäft zu drängen. “Wohl denn”, gab Rhodan die Bücher zurück. “Eure Papiere sind sauber. Ihr habt einen guten Leumund, so wie man es mir zutrug. Verzeiht mein Misstrauen - Ihr wisst ja, berufsbedingt.” Rhodan setzte sein gewinnenstes Lächeln auf. Er bedankte sich beim Zerf, verabschiedete sich höflich und ging. 

Nachdem Rhodan sich verabschiedet, und die Bücher zurück an Meister Zerf gegeben hatte, verabschiedete sich auch der Hohe Herr Lysander Quintin, weder besonders freundlich, noch in irgendeiner Form unfreundlich.

“So, jetzt sollten wir noch zu der Wina aufbrechen”, meinte Rhodan und stapfte voran. Allerdings stellte er fest, dass doch mehr Zeit vergangen war, als er das erhofft hatte und just als sie an der Höh angekommen waren, sahen sie Wolfmar, Rondragon und Herrat im Gespräch mit der jungen Dame.

Gelehrte, Götter und Geweihte

Der schmucke Traviatempel war verschlossen. Zwar waren die Stufen blank gefegt, doch die Läden vorgelegt und die Tür verriegelt. Auf Nachfrage im Dorf war zu hören, dass es zur Zeit keinen Geweihten der Gütigen Göttin in Erzenschöffer gäbe und der Tempel von den Dörflern in Stand gehalten und gereinigt würde, aber, bedauernswerterweise, aber keine Andachten gehalten würden. Der Ingerimmschrein zeigte im trüben Licht des Tages die ganze Schönheit seiner schlichten, aber sauber behauenen und kunstvoll gesetztgeschlossenen Partikel und verliehen dem schlichten Bau en Steine. Diese glitzerten durch die eineine eigentümliche Eleganz. Die Tür stand offen und gab den Blick über eine kleine Esse und spartanisch eingerichtete Schmiede frei. In der Esse glühte das Feuer und der Ingerimmgeweihte Isenhammer war dabei, mit präzisen Schlägen ein Stück Metall in eine lange, flache Form zu bringen. Dabei schob er das glühende Werkstück ein auf’s andere Mal ins Feuer, formte es auf dem Amboss und schob es wieder in Ingerimms feurige Glut. Als er der Neuankömmlinge gewahr wurde, blickte er kurz auf, vollendete schließlich seinen Arbeitsschritt und schob das heiße Eisen mit einer langen Zange in einen bereitstehenden Wassereimer, so dass fauchend und zischend weiße Dampfwolken aufstiegen. “Ingerimm zum Gruße” grüßte er die Neuankömmlinge und fixierte sie fest mit seinem rechten Auge, während das Linke weiterhin auf den Amboss gerichtet blieb.

 “Die Götter zum Gruße”, erwiderte Krispinian von Tsawalden verbunden mit einer leichten Verneigung. Er blickte Eblaus lächelnd und aufmunternd an, wollte er doch dem Geweihten die Gesprächseröffnung überlassen. 

“Herr Praios, lasse seine Strahlen in Euren Schrein leuchten, Euer Gnaden”, grüßte Eblaus höflich. “Wenn Ihr Eure Arbeit für ein paar Wimpernschläge unterbrechen könntet, dann würden wir Euch gerne ein paar Frag…” - bevor der Geweihte allerdings seinen Wunsch zu Ende formulieren konnte, wurde er von einem an Husten- und Niesanfall geschüttelt und winkte Krispinian mit dem Gespräch fortzufahren. Krispinian nickte Eblaus verständnisvoll zu und führte das Gespräch mit seiner wohltönenden und tiefen Stimme weiter. “Euer Gnaden, wir sind in einer delikaten Angelegenheit hier. Und wir glauben, dass ihr uns mit Eurer Kompetenz und eurem Ansehen hier im Ort helfen könnt. Wenn jemand uns etwas über diesen Ort berichten kann, dann sicher sein wichtigster Geweihter.” Krispinian lächelte sein aufrichtigstes Lächeln und trat einen Schritt näher an den Geweihten heran. “Oldebor Greifax, der Junker von Neukrashof, hat uns beauftragt. Neben Seiner Gnaden Eblaus von Niedersprötzingen und meiner Wenigkeit Krispinian von Tsawalden, Edler zu Dunkelstein, sind einige hohe Damen und Herren von Rang und Namen in Euren Ort geschickt worden, um ein besonderes Verbrechen aufzuklären.” Bevor er weitersprach, fixierte er seinen Blick auf die Augen des Geweihten. Er wollte jede Regung wahrnehmen, die auf seinen nächsten Satz folgte, den er bewusst vorbereitungslos aussprach: "Die Rüstung des Heiligen Hlûthar war hier im Ort beim zwergischen Schmied zur Reparatur. Dort wurde sie von götter- und vaterlandslosen Schurken gestohlen. Diese Angelegenheit ist streng vertraulich. Ich brauche Euch sicherlich nicht zu erzählen, was dieser unglaubliche Raub eines Rondra-Heiligtums für die Nordmarken und die göttliche Ordnung bedeutet. Und es geschah nur einen Steinwurf von hier entfernt.” Krispinian von Tsawalden setzte ein vertrauensvolles Lächeln auf und beobachtete genau die Reaktion des Geweihten auf das Gesagte. Bevor dieser etwas sagen konnte, ergänzte der Edle zu Dunkelstein: ”Wir sind auf Eure Hilfe und Diskretion angewiesen. Wenn jemand hier uns, dem Junker, ja den ganzen Nordmarken helfen kann, dann seid es Ihr. Die Rüstung wurde Eurem örtlichen Schmied direkt gestohlen, er wird gerade von unseren Gefährten zu den Geschehnissen befragt. Könnt Ihr uns etwas über ihn berichten? Gibt es hier in der Ortschaft jemanden, den Ihr direkt befragen würdet, wenn solch ein Diebstahl geschieht?”

Ingmar Isenhammer, der gerade Luft geholt hatte, um sich gleichfalls vorzustellen, riss die Augen auf und starrte Krispinian an. Sein linkes Auge rollte nach innen, so dass sich nur das Weiße zeigte. “Hlûthars Rüstung!” keuchte er, schlug sich mit der flachen Hand an seine linke Schläfe und schimpfte abgelenkt “Verdammter Mist!” und begann, seinen Kopf energisch zu schütteln. “Wartet einen Moment, Herrschaften!” bat er und verließ nahezu fluchtartig die Esse.

Krispinian von Tsawalden hob die linke Augenbraue, eine seiner Angewohnheiten. Er wendete sich Eblaus zu. ”Fürwahr, eine heftige Reaktion, Euer Gnaden. Auch wenn ich seine Erregtheit ob des unfassbaren Diebstahls natürlich absolut nachvollziehen kann. Was meint Ihr?” Noch während er die Frage stellte, folgte er dem Geweihten um zu sehen, wohin dieser so eilig wollte.

Eblaus war in der Zwischenzeit schon ein wenig dunkelrot angelaufen und hustete immer noch kräftig, der Ritt am gestrigen Tag durch den Regen hatte dem Praioten nicht gut getan. Er hielt sich ein großes  Sacktuch vor Mund und Nase und schüttelte verzweifelt den Kopf.

Im Nebenzimmer befand sich der Wohnbereich des Geweihten - Schlafstelle, Küche und Herd in einer Kammer. Krispinian sah, wie sich der Ingerimmgeweihte über die Waschschüssel beugte und mit beiden Händen in seinem Gesicht herumfuhrwerkte, bis mit einem lauten ‘Plopp’ etwas in die Waschschüssel plumpste, gefolgt von einem erleichterten ‘aaah!’ des glatzköpfigen, großgewachsenen Geweihten. “Hab ich dich!” verkündete Isenhammer glücklich, fischte durch die Schüssel und schüttelte seine Hand, ehe er auf eine kleines Geräusch von Krispinian hin sich zu diesem umdrehte, sein linkes Auge in einer Hand, und den Edelmann fragend anblickte. “Was ist denn, Hoher Herr?” Mit einer viel geübten Bewegung griff er sich an Ober- und Unterlid und schob sein Glasauge wieder dorthin zurück, wohin es seiner Meinung nach gehörte. Einen Augenblick lang blickte er Krispinian aus beiden Augen an, ehe sein linkes Auge sich wieder langsam gen Nase drehte.

“Verzeiht, Euer Gnaden. Ich war um Euer Wohlergehen besorgt, als Ihr so eilig von dannen lieft.” Krispinian lächelte ihn an. “Geht es Euch gut soweit? Wollen wir zu meinem Gefährten gehen, um über unsere Fragen und Eure wohl geschätzte Meinung dazu sprechen?”

“Sicher.” Der Geweihte rieb sich nochmals über seinen Augenwinkel, zog geräuschvoll die Nase hoch und lotste Krispinian mit einem auffordernden ‘nach Euch, bitte’ zurück in seinen Tempel. “Was hat die Rüstung des Heiligen Hlûthar um aller Zwölfe Willen hier in Erzenschöffer zu suchen? Und wann wurde sie gestohlen - und wie? Was wisst ihr darüber?” Merklich erschüttert blickte er mit seinem rechten Auge die beiden an, während sein Linkes zur Abwechslung starr gerade aus stierte.

Krispinian musterte den Geweihten und nickte zustimmend. Er drehte sich um, nachdem er den Hauptraum wieder betreten hatte, und warf einen Blick auf Eblaus. “Geht es Euch gut, Euer Gnaden?”, fragte er mit besorgtem Blick. “Wollt Ihr Euch setzen?” Eblaus nahm das Angebot dankend an. Er war fahl und rotzte vernehmlich.  An Ingmar gewandt sagte er: “Die Rüstung war hier, weil sie für einen besonderen Anlass repariert werden musste. Eine Aufgabe, der wohl nur ein zwergischer Fachmann gerecht werden würde, wie uns erklärt wurde - Euer heimischer Schmied ist daher für diese Aufgabe auserwählt worden. Ihm ist die Rüstung vor kurzem gestohlen worden.  Was könnt Ihr uns über ihn berichten, Euer Gnaden? Wenn ihm solch eine bedeutende Aufgabe übertragen wurde, muss er ein wahrer Meister seines Fachs sein. Woher kommt er, wieso hat er Erzenschöffer als Standort seines Schaffens auserkoren?” Krispinian sah den Ingerimm-Geweihten aufmerksam an und nickte Eblaus kurz freundlich zu. Der erwiderte das Lächeln nach Kräften. "Vielleicht könntet ihr…", ein Husten unterbrach Eblaus, "noch ergänzen, wie Ihr hierherkamt und ob Euch in letzter Zeit etwas besonderes im Ort aufgefallen ist." “Ich hüte den Schrein manchmal im Winter, dann komm’ ich ein paar Monde vorbei und warte, bis der Schnee wieder so weit taut, dass ich weiter kann. So lange bin ich der Geweihte für alles im Dorf von allem von Geburten bis Grablegen und hüt’ auch die Tempelchronik - macht ja sonst keiner …” Und jünger wurde er auch nicht, so dass ihm die Kälte im Winter zunehmend in den Knochen biss. Ein guter Grund, sich einen warmen Ort an einer heimeligen Esse, die ihm die Dörfler so dienstbeflissen errichtet hatten, zu suchen. Er überlegte einige Augenblicke. “Der Ferambolosch ist schon ingerimmgesegnet gut mit Waffen und Wehr, das muß ich ihm lassen. Der ist schon immer hier - länger als ich, jedenfalls, und es heißt, dass die Schmiede hier den Zwergenschmieden Aurin und Raurin gehört hätt’, aber so weit geht auch mein Tempelbuch nich’ zurück, aber das wär’ ja auch bis fast in die dunklen Zeiten.”

“Die Schmiede hat den Schöpfern der Rüstung bereits gehört? Bei den Göttern, ein wahrlich bedeutsames und vor allem altehrwürdiges Gebäude.”  Krispinian blickte die beiden Geweihten an. “Was denkt Ihr, Euer Gnaden: Könnten dort noch ältere Aufzeichnungen archiviert sein?” Direkt an Ingmar gewandt ergänzte der Edle zu Dunkelstein: “Denkt einmal bitte an den Zeitpunkt des Diebstahls zurück, gerne auch ein paar Tage davor und danach: Ist es etwas Ungewöhnliches aufgefallen? Waren Fremde im Ort, fanden außergewöhnliche Aktivitäten statt? Benahm sich jemand der Einwohner anders als sonst? Eure Mithilfe ist wirklich von größter Bedeutung, Euer Gnaden. Bitte helft uns, dieses abscheuliche Verbrechen aufzuklären. Lasst Euch daher ausreichend Zeit für Eure Gedanken.” Krispinian von Tsawalden lächelte den Ingerimm-Geweihten bei seinen Worten warmherzig und offen an. Und blickte ihm dabei aufmerksam in sein intaktes Auge.  

“Hm:” Ingmar grübelte, während sein linkes Auge Eblaus und Krispinian klagend anstierte. Der Götterdiener strich sich über seine schweißfeuchte Stirn und hinterließ eine breite Rußspur. ““In der Schmiede ist nix - die Ortschronik ist hier. Die geht über alle ingerimmgefälligen Vorkommnisse … reicht wohl ein paar hundert Götterläufe zurück.  Hier hab’ ich alles, was die Handwerker im Dorf machen - von der Aufmaßzeichnung von der ‘Höh’ bis zu allen Grundrissen. Komisch, dass ihr euch auch danach erkundigt. Jahrelang interessiert’s keinen und jetzt waren’s mit euch gleich vier - und das ist auch eigentlich alles an Besonderem, was so passiert ist in den letzten Wochen.” Er schüttelte energisch seinen Kopf, was dazu führte, dass sein linkes Auge von den beiden Adelsleuten abließ und sich stattdessen auf den Amboss konzentrierte. “Die haben nach dem Plan der Schmiede gefragt. Komisch eigentlich, wenn ich mich so erinner’ ... ” Er zuckte die Schultern und rückte abermals sein Auge zurecht, das in einem wilden Kullergang alle Frager gemustert und sich dann wieder nach hinten gedreht hatte. “Das waren ein paar Zwerge hier aus den Bergen, Dastasch und Daggro und ein paar Begleiter - die wollten die originalen Grundrisse der Schmiede von Aurin und Raurin sehen, waren dann aber arg enttäuscht, weil die Einträge im Archiv nur siebenhundert Jahre zuückgehen und ich keine älteren Pläne habe. Dann war’n da drei vom Donnererorden, die haben sich über Zwergensicherungen kundig gemacht, und ich weiß, dass da in der Schmiede irgendwas verbaut ist. Lass’ mich mal überlegen, wie die hieß - das war so eine Albernierin - Enid von Hinterbusch, glaub’ ich , und zwei Begleiter. Ich hab’ aber nur ein paar allgemeine Schemazeichnungen für eine Fallgrube mit Eichenpfählen, eine Fallbeilkonstruktion und  eine Bolzenschleuder gehabt. Das hat ihnen aber schon ausgereicht, sie haben sich die Skizzen kopiert und eine gute Spende dagelassen. Und ja, dann war’n da noch die zwei Avesjünger - zumindest sahn sie so aus, kunterbunt gekleidet, wie’s die Gecken im Alten Reich tun. Die war’n Zwergenforscher - Zarpada und Sidech Sirra aus Yaquirdorp, haben sie gesagt. Aber ein bißchen komisch waren die schon - wollten alles ganz genau über die Zwergenschmiede wissen, haben nach den Legierungen gefragt und danach, was für berühmte Stücke die Schmiede hier schon gefertigt haben. Vor allem die Hlûtharsrüstung hatt’ es ihnen angetan. Darüber konnten sie gar nicht genug hören - der Sidech meinte, er wollt’ zum Zwergenschmied, dem Meister Ferrombarosch  gehen, während die Frau, die Zarpada, lieber in die Höh’ gegangen ist - die Dumpfelmosers hatten Schlachttag und es gab’ Würst und Knödel in Kesselbrüh.”

Sein linkes Auge rollte energisch in Richtung Nase und wurde mit einer ebenso kräftigen Kopfbewegung zurückgeschüttelt.

“Am nächsten Tag hat’s dann in der Höh die große Klopperei gegeben - Die Wina hat gesagt, die Yaquirdorp hätt behauptet, sie hätt’ gesagt, dass das Zwergenbier schlecht ist. Das isses auch, aber tatsächlich hat die Yaquirdorp zuerst mit der Wina gestritten und dann die Rondralda gefragt, ob sie das auch so sieht wie die Wina, weil es doch nicht stimmt, dass das Bier der Dumpfelmoser Zwergenplörre sei - isses auch nicht. Ich hatt’ noch nicht mal die Hälfte meiner Nierenpastete durch, als mir dann irgend jemand von den Schreihälsen sein Bier über die Schüssel geschüttet hat. Das hab’ ich mir dann halt auch nicht bieten lassen - ich will, Ingerimmershammernochmal, mein Essen in Ruhe haben!”

"Bei PRAios, so viel Mangel an Zivilisation und Ordnung kann nicht toleriert werden. Sich über ein Bier zu streiten…", lamentierte Eblaus. "Seid Ihr sicher, dass dieser nichtige Anlass einziger Auslöser war?" Eblaus hatte interessiert zugehört. Dieser Geweihte des Feurigen hatte vieles hier im Ort mitbekommen. Dass sich so kurz hintereinander so viele Leute für die Schmiede interessierten kam ihm verdächtig vor.

Krispinian von Tsafelden ließ sich seine Aufregung nicht anmerken. Innerlich spürte er bei den Worten das Ingerimm-Geweihten, wie die Spannung in ihm wuchs. Er spürte, wie die Jagd begann … ”Fürwahr, Euer Gnaden, auffällig viele Leute, die sich in so kurzer Zeit für Angelegenheiten interessieren, die allesamt mit dem Diebstahl zu tun haben.” Der Edle zu Dunkelstein zückte während seiner Worte sein Notizbuch und schrieb seine Gedanken auf. ”Was könnt Ihr uns über die Begleiter der Zwerge sagen? Und über die beiden Angroschim an sich? Haben sie hier im Ort übernachtet, weiß jemand mehr über sie? Wohin gingen sie anschließend? Ebenso verhält es sich mit diesen von Euch beschriebenen Donnerern und den ‘Gecken’: Wann verließen sie Erzenschöffer wieder? Wer von den Einheimischen könnte mehr über diese drei Gruppierungen wissen?” Krispinian lächelte den Geweihten des Ingerimm freundlich an.”Habt jetzt schon Dank, Ihr helft uns, auf die richtige Spur zu kommen. Den Göttern sei Dank, dass wir Euch hier vor Ort als Unterstützung haben. Bitte überlegt, ob Euch noch etwas zu den genannten Personen einfällt. Und die Pläne, die die Donnerer sehen wollten, würde ich auch gerne sehen.” Der hochgewachsene Mann wandte sich an seinen Begleiter: “Euer Gnaden Eblaus, habe ich noch etwas vergessen?” Dieser schüttelte interessiert und zufrieden den Kopf.

“Die Zwerge wollten wohl was beim Schmied vorbeibringen.” Ingmar runzelte die Stirn und wischte sich über den blanken Schädel, während sein linkes Auge scheinbar die Wand fixierte. “Der Dastasch war so ein Schwarzer, Haare wie Pech und so schwarze Augen, wie’s nur die Angroschim haben. Der Daggro dagegen war feuerrot, mit ganz grünen Augen. Die Donnerer war’n alles Menschen, alle beritten, und die Hauptfrau vom Hinterbusch trug eine richtig feine Platte, kein Zwergenwerk, vermutlich Garether Fertigung - könnte vielleicht eine alte Wehrheimer gewesen sein, mit richtig schönen Einlegearbeiten. Hat ihr gut gepasst. Dabei gehabt hat sie ein Langschwert, einen Kriegshammer - der war Zwergenenwerk - und einen Schild mit dem Donnererwappen.  Sie und der Ritter bei ihr, Albin hieß er wohl, der sich für die Architektur der Schmiede interessiert hat und fragte, was eine gute Schmiede da so haben müsse und wie man so was sichern könne - die bauen wohl gerade an einer Ordensniederlassung. Der Dritte, so ein Milchbart, hat gar nix gesagt und nur geguckt wie ein Barsch auf dem Trockenen. Die kamen so ein, zwei Wassermaß nach den Zwergen. Und als ich dann dachte, s’wär endlich Ruhe und ich könnt weiterarbeiten, sind die Liebfelder aufgetaucht. Die Zwerg’ ham’ wohl irgendwo im Ort übernachtet, die Liebfeldischen in der Höh, bei den Donnerern weiß ich’s nicht, aber wohl ebenfalls. Wo soll man hier sonst auch hin. Die Bücher zeig ich euch gern.” Er ging wieder in den Nebenraum, in dem er wohnte, wühlte in einer Truhe und unterbreitete seinen Gästen mit einem gebrummten ‘und das sind jetzt die Vierten’ den Inhalt der Truhe. Es waren gerollte Pergamente, einige große Folianten und sogar eine Steintafel.  “Das sind die Sachen, die die sich damals auch angeschaut hatten.”  Er legte den Stapel auf den kleinen Tisch.  “Ich weiß nicht, was die alle gesucht haben und was’se gefunden haben schon lang nich’.”

Die Folianten enthielten die Chronik des Tempels und auch des Dorfes Erzenschöffer der letzten gut dreihundert Götterläufe. Die Pergamente waren verschiedenste Zeichnungen von Meisterstücken, die über die Zeit im Tempel ausgestellt waren, Waffen, Werkzeuge, Mechaniken und Rüstungen waren dort detailliert abgebildet. Die Steintafel war mit halbverwitterten Angram-Runen bedeckt.

“Am nächsten Tag hat mir dann Meister Ferrombarosch erzählt, dass ihm was gestohlen worden ist. Was genau es war, wollt’ er nicht sagen. Wir haben zusammen die Kammer, in der er seine Schätze hat, angeschaut - das Schloss war offensichtlich unbeschädigt. Erst als er es auseinander genommen hat, hat er gesehen, dass im Inneren feine Kratzer waren - wie vom Bart eines Alriks. Er hat mich gebeten, darüber zu schweigen, weil er nicht wollte, dass der Diebstahl bekannt wird - er meinte, das gäb sonst zu viel Ärger.”

Krispinian von Tsawalden schrieb die Worte des Geweihten genau mit. Er nickte Ingmar freundlich lächelnd zu.  “Würdet Ihr uns die von den Besuchern angesehenen Dokumente und Gegenstände für eine Untersuchung zur Verfügung stellen? Ich würde diese gerne unseren Mitreisenden zeigen. Einige von ihnen werden dies besser deuten können als Ihre Gnaden Eblaus und ich, zum Beispiel unsere zwergischen Gefährten diese Steintafel. Gerne könnt Ihr uns auch begleiten, Eure Mithilfe war uns jetzt schon von großem Nutzen. Habt Dank schon einmal dafür, Euer Gnaden.” Eblaus nickte, was seine Nase kitzelte. Ein schallendes Niesen dröhnte durch den Raum. “Entschuldigung”, murmelte er betreten. “Klar dürft ihr sie angucken, aber ihr müsst sie hier les’n, Herrschaften. Die Chronik und die Unterlagen werd’ ich nicht aus dem Tempel geben, was ihr gewiss verstehen werdet, Euer Gnad’n .”  Die Unterlagen bestanden aus einigen Skizzen von Sicherungsanlagen für Türen und Tore, einer Pfahlgrube, einer Armbrustselbstschusseinrichtiung vermutlich zwergischer Grundlage, und mehreren Konstruktionszeichnungen, die von einem Wasserheber, wie er in der Wasserkunst einer Binge Verwendung hätte finden mögen, bis zu verschiedenen Risszeichnungen von einfachen bis zu sehr komplexen Schlössern reichten.  Die Chronik listete - mehr oder minder genau und vollständig, hin und wieder bot sie Lücken mehrerer Götterläufe - die Geschehnisse des Ortes, soweit sie Schmiedkunst, Handwerk oder verwandte Themen anbelangten der letzten vierhundert Götterläufe auf. Ausgiebig referierten sie auch über die Taten und Sagen berühmter Zwergenschmiede.  Die Steintafeln, verziert mit Rogolan-Runen, würden eine Kenntnis dieser Schrift erfordern. Eblaus studierte die Dokumente gründlich, konnte jedoch nichts erkennen, das von Bedeutung war. Mit Ausnahme der großen, kantigen Schriftzeichen, die er nicht entziffern konnte. Dabei schniefte er und versuchte, zu verhindern, dass Feuchtigkeit auf das wertvolle Pergament tropfte. “Euer Gnaden, seid Ihr in der Lage, diese zwergischen Runen zu entziffern?” “Sicher!” Isenhammer war ein genaueren Blick auf die Tafeln, die er schon einige Male entziffert hatte, während sein zweites Auge wachsam über die Gäste streifte. “Das ist ein genauer Bericht über die Feuertaufe, Lehrlings- und Gesellenzeit von Aurin und Raurin und die Beschreibung ihres Gesellenstücks, eines Helms. Beide wuchsen in Rugoschrom - Rugoschs Hallen in unserer Sprache - auf, und haben dort bis zum Beginn ihrer Walz gelernt und die Binge erst verlassen, als es dort nichts mehr für sie zu lernen gab und sie den ältesten Meistern gleich waren.” “Das sind die Schmiede, die die Hluthars-Rüstung erstellt haben?”, wollte sich Eblaus bestätigt wissen. “Sie haben in welcher Binge gewohnt? Ist diese weit von hier?”

“Rugoschrom gibt es natürlich noch. Die liegt in den Ausläufern des Vorderkosch, irgendwo in Kranick. Ich war noch nie dort, aber einer der Angroschim, die vor ein paar Wochen hier waren, stammte von dort und hat mir bei ein paar Bier darüber berichtet. Und sicher, das sind die sagenhaften Zwergenschmiede - deshalb sind sie ja so bekannt.” erläuterte der Ingerimmgeweihte hilfsbereit.

 Nach einer kurzen Pause ergänzte der hochgewachsene Edle: “Ach ja, wir hörten davon, dass es zudem im Ort ungewöhnliche Preise für Handelswaren gäbe, die Rede war von einem Händler namens Zerfer. Wisst Ihr etwas darüber? Und fallen Euch abseits des Diebstahls und den Besuchern noch weitere Dinge ein, die in letzter Zeit ungewöhnlich für Erzenschöffer waren?” Der Edle von Dunkelstein wandte sich an Eblaus. “Euer Gnaden, habt Ihr explizit noch Anmerkungen oder Fragen? Ich bin gespannt, was die anderen herausgefunden haben. Später würde ich mir in jedem Fall noch gerne den Tatort anschauen. Ich habe ein Talent dafür Dinge zu bemerken, vor denen die Augen anderer verschlossen sind.” “Das merke ich”, erwiderte Eblaus mit einem verschnupften Lächeln. Seine eigentlich grazile Nase war zu einem roten Zinken angewachsen und lief unaufhörlich. “Hm - die Keilerei in der Höh’, das ist selten, dass es so viel Ärger da gibt. Die Dumpflmosers sind richtig gut drin, das friedlich zu halten.” Er kniff die Augen zusammen, als er sich an eine Begebenheit erinnerte, als Marjan einen vollen irdenen Bierkrug auf dem Kopf eines Raufboldes zerschlagen hatte, als der Rigbald anging. “Aber sonst war da nix besonderes.” Er kniff ein Auge zusammen und musterte mit dem Verbliebenen überlegend die Gäste. “Habt Dank, Euer Gnaden, für Eure Zeit! Ihr habt uns sehr weitergeholfen”, schniefte Eblaus. Er bemühte sich um ein belohnendes, anerkennendes Lächeln, doch seine zugeschwollenen Augen tränten dabei.

Krispinian von Tsawalden lächelte den Geweihten des feurigen Gottes freundlich an. “Also muss diese Schlägerei einen besonderen Auslöser gehabt haben.” Er kniff die Augen zusammen und fragte: “Sagt, könnt Ihr uns auch noch etwas zu diesem Zerfer und den merkwürdigen Preisentwicklungen sagen? “ Bei diesen Worten begann der Edle zu Dunkelstein, seine Aufzeichnungen um das eben Gesagte sowie um Inhalte aus der Chronik und den Unterlagen zu ergänzen. Diese eine Frage zu den Preisen erschien ihm noch wichtig, Phex möge wissen, warum ihm dieser Gedanke als bedeutend erschien. “Der dicke Zerfer ist einer der Eisenwarenhändler hier in der Stadt - er wohnt zur Untermiete beim Schneider. Wegen den Preisen fragt besser bei ihm nach - ich bin wissens die Götter kein Händler.” Isenhammer zuckte die Schultern. “In der Höh gab’s vor drei Wochen eine große Keilerei. Ich wollt da eigentlich nur meine Mittagssuppe essen, aber dann hat einer der Liebfeldischen, der Zwergenforscher, die am Tag davor auch bei mir waren, sich über Winas Waren ausgelassen und gemeint, das Bier von der Marjan sei Läpperbrüh’, und dann wurd’s zu einem handfesten Streit. Als mir dann einer die Supp’ umgestoßen hat, hab’ ich dem eins mit dem Humpen verpasst und es war eine ganz schöne Arbeit, bis die alle vor der Tür waren.” Er schüttelte sich bei dem Gedanken an diesen wirren Tag. “Aber der Rigbald und die Marjan können das besser beschreib’n - das ist ihr Haus.”

Krispinian von Tsawalden nickte Isenhammer erneut freundlich zu. “Euer Gnaden, Ihr habt uns wahrlich geholfen, der Herr Ingerimm soll es vergelten.” Mit diesen Worten blickte er sich fragend um. “Sagt, wo finde ich Euren Opferstock, um eine kleine Spende bei Euch lassen zu können?” Ihm wieder zugewandt ergänzte er: ”Wir werden uns nun mit unseren Gefährten beratschlagen, habt Dank. “In Richtung Eblaus fuhr der Edle zu Dunkelstein fort:” Diese Schlägerei … Mich dünkt, es gab mehr Gründe dafür als nur dünnes Bier. Lass uns dies im Auge behalten, Euer Gnaden.” Krispinian verbeugte sich kurz in Richtung des Altars und trat ins Freie. 

Der Geweihte Isenhammer wies auf einen metallenen Kubus am neben dem Eingang zum Schrein, der als Opferstock fungierte. “Der Schmied der Götter möge eure Wege lenken.” bedankte er sich, als er die Leute ziehen sah.

Krispinian sprach auf dem Rückweg zu Eblaus:” Euer Gnaden, ich denke, wir konnten gewinnbringende Informationen erhalten. Diese Schlägerei passt zeitlich zum Diebstahl, sie wird etwas damit zu tun haben. Was denkt Ihr? Und auch wenn die Diebe vorher Erkundigungen über die örtlichen Gegebenheiten eingeholt haben, halte ich es für nicht unwahrscheinlich, dass sie lokale Unterstützung hatten - bei einem solch brisanten Diebstahl halte ich es für unwahrscheinlich, dass sie dies ‘blind’ getan haben. Nur einen Blick in die Pläne werfen? Das kann ich mir kaum vorstellen. Außer sie waren Meister ihres Fachs, und dann wäre unsere Aufgabe ungleich schwieriger. Was habt Ihr für Erkenntnisse gewinnen können?”

Eblaus nickte. “Hm, Hilfe aus dem Ort ist naheliegend. Aber ob eine Prügelei bei dem Diebstahl so hilfreich war? Ich denke auch, dass sich die Diebe den Tatort näher angeschaut haben. Der Vorwand mit den Plänen hatte natürlich nichts mit ihren eigentlichen Plänen zu tun. Hatschi!”, nieste Eblaus. “Ich muss sagen, ich fand interessant, was uns der werte Herr Isenhammer über die Zwergenschmiede erzählt hat. Offensichtlich liegt die Binge nicht weit von hier. Zwar ist die Anfertigung schon mehrere Jahrhunderte her, doch ist das für Zwerge kaum eine Generation. Vielleicht könnten wir über die Geschichte der Rüstung auf einen Anhaltspunkt stoßen.” Eblaus wischte sich den Schweiß von der Stirne. Obwohl es kalt war, schwitzte er ersichtlich. “Womöglich haltet Ihr mich jetzt für ein bisschen von Dere abgehoben, aber es handelt sich um die Rüstung des heiligen Hluthar. Die Götter haben immer eine Absicht, einen Plan, in allem, was hier auf Deren vor sich geht. Auf solch heiligen Stücken wie dieser Rüstung, da ruht der Blick der Zwölfe. Es geschieht nichts ohne Grund und Sinn. Wir Sterblichen vermeinen, unsere eigenen klugen Pläne auszuhecken, doch die Götter spielen selbst in diesem Spiel mit. Was meint ihr? Vielleicht ist die Rüstung auf verschlungenen Pfaden an ihren Ursprung zurückgelangt? Oder an einen Ort, der mit dem Schicksal des heiligen Hluthar eng verbunden ist?” Der junge, schmächtige Praiot sinnierte vor sich hin, wobei Krispinian nicht einschätzen konnte, ob er halluzinierte oder in Zungen sprach und eine Vision erfuhr.

Krispinian von Tsawalden nickte bedächtig. “Ihr sprecht wahr, Euer Gnaden. Die Wege und vor allem die Ziele der Götter sind oftmals nicht auf den ersten Blick zu erkennen.” Er sog die frische Luft in seine Lungen, bevor er fortfuhr: “Nun denn, wir haben einiges, dass wir mit unseren Gefährten teilen können. Und denkt an meine Worte, diese Schlägerei hat etwas mit dem Diebstahl zu tun, das lässt mich Phex im linken Zeh spüren.” Er legte dem Geweihten aufmunternd die Rechte auf dessen Schulter. “Machen wir, dass wir ins Warme kommen, Euer Gnaden. Ihr habt Euch da ganz schön was eingefangen, möge Peraine Euch baldige Milderung schicken. Wir schauen mal, ob wir in der Gaststätte nicht einen stärkenden Tee und eine gute Hühnersuppe für Euch ergattern können.” Der Edle zu Dunkelstein lenkte seine Schritte neben den jungen Geweihten und in Richtung Gasthaus. 


Der Dorfschulze

Das Schulzenhaus am Marktplatz war ein schmuckes, großes Fachwerkhaus mit hübsch geschnitzten Fensterläden. Es war nicht nur die Wohnstatt der Schulzenfamilie, sondern beherbergte auch noch die Amtsstube der Büttelin in einer Kammer direkt neben der Eingangstür. Auf das Klopfen der Reisenden öffnete sich ein Fenster im ersten Stock und eine ältlicher Frau mit gestärker, blütenweißer Haube blickte heraus. “Ihr wünscht?”

Fulco ging kurz vor dem Aufbruch zum Schulzen kurz zum Wirt “Sagt, Herr Wirt, wer ist bei euch der Schulze oder die Schulzin des Dorfes?”

“Einen Schulzen haben wir - das ist Meister Regolan Trek. Er lenkt schon seit vielen Jahrzwölften die Geschicke in unserem Dorf.” gab Rigbald bereitwillig zur Auskunft.

Ulfried stand unsicher hinter Fulco und schien sich beinahe hinter dem Freund seines Vaters verstecken zu wollen. Aufgeregt blickte er über die Schulter des Ritters nach oben zu der Frau am Fenster.

Die beäugte die beiden misstrauisch und in einer Haltung, als wisse sie noch nicht, ob sie nun die Nase rümpfen und das Fenster wieder zuschlagen oder dem Begehr der Fremden lauschen solle.

Fulco schaute ebenfalls hoch zu der Dame und zauberte ein Lächeln auf sein Gesicht  “ Die Edlen zu Kaltenklamm und zu Kranickteich wollen Meister Trek sprechen. Läßt sich das einrichten ?” 

“Was wollt ihr denn von ihm? Ich komm’ runter und mach’ euch auf.” Mit diesen Worten verschwand die Frau aus dem Fenster und wenig später hörten die beiden schlurfende Schritte hinter der Tür, die sich leise quietschend öffnete. “Kommt herein, hohe Herrschaften, ich führ’ euch in die gute Stube.” “Habt  Dank” entgegnete Fulco der Frau “ Was wir mit dem Schulzen zu besprechen haben, ist nur für seine Ohren bestimmt, verzeiht” Dann ging er mit Ulfried in seinem Windschatten der Frau ins Haus hinterher.   “Was ist hier passiert? Warum ist hier so ein Auflauf aus so vielen Adelsleuten? Weiß der Junker davon?” Der alte Dorfschulze Regolan Trek hatte die Gäste in seiner guten Stube empfangen. Er saß auf einem gepolsterten Lehnstuhl mit Fußschemel neben einem gut eingeheizten Kachelofen mit schön glasierten, grünen und beigen Kacheln, die Blumen und Ranken und zwergische Ornamente zeigten. Von einer besonders schönen Kachel grinste ein Ofenweibchen in den Raum. Der Dorfvorsteher zog eine Decke von seinen  bequem ausgestreckten Beinen und hievte sich mühsam aufrecht, als die Adligen eintraten. “Und die Frau Travia zum Gruß, ihr Herren. Was ist Euer Begehr?”

Fulco neigte den Kopf zur Begrüßung “Travia mit Euch Meister Trek. Bleibt doch bitte sitzen” bei diesen Worten deutete Fulco automatisch mit seinen Hände eine entsprechende Geste. Er setzte sich dem älteren Mann mit aufrechtem Oberkörper gegenüber “Habt dank, das ihr uns in eurem schönen Heim empfangt. Um auf eure Fragen einzugehen, ja der Junker ist über unseren Aufenthalt hie in Erzenschöffer im Bilde. Wir sind in einer recht delikaten Angelegenheit hier vor Ort, können wir “ hier machte er eine Geste, welche Ulfried mit einschloss “auf eure Verschwiegenheit bauen” Er schaute dem Mann aufmerksam und abwartend an.   

“Sicher, junger hoher Herr.” der Schulze kniff die Augen zusammen und musterte die Gäste mit überlegendem Blick. “Ihr verfolgt gewiss die Liebfelder, die sich in der Höh geprügelt haben?” Der alte Schulze strich sich durch seine schüttere Haarpracht und betrachtete seine Gäste aus trüben, wässrigblauen Augen. “Das macht alles meine Tochter Ferlane - die kümmert sich drum, die ist schließlich die Büttelin und hat für Ruhe und Ordnung zu sorgen.”

Bei der Erwähnung von Liebfeldern blickte Ulfried überrascht zu Fulco hinüber, ehe es, ohne auf eine Reaktion seines Begleiters zu warten, aus ihm herausplatzte: “Liebfelder? Das ist neu. Wann waren die denn hier? Was waren das für Gesellen? Wann sind die verschwunden?”

‘Was ein alter Fuchs, er wirkt gebrechlicher, als er ist‘ dachte Fulco bei sich. Er musterte den Mann bei seinen nächsten Sätzen ganz genau. Zudem musste Fulco musste sich ein Schmunzel ob der Reaktion von Ulfried verkneifen. Dies verbarge er hinter einem kleinen Nießer “ Entschuldigt. Es war mir gar nicht bewusst, dass die Büttelin eure Tochter ist. Da seid ihr bestimmt mächtig stolz” Hier nickte er bestätigend. “Wann hat sich der Vorfall in der Höh denn ereignet” setzte Fulco der Frage von Ulfried mit entspannter Körperhaltung im Plauderton hinterher. 

Der Dorfschulze nickte eifrig. “Zwei, ganz bunt gekleidete Gecken, waren’s - richtige Avesjünger, ein Mann und eine Frau, aus dem Liebfeldischen wohl, und die haben in der Höh die Wina beleidigt und eine ganz miese Keilerei angefangen. Ferlane hat sich dann allem angenommen, aber die zwei sind gleich darauf abgereist, so dass sie ihnen die Rechung von den Dumpflmosers nicht mal mehr hat einbläuen können.” erklärte er bedrückt.

Ulfried hob den Kopf und schob die Augenbrauen zusammen, ehe er den Kopf langsam zu Fulco und dann wieder zurück zu dem Dorfschulzen drehte. Diesem nickte er zu, als würde er die Ausführungen verstehen.  “Die Wina, aha.” Ulfried kratzte sich kurz am Kinn. “Und weswegen hatten sie Streit mit dieser Wina?” Noch ehe der alte Mann antworten konnte, setzte der junge von Argenklamm mit erhobenem Zeigefinger hinzu: “...und vor allem: wann ist das geschehen?”

Fulco lächelte Ulfried an und nickte bestätigend mit dem Kopf “ Der Zeitpunkt ist von elementarer Wichtigkeit” Er wandte sich wieder dem Schulzen zu und wartete gespannt dessen Antwort ab. 

“Vor drei Wochen war das wohl, edle Herrn. Aber sagt mir, warum erkundigt Ihr euch danach? Das war nur eine Wirtshausprügelei.”

“Fremde sind immer verdächtig!”, warf Ulfried schnell mit erhobenem Zeigefinger ein, ehe er sich wieder etwas zurücknahm und in ruhigerem Tonfall fragte: “Habt ihr den häufig Fremde hier?”

“Ja, sicher. Ihr müsst wissen, es kommt ja immer viel seltsames Volk hierher. Wegen den Zwergenbergen und auch zum Schmied. Meine Tochter lässt sich von allen immer genau erzählen, wo sie herkommen und was sie hier zu suchen haben. Ihr müsst sie fragen, sie weiß das alles. Aber solang sie keinen Ärger machen und nur brav ihre Geschäfte erfüllen, da muss ich mich ja nicht mit ihnen befassen. Aber warum fragt ihr, hohe Herrschaften?”

Fulco setzte ein überzeugendes Lächeln auf. “Nun stellt euer Licht nicht unter den Scheffel Meister Trek. Ihr seid, wie uns zu Ohren gekommen ist, seid ihr schon lange Schulze des Ortes und so bekommt ihr bestimmt auch alles mit, was in euren Dorf vor sich geht. Ihr erwähntet grade seltsames Volk bei der Schmiede. Wie meint ihr das denn, es scheint sich doch um eine zwar recht große, aber keine besondere Schmiede zu handeln. Warum sollte an solch einem Ort seltsames Volk zu finden sein? Was meint ihr damit genau?” 

Während Fulco dem Alten schmeichelte um ihm noch die ein oder andere Gegebenheit zu entlocken, stand Ulfried auf seinen Gehstock gestützt stumm daneben und blickte sich suchend im Raum um, als erwarte er, einen versteckten Hinweis zu entdecken. Für den Schulzen eines Dorfes war dies ein recht ansehnliches Anwesen. Zumindest für Schnakenseer Verhältnisse.

“Die Schmiede, ha, die ist wichtig. Ihr müsst wissen, hohe Herrschaften, dass das eine ganz wichtige Zwergenschmiede ist! Vor ganz langer Zeit sollen die zwei Meisterschmiede der Angroschim aufgebaut haben, und deshalb kommen noch immer viele Zwerge hierher. Und auch ein paar andere, weil der Schmied, Meister Ferrombarosch, wirklich ein Meister ist und keiner so gute Rüstungen macht wie er. Deshalb sind hier immer viel Leut’ unterwegs, hohe Herren. So ist das.” Bestätigend nickte der alte Schulze. “Aber warum fragt ihr danach?”

Fulco machte ein nachdenkliches Gesicht. ‘Wie sollen wir das Ausdrücken, eigentlich währt Ehrlichkeit ja am längsten. Kann man dem Mann wirklich trauen !?‘  Fulco legte seine Stirn leicht in Falten. ‘Weiter um den heißen Brei herum zu reden, macht nun mal auch keinen Sinn‘ Er setzte Vorsichtig an und tauschte mit Ulfried einen kurzen Blick aus  “ Ihr habt ja recht Meister Treck. Wir sind ja zu Euch gekommen. Habt ihr vor ca zwei Wochen seltsame Vorgänge in bzw um die Mühle mitbekommen? ”

“Eine Mühle gibt’s hier nicht, hohe Herrschaften. Ihr meint die Schmiede, nicht wahr?” fasste der Schulze zusammen. Aber an der Schmiede war nichts. von dem ich weiß. Was soll denn dort passiert sein, werte Herren? Ihr hängt da immer nur eine Möhre vor meine Nase wie beim Esel vor dem Karren - wenn in meinem Ort etwas geschehen ist, meint ihr nicht, ich sollte das erfahren?” 

Fulco schaute kurz etwas verlegen drein “ Ja natürlich meinte ich die Schmiede, verzeiht”

Ulfried machte mit beiden Händen eine abwehrende Geste. “Werter Meister Treck, es liegt leider nicht an uns zu entscheiden, wem wir was erzählen dürfen…oder eben nicht. Verzeiht die Geheimniskrämerei, mir selbst ist dabei auch nicht eben wohl.” Ulfried blickt noch einmal unsicher im Zimmer umher und seufzte gut hörbar. “Lasst mich euch so viel sagen: In der Schmiede wurde etwas entwendet und viele Ritter und Edle sollen diesen Casus nun klären.”. Der junge Edle kratze sich am haarlosen Kinn und blickt versonnen zu einem der Fenster. “Zwei Wochen sind eine lange Zeit. Wenn man einen Diebstahl nicht binnen drei Tagen klären kann, bleibt der Schuldige meist unerkannt.” Dann fixierte er wieder den älteren Mann in seinem Sessel. “Aber wir müssen es dennoch versuchen und sind darob über jeden Hinweis dankbar.”  

“Das muss aber etwas Wichtiges gewesen sein, wenn so viele Adelsleute dafür unterwegs sind.” bohrte der Schulze nach. “Zu mir ist da nichts gedrungen, also kann da nichts Gewichtiges passiert sein. Das letzte, das etwas Besonders war, war die Schlägerei in der Höh mit den liebfeldschen Gockeln - meine Tochter hat ganz arg darüber geschumpfen, aber wie gesagt, da fragt ihr am besten sie. Ach ja, und die Händler ha’m sich beschwert, weil angeblich die Metallpreise zu billig sind … und die Dumpflmosers war’n stinkig, weil der Hopfen nicht so gut war, wie sie ihn bestellt hatt’n.” Der Schulze zuckte die Schultern und musterte die beiden Adligen aufmerksam aus klaren Augen, in die sich ein ganz kleiner Hauch Argwohn geschlichen hatte.

Ulfried blickte den Alten nachdenklich an. “Wir danken Euch für Euren Auskünfte. Zumindest diese Liebfelder Gockeln waren für uns neu. Diesem Hinweis werden wir auf jeden Fall nachgehen.” Dann entfuhr ihm ein deutlich hörbarer Seufzer, ehe er sich wieder straffte und zu seinem Begleiter sah. “Äh, ausser der hohe Herr von Kranickteich hat noch eine Frage…”

Fulco hatte kurz seinen Gedanken nachgehangen und fand bei der Erwähnung seines Namens wieder ins hier und jetzt. Er musste sich kurz sortieren. Nach ein paar Sekunden zauberte er wieder ein Lächeln auf sein Gesicht “ Nein, ich glaube für den Moment wäre das alles. “ erwiderte er in Richtung von Ulfried. Dann wandte er sich an den Schulzen und zog eine Augenbraue leicht hoch “ Habt Dank Meister Treck, wir werden eure bereitwillige Mitarbeit bei dieser Angelegenheit Junker Oldebors gegenüber erwähnen. Mögen Praios und Travia stets eure Wege beschützen” Mit diesem Worten erhob sich Fulco und deutet eine leichte Geste zum Abschied an. 

“Die Götter mit euch, Ihr Herren.” verabschiedete sie der Schulze, der ihnen mit nachdenklich gerunzelter Stirn nachblickte.

Schmiedegehilfen

Pünktlich zur Mittagsstund machten sich der Schmied und seine Gesellen auf zur ‘Höh’, um einen verdienten Imbiss zu sich zu nehmen. Voll war das Gasthaus, und Rigbald, der Wirt, hatte wieder sämtliche Hände voll zu tun.

Ulfried nickte mit dem Kopf in die Richtung des Tisches, an dem die Schmiedegesellen Platz genommen hatten. Ohne groß abzuwarten, ob Fulco seinem Wink folgt, nahm Ulfried seinen Becher und hinkte langsam zu dem Tisch hinüber. Dort angekommen legte er ein Lächeln auf, das nicht so recht zu der Röte in seinem Gesicht passen wollte. Kaum merklich atmete er tief durch und sprach mit leicht zittriger Stimme: “Ingerimm zum Gruße, werte Handwerksburschen. Hättet ihr noch ein Plätzchen für mich und meinen Begleiter?” Ulfried deutete bei seinen letzten Worten mit dem Daumen seiner freien, linken Hand über seine Schulter in Richtung Fulco.

Fulco ging lächelnd hinter Ulfried zum Tisch und ließ sich neben Ulfried nieder.    ‘Wusste ich doch, dass der Junge es kann. Lassen wir ihn das Kommando übernehmen bei dieser Befragung ‘

“Hohe Herrschaften?” Eine ältere Gesellin zog sich ihre imaginäre Kappe vom Kopf und verbeugte sich leicht. “Aber g’wiss dürft ihr euch setz’n, Travia zum Gruß!” Neugierig musterte sie die beiden, ehe sie und ihre Begleiter - meistenteils Gesellen, aber auch ein paar Lehrlinge, wie mit der Schmiedekunst und ihren Zeichen Bewanderte hätten sagen können (die Gesellen trugen einen Ohrring, was den Lehrlingen noch verwehrt war), zur Seite rutschten, um für Fulco und Ulfried Platz zu schaffen.

Ulfried lächelte etwas gequält und nahm mit einem knappen Nicken die Einladung an, sich neben die ältere Gesellin zu setzen. Sein Blick schwiff sodann über die hier versammelten Handwerker und er versuchte einzuschätzen, wie alt die Lehrlinge wohl sein mochten und ob eine oder eine unter ihnen versuchte, seinen Blicken auszuweichen. Er war sich sicher, dass er hier in der Runde, unter Beobachtung vieler Anwesenden, den Handwerkern keine brisanten Hinweise würde entlocken können. Aber er könnte zumindest abklopfen, von wem es überhaupt etwas zu erfahren gäbe. Ulfried wendete seinen Kopf zu Fulco und grinste unwillkürlich. Im Gegensatz zu ihm selbst war der ehemalige Knappe seines Vaters eine eindrucksvolle Gestalt. Eine  Mahnung an die Tugenden Praios’ hätten aus seinem Munde sicher mehr Gewicht.

Fulco fing das Grinsen des jüngeren Edlen auf und wandte sich an die versammelte Runde “Ein schönes Dörfchen bewohnt ihr da, lauter götterfürchtige Leute. Besonders der Tempel des Herrn Ingerimm ist von schöner Bauweise” Er ließ den Blick kurz über die Versammelten gleiten. “Dürfen wir euch auf eine weitere Runde einladen?” Er machte dem Wirt eine kurze, entsprechende Geste. “ Und ihr findet alle euer Auskommen in der hiesigen Schmiede? Dann kann sich euer Dienstherr über mangelnde Aufträge ja nicht beklagen” lächelte Fulco in die Runde “ Berichtet doch etwas von eurer Arbeit” er schaute auffordernd in die Runde der Handwerker. 

“Danke, hoher Herr.” freute sich die Gesellin über die Runde. “Ich bin Rabine.” stellte sie sich vor. “Und bei wem darf ich mich für da Bier bedanken?” Die Schmiedegesellein war braunhaarig, hatte eine markante Stupsnase und grünbraune Augen.  “Das hier ist Raxa.” Sie wies auf einen blonden Lockenkopf mit leuchted grün-blauen Augen, der höchstens vierzehn Sommer zählte. “Sie ist das Lehrmädel.  Und der Lehrbursche hier ist Roxamlosch, noch ganz grün hinter den Ohren.” Einer der beiden Angroschim am Tisch, dunkelblond und mit kurzem, nicht einmal handlangem Bart, machte ein Gesicht, als habe er in etwas Bitteres gebissen. Das da ist Rotger, der Altgeselle.” wies sie auf den letzten am Tisch, einen Mann um die zwanzig mit dunkelbraunem Haar und beginnenden Geheimratsecken, auf dessen Wange sich eine offensichtlich noch nicht zu alte Brandnarbe wie von einem Eisenspan abzeichnete. Rotger betrachtete die beiden Adligen mit misstrauischen Augen und nickte ihnen knapp zu, auch wenn er das Bier um so gerner nahm.

“Bei dem hohen Herren neben mir handelt es sich um niemand geringeren als Ritter Fulco von Kranickteich!” In Ulfrieds Stimme schwang ein wenig übertriebener Pathos mit, doch sein Gesicht blieb ernst. Er ließ seine Worte einige Sekunden wirken, dann fügte er in gemessenen Tonfall hinzu: “Und ich selbst bin Ulfried von Argenklamm, Edler von Kaltenklamm.” Dann nickte er jedem einzelnen der Lehrlinge und Gesellen am Tisch kurz zu und blickte ihm tief in die Augen. “Habt Dank, dass wir uns zu euch gesellen dürfen.”

“Oh, edle Herren!” Die Handwerker nickten eifrig, warfen sich aber auch sehr zweifelnde Blicke zu. Insgesamt konnte sich Ulfried des Eindrucks nicht erwehren, dass sich keiner der Handwerker durch ihren Besuch so besonders wohl in seiner Haut fühlte. “Auf euer Wohl.” fügte Rabine vorsichtshalber an und nahm einen tiefen Schluck aus dem Bierkrug, den Rigbald soeben aufgefüllt hatte.

Fulco stieß mit den Gesellen und Gehilfes des Schmiedes an “ Auf euer Wohl. Erzählt doch etwas von Eurer Arbeit. Bei einer so großen Schmiede und einem solch über die grenzen des Ortes hinaus bekannten Lehrherren bekommt ihr doch bestimmt hin und wieder interessante und nicht alltägliche Dinge zu sehen. Mich interessieren natürlich außergewöhnliche Waffen oder Rüstungen. Könnt ihr da was berichten?” Fulco schaute interessiert und auffordernd in die Runde. 

Ulfried nahm schnell einen Schluck aus seinem Krug, sodass man das Grinsen, welches sich auf seinen Lippen abzeichnete, nicht erkennen konnte. Fulco verschwendet keine Zeit, gut so! Jetzt gilt es zu beobachten, wer von den hier am Tisch versammelten Handwerkern sichtlich etwas verbergen möchte.

Die Gesellen und Lehrlinge tauschten einen kurzen Blick voller Argwohn, ehe Rabine, als sei nichts geschehen, mit den Schultern zuckte. “Hin und wieder kommen schon schöne Stücke, die ihre Besitzer reparieren lassen wollen, edle Herrn. Und momentan schmieden wir an einem wunderschönen Zweihänder für einen Junker hier in der Gegend. Und wir haben letztens einen Kürass für eine Hauptfrau der Flussgarde gemacht, mit silbernen Einlegearbeiten und ihrem Hauswappen. Aber der Meister will nicht, dass wir über Kunden reden, da kann ich euch leider nicht weiterhelfen, edler Herr.” Ein warnender Blick streifte über ihre Kollegen, die kurz die Köpfe einzogen und angelegentlich in ihre Bierhumpen starrten.

Fulco schaute kurz zu Ulfried und machte einen interessierten Gesichtsausdruck, bevor er sich wieder den Gesellen und Lehrlingen mit einem Lächeln zuwandte “ Das ist verständlich, wir wollen ja nicht Schuld sein, das ihr mit eurem Dienstherren in Konflikt gerate” Er wandte sich lächelnd mit einem fragenden Ausdruck in Richtung Ulfrieds.    

Ulfried blickte kurz ausdruckslos zu Fulco und zuckte mit den Schultern, ehe er sich wieder an die Runde wandte. “Nein, das wollen wir sicher nicht. Ihr seid eurem Herren schließlich verpflichtet und nur die heilige Pflicht gegenüber dem allsehenden Auge des Herren Praios in Recht und Wahrheit zu leben stünde noch über der Verpflichtung vor euren Herren.”

“So ist das, Edle Herrschaften. Außerdem kriegen wir sonst eine Kopfnuss vom Meister und schlimmstenfalls könnte er uns rauswerfen. Und deshalb bleiben wir ingerimmgefällig fleißig und anstellig, so wie’s dem Göttlichen Schmied und dem Götterfürsten wohlgefällig ist.” Nickte die Gesellin zustimmend. “Aber warum wollt ihr nicht gleich mit dem Meister sprechen, wenn ihr ein Anliegen habt, das ihn angeht?” bot sie an.

“Oh, das geschieht bereits.”, erwiderte Ulfried und nickte dabei eifrig. “Wir werden dann, seine Zustimmung vorausgesetzt, bei Gelegenheit wieder auf euch zurückkommen.” Bei den letzten Worten blickte Ulfried nochmals mit zusammengekniffenen Augen in die Runde. “Wir wollten uns jedoch bereits jetzt schon ein Bild davon machen, wer in seiner Schmiede außer ihm selbst noch tätig ist.”

Fulco folgte den Worten Ulfried`s Aufmerksam und nickte bestätigend. Dann wandte er sich wieder an die versammelten Arbeiter. “Wir wollen euch eure wertvolle Mittagszeit nicht vergrämen. Wenn ihr noch ein wenig Zeit erübrigen könnt eine ganz andere Frage. Wie kommt es, das der Tempel der gütigen Mutter verweist ist. Dies ist ja eher ungewöhnlich” Mit diesen Worten schaute er fragend und aufmerksam in die Runde. 

“Na, die letzten Geweihten sind vor vier Jahren gestorben. Der Junker hat an die Kirche geschrieben und neue Geweihte verlangt, aber die zwei, die kommen sollten, haben unterwegs ein Waisenhaus gefunden und sind dort geblieben - und der letztes Jahr musste weiterreisen, weil seine Schwester krank geworden war. Und jetzt warten wir wieder auf  Neue.” Die Gesellin zuckte die Schultern. “Ich hab’ eine Wette mit Rotger und Roxalmosch” sie nickte beiden zu “laufen, wie lang der nächste bleibt. Ich bin bei zwei Monden, Roter hat gesagt sechs und Roxalmosch meint, einen Götterlauf.” Rabine schielte in Richtung des Brotkorbes, der sich rasch leerte, und zuckte götterergeben die Schultern. 

“Habt Dank, das ist für euer Dorf natürlich nicht angenehm. Beten wir zu den Göttern, das euch bald wieder ein Diener oder eine Dienerin zur Seite steht. “ Fulco nickte in Richtung der Versammelten Gesellen “ Dann wollen wir euch nicht weiter in eure Pause stören” Er schaute in Richtung Ulfried “Wollen wir uns auf den Weg machen?” 

Ulfried schien dem Wortwechsel kaum zu folgen und blickte versonnen in Richtung eines Fensters. Als Fulco ihn direkt ansprach, schien er kurz aufzuschrecken und nickte. “Ja, lasst uns aufbrechen.” Er erhob sich langsam und stütze sich dabei auf den Tisch. Als er schließlich stand, griff er nach seinem Gehstock und nickte den versammelten Handwerkern kurz zu. “Habt Dank. Ich wünsche euch noch ein gesegnetes Tagewerk.”

Zusammenfassung

Nach getaner Arbeit fanden sich die Adligen wieder im Gasthaus ‘In der Höh’ ein - und ein kleines Trinkgeld an Rigbald und Marjan, das Wirtspaar, sicherten der Gruppe die ungestörte Nutzung des Gastraumes.

"Gut, wir sind die ersten." Mit diesen Worten betrat Irminella gemeinsam mit Leomar erneut 'die Höh'. "Danke, dass wir ungestört bleiben dürfen, Rigbald. Die anderen dürften demnächst eintreffen, bereitet doch ein wenig Speiß' und Trank zu."  Anschließend verabschiedete sich Irminella kurz von Leomar, um 'ein paar Dinge aus dem Zimmer zu holen'. Als sie zurückkam trug sie ein Bündel Bütten, eine Feder und Tinte bei sich. Sie legte die Schreibutensilien an einen zentralen Punkt an den langen Tischen. Dabei achtete sie darauf, dass alles akkurat lag und auch die Papiere sauber übereinander lagen. Sie begutachtete kurz ihren Platz, nickte dann einmal zufrieden und lächelte Leomar an. "Na dann können die anderen Hohen Herren ja kommen, nicht wahr? Ich bin bis aufs äußerste gespannt, was sie alle zu berichten haben."

Anschließend setzte sie sich auf ihren Platz und schenkte sich einen Becher Wasser ein  nachdem Rigbald begonnen hatte, den Tisch mit Getränken einzudecken und behielt die Tür im Blick, um jeden der Rückkehr freundlich zu begrüßen.

Fulco und Ulfried schlenderten in die Gaststätte und sahen sich um. Als sie Irminella und Leomar erblickten, setzten sie sich zu den Gefährten. Fulco lächelte beide an “ Und wie waren Eure Eindrücke von der Büttelin. Teilt ihr den Eindruck der Unfähigkeit? Ach ja, sie ist die Tochter des Schulzen, hat sie das erwähnt?” Fulco dachte kurz nach, griff dann aber auch zum Wasser statt zum Bier. ‘Hier werden jetzt klare Gedanken und ein wacher Geist gebraucht‘

Schweigend nahm Ulfried neben Fulco Platz und schien mit seinen Gedanken abwesend zu sein. Die bereits anwesenden Edlen grüßte er nur mit einem knappen Nicken. 

"Schön Euch zu sehen. Ja, das hat sie. Lediglich am Rande allerdings. Sie ist nun über die Dinge im Bilde, hat aber Verschwiegenheit gelobt. Ich empfinde sie nicht als so unfähig, wie der Herr Greifax andeutete. Ein bisschen geradlinig in den Überlegungen vielleicht, aber sie hat viel beitragen können, glaube ich. Aber alles zu gegebener Zeit. Lassen wir die anderen zurückkehren, bevor wir uns in Einzelheiten ergehen - auch wenn ich darauf brenne zu hören, was Euch der alte Trek erzählt hat!" Dann hob sie, mit einem Lächeln den Becher Wasser in Richtung Fulco und Ulfried an. "Schön zu sehen, dass auch Ihr mit klarem Geist an die Verarbeitung der Informationen gehen wollt." Sie behielt ihr Lächeln und blickte erneut zur Tür.

Fulco lächelte zurück und wandte sich an Irminella “ Es freut mich zu hören, das die Dame nicht völlig fehl auf ihrem Posten ist. Ihr habt recht, wollen wir auf die anderen warten.”

Vorsichtig öffnete Thimorn die Tür zum Gastraum und betrat diesen mit den beiden anderen Knappen. Neugierig sah er sich in dem noch fast leerem Raum um und wandte den Kopf an seine Begleiter. “Es scheint als hätten wir noch etwas Zeit gehabt. Aber es läuft uns ja nichts davon, jetzt sind wir hier.” Er nickt den anderen Anwesenden zu. “Rondra zum Gruße. Ich hoffe, die Götter waren bei Euren Erkundigungen mit Euch.” Gemächlichen Schrittes trat er auf den Tisch zu und suchte mit wachem Blick nach einem freien Platz der seinem Stand angemessen schien.

Fulco wandte sich den drei Knappen zu. “ Nehmt Platz und trinkt etwas. Wir sollten auf alle warten, bevor wir berichten” dabei deutete er auf ein paar freie Plätze. 

Das strohblonde Graupenmädchen lächelte, ob Thimorns Tatendrang und Enthusiasmus. Sie mochte zu der Sinnigkeit des Ausflugs eine andere Meinung vertreten als er, aber seine Einstellung war die Richtige. So versorgte sie sich selbst mit einem Glas Wasser, nachdem sie den Hohen Herrschaften ihren Respekt zollte, voran Euer Wohlgeboren von Kranickteich, der sie zu sitzen einlud und setzte sich mit den anderen Knappen, Gutmundt und Thimorn, an einen der Tische an dem sie sich eine Haarsträhne zwirbelte.

Bevor sich die Tür erneut öffnete, konnten die Anwesenden ein lautes “Hatschi!” vernehmen. Der Praiot Eblaus trat durch die Tür, während er sich zugleich versuchte, wieder zu fassen. Ein weiteres kleines Hüsteln, dann ein Seufzen folgten. Dennoch rang er sich ein freundliches Lächeln ab, als er den Gastraum betrat. “Das Licht des Herrn leuchte Euch auf allen Pfaden”, grüßte er und nahm ebenfalls Platz. “Ich hoffe, Ihr wart bei Euren Recherchen erfolgreicher, werte Herrschaften?”

Der junge Edle Ulfried von Argenklamm blickte dem Praiosgeweihten direkt in die Augen und machte dabei ein niedergeschlagenes Gesicht, ehe er den Kopf schüttelte und den Blick senkte. “Leider nicht. Einige vage Spuren, aber nichts konkretes, was uns hülfe, den Unholden auf die Schliche zu kommen.”

Fulco schaute freundschaftlich zu dem jungen Edlen “ Laßt den Kopf nicht hängen Ulfried. Wenn wir alles zusammengetragen haben, wird sich schon ein Weg oder mehrere Wege offenbaren. Die Götter werden unsere Schritte lenken und am Ende werden wir diese Tat ungeschehen machen.”

Als letztes stieß eine große Gruppe dazu: Herrat und der dicke Händler sowie Jorik, Lysander, Wolfmar und Rondragon schlossen sich der Versammlung an. Die Rondrianerin hatte einen Blick aufgesetzt, der nach Jagd aussah. Auch der Händler wirkte zufrieden.

Am Tisch der Versammlung angekommen, nahm Lysander Quintin von Eisenfels in aller Ruhe Platz, Peranna erntete nur einen kurzen, aber freundlichen Blick, während die Anderen am Tisch ein jeweils mit einem Nicken bedacht wurden. 

Krispinian von Tsawalden betrat gemeinsam mit Eblaus den Schankraum. Er nickte seinem Freund Rondragon zu und begrüßte ebenfalls stumm Irminella. Nachdem er sich einen Platz gesucht hatte und ein Bier orderte, dachte sich der Edle zu Dunkelstein: “Nun denn, wollen wir mal lauschen, wer hier eins und eins phexgefällig zusammenzählen kann.” Er nahm sein Notizbuch und seine Dokumente aus der Tasche und machte sein Schreibzeug bereit. 

Lysanders Blick fiel auf Krispinian von Tsawalden, der gerade dabei war, seine Schreibutensilien hervorzuholen. ‘Soll mir nur recht sein’, dachte sich der Hohe Herr Eisenfels, ‘dann muss ich mich schon mal nicht drum kümmern!’ Nun war er gespannt, was es zu berichten gab.

"Gut, fangen wir an." Mit diesen Worten stand Irminella auf. "Sicherlich haben alle Anwesenden einiges erfahren und möchten die neu gewonnen Informationen teilen. Bitte berichtet zunächst ausschließlich die Fakten, nehmt von Interpretationen Abstand, bis jeder, der möchte, gesprochen hat." Sie machte eine kurze Pause bis sie sicher war, dass ihr auch jeder Gehör schenkte. 

"Die Büttelin hat sich als hilfreich erwiesen. Sie berichtete uns", dabei schaute sie kurz zu Leomar herüber, "von Zwergen, Mitgliedern des Donnererordens und zwei Liebfeldern, die sich allesamt für die Schmiede interessierten. Ferner sprach sie von den Streitigkeiten zwischen den Eisenwarenhändlern, der beinahe zur Eskalation kam und zu Handgreiflichkeiten führte. Konnten diese in diesem Fall verhindert werden, konnte selbiges im Wirtshaus hier", dabei hob sie beide Hände, "nicht verhindert werden uns ergab sich eine ordentliche Schlägerei, bei dem einiges zu Bruch ging. Auslöser war die Behauptung des Liebfelders - es war nur einer der beiden am Abend hier - die Wina habe gesagt, das Bier hier sei 'Zwergenplörre'. Sie stritt dies im Nachgang ab. Dasjenige, das zu Bruch ging, wollte die Büttelin den Liebfeldern in Rechnung stellen, war einer der beiden doch der Auslöser. Beide waren aber am frühen Morgen mit Sack und Pack abgereist. Die Befragung der Einheimischen im Umland ergab, dass sich die Spur der beiden nach ungefähr einem Wassermaß gen Firun verliert. Hat man bis dahin die 'bunten Vögel' noch beobachten können, waren sie anschließend - hier zitiere ich die Dame Trek - 'wie weggezaubert'. Abschließen möchte ich meinen Bericht mit der Einschätzung der Büttelin, dass es sich hierbei einen von langer Hand geplanten Diebstahl handelt, so etwas gelinge nicht spontan." Sie machte eine Pause und ließ die Worte erst einmal bei den Zuhörern ankommen, immerhin waren es viele Informationen auf einmal gewesen. 

"Natürlich habe ich eine Vorstellung davon, was passiert sein konnte, doch will ich, wie gesagt, erst einmal die anderen zu Wort kommen lassen. Danke." Sie nickte, setzte sich, nahm ein Blatt von Stapel, tauchte die Feder in die Tinte und blickte auffordernd in die Runde.

Fulco hörte der Vögtin aufmerksam zu und nickte bestätigend während er sich erhob “ Die Lieblichfelder erwähnte der Schulze auch. Sein Bericht deckt sich weitgehend mit dem seiner Tochter, jedoch meint er, dass der Vorfall vor drei Wochen war. Dies wäre eine Woche vor dem Diebstahl” Hier hielt Fulco kurz inne “ Jedoch kann Meister Treck sich hier natürlich verschätzt haben-er ist ein alter Mann. Vom Konflikt über die Metallpreise hat er auch kurz berichtet, jedoch auch nicht mehr als ihr schon durch die Büttelin erfahre habt” Er nickte kurz in Richtung Irminella. “ Weitere Informationen haben wir von ihm auch nicht wirklich erhalten, er verwies uns im Gespräch des öfter an seine Tochter. Sie scheint seine Ohren und Augen im Dorf zu sein.  Zu den Gehilfen und Lehrlingen des Schmiedes fällt der Bericht leider noch kürzer aus. Sie haben nichts berichtet und uns an ihren Lehrherren verwiesen. Er hat sie gut darauf geeicht, nichts von der Arbeit aus zu plaudern . Einzeln hätte vielleicht einer etwas erzählt, aber zusammen keine Möglichkeit. Eine der älteren Gesellinnen hat dies im Blick behalten, es war so leider in der kurzen Zeit nichts drin” Hier zuckte Fulco kurz entschuldigend die Schulter.  Er wandte sich lächelnd  an Ulfried “ Habe ich etwas wesentliches bzw. relevantes Vergessen?”  Dann setzte er sich wieder und trank ein Schluck von seinem Wasser. 

Ulfried lächelte von seinem Sitzplatz kurz gezwungen zu Fulco hinauf, ehe er seinen Kopf schüttelte und kurz bestätigte: “Nein, mehr gibt es leider nicht. Ich hoffe, dass wir vom Schmied mehr erfahren. Denn mit dessen Zustimmung könnten wir uns die Gesellen und Lehrlinge nochmals einzeln zur Brust nehmen.”

Irminella blickte vom Papier auf, das sie beschrieben hatte, während Fulco sprach. "Ich danke Euch. Der Schulze hat sich nicht geirrt. Seine Wohlgeboren Oldebor Greifax sprach in Neukrashof ebenfalls von vor drei Wochen, das passt." Irminella nickte Fulco und Ulfried lächelnd zu. "Die anderen Herren oder Euer Gnaden?" 

Fulco lächelte zurück “ Oh, da hatte ich wohl einen kleinen Zeitpatzer.”

 Herrat und Rhodan setzten wie im Chor gleichzeitig an zu sprechen, dann sahen sie sich an. In diesen Moment der Stille hüstelte der junge Praiot hinein. “Naja. Die Herrschaften, von denen die Büttelin berichtete, hat auch seine Gnaden Isenhammer angetroffen. Die Zwerge, die hohen Herrschaften des Donnerordens sowie diese etwas ungewöhnlichen Gestalten, die der Herr Isenhammer als ‘Gecken’ beschrieb, sie alle waren bei ihm im Schrein des Herrn INGerimm zu Gast und interessierten sich für alte Pläne und Zeichnungen. Wir haben Abschriften angefertigt, halten die Dokumente jedoch nicht für sonderlich relevant. Mit Ausnahme einer Abschrift einer zwergischen Sage: Diese berichtete, die Schmiede der Hlûtarsrüstung stammen aus einer Binge hier ganz in der Nähe. Ich kann mir vorstellen, hier könnten wir mehr über den Ursprung der Rüstung erfahren. Und:” Eblaus verharrte einen Moment. Dann setzte er hinzu: “Der Wille der Götter nimmt manchmal verschlungene Pfade, die wir Sterbliche nicht sofort zu durchschauen verstehen. Nur das Licht des Herrn beleuchtet diese Wege und lässt unser Auge sehen. Auch wenn uns dieses Komplott als Diebstahl erscheinen mag, so könnte es doch sein, dass die Götter nach ihrem Willen veranlasst haben, dass die Rüstung dorthin zurückkehrt, wo sie entstanden ist. Häufig fügt sich das Schicksal in abenteuerlicher Weise. Ich denke, wir sollten mit den Zwergen dieser Binge sprechen. Vielleicht wollten sie ein wertvolles Stück ihrer Ahnen zurückerhalten?” Eblaus räusperte sich. Er hatte vermeintlich geendet, doch da schien ihm noch etwas einzufallen: “Ja, Herr Isenhammer erwähnte, der Schmied habe am Tag nach dem Verschwinden der Rüstung Kratzspuren im Inneren des Schlosses zur Kammer gefunden, in dem die Rüstung aufbewahrt wurde. Dies deutet auf ein Eindringen mittels eines Alriks hin. Die Diebe mussten handwerklich oder jedenfalls in ihrem verdammenswerten Metier geschickt gewesen sein.”

Rhodan wieß nun freundlich auf Herrat, um ihr das Wort zu überlassen. “Wir haben auch Verdächtiges zu berichten!”, erklärte sie mit fester Stimme. “Wir haben auf unserem Ritt um den Ort ein Rüstungsteil gefunden - nein, nicht der Hlûtharsrüstung, sondern eine Schlamperei aus Neetha. Diese Flickschusterei hat eine örtliche Händlerin namens ‘Wina”, ‘einfach nur Wina’ an diese zwei Horasier verkauft, von denen die Rede war. Das war offensichtliches Gelumpe. Die junge Frau hatte eine etwas komische Geschichte parat, von woher diese Rüstung stammte. Insgesamt waren ihre Preise spottbillig. Und sie hat versucht, den Herrn Wolfmar mit ihrem Charme zu bezirzen. Herr Herrenfels hat empfohlen, ein Auge auf diese … Dame zu werfen. Auch ich halte es für vernünftig. Sie wirke ersichtlich nervös. Vielleicht ist sie in den Diebstahl verwickelt?” Rhodan nickte und bat Jorik darum, zu berichten, wie sich der Händler Zerf einließ.

Irminella wandte sich dir direkt an Rhodan. "Seid Ihr sicher, dass diese Wina die Rüstung an die Liebfelder verkauft hat? Hat sie das gesagt?" Rhodan hatte den Mund erst halb offen, als Herrat dazwischenfuhr: “Jawohl.” Nach einem kritischen Blick von Rhodan ergänzte sie. “Naja. Nicht direkt. Ähm. Sie sagte, sie habe das Rüstungsteil einem wandernden Abenteurer überlassen… Das kann doch nur…” Rhodan schürzte die Lippen. War da wohl jemand besonders vorschnell, hm? "Ein wandernder Abenteurer? Davon hat zumindest die Büttelin nichts erzählt. Passt der Verkauf zeitlich in unsere Sache hinein? Konnte Wina den Käufer beschreiben? So ganz will diese Sache bislang noch nicht passen…" Rhodan zuckte die Achseln. “Wir müssen diese Dame auf jeden Fall im Blick behalten. Ich habe bei ihr ein ganz komisches Gefühl.”  “Tihihi.”, giggelte Jorik in sich hinein und machte eine einladende Geste in Richtung Irminella. Damit war ja das Wesentliche auch schon gesagt, und da der Fokus nun auf dem Wandernden lag, waren die Bücher und der alte Zerf nicht weiter von Belang. Das war gut; die Ermittlung lief bis hier hin sehr effektiv. Mit Phexens Wille soll es gern so weiterlaufen.

Wolfmar von Wildklamm stand neben der Tür und hatte den Berichten aufmerksam zugehört. Er sprach: “Eigentlich wollte ich die Plättnerin Wina im Auge behalten. Wenn ihr es wünscht, edle Herrschaften,  kümmere ich mich um die Händlerin. Allerdings fürchte ich, dass sie von mir nun zu eingeschüchtert ist, um brauchbare Informationen zu geben. Vielleicht möchte jemand von euch sich nochmal ihrer annehmen? Oder meint ihr, es reicht, Wina weiter zu beobachten und zu folgen? Dann bin ich euer Mann. Was die Liebfelder angeht, könnte ich ebenfalls unterstützen. Es ist eure Wahl.”

"Gut. Ich danke allen für die gute Arbeit! Wir sind ein gutes Stück weiter gekommen!" Sie war sitzengeblieben und faltete nun die Hände, legte sie auf dem Tisch vor sich ab und lehnte sich ein wenig nach vorn. "Ich habe die Liebfelder im Auge. Die Rondrianer vom Donnererorden würden die Rüstung niemals stehlen, da geben mir Ihre Gnaden sicher Recht." Sie blickte zu Herrat. Mit einem schmunzeln fügte sie hinzu. "Sie würden sie wohl eher mit lauter Stimme für die Leuin einfordern und dabei ihrem Ordensnamen alle Ehre machen." 

“Besser wär’s”, bestätigte die Rondrianerin. “Vielleicht haben sie das doch heimlich, still und leise gemacht, um den Landgrafen nicht öffentlich herauszufordern. Die Donnerer sind für ihre Tapferkeit bekannt, nicht für ihre Dummheit”, mutmaßte Rhodan.

"Diese beiden Eigenschaften sind nur durch eine schmale Grenze voneinander getrennt. Doch nein, ich will nicht daran glauben." Sie schüttelte den Kopf. „Doch, doch, da sind ganze Welten dazwischen!“, protestierte die großgewachsene Leuinsritterin. Dann blickte sie wieder in die Runde. "Die Zwerge… deren Erklärungen bezüglich dem Grund ihrer Anwesenheit ist weitaus glaubwürdiger als die von den beiden Liebfeldern. Zwergenforscher können Rogolan, da stimmen mir die Anwesenden sicherlich zu?" Sie machte eine Pause.

"Die Liebfelder erkundigen sich bei Seiner Gnaden nach allem, was die Schmiede betrifft, mitsamt potentieller Sicherungen. Kurze Zeit später bricht eine Schlägerei aus, während zeitgleich die Rüstung gestohlen worden sein muss. Zufall? Ich glaube nein. Es war nur einer der beiden in der Höh und löste mit fadenscheinigen Behauptungen über ungenießbares Bier eine Keilerei aus, die zwangsläufig die Büttelin auf den Plan rufen musste und die Aufmerksamkeit auf dieses Haus hier lenkte." Sie breitete die Arme aus bei den letzten Worten. "Währenddessen steigt der andere beim Schmied ein und stielt die Rüstung. Am nächsten Morgen, als die beiden zur Rechenschaft gezogen werden sollen, sind sie mit Sack und Pack verschwunden. Man hat die bunten Vögel noch ein Wassermaß gen Firun gehen sehen, bis sie plötzlich verschwanden. Auch hierfür habe ich eine Idee: sie haben sich Mäntel übergeworfen. Ich glaube, dass die bunte Kleidung bewusst gewählt worden sein kann, um später, wenn man die bunte Kleidung nicht mehr sieht, leichter unterzutauchen. Wer beschreibt schon Gesicht oder Statur, wenn die Kleidung das auffälligste ist?" Wieder machte sie eine Pause und lehnte sich zurück. "Was mir noch nicht so recht einleuchten mag, sind die billigen Preise der beiden Händler. Ihr spracht von Neethanischer Machart, Rhodan? Das liegt im Horasreich, nicht wahr? Eine sehr vage, aber eine Verbindung. Eventuell hat diese Wina als Informantin gedient und dafür billige Ware erhalten, die sie weiterverkaufen kann? Hier komme ich nicht weiter mit meiner Theorie. Was meint Ihr, Hohe Herren und Damen?" Sie blickte in die Runde, ihr Blick diesmal ein wenig unsteter als gewöhnlich.

Krispinian von Tsawalden setzte einen letzten Schriftzug in sein Notizbuch und stand auf. Der großgewachsene Mann erhob seine Stimme und nickte Eblaus zu. “Wir beide konnten uns mit dem Geweihten im Ingerimm-Tempel unterhalten. Was Ihr alle zusammengetragt habt, stützt in vielen Punkten das, was wir auch durch unser Gespräch vermuten: Die Schlägerei wurde als Ablenkungsmanöver inszeniert, um in Ruhe die Rüstung zu stehlen. Diese Liebfelder stehen ganz oben auf der Liste. Wobei ich es für unwahrscheinlich halte, dass sie keine örtlichen Komplizen hatten - ein Diebstahl ohne lokale Unterstützung wäre äußerst phexgefällig, aber ein Wagnis, das man nicht eingehen muss, wenn man einen Einheimischen oder einen anderen Besucher mit ein paar Münzen auf seine Seite ziehen kann.” Mit einem wohlschätzenden Blick auf Irminella ergänzte der Edle zu Dunkelstein: “ Ich teile die Auffassung daher, dass dieser dreiste Diebstahl von langer Hand geplant worden ist. Es muss somit mehrere Mitwisser geben, was gut für uns ist. Ein Vöglein zwitschert gerne mal außerhalb des Chors.” Der gebürtige Gratenfelser lächelte auffordernd in die Runde: “Wen würdet Ihr nach Euren Erkenntnissen für verdächtig halten, die Liebfelder bei ihrem Raub unterstützt zu haben? Hat jemand das Wirtspaar oder die Schankmagd ob der Schlägerei befragt? Diese können den Hergang sicherlich am besten schildern. Vielleicht ergeben sich daraus Erkenntnisse, wer gemeinsam mit dem Liebfelder die Prügelei ins Rollen gebracht hat. Und diese Preise … Merkwürdig, warum begegnet uns diese Thematik allerorts?” Sein Blick wurde etwas mahnender: “Wirklich viel konnten wir dazu nicht in Erfahrung bringen. Zu einigen anderen Aspekten leider auch. Wie dem auch sei, wo setzen wir an oder haken erneut nach? Diese Wina zum Beispiel sollte etwas eingehender befragt werden, wenn ich Euren Bericht dazu höre. Und die Gesellen des Schmieds …” Krispinian warf einen etwas tadelnden Blick in die Runde. “Befragt sie einzeln. Wir brauchen keine Zustimmung, wir haben einen legitimierten Auftrag. Daran würde ich mich gerne beteiligen, ebenso am Gespräch mit Wina. Und ich würde für meinen Teil mir gerne den Tatort näher ansehen. Vielleicht entdecke ich noch einen Hinweis. Ich habe ein Talent für so etwas”, schloss Krispinian lächelnd, blickt auffordernd in die Runde und setzte sich wieder hin.

Fulco nickte gutmütig in Richtung des Nachbarn “ Ich wollte auch vorschlagen, die Gesellen einzeln zu befragen. Wie gesagt, die Zeit war recht knapp. Wir müssen sie ohne ihren Wachhund Rabine erwischen. Es gibt da noch einen Angroschim namens Roxamlosch, er ist Lehrbursche und ein Lehrmädel namens Raxa. Sie wird so 14 Sommer zählen. Dann war da noch ein junger Mann um die 20 Sommer, der Altgeselle.Sein Name war Rotger Er war sehr misstrauisch” Fulco dachte kurz nach ”Ich glaube, ich würde mich Raxa oder Rotger halten”  

Anstatt des dicken Händlers erhob Eblaus seine verschnupfte Stimme. “Ohne Euch zu nahe treten zu wollen, Herr Herrenfels, aber Euereins haben manches mal … wie soll ich das nennen … zwielichtige Quellen.” Der Rosenhainer war bereits drauf und dran, sich künstlich empört zu geben, als Eblaus beschwichtigend die Hände hob. “Ich sprach nur von den unanständigen Gesellen Eurer Zunft, nicht aber von Euch! Was ich meine ist: Vielleicht hat diese Wina ihre Ware aus … irrlichterner Quelle. Frau Irminella hat eine plausible Idee geäußert. Womöglich war die Ware selbst eine Bezahlung für höchstens phexgefällige Leistungen.” Er hüstelte. “Oder aber die eigentlichen Schergen haben Spitz gekriegt, dass die junge Dame in ihrer Naivität illegal eingekauft hat und wollen sich so ihrer heißen Ware entledigen?”

Krispinian von Tsafelden nickte zustimmend. “Diese Wina und die auffälligen Preise, der Tatort, die Gesellen, weitere Informationen zu dieser Schlägerei, das Auffinden von lokalen Komplizen - das sind meines Erachtens die wesentlichen Punkte, denen wir uns widmen sollten. Ich halte es zudem für eine gute Idee, die Umgebung ebenfalls weiter zu durchsuchen. Wenn wir Spuren der Flüchtenden finden, könnte das ein Schlüssel sein.”

"Ja, diese Wina scheint mir ein größeres Augenmerk verdient zu haben. Ich bin überzeugt, dass wir von ihr mehr erfahren können. Ähnlich verhält es sich mit den Gesellen. Solch ein Sicherungsschloss zu öffnen bedarf eines eigenen Schlüssels oder höchster Kompetenz in phexischen Dingen. Letzteres dürfte bei solch komplizierten Schlössern aber dennoch eine Zeit dauern, die die Diebe bestimmt nicht hatten. Sich lange an einem Schloss abzuarbeiten stellt bei solchen Unterfangen ein zu hohes Risiko dar. Die Gesellen hätten vermutlich die Möglichkeit, das Schloss zu untersuchen und entsprechende Vorkehrungen zu treffen, um das Eindringen zu erleichtern." Jetzt blickte sie direkt zu Krispinian. "Ich vertraue der Büttelin, wenn sie sagt, dass wir in der Umgebung nichts mehr finden. Immerhin ist die Tat fast einen Mond her. Die Dörfler erinnern sich, wenn überhaupt, vage an die beiden Verdächtigen, der Regen hat Spuren verwischt - das kostet uns nur Zeit. Wir müssen herausfinden, wer hinter den beiden Liebfeldern steckt. Zwei dahergelaufene Horasier sind sicherlich nicht einfach so an einer heiligen Rüstung für ihre private Sammlung interessiert. Eventuell können wir mehr über diese dubiose Rüstung aus Neetha herausfinden? Sie hat einen langen Weg hinter sich, bevor sie hier verramscht wurde. Vielleicht finden wir diese Unterhändler noch?"

Herrat brummte zustimmend und legte die Hand an ihr Kinn. “Ihr habt Recht, irgendwie müssen wir mehr über diese Hanswursten herausfinden. Wenn ich mich recht entsinne, dann führen die Donnerer auch ein gut gepflegtes Adelsregister. Man sagt, sie würden akkribisch aufzeichnen, wer mit wem wann Ärger hatte, in Fehde lag oder schmutzige Wäsche zu waschen hatte. Wenn sie die Rüstung nicht selbst für die Herrin Rondra in Sicherheit gebracht haben, dann könnten wir womöglich mehr über etwaige Feinde des Herrn Landgraf erfahren.” Das brachte den fülligen Rosenhainer zum Lächeln. “Schließlich kann sich ja jeder als horasischer Geck ausgeben”, setzte er hinzu.

"Vor allem, wenn es dafür nicht mehr als ein wenig bunter Kleidung bedarf." Sie lächelte. "Ja, die Donnerer waren ja bereits bei Ankunft ein möglicher Anlaufpunkt. Aber auch dies wird Zeit kosten. Dann müssten wir uns aufteilen, um an mehreren Orten gleichzeitig zu agieren."

Krispinian von Tsawalden stützte sein Kinn auf seiner Rechten und dachte nach. Dann nickte er bedächtig. “Wohlan, um wenig Zeit zu verlieren, müssen wir uns in jedem Fall aufteilen. Wir sind ja auch aus dem Grunde solch eine große Schar, um zeitgleich mehrere Stränge verfolgen zu können. Vielleicht wäre ein Bote zu den Donnerern von Anfang an die richtige Idee gewesen, wie ja auch der ein oder andere von uns zu Beginn anmerkte.” Er lächelte in die Runde und fuhr fort. “Ich bin gespannt, was unsere zwergischen Gefährten in Erfahrung bringen konnten. Losgelöst davon gilt es nun, die Donnerer zu kontaktieren, diese Wina einer genaueren Befragung zu unterziehen und die Wirtsleute expliziter Auskunft zu dieser Schlägerei geben zu lassen. Letzteres könnten wir ja hier in der großen Runde machen. Das dürfte den Befragten den Ernst der Lage bewusst machen.” Das Lächeln des Edlen zu Dunkelstein wurde breiter. “Und wie bereits erwähnt möchte ich mir den Tatort genauer anschauen. Aber auch hier bedarf es Rückmeldung der Zwerge. Bei den Göttern, sie sollten sich nicht an ihr zwergisches Zeitgefühl halten. Hier tut menschliche Eile not.” Ergänzend schloss er mit den Worten:” Ich hoffe, meine Depesche an Oldebor wird umgehend beantwortet. Vielleicht können wir dieser Antwort weitere wichtige Erkenntnisse abgewinnen.”

Fulco hörte seinen Gefährten aufmerksam zu. Er nickte in Richtung Irminella“ Ihr habt Recht. Ich denke auch, dass eine genaue Untersuchung der Umgebung zu viel Zeit kostet und aller Wahrscheinlichkeit nicht viel zu Tage brächte” Dann wandte er sich an Krispinian  “ Wollen wir drei “ hier machte er eine Geste die Ulfried mit Einschloss “ uns einzelne Gesellen bzw Lehrlinge des Schmiedes nochmal zur Brust nehmen und diese genauer in eine Befragung verstricken? Allerdings benötigen wir wahrlich die Antworten unserer zwergischen Gefährten. Hoffen wir, dass sie bald eintreffen . ebenso wie die Antwort des Junkers”  Fulco nahm einen Schluck seines Wassers und beobachtet weiterhin seine schon anwesenden Gefährten und hing kurz seinen eigenen Gedanke nach. ‘ Es scheint, dass die Motivation bei einigen nachläßt. Wie könne wir das wieder grade biegen? Schade, das ich Malfalda nicht dazu befragen kann, sie könnte mir bestimmt eine Tipp geben. Naja, wir kriegen das schon hin…. ‘  

Krispinian nickte Fulco zustimmend zu. “Auch bei dieser Wina wäre ich gerne dabei. Ich spüre, sie hat Dreck am Stecken. Bringen wir das Vögelchen zum Singen.” Fulco nickte lächelnd zurück “ Dann lasst uns die beiden Stellen angehen, wenn wir alle Berichte gehört haben” "Hier würde ich mich anschließen. Von Dame zu Dame, Ihr versteht?" Sie grinste. Fulco wandte sich zur Vögtin “ Es wäre mir eine Freude, wenn ihr euch uns anschließen wollt.“ 

“Dem kann ich nur voll und ganz zustimmen”, ergänzte Krispinian nickend. “Bei den Gesellen ist wohl auch noch ein Jungspund dabei? Wollen wir einen unserer jungen Vöglein mitnehmen? Die jungen Spatzen singen am liebsten gemeinsam im Chor, lautet ein altes Sprichwort aus meiner Heimat.”

Fulco nickte “Hier wäre die Knappin Peranna eventuell von Vorteil. Die eine der Lehrlinge ist ein junges Mädel, der andere ein heranwachsender junger Mann. Bei beiden kann eine junge Frau hilfreich sein, die Zunge zu lockern” Hier suchte Fulco den Blick von Lysander von Eisenfels sowie den der angesprochenen Knappin “ Euer beider Einverständnis natürlich vorausgesetzt”

"So gern ich mit Euch zusammenarbeite glaube ich, dass wir uns diesmal wirklich trennen sollten. Die Zeit zerrinnt uns in den Händen! Das hieße, wir gehen zeitgleich vor. Keine Dopplungen. Was meint Ihr? So sparen wir Zeit! Und die potentiellen Komplizen können sich bei gleichzeitiger Befragung nicht absprechen."

“Prinzipiell habt ihr Recht. Uns fehlen zur endgültigen Entscheidung noch eben angesprochenen Informationen. Erst dann können wir genau entscheiden, wie wir weiter vorgehen. Natürlich wäre eine zeitgleiche Befragung für uns von unschätzbarem Vorteil , da habt ihr Recht. Wollt ihr schon beginnen, bevor unsere anderen Gefährte wieder hier waren und bericht erstattet haben?”

"Solange wir keine Nachricht aus der Schmiede haben, macht es wenig Sinn. Doch hoffe ich, dass sich die Zwerge nicht mehr so viel Zeit lassen…" 

“Wir warten, Ihr habt recht”, erwiderte Krispinian. “Man isst den Kuchen erst dann, wenn er fertig gebacken ist, wie meine Großmutter immer zu sagen pflegte. Aufteilen werden wir uns in jedem Fall, um Zeit zu sparen. Ich will mir diese Wina vornehmen, wer mag möge mich begleiten. Das muss jetzt alles schnell gehen, die Zeit ist nicht unser Freund. Und lasst uns direkt nach dem Bericht der Zwerge die Wirtsleute einer näheren Befragung hier an Ort und Stelle unterziehen.”

Ulfried nickte dem Edlen von Tsawalden kurz zu. “Ich werde euch begleiten. Zoll- und Handelsrecht ist zwar nicht meine große Stärke gewesen, aber das ein oder andere blieb mir aus der Rechtsschule wohl doch im Gedächtnis.” Der junge Edle kniff die Augen zusammen. “Und es würde mich wundern, wenn das alles rechtens gewesen ist. Allerdings…”, Ulfried blickte dabei zu Eblaus, “...könnte die Neethaner Rüstung auch an diese Liebfelder verkauft worden sein. Wenn sich beide von eitlen Gecken in gerüstete Abenteurer verwandelt haben, mag das ihre Spur ebenso gut verwischt haben.” Er seufzte kurz, ehe er fortfuhr: “So oder so, wie brauchen eine Beschreibung abseits von ‘bunt gekleidet’.”

"Dann sind wir bei der Wina schon zu dritt, schön. Ich freue mich, dem Ganzen mit Euch auf den Grund zu gehen." Sie nickte Krispinian und Ulfried nacheinander zu. Fulco schaute sich in der Runde um. Es schien sich der kleinen Gruppe keine weiterer der Anwesenden anschließen zu wollen. “ Ich würde eure Gruppe gerne ergänzen. Es werden ja wahrscheinlich drei oder maximal vier Stränge verfolgt, da wären wir ja ehe mal mehr als drei Personen. “ Er nickte den dreien beim sprechen freundlich zu. ‘Das ich mit Irminella noch etwas anderes besprechen möchte, gehörte jetzt nicht hier hin. Aber vielleicht ergibt sich so die Gelegenheit‘

"Sehr schön." Sie nickte Fulco ebenfalls zu und hob ihren Becher in seine Richtung. In der Bewegung hielt sie kurz inne, blickte in den Becher, zuckte die Schultern und hielt das Trinkgefäß dann in die Höhe.

Ein wenig zu naiv und gutmütig schaute Lysanders Knappin die illustre Runde der Hohen Herrschaften an, die bei ihrem Dienstherren endete: “Hoher Herr, wenn Ihr mich entbehren könnt, versuche ich mein Möglichstes.”, schlug sie vor, wobei sie nicht recht wusste wie Zunge lockern ging, und ergänzte: “Leider haben wir unter der Dorfjugend nicht viel mehr Sinnvolles herausfinden können. Wer in die Mine möchte, muss zuvor mit der Steigerin sprechen. Das fanden wir heraus. Am Abend wird nämlich immer das Mundloch von einem Tor versperrt!”, gab sie preis und sah Thimorn und Gutmundt an, ob die beiden noch etwas ergänzen wollten. Sie fand die Informationen des Gänsehirten und der jungen Bauersleut’ recht spärlich und nicht sehr dienlich, um die Rüstung des Heiligen Hlûther wiederzufinden. Aber wer weiß, vielleicht konnte Peranna ja Zungen lockern. Das klang sehr abenteuerlich.

Fulco schaute die junge Knappin freundlich an “ Schön, das ihr Euch uns der Befragung der Gesellen anschließen würdet. Ich denke ihr ergänzt unsere kleine Truppe vortrefflich “ Auf Perannas Frage hin betrachtete Lysander Quintin seine Knappin für einen sehr kurzen Augenblick, dann nickte er  “Nur zu”, es folgte eine weitere kurze Pause, Lysander lächelte süffisant, “Für den Moment kann ich Euch entbehren, wenn auch ungern!”, während sein Lächeln in ein freundliches, recht breites Grinsen überging. Krispinian von Tsawalden nickte zustimmend. “Dann warten wir auf die Zwerge. Mal schauen, ob sich das Warten lohnt.” “Dem Warten auf die Zwerge werde ich mich anschliessen, ausserdem könnte ich so langsam etwas zu essen vertragen!”, bemerkte der Hohe Herr Lysander Quintin seinen grummelnden Magen. 

Peranna ließ sich von dem Grinsen ihres Vetters anstecken und konnte nicht anders als offenherzig zurückzustrahlen. Sie blieb diplomatisch dabei, da das Essen schon bestellt wurde und benahm sich wohl in der adeligen Gesellschaft. Es geziemte sich nämlich nicht ihren Dienstherren zu belehren. Daher dachte Peranna an ihren Apfel in der Tasche. Den wollte sie Friedenand später anbieten! Und dann bedachte sie die Hohen Herrschaften wieder mit der Aufmerksamkeit mit der man zuhört, wenn ein Abenteuer an die Haustür klopft und dies den Mut der Löwin erfordert.

Krispinian von Tsawalden erhob sich von seinem Platz und ging hinüber zu seinem Nachbarn Fulco. “Mich hat eine Depesche erreicht, die mir aus Gut Dunkelstein nachgesendet wurde.  Der Inhalt betrifft nicht nur mich, sondern auch Euch.” Er blickte Fulco schmunzelnd an und machte eine kleine Pause

Fulco schaute überrascht zu seinem Nachbarn “ Oha, was ist geschehen? Ich hoffe keine Probleme in der Baronie oder an unseren Grenzen. Wobei dazu wirkt ihr zu entspannt” Fulco wartete die Antwort seines Nachbarn lächelnd und neugierig ab. 

Krispinian lachte kurz auf. Es war ein wohltönendes, tiefes Lachen. “Nein, werter Nachbar, keine Probleme solcherseits. Und entspannt … “Der Edle zu Dunkelstein machte eine kurze Pause und griff zu seinem Bier. “Uns beide erwartet ein gemeinsames Ereignis, wie mir scheint. Mein Bruder Tassilo sandte mir einen Brief, um mir mitzuteilen, dass er um die Hand Eurer Schwester Madalfa anzuhalten gedenkt. Ich gestehe, ich bin ähnlich überrascht wie Ihr. Mein Bruder dient in der dritten Lanze des ersten Banners der Flussgarde in Elenvina, wir haben uns schon länger nicht mehr gesehen. Er ist direkt für die Sicherheit des Herzogs zuständig.” In der Stimme von Krispinian war deutlicher Stolz zu hören. “Und scheinbar hat er sich nun endlich nicht nur in seine Aufgabe, sondern auch in eine Frau verliebt, und zwar in Eure Schwester.” Krispinian prostete Fulco freundlich lächelnd zu. 

Fulco schaute seinen Nachbarn kurz überrascht an, dann breitet sich ebenfalls ein Lächeln auf seinem Gesicht aus “ Ihr habt Recht, ihr seht mich auch überrascht. Hat euer Bruder in seinem Brief angedeutet, wie meine Schwester zu einem Traviabund steht? Sie hat bisher ihr Herz ebenfalls nicht verloren. Ich weiss aber, das sie gerne Verheiratet wäre. Nun, an mir soll's nicht scheitern, einer Verbindung unserer Familien wäre mir eine Freud und Ehre” Hier prostete er Krispinian ebenfalls zu. “ Euer Bruder hat ja eine ehrenvolle und gewichtige Aufgabe, meiner Treu. Es scheint mir mehr als eine gute Partie zu sein”

“Ja, er wollte schon von Kindesbeinen an in der Flussgarde dienen”, berichtete Krispinian stolz. “Er kennt Eilenwïd-über-den-Wassern in- und auswendig, vor allem natürlich die Privatgemächer des Herzogs, für deren Schutz Tassilo und seine Kameraden zuständig sind. Ihr solltet ihn mal im Einsatz mit seinen Schwertern sehen, äußerst beeindruckend. Ich hatte bis zu diesem Brief noch gedacht, dass er keine Zeit für die Liebe und die Ehe hat und ganz in seiner Aufgabe aufgeht. Doch wie mir scheint, hat Eure Schwester ihn zum Umdenken gebracht.” Krispinian grinste Fulco an. “Um Eure Frage zu beantworten: Ja, er schreibt von Liebe. Und dass beide nichts sehnlicher wünschen, als den Traviabund miteinander einzugehen. Mich dünkt, da kommt ein großes Fest auf uns zu. Bald sind wir nicht nur Nachbarn, sondern auch Verwandte.” Er kam mit seinem Humpen näher, um mit Fulco anzustoßen.

Fulco erhob sich und  hob seinen Hupen an und stieß mit Krispinian an “ Sehr schön, es freut mich. Wenn meine Schwester eurem Bruder ebenfalls zugeneigt ist, steht einer Verbindung ja nichts im Weg. Ich freue mich jetzt schon auf das Fest” Er grinste seinen Nachbarn an. “ Welch angenehme Überraschung”

Krispinian lachte erneut auf. “Ja, wer hätte gedacht, dass uns hier mein Bruder und Eure Schwester mit Heiratsplänen überraschen. Sobald wir diese Aufgabe hier gelöst haben, machen wir uns an die Vorbereitungen. Ich freue mich auf das Fest und die Verbindung unserer Häuser!”

Fulco nickte Krispinian freudig zu “ Ein guter Vorschlag, so sollten wir es machen.” Er nickte kurz “ Ich freue mich auch darauf ! Welch schönes Ereignis. Aber nun lasst uns unsere Aufmerksamkeit wieder auf die aktuellen Geschehnisse lenken.” sagte er freudig und hob seinen Becher nochmal an und trank einen guten Schluck. Er konnte sein Lächeln allerdings nicht verbergen.   

Irminella blickte kurz zu den beiden herüber. Sie nickte ihnen zu und trug dabei ein breites Lächeln auf den Lippen.  Krispinian bemerkte Irminellas Geste und rief ihre ebenso breit lächelnd mit erhobenem Becher zu:” Es wäre uns eine Ehre, wenn Ihr uns bei diesem Fest mit Eurer Anwesenheit beehren würdet!” Fulco nickte bei den Worten von Krispinian und lächelte in Richtung Irminella “ Dem kann ich mich nur anschließen”  "Mit größter Freude!" Da man nun ohnehin auf die Ankunft der Zwerge wartete, erhob sie sich und kam zu den beiden herüber, um richtig anzustoßen. "Schön zu hören, dass dieser Tage auch erfreuliche Dinge geschehen! Ich brenne darauf, Eure Anverwandten kennenzulernen, meine Herren!"

Gorthak kam zu Spät zu der Besprechung. Als er den Raum betrat blickte er sich kurz um, verbeugte sich leicht, wobei der Anhänger um seine Hals leicht nach vorn und hinten pendelte.  "Entschuldigt die Verspätung. Ich war wohl zu sehr in meinen Gedanken über die seltsamen Umstände unserer Mission vertieft" verlegen kratzte er sich am Bart. "Vermutlich habe ich das meiste und wichtigste bereits verpasst. Sofern etwas hiervon für mich wichtig ist, wäre ich sehr erfreut, wenn jemand mir einen kurzen Abriss gibt. Ansonsten mag ich Euch vorerst nicht weiter stören und warte dort" dabei zeigte er in eine Ecke des Raumes. 

Mit Gorthak betrat auch Xorgolosch die Herberge. Er setzte sich stumm neben seinen Freund und hörte den Erklärungen der anderen zu.

Was Krispinian und Fulco zu besprechen hatten, interessierte Lysander Quintin weniger, es schien sich um sehr private Dinge zu handeln, so zumindest mal sein Eindruck, kein Grund die Ohren zu spitzen. Was Lysander wesentlich interessanter empfand, waren die Zwerge die den Raum betraten. ‘Da sind sie ja!’, dachte er sich. In wenigen Worten fasste der Edle zu Dunkelstein die bis dato besprochenen Dinge für Gorthak und Xorgolosch zusammen. Krispinian von Tsawalden endete mit den Worten: “Soweit der Stand. Was habt Ihr herausfinden können?” Dabei blickte er die Zwerge direkt an.

Mit einem Nicken bedankte sich der Zwerg für die Zusammenfassung.  "Der ehrenwerte Meister Ferrombarosch hatte die ehrenwerte Aufgabe, die Rüstung zu reparieren. Hierfür benötigte er ein spezielles Metall, welches ihm andere Angroschim brachten. Damit konnte er die Rüstung schließlich fachgerecht instand setzen.  Im Anschluss verwahrte er die Rüstung in einer Kammer auf. Die Sicherheit der Kammer macht uns Angroschim alle Ehre. Eine schwere dicke Tür. Wohl gesichert mit einem komplexen Schloss. Einziger Besitzer des Schlüssels ist der Meister Schmied selbst. Ein einmaliges Werkstück, ein Geschenk des vormaligen Ingerimmgeweihten.  In der Kammer war nichts für die Tat relevantes zu entdecken. Einzig die Tür ist der Eingang, der leider unter der Anstrengung der Diebe nachgegeben hat. Natürlich hat der Meister die Sicherheit erhöht und sein Werk verbessert." In der kurzen Atempause strich sich Gorthak über den Bart. "Und bevor ihr fragt, den Schlüssel hatte er die ganze Zeit bei sich. Niemand hat ihm diesen abgenommen, zumal er Kratzspuren im Schloss fand. "Mit einem leicht herausfordernden Blick schaute sich der Zwerg in der Runde um.  "Die Zeit der Tat kann von Mittag bis zum nächsten Tag Mittag sein. Genau konnte er es nicht sagen. Jedoch äußerte er sich zu einigen Verdächtigen. Die Zwerge aus Koschim waren da, als sie die benötigte Ware lieferten. Datscha, Sohn des Rumwim mitsamt Gesellen. Auch die Donnerer, wie er sagte, vor allem die Hauptfrau von Hinterwalden zeigte Interesse an der Rüstung. Wina und Zerfer wollten die Rüstung erwerben und die Liebfelder Zwergenforscher wollten sie sehen. Auch wenn sie für Forscher weniger vermochten, als ein Wühlschrat beim Axtwerfen. Die Frau hieß Yaquirdorp, sollte es von Relevanz sein. Zu möglichen Verdächtigen aus dem Ort selbst äußerte sich Meister Ferrombarosch nicht." In der kurzen nachfolgenden Pause überlegte der Edle, ob er noch etwas hinzufügen sollte oder gar etwas vergessen hatte. Dabei spielte er abwesend mit seinem Anhänger. Zu dem Schluss gekommen, dass er den Bericht mit der gebotenen Genauigkeit abgegeben hatte nickte er zufrieden.  "Mehr habe ich nicht zu berichten. Hat einer der Anwesenden eine Frage?" Mit einem weiteren, diesmal offenerem Blick schaute der Zwerg die Anwesenden an. 

Irminella nickte zufrieden. "Danke. Eine Frage habe ich nicht, aber es ergibt sich aus Euren Schilderungen ein interessanter Ansatz. Ihr sagtet, das Schloss war ein Geschenk Seiner Gnaden Isenhammer? Selbiger hat, den Ausführungen der anderen zufolge, über so ziemlich alles Aufzeichnungen. Also sicher auch über den Entwurf des Schlosses. Wenn nun die Gesellen sicherlich wissen, dass genau jenes Schloss ein Geschenk war - sicher kein Geheimnis - könnte sich einer von ihnen die Unterlagen besorgt und damit einen Nachschlüssel angefertigt haben? Auf diese Weise wäre der Einbruch schnell von der Hand gegangen."

"Nicht der aktuelle sondern der vorherige Geweihte hat Meister Ferrombarosch den Schlüssel geschenkt. Dies jedoch nur der Richtigkeit halber. Aber diese Theorie passt auch zu der Aussage, dass das Schloss mit einem Alrik oder aber einem Nachschlüssel geöffnet wurde. Und ein nicht perfekt gefertigter Nachschlüssel hinterlässt mit höchster Wahrscheinlichkeit Kratzer." 

"Dann müssen wir uns diese Gesellen auf jeden Fall noch einmal einzeln vornehmen. Ich schlage vor, wir teilen uns auf. Keine Doppelungen, um schneller agieren zu können und Absprachen der Befragten zu mindern. Mit der Wina und allen, die an ihrem Geschäft beteiligt sind und waren und den Gesellen haben wir zwei Anlaufstellen. Fällt jemandem noch etwas ein?"

Xorgolosch schüttelte den Kopf. “Ich glaube nicht, dass Ihr bei den Gesellen fündig werdet. Warum sollten die so etwas machen? Und wenn sie es getan hätten, warum haben sie sich nicht aus dem Staub gemacht? Ich denke, wir haben drei Gruppe an Verdächtigen: Diese Liebfelder, die Donnerer und die Brüder aus dem Kosch, alle haben sich im Ingerimmtempel nach der Schmiede erkundigt.”

"Für Geld oder andere Vorzüge tun manche so einiges. Und Abhauen käme einem Schuldeingeständnis gleich. Man würde denjenigen sofort überall suchen lassen." Sie machte eine Pause. "Und warum die Donnerer als Täter und Verdächtige für mich auszuschließen sind, habe ich bereits erwähnt." Sie blickte in die Runde. "Aber ich bin nicht starrsinnig und lasse mich überzeugen. Gut, wer übernimmt welche Aufgabe? Wollen eventuell dann die Herren Zwerge die Brüder aus dem Kosch übernehmen?"

Gorthak schaute erst Xorgolosch etwas verwundert an, nickte aber dann beim Vorschlag Irminellas. "Was meinst Du Xorgolosch, wollen wir unseren Brüdern und Schwestern einen Besuch abstatten?" “Natürlich”, bestätigte der Angroscho. “Wenn wir von unseren Brüdern etwas erfahren können, dann sollten wir es schaffen.”

Fulco nickte den Zwergen kurz bestätigend zu, wandte sich dann an Irminella “ Ich denke auch, das wir die Gesellen nicht ausser Acht lassen sollten.Wenn einer von ihnen etwas gemacht hat, wird er seine Belohnung noch etwas verstecken und später damit weggehen. Alles andere wäre deutlich zu auffällig. Gerade ein nicht perfekter Nachschlüssel könnte von einen Gesellen oder Lehrling sein. Hierfür hatten wir ja eigentlich schon eine kleine Truppe beisammen.” Er deutete lächelnd die schon genannten Krispinian, Ulfried, Peranna Irminella und sich selber. “ Wir können uns ja auch nochmals aufteilen und zwei Gesellen zeitgleich befragen um ihnen eine Absprache zu erschweren” fügte der Ritter noch an. Er dachte kurz nach “Ich glaube auch, das die Donnerer eher nicht die Täter sind, aber da wir genug Personen sind, kann man ihnen ja einen Besuch abstatten. Schaden kann es nicht.” Er zuckte die Schultern und nahm er einen Schluck aus seinem Humpen. Dann schaute seine Gefährten abwartend an. 

Xorgolosch zuckte nur mit den Schultern. Er hatte seine Vermutungen geäußert, wenn die Kurzlebigen andere Spuren aufnehmen wollten, dann sollten sie das tun.

Herrat erhob die Stimme und beschloss, die Führung zu übernehmen: “Eure Überlegungen sind schlüssig. Ich werde Euch zur Burg der Ritter vom Donnerorden begleiten. Mit einigen der Ritter bin ich flüchtig bekannt, vielleicht hilft uns das weiter!”, erklärte sie stolz. Auch Eblaus rang sich ein Lächeln ab, musste allerdings kurz niesen, bevor er hinzusetzen konnte: “Eine längere Reise…das wird in meinem Zustand…nicht ganz einfach gehen. Deshalb würde ich die Angroschim in die nahegelegenen Stollen ihres Volkes begleiten wollen.” Der dicke Händler zuckte die Schultern. Nach einem Blick in die Runde meinte er. “Gut, dann werde ich, wie es eigentlich der Plan war, dieser jungen Kollegin ein wenig auf den Zahn fühlen.”

Irminella nickte dem Händler zu. "Ich komme mit Euch. Ich glaube tatsächlich auch, es ist alles gesagt. Teilen wir uns auf." Sie sammelte den Stapel Blätter zusammen, verschloss das Tintenfass und trank ihren Becher aus. Da sie es bislang versäumt hatte, etwas zu essen, genehmigte sie sich noch einen kleinen Bissen, bevor sie sich anschickte, sich auf ihrem Zimmer kurz auf die neue Aufgabe einzustimmen.

Noch bevor Irminella verschwand, erhob sich Lysander und richtete sein Wort an die Vögtin von Gräflich Bösalbentrutz “Verzeiht, Hohe Dame” - es folgte eine leichte Verneigung _ “wenn nichts dagegen spricht, dann würde ich mich Euch ebenfalls anschliessen.” Für einen Moment richtete er dann seinen Blick auf seine junge Knappin Peranna, “Oder besser gesagt, wir würden uns anschliessen”, um dann wieder zu Irminella zu schauen. Peranna war seine erste Knappin, ein bisschen musste sich der Hohe Herr Eisenfels noch an diese Tatsache gewöhnen. Kurz darauf erntete Peranna ein sachtes, knappes Lächeln, bisher war er wirklich zufrieden mit seiner Base!

Irminella blieb stehen und wandte sich dem Ritter zu. "Natürlich. Sehr gern." Sie nickte knapp, folgte dann dem Blick Lysanders und lächelte. "Ihr habt großes Glück mit Eurer Base. Sie ist äußerst fähig und macht Euch alle Ehre." Dann blickte sie wieder zu  Lysander. "Die Hohen Herren werden sich aufteilen, hoffentlich einigermaßen gleichmäßig. Falls nicht, übernehme ich gern eine andere Aufgabe. Es ist wichtig, dass man sich mit der gewählten Queste wohlfühlt. Dann geht alles leichter von der Hand. Sollte eine Zusammenarbeit diesmal nicht gelingen, versuchen wir es beim nächsten Mal einfach erneut." Wieder blickte sie zur Knappin herüber und bekam erneut dieses warme, fast mütterliche Lächeln. 

Peranna lächelte Lysander gegenüber ein Fradriklächeln mit weißen Hasenzähnchen und lief bei so viel Freundlichkeit mirellenrot an, was ihr gut zu Gesicht stand. Der Umgang mit ihrem Dienstherren und Vettern war noch ein wenig schüchtern, doch sie nickte ihm tatkräftig zu und schien ihn von Herzen bei seinen Anliegen unterstützen zu wollen. Um nicht zu sagen: sich hineinzustürzen. Da ihre Intentionen wie ein offenes Buch zu lesen waren, gab es an ihrem Gesichtsausdruck keine Zweifel daran, dass sie ihn begleitete und ihm zur Seite stand. Artig bedankte sie sich auch bei der Burgvögtin, die ihr zu einem Vorbild geworden war, das Peranna gerne an ihrer Seite wusste. Man konnte sofort erkennen, dass sich hier wertvolle Bande knüpften und Peranna inzwischen lernte den Fußstapfen der Löwin zu folgen. Scheu lag keine auf der Knappin. Eher die gute Kinderstube, die den Ruf ihres Hauses schützte. Ihre Hände hielt sie still, um nicht verlegen und kindisch in ihren Haaren zu zwirbeln. Sie freute sich redlich auf die kommende Aufgabe, die ihre Hilfsbereitschaft einforderte. Sie war ja so göttergefällig und würde ihr helfen eine richtige Ritterin zu werden. Das erfüllte sie mit Zufriedenheit, Stolz und Abenteuerlust.

Lysander Quintin gewann den Eindruck, dass Peranna und Irminella recht gut miteinander auskamen, es wurde angebandelt, was er insgeheim für eine gute und vielleicht sogar nützliche Sache hielt. “Nun ist es aber genug des Lobes, nicht, dass hier noch jemand übermütig wird!” scherzte der junge von Eisenfels, dabei war sein Blick auf seine Knappin gerichtet, seine Miene wirkte gespielt ernst, änderte sich aber schnell wieder, von einem Augenblick auf den anderen schaute er wieder freundlich aus der Rüstung. Es war kaum zu übersehen, Peranna sprühte geradezu vor Tatendrang! Sein Blick wanderte erneut zu Irminella, die, wie Lysander schon festgestellt hatte, ebenso blaue Augen hatte, wie er selbst. “Ihr könnt dies natürlich halten, wie Ihr möchtet, mir” - es folgte eine äusserst kurze Pause - “ uns” - gemeint waren natürlich eindeutig Lysander und Peranna - “wäre es eine Ehre Euch zu begleiten!” Lysander Quintins Worte wurden von einem breiten, charmanten Lächeln begleitet, seine gesunden Beisserchen waren zu sehen. 

"Naja." Sie zuckte lächelnd mit den Schultern. "Gibt es in der Grafschaft Isenhag nicht recht viele zwergische Familien? Vielleicht räumt Ihr ja auch freiwillig Euren Platz und lasst mir, der Dame, den Vortritt? Ihr könntet die Zwerge besuchen." Während sie sprach, hatte sie sichtlich große Mühen, sich das Lachen zu verkneifen. Ein recht seltener Moment des Gelöstseins Irminellas, dessen Lysander und Peranna da gerade Zeuge werden.

Für einen Moment betrachtete Lysander die Vögtin, er wirkte in diesem Moment etwas irritiert, er fing sich aber schnell wieder. “Oh, ja die gibt es!” lächelte der grosse Blonde die blauäugige Irminella an. “Und natürlich lasse ich Euch den Vortritt, keine Frage!”

Jetzt musste sie doch lachen. "Verzeiht mir diese, recht schlechte, Scharade. Wir gehen gemeinsam." Sie sammelte sich und lächelte noch einmal. "Ich empfehle und bereite mich vor. Ich freue mich darauf, mit Euch zu arbeiten." Sie nickte Peranna noch einmal zu. "Und natürlich auch mit Euch." Dann stieg sie die Treppen hinauf.

Peranna schien entzückt. Sie verabschiedete sich respektvoll von der gräflichen Burgvögtin und zwirbelte sich immer wieder eine strohblonde Haarsträhne um ihren Finger bevor sie sich hilfsbereit an ihren Hohen Herren wandte, die Eitelkeit Eitelkeit sein ließ, und ihre hübschen Haare umrahmten ihr Gesicht: “Wünscht Ihr, dass ich Euch noch etwas vorbereite?”, fragte sie aufmerksam nach, denn die Unterhaltungen hatten ihr Ende gefunden und Peranna Sabea war felsenfest dazu entschlossen den Hohen Herren Lysander in sein Abenteuer zu begleiten. Übermut lag immer noch in ihren bosparanienfarbenen Augen, aber das schien bei der jungen Knappin ein Wesenszug zu sein, den Lysander ihr abtrainieren musste, falls ihm dieser missfiel: “Ich frage mich, Hoher Herr, wie gedenkt Ihr bei unserer Aufgabe voranzugehen? Und ob Ihr einen Ratschlag für mich habt?”, fügte sie in jugendlicher Neugierde hinzu. Lernwillig schien sie auch noch zu sein und nicht unbedingt auf den Kopf gefallen. Der saß hübsch fest auf ihren Schultern, die eingekleidet waren in das Wappen des Hauses Eisenfels. Abgesehen von dem goldenen Amulett. Dies stammte aus dem Hause Graupen.

Lysander Quintin lächelte die Vögtin noch einmal an, so richtig verstanden hatte er die sogenannte, recht schlechte Scharade noch nicht, er liess es sich aber nichts anmerken. 'Wie jetzt?' wunderte er sich für einen Augenblick und insgeheim über die eigene Begriffsstutzigkeit, verlegte sich dann aber sofort wieder auf 's Zuhören. "Ich verzeihe Euch natürlich!", konterte der junge Eisenfels, freundlich und mit einem süffisanten Lächeln im Antlitz.  Auf Irminellas letzte Worte hin antwortete der grossgewachsene, blonde Ritter dann mit einem recht charmanten Lächeln. "Tut das, die Freude liegt ganz auf meiner Seite!" Kurz schaute er der kleinen Vögtin mit dem braunen, gelockten Haar noch hinterher, dann richtete er seinen Blick auf seine Knappin Peranna. Die Art, wie sie sich von der gräflichen Burgvögtin für den Augenblick verabschiedet hatte, gefiel ihm, er hatte ein gutes Gefühl, was die Ausbildung seiner Base betraf. 'Mit Feuereifer dabei, das lob' ich mir!' huschte ein Gedanke durch seinen Kopf, der für die Knappin wohl immer ziemlich weit oben sein musste, schliesslich war sie um einiges kleiner, als der sprichwörtliche Hohe Herr. 

Perannas übermütige Art mochte Lysander nicht bremsen, sie war jung, man musste nicht gleich zu Beginn alles beschneiden, ‘Das wird schon werden!’, dachte er sich. War er da eventuell etwas zu sorglos? "Schaut vor allem noch einmal nach den Pferden, ich weiss, was Ihr könnt und verlasse mich auf Euch, danach dürft Ihr Euch gerne noch ein wenig entspannen, keine Ahnung, ... aber lauft mir nicht weg!", scherzte Lysander Quintin mit dem Graupenmädchen. "Ich werde erst noch einmal hierbleiben ." Perannas letzte, neugierige Frage konnte der Hohe Herr Lysander noch nicht befriedigend beantworten. "Ich werd 's Euch wissen lassen!”, sein Blick änderte sich ein wenig, seine Zornesfalten zwischen den Augenbrauen waren plötzlich noch besser zu sehen. ”Und jetzt ran an die Arbeit!" Den letzten Satz betonte er ebenfalls etwas strenger, schadet ja nicht! Lys, wie ihn manche Freunde nannten, lächelte knapp,  Peranna sollte erkannt haben, dass er es nicht bierernst meinte! Eines war dem blonden Recken mit der Narbe im Gesicht - welche ihn jedoch nicht verunstaltete, irgendwie war das Gegenteil der Fall - jedoch völlig klar: In die Ausbilderrolle würde er erst hineinwachsen müssen, solche Qualitäten wuchsen und wachsen bis heute nicht auf Bäumen!

Bei dem Wort Pferden war es um die junge Knappin geschehen! Eine wahre Freude stellte sich ein, die Bruchen bügeln nie auf ihr Gesicht zu zaubern vermochte. Da war es auch halb so schlimm, dass der Hohe Herr sie mit einer Antwort zu ihrer gemeinsamen Queste vertröstete: “Damian und Friedenand sind bei mir in den besten Händen, Hoher Herr!”, versprach sie ihrem Vettern und empfahl sich ihm, denn das Wort Pferde war für das Graupenmädchen gleichzusetzen mit den Worten Erholung und Entspannung. Lysander Quintin hätte nichts Besseres auftragen können, wenn er seine Base mal für eine Zeit loswerden wollte. Peranna fühlte, als sie sich aufmachte, nach ihrem Apfel in der Tasche. Mit diesem verschwand sie flotten Schrittes in den Stall. Andere bevorzugten vielleicht ihr Schlafgemach, um ein wenig Ruhe zu erfahren. Peranna Sabea fühlte sich zwischen den eleganten Reittieren am Wohlsten. Und vielleicht hatte sie im Anschluss noch zum eigenen Haare kämmen Zeit. Ihre Sachen konnte sie schnell zusammenpacken. Zuerst musste sie aber Friedenand und Damian unbedingt von ihrem Tag erzählen während sie sich um sie kümmerte.

Es verhielt sich wie immer, sobald es um die Pferde ging, war Peranna kaum zu bremsen, eine Tatsache, die Lysander mehr als nachvollziehen konnte, liebte er diese edlen Tiere doch mindestens so sehr, wie er Katzen liebte. Und die liebte er wirklich sehr! Aber wie auch immer, es bestand natürlich durchaus die Möglichkeit, dass der blonde Hohe Herr von Eisenfels dem Stall und den darin untergebrachten Tieren ebenfalls noch einen Besuch abstatten könnte, jedoch nicht, um Peranna auf die Finger zu schauen, sondern aus zuvor genannten Gründen. Lysander war ein tierlieber Kerl, der seine Mitgeschöpfe respektierte und auch dementsprechend behandelte. "Ja, schon gut und jetzt ab mit Euch!", nickte Lysander Quintin in Richtung seiner Knappin, dann nahm er wieder Platz. Peranna hatte sich derart eilig  auf den Weg in Richtung des Stalls gemacht, der junge Eisenfels fragte sich, ob das Graupenmädchen die an sie gerichteten Worte überhaupt vernommen hatte. 'Das könnte dauern!', schmunzelte Lysander in sich hinein, ‘wäre ja ganz was neues, wenn sie gleich wieder auftauchen würde!’, da bemerkte er, dass er nach wie vor Kohldampf  hatte. 'Ist der Wirt noch hier?', ließ er seinen Blick durch den Schankraum wandern. Murmelnd, und wohl kaum vernehmbar für andere Personen, fügte er an: "Und einen Mordsdurst hab' ich auch!" Für einen Moment kamen Lysander Quintins Zornesfalten wunderbar zum Vorschein, wobei er nach wie vor in keinster Weise übellaunig war.

Peranna Sabea indes betrat die Stallungen. Es roch dort noch Heu, die Wärme der Pferdeleiber drang zu ihr hinüber und zwischen den stolzen Tieren war sie momentan alleine. Das setzte ihr ein fradrikgleiches Schmunzeln auf die Lippen und sie begann Friedenands und Damians Wassertränken zu kontrollieren, wenn es musste, aufzufüllen, die beiden Boxen zu entmisten, das Futterstroh nachzulegen, den Rappen und den Schimmel nach ihrem Befinden zu befragen und sich mit Friedenand, ihrem weißen Schimmel in Ausbildung, schlussendlich ihren Apfel zu teilen von dem Damian aber auch einen Bissen erhielt. Sie machte sich irgendwann neben ihnen ihre Haare zurecht, zog ein wenig Stroh daraus hervor und erzählte dem Weißen von ihrem Ausflug mit den Knappen Thimorn und Gutmundt. Sie interessierte, wie das schelmische Jungpferd es fand, wenn ein Gänsehirt seiner gefiederten Schar Gänse kaiserliche Namen gab. Ihrer Meinung nach hatte der einfache Bursche schlicht zu viel Fantasie! Eine Antwort des Pferdes schien sie nicht zu erwarten, doch sie stellte ihm wie einem Tagebuch ihre Fragen und erzählte ihm von ihren Erlebnissen und Vorhaben. Eine Antwort darauf, wie man einem Schmiedegesellen die Zunge zu lockern habe, hatten beide Eisensteiner Riesen auch nicht. Aber eines hatten die Reittiere und Peranna gemeinsam: ihnen schmeckte der Apfel. Obwohl die beiden Tiere schon gebürstet und gestriegelt waren, kümmerte sich Peranna noch einmal darum, dass sie gut gepflegt aussahen. Sie kontrollierte die Hufe. Beide Tiere sahen gesund und entspannt aus. Dann wollte sie wissen: “Was meint ihr, sollte ich mich selbst noch einmal striegeln gehen? Wie sehe ich aus?”, fragte sie sich selbst, ob sie noch Stroh im Haar hatte. Sie dachte oben in ihrem Zimmer an ihre Bürste und an ihren Kamm, an einen Wascheimer und an Seife. Wieder war es keine Überraschung: weder Damian noch Friedenand antworten der Knappin. Doch das Graupenmädchen schien recht zufrieden mit der Situation. Während Damian sich weniger interessierte, machte Friedenand liebevolle Faxen. Das wertete die Knappin als Ja.

Wenn dann also nichts mehr passierte, schlich sie sich durch die Hinterräume hoch in ihr Zimmer, um die Hohen Herrschaften nicht mit ihrem Pferdegeruch, den sie liebte, zu brüskieren. Sie wollte sich frischmachen, mit Seife und einem Lappen, einer Bürste und ihrem Kamm, ihre Kleidung auf Sauberkeit überprüfen, bevor sie zu den Hohen Herrschaften sauber herunter trat. 

Ulfried blickte zu der kleinen Schar der Begleiter, welche die Händler und anschließend die Gesellen befragen wollen. “Bevor die Lehrlinge und Gesellen etwas herausrücken, werden wir ihren Meister um Erlaubnis bitten müssen”. Dann rieb er sich mit seiner Hand über das bartlose Kinn. “Und ich pflichte dem Herrn von Kranickteich bei, wir sollten uns die Gesellen und Lehrlinge einzeln vornehmen, so können sie sich nicht hintereinander verstecken.” In Gedanken zählte er seine Begleiter durch, bis sich ein Lächeln auf seinen schmalen Lippen abzeichnete: “Und das scheint ja ganz gut zu passen…”

Der Hohe Herr Lysander Quintin von Eisenfels war eigentlich gerade damit beschäftigt, sich sitzenderweise nach dem Wirt umzuschauen, noch hatte er ihn nicht entdeckt, 'Kein Wirt in S ... !', da wurde seine Suche plötzlich unterbrochen. Der lange Blonde richtete seinen Blick auf den jungen Mann, der in etwa Lysanders Alter gehabt haben könnte, ganz sicher war er sich aber nicht. Für einen Moment musste er überlegen, 'Wer ist er nochmal?', da fiel es ihm auch schon wieder ein. 'Ulfried! Ulfried von ... von Argenklamm! Da haben wir 's doch!' Lysander fühlte sich fast ein wenig erleichtert, mochte er es doch überhaupt nicht, wenn er Namen und Titel einer Person vergaß. Gesprochen hatte er mit dem jungen von Argenklamm noch keine Silbe, dessen Name musste er irgendwann in letzter Zeit aufgeschnappt haben. Da sich gerade niemand sonst berufen fühlte, Ulfried zu antworten, sprang Lysander in die Bresche: "In der Tat, dem kann ich mich nur anschliessen, Euer Wohlgeboren "Alles andere wäre, mit Verlaub, völliger Bockmist!” Ein knappes Lächeln huschte durch Lysander Quintins Gesicht.  “Aber man weiss auch, dass wir hier sind, um die Aufklärung der Angelegenheit voranzutreiben, es könnte durchaus sein, dass man sich schon abspricht! Oder am Ende gar aus dem Staub macht, was natürlich einem Schuldeingeständnis gleichkäme!", gab der junge von Eisenfels zu bedenken. Mit einem Mal fragte er sich, ob er wohl mit Blindheit geschlagen wäre, nun endlich hatte auch er die Getränke und Speisen entdeckt, worauf er sich sofort bediente. ‘Alter Trollzacker, ein blindes Huhn findet auch mal ein Korn, oder wie jetzt?’, schüttelte er, mit einem knappen Grinsen im Gesicht und vermutlich kaum merklich für andere Personen, seinen Kopf. Im nächsten Augenblick kümmerte sich Lysander um etwas zu essen, auch etwas zu trinken schenkte er sich ein, er hielt sich jedoch an Wasser, auch heute musste es kein Alkohol sein! Kurz darauf war er wieder ganz Ohr.

Ulfried lächelte überrascht und es entfuhr ihm nickend ein freudiges: “Ja, richtig!”, als der junge, großgewachsene Edle ihn mit dem zutreffenden Namen angesprochen hatte. Dann schüttelte er kurz seinen Kopf, ganz so, als wolle er sich vergewissern, wach zu sein, ehe er sich knapp räusperte und mit gezwungen fester Stimme, die so gar nicht zu seiner schmalen Gestalt passen wollte, antwortete: “So ist es! Aber es täte genügen, will ich meinen, wenn es uns denn gelänge auch nur einem unter ihnen etwas zu entlocken. Und ich habe diese Maiden und Burschen heute mittag bereits in Augenschein nehmen können und bin daher guter Dinge, dass wir der ein oder anderen Person etwas entlocken werden können!”. In etwas leiserem Tonfall und abwehrend erhobenen Händen fügte er schließlich hinzu: “...sofern sie denn überhaupt etwas von Belang wissen.”

Für einen Moment unterbrach Lysander seine Mahlzeit, er richtete seinen Blick erneut auf den schmalen Mann: “Wir werden ‘s ihnen schon entlocken, so sie etwas wissen, mein Wort darauf!” Ein irgendwie seltsames Grinsen machte sich für einen Moment in Lysander Quintins Gesicht breit, wie er das wohl gemeint hatte? Dann aß er in aller Gemütsruhe weiter, während er immer mal wieder seinen Blick über den Schankraum schweifen ließ. Dass er Peranna erst einmal nicht zu Gesicht bekommen würde, davon ging er aus, sie war beschäftigt. Mit den Pferden! Das könnte dauern!

Irminella kam nach einiger Zeit die Stiegen wieder herab. Offensichtlich hatte sie sich umgezogen. Sie war nun gekleidet in eine dunkelgrüne, knielange Kurzarmtunika mit Bordüren an Kragen und Ärmelsaum. Diese zeigten, mit weißen, dünnen Fäden gestickte, firungefällige Symboliken. In der Mitte wurde die Tunika von einem Ledergürtel gehalten, an dem zwei Taschen befestigt waren. Zudem trug sie Lederstulpen an den Armen, die diese nicht vollständig bedeckten, sodass die Ellbogen und Hände unbedeckt blieben. An den Füßen trug sie wadenhohe Stulpenstiefel über einer ebenso grünen Hose.  Den Torso schützte eine ärmellose Lederweste, auf das Blattwerk aufgeprägt worden war, das ihr, trotz der Schmucklosigkeit, ein wenig Ästhetik verlieh. Abgerundet wurde die Kleidung durch einen, in noch dunklerem Grün gehaltenen Umhang mit Kapuze, der am Hals durch eine Schließe in Form eines Ebers gehalten wurde.

Ihre Haare hatte sie nun eng an den Kopf geflochten. Genau konnte man die Machart aber nicht erkennen, da sie die Kapuze des Umhanges mittels einer Klammer am Haar an der Mitte des Kopfes befestigt hatte. In dieser Aufmachung hätte man sie für eine Späherin, Jägerin oder Waldläuferin halten können, wären die einzelnen Kleidungsstücke nicht von so guter Machart gewesen. 

Sie hatte offensichtlich vor, das Gespräch mit Lysander Quintin von Eisenfels erneut aufzunehmen und gesellte sich deshalb zu ihm, hielt sich aber zurück, bis dieser seinen an Ulfried von Argenklamm gerichteten Satz beendet hatte. Diesem nickte sie zu und hob dann an: „Begleitet Ihr uns? Schön!“. Dabei lächelte sie gewinnend.

Für den Moment schien die Unterhaltung zwischen Ulfried und Lysander wieder eingeschlafen zu sein, was den blonden Hünen nicht weiter störte, schliesslich war er gerade dabei, seinen Hunger zu stillen, außerdem machte Ulfried auf Lysander Quintin den Eindruck, dass dieser ebenfalls gerade nichts weiter zu sagen hatte. In dem Moment als der lange Blonde seine Mahlzeit beendet hatte und zufällig seinen Blick in Richtung der Treppe lenkte, konnte er eine Person ausmachen, die sich erst auf den zweiten Blick als Irminella entpuppte. 'Da hat sich wohl wer umgezogen!', vermutete er richtig, Irminella sah recht adrett aus, und so wie es aussah, würde sie sich wohl jeden Moment wieder zu Lysander gesellen, was kurz darauf auch geschah. Ihm, Lysander, war dann jedoch nicht ganz klar, wen Irminella denn nun genau meinte, mit ihrer Aussage. "Meint Ihr mich? Falls ja, dann kann ich mich nur wiederholen, das Vergnügen ist ganz auf meiner Seite!" Mit diesen Worten stand Lysander vom Tisch auf, und deutete mit eindeutiger Geste auf eine Sitzgelegenheit am Tisch. "Macht mir die Freude, setzt Euch und bringt Glanz an diesen Tisch!" Das Lächeln des grossen Blonden wurde noch ein wenig breiter. "Und was habt Ihr vor?", musterte Lysander Irminella recht auffällig, während sein Lächeln sich zu einem breiten Grinsen veränderte, dann schaute er auf und Irminella direkt an. "Geht es noch auf nächtliche Pirsch?"

Sie lächelte zurück und nickte leicht. "Ihr seid geistreich und wortgewandt. Eigenschaften, die ich sehr schätze." Dies sagte sie, während sie sich setzte. "Leider ließ ich selbiges soeben missen, denn ich war offensichtlich ungenau. Ich meinte Euch, Euer Wohlgeboren von Argenklamm." Während des letzten Satzes hatte sie von Lysander zu eben jenem Ulfried geblickt. "Wir hatten bislang nicht die Möglichkeit zu reden, weshalb ich die Zusammenarbeit nun umso mehr schätze."

Ulfried lächelte etwas verkniffen in Irmenellas Richtung, während sich eine deutlich sichtbare Röte auf seinen Wangen abzeichnete. Er schluckte kurz, eher er, ohne der edlen Dame ins Gesicht zu blicken, antwortete: “Ha…habt Dank. Die…äh…Freude liegt ganz auf meiner Seite.” Sodann senkte er wieder den Blick und schien seine Finger dabei zu beobachten, wie sie nervös auf dem Tisch trippelten.

Sie beobachtete für einen Moment die trommelnden Finger Ulfrieds. "Seid Ihr nervös?", wandte sie sich dann wieder an ihn. “Nervös?”, überrascht blickte der junge Edle zur Vögtin hinauf und dann fragend in der Schankstube umher. “Ähm…nein, alles in Ordnung, habt Dank, edle Dame!”

"Entschuldigt meinen falschen Eindruck. Eure Finger hatten einen wilden Takt geklopft, weshalb ich annahm, ihr wäret ein wenig nervös. Ich bin es zumindest ein wenig. Eine solche Ermittlung ist für mich das erste Mal. Und ich möchte sie zu einem erfolgreichen Ende bringen. Da kann man schon einmal nervös werden." Sie lächelte freundlich. Nun blickte sie noch einmal zu Lysander. "Nein, keine nächtliche Pirsch. Ich hatte mich für alle Eventualitäten gewappnet. Der Anlass der Einladung nach Neukrashof war ja recht… sagen wir…unkenntlich." Etwas leiser setzte sie fort: "Doch bin ich nicht böse darüber, dass man nicht zur Jagdgesellschaft einlud. Ich bevorzuge neuerdings eine andere Form der Jagd." Wieder etwas lauter: "Und da es keine Jagd in Neukrashof gab und die Verfolgung von Spuren, die uns hoffentlich zur Beute führen, Ähnlichkeiten mit derselben aufweisen, dachte ich mir, sie sei passend. Ich erhoffe mir, dass es mich einstimmt, meine Sinne schärft. Wie sonst, wenn ich diese Kleidung anlege und auf die Pirsch gehe." 

Der Hohe Herr Lysander Quintin beobachtete jede Regung in Irminellas Gesicht, er war wie immer aufmerksam, ohne sie anzuglotzen, wie einen heftigen Fuhrwerksunfall, nein, dem glich sie nun wirklich nicht. Das Kompliment der gräflichen Vögtin von Landgräflich Bösalbentrutz überraschte ihn schon ein bisschen, man hätte fast sagen können, auf dem falschen Fuß erwischt, mit einem Kompliment hatte der breitschultrige, junge Mann mit den langen, blonden Haaren in diesem Moment nicht gerechnet! Seine Mimik fror für einen sehr kurzen Moment regelrecht ein, die Überraschung war ihm anzusehen. Er fing sich aber wieder schnell, so flott verlor er die Fassung dann doch nicht! Einen weiteren, ebenso kurzen Augenblick später, lächelte der Hohe Herr Lysander schon wieder, freundlich, charmant und mit wachem Blick. Der junge Eisenfels hatte abgewartet, bis Irminella Anstalten machte, sich zu setzen, dabei ruhte sein Blick auf der kleinen Vögtin, als es soweit war, nahm auch er wieder Platz, er lächelte immer noch, wenn auch ein wenig knapper, wie so oft genoß Lysander Quintin die Unterhaltung mit einer Gesprächspartnerin sehr, so auch in diesem Fall: "Ihr beliebt zu scherzen, … aber seid bedankt, das habe ich so noch nie gehört!", sagte er knapp schmunzelnd und mit fast sachter und angenehm tiefer Stimme, ohne zu klingen wie ein Brummbär. Dabei neigte er kurz sein Haupt, nur ein wenig, ohne es vermissen zu lassen, Irminella weiterhin in die blauen Augen zu schauen. 'Wirklich schöne Augen, die Ihr da habt, Irminella!', huschte ein Gedanke durch seinen Kopf, während sich die Vögtin  dem Edlen Ulfried von Argenklamm zuwandte. Als Lysander Quintin wieder die volle Aufmerksamkeit Irminellas genießen durfte, war er natürlich ganz Ohr, da stutzte er mit einem Mal für einen weiteren, überschaubar kurzen Moment, gerade so, als würde er plötzlich über etwas Wichtiges nachdenken. Seine Stirn- und Zornesfalten waren in diesem Augenblick erneut gut zu sehen, während er die Hohe Dame direkt anschaute: "Erlaubt mir eine Frage, wie bevorzugt Ihr angesprochen zu werden?" Mit diesem Satz entfaltete Lysander seine Stirn wieder: "Bevorzugt Ihr die Hohe Dame ... oder doch eher Euer Wohlgeboren?" Soweit er sich entsinnen konnte, hatte er sie bisher mit Hohe Dame angesprochen, es interessierte ihn aber wirklich, was Irminella bevorzugte. Noch bevor die Vögtin antworten konnte, fuhr Lysander Quintin fort: "Und wenn Ihr mir sagen würdet, was Ihr zu trinken gedenkt … ich erfüll Euch gerne jeden Wunsch, … soweit er erfüllbar ist!" , bot er an, sich gerne für den Moment um jedwedes Ansinnen ihrerseits zu kümmern, natürlich nicht, ohne sie ein weiteres Mal charmant und ungekünstelt anzulächeln. Er tat dies, ohne eine kriecherische Haltung einzunehmen, das war ihm fremd, es ging Lysander allein und rein um die holde Weiblichkeit! Jede Art von arschkriechender Anbiederei war ihm schon von jeher fremd und zuwider! Aber wie dem auch sei, so das weibliche Wesen Irminella die gewünschte Auskunft erteilen würde, würde Lysander sich natürlich sogleich und sehr gerne mit Irminella über das aktuelle Geschehen, aber auch über die Jagd an sich unterhalten, wobei er sich bisher noch niemals als grosser Jägersmann hervorgetan hatte. Eine Tatsache, zu der er absolut stand, niemand war perfekt, ausserdem hatte Lysander sowieso ein zwiespältiges Verhältnis zu Fernkampfwaffen jedweder Art!

"Zu scherzen? Nein." Sie schüttelte leicht den Kopf. "Was ich bislang von Euch hörte, kann man durchaus als Redekunst bezeichnen, wie ich finde." Als sie saß und Lysanders Frage bezüglich der passenden Anrede hörte, war sie es, die kurz innehielt und die Stirn runzelte. "Wenn Ihr Euch auf eines verlegen möchtet, dann bevorzuge ich die Hohe Dame. Doch kommt solch eine Frage nicht von ungefähr. Was bevorzugt also Ihr?" Nach einer kurzen Pause schob sie nach. "Ach ja, was ich trinke… Wasser ist derzeit ausreichend, danke."

Fulco beobachtet den Austausch zwischen Ulfried, Irminella und Lysander aufmerksam und musste sich ein Schmunzeln verkneifen. 'Wenn da mal nicht ein Herz auf Reisen geht. Hoffendlich bleibt es bei einem kleine Flirt.ohne das ein Herz bricht'  Laut dem was er über Irminella gehört hatte, war sie ihrem Gatten aufrichtig und in Treue zugetan. Verstehen konnte er den jungen Mann jedoch. die Vögtin war eine attraktive, geschmackvolle Frau. Wenn er nicht glücklich in seinem Traviabund wäre, könnte sie ihm auch durchaus gefallen. ' Hoffentlich beeinträchtigt das unsere Aufgabe nicht, nun bis jetzt hat sie einen ausgesuchten konzentrierten und aufmerksamen Eindruck erweckt.'  Er nahm ebenfalls einen weiteren Schluck Wasser und freute sich auf die bevorstehende Aufgabe. ' Schade das sich Krispinian einer anderen Gruppe angeschlossen hat, er wirkt für unsere Aufgabe wie geschaffen. Nun ja, er wird schon einen Grund dafür haben. '  Fulco wandte sich wieder seinen Gefährten zu “ Nun, wann wollen wir gehen und die Befragungen beginnen. Ich möchte nicht hetzen, aber ich habe das Gefühl, uns zerrinnt die Zeit zwischen den Fingern” Er schaute fragend in die Runde.  

Lysander konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen, sicher, er war nicht auf den Kopf gefallen, aber gleich von Redekunst zu sprechen, das erschien ihm dann doch etwas übertrieben. Aber wenn die Vögtin Irminella dies so befand, konnte er gut damit leben. "Wenn Ihr es sagt!" schaute er sie an, charmant, wie zumeist. Nachdem Irminella ihre bevorzugte Anrede mitgeteilt hatte, antwortete Lysander sogleich, "Dann die Hohe Dame!" Was die Anrede von Lysander selbst betraf, da gab es nur eine Einzige. "Da gibt es keine Wahl" lächelte er sachte "Nur den hohen Hohen Herrn!" gab er bereitwillig Auskunft. Daraufhin goß Lysander der Vögtin einen Becher Wasser ein und beförderte das befüllte Trinkgefäß mit sicherer Hand wieder auf den Tisch und in Reichweite der Vögtin, sie sollte den Becher problemlos erreichen können, plötzlich bemerkte Lysander, dass die von Irminella und seiner Wenigkeit geführte Unterhaltung einen Zuhörer bzw. Zuschauer hatte,  was nicht weiter wild war, saß man doch in einer Schankstube, da kam so etwas schon mal vor! Der Zeuge der Unterhaltung war Fulco von Kranickteich, Lysander hatte sich auch diesen Namen gemerkt, was ihn irgendwie erleichterte. Als der Edle von Kranickteich die Runde ansprach, richtete der Hohe Herr Lysander Quintin seinen Blick in dessen Richtung, seine Stimme klang angenehm, dabei sicher und mit dem Brustton der Überzeugung. "Bei meiner Treu, jederzeit, Euer Wohlgeboren, oder allzeit bereit, wie mein alter Herr zu sagen pflegt!" Sein breiter Oberkörper richtete sich wieder auf, da er sich bei der Unterhaltung mit Irminella etwas in der Vögtin Richtung gelehnt hatte, ohne dabei aufdringlich gewirkt haben zu wollen.

Irminella griff nach dem Becher, hob ihn kurz zum Dank lächelnd in Richtung Lysander in die Höhe und trank dann einen Schluck. Als sie den Becher absetzte, war das Lächeln verschwunden. "Ihr habt Recht, Euer Wohlgeboren. Mit jeder Minute, die wir vertändeln, rückt das Ziel immer weiter von uns weg. Wir sollten tatsächlich aufbrechen und die Sache angehen. Sobald Eure Base wieder da ist, versteht sich." Beim letzten Satz hatte sie wieder zu Lysander herüber geblickt. "Wenn das hier vorbei ist haben wir ausreichend Zeit, über all die Dinge zu sprechen, die jetzt warten müssen. Außerdem würde ich gern aufhören, meinen Gatten und meine Kinder zu belügen. Diskretion gilt auch im Kreise der Familie, nicht wahr?" Gegen Ende ihrer Ausführungen war, für den Kenner der menschlichen Psyche, deutlich Schwermut in der Stimme der Vögtin zu vernehmen gewesen. Für einen kurzen Moment ließ sie die Worte so stehen, wedelte dann aber mit der rechten Hand, wie man es tut, wenn man Rauchschwaden vertreiben möchte und führte fort: "Doch ich bin optimistisch! Mit den Liebfeldern sind wir auf einem guten Weg, das fühle ich. Und diese Wina wird uns schon ein Liedchen singen, wie der ehrenwerte Hohe Herr von Tsawalden sicherlich sagen würde." Sie nahm erneut ihren Becher, trank ihn aus, stellte ihn ein wenig lauter als notwendig wieder ab und erhob sich.

Rhodan nickte bedächtig. Diskretion brachte Bürden mit sich. Aber Diskretion lohnte sich. Schließlich erfuhr man so viel mehr - und Wissen war bekanntlich Macht.

Ulfried blickte ob den überraschenden Aufbruchs etwas unsicher in die Runde und wartete kurz ab, bis die Gefährten sich bereits umgewandt hatten, ehe er sich, die Hände auf die Tischplatte gestützt, mühsam erhob und dabei sein Gesicht verzog. Als er stand, straffte er nochmals kurz sein ledernes Wams und griff nach dem hölzernen Gehstock, welcher hinter ihm an der Wand lehnte. “Bereit!”, rief er kurz seinen Gefährten zu. 

So kam dann auch Lysanders Base in ihrem Kapuzenumhang die Treppe hinuntergeeilt. Ihre Haare waren nett gebürstet. Wie sie sah, läuteten die Hohen Herrschaften jetzt den Aufbruch ein. Still stellte sie sich ihrem Dienstherren zur Seite - aufgrund des Pferdebesuches und der zurecht gemachten Haare wirkte sie recht zufrieden. Beeilt hatte sie sich trotzdem für ihn.

Lysander Quintin nickte der Vögtin Irminella noch einmal knapp lächelnd zu, dann verlegte er sich, für den Moment, erst einmal wieder auf 's Zuhören. Als die Hohe Dame Irminella Lysanders Knappin Peranna ansprach, musste er unwillkürlich grinsen. "Peranna ist bei den Pferden, das kann dauern!", lachte er kurz auf, dass er scherzte, sollte für jedermann ersichtlich gewesen sein. "Wie recht Ihr doch habt, die Zeit dazu wird sich finden!", erwiderte der lange Blonde auf die Aussage der Vögtin, dass gewisse Gespräche auch zu einem späteren Zeitpunkt geführt werden konnten. 'Dann muss ich mich wohl früher oder später in den Stall bequemen!', dachte er kurz darüber nach, dass er seiner Knappin gesagt hatte, sie könne sich Zeit lassen und danach noch ein wenig entspannen. Er würde ihr wohl Bescheid geben müssen! Es entging ihm auch nicht, dass Irminella mit einem Mal recht ernst geworden war, besonders, als sie ihren Ehegatten und ihre Kinder erwähnt hatte, wirkte sie fast niedergeschlagen, ja, fast traurig. Noch während er darüber nachdachte, gab er erneut Antwort, wenn auch gerade etwas abwesend. "Wie wahr, wie wahr, ... Diskretion ... in der Familie? Sicher, ... keine Frage!" Dann war er wieder ganz Ohr und schaute die Hohe Dame Irminella direkt an, da schaltete sich der schmale Ulfried ein. Lysander richtete seinen Blick auf den schlanken Kerl, der sich gerade abmühte seinen Hintern hoch zu bekommen. 'Ihr solltet besser hierbleiben, wenn Euch das Aufstehen schon solche Mühen bereitet, guter Mann!', dachte sich der Hüne mit den wirklich guten Zähnen. Nachdem Ulfried seine Bereitschaft bekundet hatte, ließ Lysander seinen Blick einmal über den Schankraum wandern, als er sich dann einen weiteren Becher Wasser einschenkte, erspähte er seine Knappin, die sich anscheinend die Zeit genommen hatte, sich zurecht zu machen, zumindest, was ihre Haare betraf. 'Da ist sie ja, ... verdammt, ich brauche auch ein Bad, dringend!', huschte es ihm durch den Kopf, als er an seine schmerzlich vermisste Körperhygiene dachte, da musste sich dringend etwas ändern. Als Peranna neben ihm stand, wurde sie mit einem Nicken und einem freundlichen, aber knappen Lächeln bedacht. 

Kurz vor dem Aufbruch wandte sich Fulco an  Wolfmar von Wildklamm “ Wenn ihr von eurer Reise zur Befragung der Donnerer mit ihrer Gnaden Herrat wieder zurück seid, müssen wir uns nochmal genauer über eure Idee einer Bürgermiliz unterhalten.”  Er nickte dem Krieger zu und schmunzelte kurz “ Ich habe unser Gespräch nicht vergessen. Die Idee hat durchaus ihre reizvollen Seiten. Man müsste sie nochmals genau besprechen und konkretisieren” setzte er mit einem nachdenklichen Stirnrunzeln hinzu. 

“Ja, danke Herr von Kranickteich.” Wolfmar war sichtlich überrascht, plötzlich angesprochen zu werden. So hatte er bisher den Gesprächen und Beratungen zugehört und keinen klaren Gedankengang zu Ende bringen können. Es waren ihm einfach zu viele Möglichkeiten. Doch ein militärischen Anführer und Stratege wie er, musste stets eine schnelle Entscheidung fassen. An Fulco gewandt sagte er: “Ich wäre für eure Unterstützung sehr dankbar. Genaueres möchte ich liebend gerne später besprechen.”An alle anderen Anwesenden gewandt sagte Wolfmar: “Es geht um die mögliche Aufstellung einer bürgerlichen Miliz in den nördlichen Nordmarken. Ich suche noch nach Anregungen und Befürworter, diese beim Grafen durchzusetzen. Das hat nichts mit meiner Betätigung beim Geleitschutz Plötzbogen zu tun, sondern ist ein eher privates Projekt von mir, was den Schutz der, vor allem, nördlichen Ländereien bieten soll.” Wolfmar ließ zwei Herzschläge verstreichen um dann einmal mit seinen behandschuhten Hände zu klatschen. “Dann auf, euer Gnaden Herrat und edler Herr von Spiegelberg. Ich bin bereit, mit euch zu den Donnerer zu gehen.”

Vorsichtig, fast etwas schüchtern trat der junge Thimorn von Hauerberg auf die Dreiergruppe zu. “Verzeiht, Euer Gnaden, Euer Wohlgeboren und Hoher Herr? Mein Herr von Eychstädt sagte mir, ich solle mich der Gruppe nützlich machen, könnte ich das in Eurer Begleitung tun? Ich wäre sicher keine Last.”, beeilte sich der Knappe eilig zu sprechen, wobei er sich vor allem in Richtung der Geweihten wandte. “Ich könnte mich um Eure Pferde kümmern, so Ihr erlaubt, oder Euch bei der Aufgabe anders zur Seite stehen.”

Wolfmar wandte sich freundlich an Thimorn: “Aber sicher, junger Herr. Acht Augen und Ohren erfassen mehr, als unsere sechs. Ich muss zugeben, dass ihr mir bislang nicht aufgefallen seid, Herr von Hauerberg. Wie lautet eure Anrede? Wie möchtet ihr genannt werden?”

Auch Herrat zeigte sich sichtlich erfreut. Endlich einmal ein junger Mann, der seinen Platz kannte und sich eigeninitiativ bemühte, ihm gerecht zu werden. So hatte sie das gern.

Der Knappe verneigte sich nach Wolfmars Worten eilig: “Thimorn von Hauerberg, Junger Herr und Knappe des Herrn von Eychstädt. Aber ruft mich, wie es Euch beliebt. Rondra zum Dank für Euer Vertrauen, ich werde es sicher nicht enttäuschen.”

“Dann werde ich euch Herr Thimorn von Hauerberg nennen.” sagte Wolfmar zu dem Knappen vom Herrn von Eychstädt. “Wir schätzen die Auffassungsgabe eines Jeden in unserer kleinen Gruppe. Sollte uns dreien irgendetwas während unserer Mission entgehen, zögert bitte nicht, uns darauf aufmerksam zu machen, Herr von Hauerberg.” An die Rondrageweihte und den edlen Herrn gewandt, sagte Wolfram “Wir sind voller Tatendrang, Euer Gnaden Herrat und Edler Herr Rondragon. Lasst uns endlich aufbrechen, die Donnerer aufzusuchen.”

Schließlich sprach Lysander seine Knappin Peranna relativ leise an: "Alles in Ordnung, soweit … mit den Pferden?", er lächelte erneut knapp, war er sich doch sicher, dass Peranna alles zur Zufriedenheit der Tiere erledigt hatte. Mit einem Ohr bekam er nebenher die Unterhaltung von Fulco und diesem Wolfmar mit, bisher hatte Lysander noch kein Wort mit dem Hohen Herrn von Wildklamm gesprochen. Den Namen des gelockten Ritters mit dem grau melierten Bart hatte er aber aufgeschnappt und sich gemerkt, worüber er recht froh war! Er, der Hohe Herr Lysander, empfand es als wirklich vorteilhaft, wenn er den Namen einer Person kannte, noch bevor man ein Wort gewechselt hatte. Doch wie es schien, stand der Aufbruch direkt bevor, Lysander Quintin würde zu einem späteren Zeitpunkt das Gespräch mit Fulco und Wolfmar suchen. Nachdem der Hohe Herr von Wildklamm sich wieder an seine Mitstreiter gewandt hatte, schaute der junge von Eisenfels, in die Runde, dabei erhob er sich von seinem Platz. Zu voller Größe aufgerichtet sprach der blonde Hüne Lys, wie ihn so manch vertraute Person gerne nannte, Irminella an: "Lasst uns nun losziehen, wir haben ebenfalls Dinge zu erledigen!" Lysander Quintin klang fast ein wenig angriffslustig, auf jeden Fall konnte man ihm ansehen, dass er motiviert war und keine Zeit vergeuden wollte. Er befand sich weiterhin in voller Montur, einzig sein Helm - den er sowieso eher ungern trug - und seinen Schild hatte er nicht am Mann. Für Lysander Quintin war es eigentlich noch nie ein Problem gewesen, seine Kettenrüstung über einen längeren Zeitraum zu tragen, ohne diese anzulegen, die Götter hatten ihn mit reichlich Kraft und Ausdauer gesegnet.

“Damian und Friedenand geht es prächtig, Hoher Herr. Sie sind gestriegelt, gesättigt und zufrieden.”, bestätigte Peranna ihrem Vetter stolz. Über die Worte seines Aufbruchs freute sie sich sehr. Dieser würde ihr zur Trauer wohl ohne die Pferde stattfinden, doch bis zur Schmiede war es nicht allzu weit. Sie lauschte den Hohen Herrschaften, die im Aufbruch waren. Schließlich wollte sich Peranna stets nützlich machen. Ihre übereifrige Aufregung kehrte wieder.

Lysander Quintin konnte den Stolz im Blick seiner Knappin erkennen, auf ihren kurzen Bericht hin, nickte der junge von Eisenfels sachte, “Das lob ich mir!”, er war sich absolut sicher, dass er sich auf die Pferdenärrin Peranna verlassen konnte, sie wusste von Anfang an, was zu tun war, diese Lektion schien sie schon längst verinnerlicht zu haben. “Die beiden”, gemeint sind natürlich Damian und Friedenand, “bleiben im Stall, aber jetzt weiss ich, dass alles soweit erledigt ist, dann können wir uns jetzt anderen Dingen widmen. Hinterherschleppen müsst Ihr mir an diesem frühen Abend nichts, begleitet mich einfach!” Lysander Quintin lächelte seine Knappin erneut sachte an, da bemerkte er den Blick der Vögtin mit den wunderschönen, blauen Augen. Ohne, für diesen Moment weiter auf Peranna zu achten, richtete er im Gegenzug seinen Blick auf Irminella, auch er legte seine Stirn etwas in Falten, und wie immer waren seine Zornesfalten zwischen seinen Augenbrauen gut zu erkennen, wobei er auch in diesem Moment keinesfalls übellaunig war.

Irminella hatte abgewartet, bis Lysander und Peranna ihre kurze Unterhaltung beendet hatten. Währenddessen hatte sie, versonnen auf die Rüstung des Hohen Herren blickend, die Stirn gerunzelt. Dann sprach sie Lysander, noch immer auf die Kettenrüstung schauend, erneut an. "Eine schöne Arbeit. Genau wie meine Aelfea, ähm, mein Anderthalbhänder." Wenn man der Wina nicht beikommt, dachte ich daran ihr ein Angebot zu machen. Bei täte man so, als wisse man von ihrer Beteiligung am Diebstahl, gratuliert ihr zur guten Arbeit und eröffnet ihr dann, dass man beispielsweise meine Klinge gern besäße. Sie kenne sich doch sicher mit Schlössern aus und so weiter. Wenn sie anbeißt, versichert man sich, dass sie Kenntnisse besitzt, indem man sich von ihren Referenzen erzählen lässt. Wenn sie unaufmerksam, geltungssüchtig oder ein wenig umgarnt ist, redet sie vielleicht. Eine solche Posse würde ich allerdings nur dann anraten, wenn andere Dinge zuvor fehlgingen. Und das Gespräch müsste entweder in privaten oder anderweitig äußerst diskret geschehen, um keinen Verdacht zu wecken. Was meinen die Herren hierzu? Und die junge Dame natürlich?" 

"Meine Rüstung? Oh ja, ihr scheint ein gutes Auge für anständige Handwerkskunst zu haben, wie mir scheint!" Lysander Quintin lächelte die Vögtin erneut dezent an, das Kompliment war durchaus ernst gemeint. Und es stimmte ja auch, qualitativ gesehen, musste sich die Rüstung des jungen Eisenfels keinesfalls verstecken, obwohl es natürlich immer Luft nach oben gab, das stand mal ausser Frage! Irminellas Vorschläge fanden dann durchaus Anklang bei Lysander, wobei er einen Einwand hatte. "Vielleicht solltet Ihr ohne mich gehen,  Ihr stattet der Plättnerin einen Besuch ab, zeigt Eure Klinge, es folgte eine kurze Pause, in die die Rondrageweihte Herrat hinein platzte.

„Das sollte dann aber ein stattlicher Herr machen“, schnauzte Herrat abfällig. „Ich hatte den Eindruck, die junge Dame säuselt gerne und lässt sich gerne beglotzen.“ Die Rondrianerin rümpfte abfällig die Nase.

Irminellas Kopf ruckte zu Herrat herum. "Na wunderbar." Sie lächelte.

Lysander richtete seinen Blick sogleich auf Herrat, dass man ihn unterbrochen hatte, störte ihn im Moment nicht sonderlich, auch wenn man behaupten durfte: Höflichkeit sieht anders aus! Lysander sah sich jedoch nicht veranlasst, auf die Unterbrechung an sich zu reagieren, auf den Inhalt dann aber schon. ‘Diese Herrat scheint ein Problemchen mit dieser Plättnerin zu haben, da bin ich mir fast sicher!’, huschte ihm ein Gedanke durch den hübschen Kopf. "Das übernehme ich nur zu gerne, säuselnde, junge Damen, die sich gerne anschauen lassen, das werde ich erledigen!" Sein Grinsen war nicht zu übersehen, da er aber seine Unterhaltung mit Irminella noch nicht abgeschlossen hatte schaute er wieder zu der kleinen Vögtin. 

Herrat reckte derweil den Daumen ihrer Rechten nach oben. Ja, dieser Lysander war für die Aufgabe nahezu wie maßgeschneidert.

Als Lysander sie nach der Unterbrechung erneut ansprach, wandte sie sich ihm wieder mit ihrer vollen Aufmerksamkeit zu.

"Verzeiht die Unterbrechung!", fuhr Lysander fort, seine Stirn lag für einen Moment etwas in Falten, "Wo war ich, ach ja, genau! Ihr versteht sicher, Eure Klinge hat Schaden genommen, eine Fachfrau sollte es sich mal anschauen, dann wird sie feststellen, von welcher Qualität Eure Klinge ist! Ein wenig später tauche ich auf und spiele das Spielchen, welches Ihr klugerweise vorgeschlagen habt. Wirkt eventuell etwas fingiert, aber wenn sie so ist, wie beschrieben, dann werde ich sicher mit ihr klarkommen!" Nun stand er da, völlig überzeugt davon, dass er Erfolg haben würde, zu ganzer Größe aufgerichtet, strahlte er Zuversicht und Optimismus aus, sein Lächeln zeugte ebenfalls von Selbstsicherheit, nun war er gespannt, was man von seinem Vo0ollzacker, ist diese Herrat ein Brocken, ihr Vater muss ein Oger sein!', schaute er noch einmal kurz in Richtung Herrat von Bauernfeind, ein allzu erkennbares Schmunzeln verkniff er sich, das Letzte, was er jetzt benötigte, war ein Streit mit einer fast monströsen Rondrageweihten. Herrat von Bauernfeind war sogar größer als Lysander Quintin. Und der Hohe Herr von Eisenfels war wahrhaftig nicht von der kleinen Sorte, das war für jedermann ersichtlich. Aber wie auch immer, nur einen Moment später widmete er sich wieder Irminella. 'So geht es natürlich auch!' Lysander wischte sich eine blonde Haarsträhne aus dem Gesicht, dann gab er Antwort. "Nun, dann soll es so sein, wir sollten uns …  hmm, nun ja … wie formuliere ich ‘s ... kreativen Spielraum lassen, wer weiss, was passiert und wie sie überhaupt auf mein Ansinnen reagiert, aber ansonsten steht der Plan, würde ich sagen! Es folgte ein Moment, in der er in die Gesichter seiner Mitstreiter schaute, auch Peranna wurde mit einem Blick bedacht, Lysander wollte ihr das Gefühl vermitteln, dass auch sie sich einbringen sollte, so sie es für nötig erachten würde. “Und Ihr, Junge Dame dürft Euch gerne einschalten, so Euch irgendetwas auffällt, nur nicht hinter ‘m Berg halten, bringt Euch gerne ein!”!” So ganz hatte er die neue Rolle noch nicht verinnerlicht, doch er lächelte aufmunternd und hoffte, dass er Peranna ein guter Schwertherr sein würde. 

Peranna schaute ein wenig verkniffen in die Runde der Hohen Herrschaften und Euer Gnaden und meinte ehrlich wie sie war: “Hohe Dame, Hohe Herren, Euer Gnaden, ich tue mich sehr schwer die Wahrheit zu verbiegen. Das solltet Ihr nur wissen! Es ist nicht meine Stärke und sie wird es nimmer werden.”, gab der junge Blondschopf offenherzig zu. Es schoss ihr regelrecht hervor wie ein Armbrustpfeil! Lysanders Knappin hoffte, sie nahmen sie nicht mit, um zu lügen, sondern um ihre anderen Talente zu benutzen: “Ich komme dafür recht schnell mit den Leuten ins Gespräch. Ich bin ein guter Türöffner, glaube ich.”, schlug sie vor. Es war etwas, dass sie schon in Erzenschöffer an sich feststellen konnte. Man sagte dem Haus Graupen generell nach, dass sie eher volksnah waren. So etwas sprach sich herum.

Perannas irgendwie sonderbar verkniffener Blick sagte Lysander Quintin, dass es ihr wirklich äußerst ernst war mit ihrem Anliegen, was das bei der Wahrheit Bleiben betraf. In der Art schaute sie meist, wenn ihr etwas nicht recht war. Er verstand es natürlich,  man sollte immer bei der Wahrheit bleiben, in diesem besonderen Fall ging es aber nicht darum die Wahrheit zu unterschlagen, sie musste sich also keine Sorgen machen, alles im Lot soweit!  "Es geht heute nicht darum, zu lügen bis sich die Balken biegen, sondern der, … ich nenne es jetzt mal Beute,  … nun ja, … eine Art Falle zu stellen, auf das die Wahrheit an 's Licht kommt!", antwortete der grossgewachsene Hüne Lysander Quintin von Eisenfels. "Bei meiner Treu, niemand erwartet von Euch Unwahrheiten zu bemühen!" Lysander lächelte knapp. “Nur keine Sorge, Peranna! Und wenn Ihr meint ein guter Türöffner zu sein, dann sollt Ihr es sein, die an die Tür der Plättnerin klopft." Er hoffte mit seinen Worten Perannas Bedenken zu zerstreuen.

Peranna nickte: ‘Das mochte eventuell helfen.’

Schließlich blickte er erneut in die Runde. “Wenn sonst nichts weiter zu besprechen ist, sollten wir uns auf die Beine machen und loslegen! “ Lysander Quintin wollte endlich Nägel mit Köpfen machen, es brannte ihm unter den Fingernägeln und irgendwie war er auch auf diese Plättnerin gespannt! Es war schon eine Weile her, dass mit einer Frau das Bett geteilt hatte, er würde sicherlich nicht nein sagen, sollte sich die Chance auf ein Schäferstündchen ergeben! “Wie heisst das Objekt unserer Begierde nochmal?” scherzte er mit einem breiten Grinsen, “Das sollte ich wissen, sie wird es lieben, wenn ich ihr Honig um ‘s Maul schmiere!”

Irminella blickte ein wenig verwirrt drein, als sie fragte: "Meint Ihr die junge Wina oder habt Ihr allen Ernstes vergessen wonach wir suchen? Da ich letzteres nicht glauben kann: ja, die Dame heißt Wina." Dann blickte sie zur Tür. "Lasst uns aufbrechen."

‘Vergessen nach was wir suchen?’ Für einen Moment schaute nun auch Lysander etwas verwirrt aus der Kettenrüstung, ‘Habe ich mich mißverständlich ausgedrückt?’, “Ach, wir suchen etwas?”, konnte er sich einen kleinen Scherz nicht verkneifen, für einen Moment, konnte man ein knappes Grinsen in Lysanders Gesicht ausmachen, er wurde aber sofort wieder ernster. “Wina Mockenstock, um genau zu sein, ihres Zeichens Plättnerin.”, tat der Hohe Herr kund, dass er natürlich nichts vergessen hatte, als Irminella Richtung Tür blickte und zum Aufbruch aufforderte, schloss er sich an. “Meine Rede, wir könnten schon längst unterwegs sein! Schwingen wir die Hufe, auf geht ‘s!” Daraufhin begab er sich zur Tür des Gasthauses und öffnete diese, dann sprach er Irminella an. “Nach Euch, Hohe Dame”, er lächelte knapp, aber recht charmant, während er darauf wartete, dass die Vögtin hinaus in ‘s Freie trat.

Sie lächelte, als ihr Lysander, offensichtlich Kavalier der ersten Stunde, die Tür aufhielt. Zuvor hatte sie sich an ihn gewandt: "Gut, ich schätze, ich habe einen Witz, wenn es denn einer war…", dabei hatte sie Lysander fragend angeblickt, "ganz offensichtlich nicht verstanden." Dann hatte sie ein wenig verlegen gelacht.  Als sie über die Türschwelle trat, lächelte sie zurück und sprach: "Nur weiter so. Wina wird es lieben!". Dann trat sie, ihren Umhang erneut enger um sich ziehend, ein wenig fröstelnd nach draußen. Lysander konnte noch etwas vernehmen wie 'wieso stiehlt nicht mal einer was im Sommer?'.

"Oh ja, sicher, ich habe mir einen kleinen Scherz erlaubt, Hohe Dame, mehr aber auch nicht!", lächelte Lysander die Vögtin an. Als Irminella an ihm vorbeiging, musste er plötzlich grinsen. "Wir werden sehen, mal schauen wie ich mit ihr kann!" Nachdem Irminella nach draussen gegangen war, folgte Lysander Quintin auf dem Fuße, allen und jedem würde er sicherlich nicht die Tür aufhalten, nicht einmal Peranna, das gab das Verhältnis Knappin/ Schwertherr einfach nicht her.  Draußen angekommen stimmte er Irminella zu. "Wie recht Ihr habt, Irminella! Warum eigentlich nicht im Sommer?" Der junge Adlige aus den Nordmarken schenkte der Vögtin noch einen freundlichen Blick, dann schaute er zur Tür des Gasthauses, dabei hoffte er, dass hoffentlich gleich alle, die mitkommen wollten, das Gasthaus verlassen würden. Oder musste jetzt plötzlich irgendjemand noch einmal auf die Latrine? Man kannte es ja, bevor es irgendwo hin losging, gab es schon immer Kandidaten, die dringend noch einmal den Donnerbalken aufsuchen mussten. Auch in diesem Fall?

Ulfried stand bereits eine ganze Weile, auf seinen Gehstock gestützt, hinter seinem Tisch und verfolgte ungeduldig das Gespräch der hohen Herrschaften. Ab und an verzog er dabei seine Miene, als hätte er Essig getrunken, aber er schwieg. Er schien erleichtert, als die kleine Schar endlich aufbrach und wartete ab, bis alle durch die Tür gingen, ehe er humpelnd folgte.

Peranna hielt Ulfried Tommeldan von Argenklamm und allen anderen Herrschaften freundlichst die Tür auf wobei sie mindestens so charmant wirken konnte wie ihr älterer Vetter. Sie war auf jenes Abenteuer sehr gespannt und es fiel ihr nicht einfach ihren Eifer nicht zu zeigen. Ab und an biss sie sich schmunzelnd auf die Unterlippe.

Als Ulfried an der jungen, sommersprossigen Knappin vorbei durch die Tür humpelte, nickte er dem Mädchen kurz zu und versuchte freundlich zu lächeln. Im Gegensatz zu ihm selbst schien sie vor Tatendrang beinahe zu platzen. Es gelang ihm nur mühsam mit seinem Lächeln zu überspielen, dass ihn der Gedanke an die bevorstehenden Verhöre gemeinsam mit den hohen Herrschaften kaum behagte. Sein Vater hätte gewiss jeden Halunken alleine mit seinem stechenden Blick zu reden gebracht, ihm selbst hingegen blieb wohl nur der Verweis auf die Tugenden des Herrn Praios. Er hoffte immerhin, dass er nur die Händler und Gesellen an diese würde erinnern müssen.

Fulco hatte den Unterhaltungen ebenfall aufmerksam zugehört. ’ Der junge von Eisenfels scheint ja kein Kostverächter zu sein. Nun, war ich in seinem Alter ja nun auch nicht.’ Hier musste Fulco kurz schmunzeln ’ Der Traviabund zähmt einen schon. Hübsch ist er ja, der gute Lysander, er wird bestimmt Erfolg haben’ Was er von dem Plan in Gänze halten sollte, war ihm jedoch nicht ganz klar, er musste zugeben, dass er skeptisch war. ’Nun gut, schauen, wir, wie es sich angeht’ dachte er, bevor er kurz vor Ulfried den Raum verließ. Er schenkt dem Gaupenmädchen ein aufmunterndes Lächeln und bedankte sich bei ihr, dafür das sie ihm die Tür aufhielt. Als die kleine Gruppe auf dem Weg zu Plättnerin war, ließ er sich an die Seite von Ulfried zurückfallen und sprach den jungen Mann wohlwollenden an” Wie geht es deinem Bein, alles in Ordnung?”

Ulfried blickte kurz zu Fulco hinüber und winkte mit seiner linken Hand ab. “Ach, ich habe mich daran gewöhnt. Besser wird’s wohl nicht mehr werden.” Dann zeigte sich ein offenes Lächeln auf dem Gesicht des Jungen Edlen. “Den Gehstock hat mir meine Gunhild gemacht. Sie hat sogar eine Greifenfeder hinein geschnitzt!”. Er blieb kurz stehen, hielt seinen Stock in die Höhe und wies mit dem Zeigefinger auf eine in das dunkle Holz geschnitzte Verzierung. Dann zwinkerte er Fulco zu. “Ich habe vorhin von den Hochzeitsplänen deiner Schwester erfahren. Falls dir für meine Schwester eine gute Partie einfiele…wie du siehst hat sie viele Talente!”. Dann lachte er ehrlich und laut auf und nickte Fulco dankbar zu.

Fulco nickte dem jungen Mann lächelnd zu “Da hat deine Schwester wirklich ein schönes Stück geschaffen. Ja, das sich Mafalda verliebt, ich freu mich sehr für sie.  Sie ist ebenfalls eine gute Partie, so wie deine Schwester” hier nickte Fulco nochmals bestätigend. “  Gunhild müsste ungefähr im Alter meines Ältesten sein.Traisidin ist von 1025 BF. Er absolviert sein Noviziat im Tempel der Leuin zu Albenhus. Allerdings ruht er etwas mehr in sich als es ihre Gnaden Herrath es bei sich vermuten läßt. “ Hier schaute er sich kurz um, ob jemand zuhörte. Als er sich vergewissert hatte, das nur Ulfried seine Worte bezüglich ihrer Gnaden gehört hatte, sprach er etwas lauter weiter ”Er ist ein guter Junge, ich bin sehr Stolz auf ihn” Hier lächelte Fulco warm in sich hinein.  “ Was macht eigentlich Rudhard? Hat er sich dazu geäußert, ob er eine Pagen,- und Knappen Schaft in Erwägung zieht,oder möchte er etwas anderes machen?”

Ulfried lauschte dem Ritter mit einem zufriedenen Lächeln auf den Lippen. “Ja, Traisidin ist nur zwei oder drei Jahre jünger.” Dann schüttelte er den Kopf. “Bei Praios, wie die Zeit doch vergeht. Jetzt dient er der Leuin in Albenhus!”. Nach einem kurzen Moment der Stille runzelte Ulfried die Stirn. “Nunja, ginge es nach Rudhard, so wird er sicher kein Knappe werden…sondern direkt ein Ritter.” Während der kurzen Pause des Satzes schlich sich ein breites Grinsen auf Ulfrieds Mundwinkel. “Aber ja, du hast Recht. Ihn muss ich auch noch irgendwo unterbringen.” Ulfried ließ seine Schultern hängen.

Fulco schaute den jungen Mann überrascht an und schlug ihm freundschaftlich auf die Schulter “ Das sollte doch kein Problem sein.Dein Bruder  ist ein netter, aufgeweckter Bursche. Wenn er und du mag, meine Familie würde sich freuen. Ich könnte mir gut vorstellen, ihn in die Pagen,- und Knappen Schaft zu nehmen. Sabea würde sich freuen, für unseren Jüngsten müssen wir auch bald einen Schwertvater oder eine Schwertmutter finden”  Hier schaute er nachdenklich in Richtung Irminella.“ Er dachte nochmal kurz nach “ Vielleicht sollten wir Traisidin und Gunhild bei einer Gelegenheit nochmals an eine Tisch bringen, sie haben sich lange nicht gesehen. vielleicht mögen die beiden sich ja.” Hierbei musste Fulco etwas schmunzeln. Es wäre schön, wenn sein ältester eine nette junge Frau finden könnte.

Ulfried blickte Fulco überrascht an. “Ja, ähm, ja gerne. Das wäre wunderbar. Rudhard wüsste ich bei dir in besten Händen!”. Ein Strahlen lag auf dem Gesicht des jungen Edlen. “Er wird begeistert sein! Er kann sich zwar nicht mehr daran erinnern, aber wenn er erfährt, dass du mit Vater geritten bist, dann bist du für ihn sicher ebenso ein Held wie Raidri oder Herzog Waldemar!” Er unterstrich seinen letzten Satz mit einem Augenzwinkern, ehe er wieder etwas ernster hinzufügte: “Und auch ein Treffen zwischen Traisidin und Gunhild erscheint mir lohnenswert. Einerseits…”,  Ulfried zögerte kurz und seine Augenbrauen schoben sich zusammen, “einerseits möchte ich Gunhild nicht missen. Sie ist…”, er beendete den Satz nicht, sondern seufzte nur schwer. Dann blickte er Fulco direkt in die Augen. “Aber wahrscheinlich wird Gunhild oder ihr ältestes Kind eines Tages Herrscher über Kaltenklamm werden. Sie muss also vermählt werden. Und ich könnte mir nichts besseres vorstellen, als dass auch die Zukunft des Gutes in den Händen einer aufrechten, praiostreuen Familie liegt.”

Fulco lächelt den jungen Edlen offen und freudig an. “ Dann lasst und die Einzelheiten besprechen, wenn wir diese Aufgabe hier erfolgreich hinter uns gebracht haben. Ich bin froh, deinen scharfen Geist bei dieser Aufgabe an meiner Seite zu Wissen. “ Hier nickte er bekräftigend. Dann dachte er nochmals kurz nach und stutzte kurz “ Hänge meinen Namen bei deinem Bruder nicht zu hoch. Sonst ist er nachher enttäuscht, bei einem alten Mann gelandet zu sein” Hier schmunzelt er jedoch etwas. “ Aber wieso schließt du für dich eine Verbindung aus? Du bist doch eine gute Partie?” Dann musste er kurz lächeln “ Bei einer möglichen Verbindung von Gunhild und Traisidin könnte es auch gut sein, das dir deine Schwester nicht abhanden kommt. Ich könnte mir gut Vorstellen, das Traisidin sich in Kaltenklamm wohl fühlt. Aktuell entflieht er jedenfalls unheimlich gerne der Fürsorge seiner Mutter. Nicht das die beiden sich nicht zugetan wären, aber ein junger Mann braucht da auch schon mal Abstand” hier lächelte er nochmals offen in Richtung Ulfrieds. 

“Ja, lass uns das später noch einmal vertiefen, ‘alter Mann’!”, bei den letzten Worten lachte Ulfried fröhlich auf. “Zuerst haben wir ein Abenteuer zu bestehen. Also schnappen wir uns diese Wina. Geh voran!”

Fulco nickte lächelnd in Richtung des jungen Mannes “ Recht hast du, so machen wir das! “sagte er  schritt weiter der weiteren Aufgabe entgegen. 

Gruppe Kranick I - Zwerge - Auf zur Jagd!

Da der Tag schon weit fortgeschritten war und da die Erkundigungen des Tages zwar nicht im Sande aber im Regen verlaufen waren, war es ein guter Entschluss nichts zu überhetzen und daher nächtigten die Ermittler noch eine Nacht in der Höhe und machten sich am nächsten Morgen, den 17. Phex, auf den Weg die Gruppe der Zwerge zu verfolgen. Der Morgen war noch recht kühl, aber der Tag versprach wenigstens vom Wetter durchwachsener zu werden als die Vortage.

Still und in sich gekehrt begleitete Krispinian von Tsawalden seine Gefährten zur Schmiede. Natürlich wollte er herausfinden, ob der Schmied nicht doch noch mehr wusste. Aber zuallererst interessierte ihn der Tatort. Sobald sie dort eintreffen würden, würde er sich die Lage ganz genau anschauen. Er war sich sicher: Wenn es Hinweise auf den Tathergang gäbe, würde er sie finden. “Was macht Euer wertes Befinden, Euer Gnaden? Geht es Euch etwas besser?”, wandte er sich an den Praioten. 

Eblaus nickte. Tatsächlich hatte ihm die Übernachtung in (relativer) Ruhe gut getan. “Mir geht es wieder wie Sonnenschein im Frühling”, meinte er und musste prompt laut niesen. Ein entschuldigendes Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus. “Nein, wirklich!” Der junge Geweihte rückte seine Priesterkappe gerade und wirkte körperlich deutlich stabiler als noch tags zuvor.

Krispinian lächelte Eblaus an. Er mochte den Praios-Geweihten, auch wenn er ganz anders war als er selbst. Wie viel anders, konnte Seine Gnaden gar nicht erahnen … Der Edle von Dunkelstein lächelte still vergnügt in sich hinein. “Nun, lasst uns den Schmied fragen, ob er uns den Weg zur Binge weisen kann. Bei der Gelegenheit eine Frage an Euch”, er wandte sich den Zwergen zu. “Hand aufs Herz, was denkt Ihr? Könnte der Schmied hier einer immensen Verlockung erlegen sein?”

“Nein!” begann Xorgolosch vehement zu widersprechen, nach der durchschlafenen Nacht war er wieder frei von Kopfschmerzen und bereit auf die Suche zu gehen. “Wir waren gestern bei Meister Ferrombarosch und haben mit ihm gesprochen. Und er ist ein ehrlicher Angroscho!”

Krispinian lächelte den Angroscho freundlich an. “Es war kein Verdacht, den ich äußerte. Mir war nur um Eure Einschätzung gelegen. Dann müssen wir unseren Blick in andere Richtungen schweifen lassen - denn ich halte die Vermutung für naheliegend, dass der Diebstahl mit interner Unterstützung geschah. Ein Einstieg in eine gut gesicherte Schmiede ohne Kenntnis von Interna wäre ein großes Risiko  gewesen. Und diese Tat wirkt auf mich, dass sie in jedem Fall gelingen MUSSTE. Von daher lasst uns den Herrn Schmied nach dem Weg zur Binge fragen. Und ich würde gerne noch einen genaueren Blick auf den Tatort, vor allem auf die Schlösser werfen. Ich kenne mich da leidlich gut aus. Einer meiner Großonkel war Mechanicus in Gratenfels und hat mich viel über die Faszination von hochmodernen Schlössern gelehrt.” Der Edle von Dunkelstein lächelte weiter, doch nun war es ein verschmitztes Lächeln. 

“Ich muss Xorgolosch recht geben. Meister Ferrombarosch ist ein ehrliches und ehrbares Kind des Angrosch. Und beim Schmiedefeuer, schon der Diebstahl der Rüstung bringt eine Schmach und Schande mit sich, haben doch seine Schlösser augenscheinlich nicht gehalten. Eine Beteiligung an dieser frevelhaften Tat …” Gorthak ließ die möglichen Konsequenzen unausgesprochen. Als er die finsteren Gedanken vertrieben hatte, fuhr er fort. “Legt nicht zu große Hoffnung auf das Schloss. Ferrombarosch groscho Gerambolosch hat das Schloss auseinander genommen um die Ursache für dessen Versagen zu ermitteln. Die Kratzer im inneren deuteten wohl auf einen Alrik oder Nachschlüssel hin. Und mit größtem Verlaub traue ich hier der Einschätzung eines Angroscho deutlich mehr.” Man könnte meinen, einen leicht entschuldigenden Unterton in der Stimme des Zwerges zu hören.

“Der Verlaub sei Euch zurecht gewährt.” Krispinian verneigte sich leicht vor Gorthak. Ähnlich wird es beim Zugang zur Schmiede gewesen sein, nehme ich an. Hier waren auf jeden Fall Meister ihres Fachs zu Werke, was die Schlösser anbelangt.” Ein anerkennender Unterton schwang in seinen Worten mit. “Wie sicher können wir bei seinen Gehilfen sein? Tut es hier Eurer Meinung not, noch einmal eindringlich nachzuhaken?” Mit einem Blick auf Eblaus schloss der hochgewachsene Mann augenzwinkernd:” Wir haben schließlich einen Vertreter des Herrn der Wahrheit unter uns, das könnte uns den nötigen Respekt verschaffen.”

Gorthak fuhr sich nachdenklich durch den Bart. "Mit den Jünglingen haben wir nicht gesprochen. Vielleicht kann das Licht Eures Herren Praios ja Licht ins Dunkel und die Wahrheit aus ihren Köpfen bringen." Damit genehmigte sich der Zwerg einen kleinen Schluck aus seinem Flachmann. "Eine kleine Stärkung vorher muss jedoch sein. Brennt die Flamme zu niedrig, so lässt sich auch nichts schmieden."  Mit diesen Worten bot er den anderen den Flachmann an. 

Dieses Angebot ließ sich Xorgolosch natürlich nicht entgehen. “Auf unsere Mission! Mögen wir die Rüstung, die seinerzeit Aurin und Raurin geschmiedet haben, heil wiederfinden!” Fragend die Gigrim anschauend, bot er den Flachmann an.

“Hoho”, lachte Eblaus herzlich. “Da sage ich nicht nein! Auf Klarheit im Klaren!”

Mit einem zustimmenden Nicken ergriff Krispinian von Tsawalden den Flachmann, nahm einen tiefen Schluck und gab ihn dankend zurück. “Wohlan, lasst uns also die Gelegenheit nutzen, den Schmied nach dem Weg zu fragen und seinen Gehilfen noch ein wenig auf den Zahn zu fühlen!”

Eblaus nahm einen Schluck des scharfen Gebräus und brach sofort in einen Hustenschwall aus. Sein Kopf lief rot an und er prustete vornübergebeugt. Als Krispinian Anstalten machte, ihm zu helfen, winkte er ab und richtete sich grinsend auf. “Ich…”, keuchte er, “hab…mich verschluckt…” Er klopfte sich gegen die Brust und verdrehte leicht die Augen. “Uff… scharfes Gebräu!” Eblaus zuckte die Achseln. “Lasst uns aufbrechen, bevor ich noch an Atemnot zu BORon gehe.” So stapfte er voran zur Schmiede und trat ein.

Lächelnd folgte Krispinian von Tsawalden dem Geweihten. Innerlich war er bereits auf Hochspannung. Je näher sie sich der Schmiede näherten, umso aufmerksamer widmete sich der Edle zu Dunkelstein den Details. Er folgte Eblaus in die Schmiede. 

Gorthak schmunzelte leicht, als er den Flachmann mit dem Zwergenschnaps verstaute. “Ich werde hier draußen warten, bis meine Anwesenheit benötigt wird. Wir möchten den werten Ferrombarosch ja nicht überfallen” sagte er zu Krispian von Tsawalden und fügte murmelnd hinzu. “Das haben andere bereits erfolgreich erledigt.”  Danach setzte er sich vor die Schmiede und begann, sich seine Pfeife zu stopfen.

Ein gutes Pfeifchen am Morgen, das ist etwas, was auch Xorgolosch gefällt und so setzt er sich neben seinen Freund und beginnt auch seine Pfeife zu stopfen.  “Meinst Du, dass die Gigrim noch etwas Neues in Erfahrung bringen?” fragt der Gorthak leise auf Rogolan. 

Es dauerte eine Weile, in der der Zwerg schwieg, seine Pfeife stopfte und über eine Antwort nachdachte.  "Nun”, erwiderte Gorthak, “die Menschen haben einen anderen Blick auf die Dinge."  Einen Zug an der Pfeife und einige Rauchschwaden danach fragte er mit ehrlichem Interesse in der Stimme.  "Aber lassen wir uns einfach überraschen. Sag wie ist die Lage in Erzwacht?" 

Xorgolosch paffte auch ein wenig genüsslich vor sich hin und meinte dann nach einigen Zügen: “Alles soweit gut, sonst hätte uns doch der Alte nicht ziehen lassen.” Er musste breit grinsen. “Du kennst ihn ja auch, wenn wir den Zehnt nicht vollständig und pünktlich abliefern, dann kommt er mit seinen beiden Zwillingen auf dem Streitwagen vorbei gerauscht und plündert Dir die Speisekammer.” Bei dieser Bemerkung konnte sich der Zwerg ein leichtes Grinsen nicht verkneifen. 

Die Schmiede, ein altersschiefes aus Bruchsteinen gemauertes, zweiflügeliges, aber nur einstöckiges Gebäude, war mit bemoosten Schieferschindeln bedeckt, auf denen die dicken Dachsterne wurzelten, die erst nach fünf Jahrzwölften Wurzeln zu schlagen vermochten, so hieß es. Neben dem Eingang zur Schmiede besaß der zweite Flügel noch einen verschlossenen Zugang hinaus auf die Gasse, die das Gebäude von den Nachbarhäusern trennte. Die Nachbargebäude - nahezu alle aus Fachwerk - hielten achtungsvollen Abstand, obwohl der Rest des Dorfes dicht an dicht gebaut war. Doch der Funkenflug einer Schmiede hatte über die Jahrhunderte durch schmerzhafte Brände Achtung gelehrt.

Jetzt am Morgen stand das große Rolltor offen und von innen erklang das Fauchen des Blasebalgs und die rufende Stimme einer Frau. Als die Gefährten näher traten sahen sie eine braunhaarigen Frau - keine Angroschna - die einem Zwerg und einem jungen Mädchen mit den Händen in die Hüften gestemmt Anweisungen gab, wie die Esse vorzubereiten und die Glut auf Temperatur zu bringen ist. Ein weiterer Mann war dabei die Werkzeuge zurecht zu legen und begann danach ein paar Rohlinge, die er aus  einem Fass nahm, zu begutachten. Der Meister war hier nicht zu sehen.

„Huch“, wunderte sich der junge Praiot. „Wo ist denn der Schmied?“, frug er für die Lehrlinge hörbar.

Die Gesellin Rabine drehte sich auf dem Absatz um, als sie die Frage hinter sich hörte. “Was? Wie? Der Meister?” meinte sie ein wenig verdutzt. “Der Meister ist noch in seiner Schreibstube, die Esse ist ja noch nicht warm. Was können wir für Euch tun?”

Krispinian von Tsawalden lächelte die Frau freundlich an. “Die Götter zum Gruße. Wir wollten uns kurz mit dem Meister unterhalten. Ihr habt sicher schon davon gehört, dass eine größere Anzahl Adliger, Geweihter und Ritter im Ort sind, nehme ich an?  Und zudem möchten wir den Weg zur Zwergenbinge erfragen. Könntet Ihr uns da behilflich sein?” Der Edle von Dunkelstein nickte den vier Schmiedegehilfen lächelnd zu. “Zudem erfreut es uns natürlich, auch Eure Bekanntschaft zu machen”, sprach er die Vier an, dabei seinen vollen Namen und Titel nennend. “Wie lange arbeitet Ihr schon hier? Stammt Ihr hier aus der Ortschaft?”.  Krispinian lächelte weiterhin, doch wurde sein Blick dabei ernster, fokussierter. Er spürte die Aufregung in sich aufsteigen. Er war wieder auf der Jagd. Auf der Jagd nach Rätseln, Hinweisen und Informationen. Es gab wenig Dinge, die Krispinian von Tsawalden mehr Vergnügen bereiteten.

“Oh verzeiht meine Unhöflichkeit! Ingerimm zum Gruße!” antwortete die junge Gesellin. “Ihr stellt aber viele Fragen auf einmal. Also versuche ich es mal der Reihe nach. Ja, wir wurden gestern bei unserer Pause in der ‘Höh’’ schon von Fremden befragt. Was hat es denn aus sich, dass sich so viele hier versammeln? Gehört Ihr auch dazu? Und die Binge? Welche Binge? Es gibt im Kosch etliche Bingen, die dem Kleinen Volk gehören. Und mich nennt man Rabine, ich bin die Altgesellin bei Meister Ferro und stamme aus Erzenschöffer. Die beiden an der Esse sind die Lehrlinge Raxa und Roxalmosch. Und der Angroscho bei den Werkzeugen ist Rotger, ein Geselle auf der Walz, der hier Station macht. Raxa ist im zweiten Lehrjahr und stammt von einem kleinen Hof in der Nähe von Klein-Gratenfels. Roxalmosch ist in seinem zehnten Jahr bei Meister Ferro, er war schon hier, als ich mit meiner Lehre angefangen habe - aber Ihr wisst ja, dass bei den Zwergen die Lehre länger dauert. Und Rotger ist gut ein halbes Jahr hier.”

Eblaus nickte zufrieden, wobei er beinahe seine Priesterkappe verlor. Er ließ seinen Blick über die Gesellen schweifen. “Frau Rabine, das Licht des Herrn auf Euren Wegen. Wir sind auf der Suche nach der Zwergenbinge, derer die beiden Meisterschmiede entstammen, die den Harnisch des heiligen Hlûthar schmiedeten”, erwiderte Eblaus präzise - die Antwort auf die Frage, ob man derselben Gruppe edler Herrschaften angehörte, offen lassend.

“Euer Gnaden”, begann die Gesellin verlegen. “Es geht die Geschichte, dass die beiden Zauberschmiede Aurin und Raurin diese Schmiede hier im Ort betrieben haben. Also wurde die Rüstung hier geschmiedet und nicht in einer Binge. Aber vielleicht solltet Ihr den Meister fragen.”

Krispinian von Tsawalden nickte zustimmend. “Was wisst Ihr über den Diebstahl hier in der Schmiede?”, fragte der hochgewachsene Edle ansatzlos wie aus der Repetierarmbrust geschossen und sah der Gesellin dabei tief in die Augen. 

“Also nur das, was wir nach dem Diebstahl gemeinsam mit dem Meister herausgefunden haben.” überlegte Rabine. “Wir haben Kratzer im Schloss zur ‘Schatzkammer’ - so nennen wir den Raum in dem wir unsere wertvollen Metalle und Fertigstücke aufbewahren - gefunden. Das deutete auf einen Alrik hin, allerdings einen sehr guten, denn das Schloss ist schon sehr komplex. Fehlen tat nichts, nur Hluthars Kürass fehlte.”

Krispinians Stimme wurde eine Spur schärfer, aber er behielt sein Lächeln bei. “Nur? Ihr sagt ‘nur’? Dieser Diebstahl ist unfassbar von seiner Tragweite her! Was dürfte das für Euren Herrn und seine Schmiede bedeuten, was meint Ihr? Wie war solch eine Tat überhaupt möglich? Glaubt Ihr, Ortsfremde könnten eine solche Tat ohne Hilfe begehen?” Der Edle von Dunkelstein trat einen Schritt näher. Das Lächeln verschwand aus seinem Gesicht. “Ihr könntet Eurem Herrn eine große Hilfe sein, denkt bitte genau nach: Wer alles wusste von der Anwesenheit der Rüstung hier im Ort? Hat vielleicht jemand in der Kneipe im Vertrauen etwas erzählt … Jeder Hinweis kann wichtig sein. Die Gerechtigkeit wird es Euch danken. Und natürlich auch die Wahrheit.” Mit seinen letzten Worten deutete Krispinian auf Eblaus. 

Eblaus stand lächelnd daneben. Die Autorität, die Krispinian ausstrahlte, musste man nur unterstreichen.

Überlengend rieb sich Rabine das Kinn. “Also, tja”, begann sie dann, “also die Rüstung stand solange wir an ihr gearbeitet haben oben in der Schmiede und abends haben wir sie immer weggesperrt. Daher könnte sie jeder gesehen haben, der an der Schmiede vorbei gegangen ist. Aber, hoher Herr, Ihr müsst bedenken, dass sie für den Laien aussieht wie jede andere Rüstung.” Mit einem schüchternen Lächeln fügte sie dann noch hinzu: “Und es steht ja auch auf dem Kürass nich’ drauf, dasser mal dem Heiligen zum Geschenk gemacht wurde.”

Krispinian von Tsawalden lächelte zurück, aber sein Tonfall blieb fordernd. “Das ist uns schon bewusst, werte Dame. Aber überlegt genau”, er erhob seine Stimme und fasste auch die anderen Gesellen scharf ins Auge. “Ihr seid auch gemeint: Habt Ihr mit jemandem über die Rüstung geredet? Was auch absolut verständlich wäre, schließlich müsst Ihr vor Stolz ja geradezu bersten, dass Eurem Herrn eine solch hehre Aufgabe aufgetragen wurde. Oder hat gar jemand näher nachgefragt? Denkt scharf nach und sprecht die Wahrheit, bei Praios. Der Ruf Eures Meisters steht auf dem Spiel!”

Vom Blasebalg meldete sich nun Roxalmosch: “Natürlich haben wir den Garoschim gesagt, dass wir die Rüstung hier haben, schließlich haben sie uns das Metall bringen müssen.” Rabine nickte: “Und die Hauptfrau der Donnerer, die das fertige Schwert abgeholt haben, hatte die Rüstung bewundert. Vermutlich hat es ihr einer von uns oder der Meister gesagt.” “Es ist ja auch kein Geheimnis!” fügte nun noch Rotger hinzu.

Krispinian von Tsawalden blickte in die Runde und seufzte. “Lasst uns also zur Binge gehen, vielleicht erfahren wir dort etwas.”

In diesem Moment trat der Schmiedemeister aus der Tür, blickte sich um und als er sah, dass auf der Bank die beiden rauchenden Angroschim sitzen und ging dann nachdem er sah, dass seine Mitarbeiter mit den beiden Menschen sprachen zur Bank und setzte sich neben Gorthak. “Garoschem!” begrüßte er die beiden Zwerge und fuhr auf Rogolan fort: “Ich dachte, ich hätte gestern alle eure Fragen beantwortet?”

Gorthak nickte freundlich, als sich der Schmiedemeister neben ihn setzte. “Garoschem. Unsere Fragen habt ihr zur Gänze beantwortet. Doch die Gigrim wollten ihrerseits noch einmal Fragen an Eure Lehrlinge richten.” Antwortete er auf Rogolan auf diese Frage. Mit einem kurzen Seitenblick auf Eblaus, der eine Mischung aus Zweifel und Vorwurf zeigte setzte er hinzu: “Ihnen scheinen unsere Auskünfte nicht genau genug zu sein.”

“Ähm, wir … die Götter zum Gruße”, meinte der junge Geweihte entschuldigend, der den Eindruck hatte, der Schmied sei durch die erneute Anwesenheit der Gruppe irritiert. “Väterchen, wir suchen die Binge des Zwergenvolkes, dem die beiden Meisterschmiede Aurin und Raurin entstammen. Könnt Ihr uns den Weg dorthin weisen?”

“Hmm”, brummte Ferro, “Aurin und Raurin, so, so. Die Väterchen berichten, dass die beiden zum Stamm der Groscharoroximangrasch gehören und wie diese aus Xorgolosch stammen. Und von dort haben sie sich gemeinsam nach ihrer Feuertaufe auf den Weg gemacht, die Schmiedekunst an verschiedenen Orten weiter zu erlernen. Und nach vielen Jahren der Wanderschaft sind sie dann hier in dieser Schmiede geblieben.” Er blies wieder ein paar Ringe in die Luft und fuhr dann fort. “Ich denke, dass ihr die Binge sucht, aus der ich das Metall bezogen habe, um Hlûthars Rüstung zu reparieren.” Und wieder eine kleine Pause, in der er ein paar Ringe in die Luft entweichen ließ. “Aber wo genau die Binge ist, weiß ich leider nicht. Nur das sie efferdseitig des Vorkosch liegt, irgendwo in Kranick. Die Garoschim kommen ungefähr einmal im Mond hier vorbei und fragen nach meinen Wünschen. Und dann gebe ich meine Bestellung auf und beim nächsten Mal, wenn sie wieder ihre Runde zwischen Gratenfels und Gareth machen, bringen sie mir das Gewünschte vorbei.”

Eblaus blinzelte nervös. Diese Antwort hatte er nicht erwartet. Wie bei PRAios sollte man die Binge denn finden? Wenigstens hatte er einige Spezialisten dabei - meinte er: „Sagt, können wir die Binge dennoch finden, wenn wir grob in die Richtung Kranick reiten?“, frug er die Angehörigen des kleinen Volkes.

“Bestimmt”, antwortete der Edle von Erzwacht. “Wir fragen uns einfach durch. Wenn die Garoschim ihre Lieferungen verteilen, dann sind sie sicherlich bekannt und wir finden dann auch die Binge. Kennt ihr euch in Kranick aus?” war die abschließende Frage an Eblaus und Krispian.

Eblaus wog unsicher die Hände. „Naja, schon … ein wenig …“

“Dann sollten wir einen Weg - der auch von Lastkarren befahren werden kann und am Rand des Vorkosch vorbeiführt - doch wohl finden können”, meinte Xorgolosch gut gelaunt. “Warten wir noch auf auf den Edlen von Dunkelstein und machen uns dann auf den Weg.”

“Ähm… ja. Gut.” Eblaus hoffte, er konnte dieses Versprechen auch wirklich einlösen.

“Nun denn”, erwiderte Krispinian von Tsawalden nicken. “Etwas anderes bleibt uns wohl kaum übrig”. 

Gorthak brummte nur etwas Unverständliches in seinen Bart. Dieses ganze Unterfangen ging für seinen Geschmack viel zu schnell. Als würde man einen Edelstein bei schlechtem Licht schleifen wollen. Wie, bei Angrosch, sollte man da alle Konturen und den perfekten Schliff erkennen. Genau so war es hier. Typisch für die Kurzlebigen. Eine Woche auf die Angroschim warten war ihnen zu lang. Lieber irrten sie womöglich tagelang unter freiem Himmel, bis sie die Binge fanden. Immerhin betrieben sie ihr Unternehmen mit einer Ernsthaftigkeit und einem Umsetzungswillen, der einen gewissen Respekt verdiente. 

Auf der Suche nach der Binge

Nachdem die Gefährten nun alles, was es aus ihrer Sicht vom Schmied zu erfahren gab, erfahren hatten, machten sie sich auf den Weg Richtung Kranick. Der Weg führte zunächst von Erzenschöffer aus Richtung Firun bis sie auf die Reichsstraße gelangten, dort angelangt bogen sie nach links ab, um der Straße zu folgen und erreichten dann am Abend Gratenfels.

Eblaus hatte sich auf dem Ritt angeregt mit von Tsawalden und den Zwergen unterhalten. Es machte dem jungen Mann Spaß, unterschiedliche Sichtweisen auf die Welt und Spiritualität auszuloten und die Einstellungen verschiedener Gattungen zu entdecken. Eblaus entpuppte sich dabei umso mehr als „untypischer“ Geweihter des Herrn Praios: Anders als so manches Klichée zeigte er sich aufgeschlossen und kritisch. Man hatte sogar den Eindruck, angesichts des Zeitenwandels plagten ihn und viele Glaubensgenossen Bedenken hinsichtlich der Zukunft der Kirche des Allerhöchsten.

Xorgolosch war durch das Gespräch mit dem Praioten zum Glück von dem immer währenden Geruckel und Gezuckel auf dem Pony abgelenkt und war deshalb erstaunt, als sich am Abend die Mauern Gratenfels vor der kleinen Gruppe auftrümten. “Bleiben wir heute Nacht in der Stadt?” wollte er von seinen Begleitern wissen.

„Das wäre vernünftig“, bestätigte Eblaus. „Wir sollten uns stärken und ordentlich ruhen. Vielleicht könntet Ihr Euch in der zwergischen Gemeinschaft Gratenfels‘ umhören - das wäre der einfachste Weg, um zu erfahren, wohin wir reiten.“

“Nun denn, lasst uns ein Gasthaus suchen und ein kräftiges Mahl einnehmen. Im Anschluss werden wir sehen, was sich in Erfahrung bringen lässt.”

Nachdem die Gefährten durch das Koscher Tor die Stadt betreten hatten, haben sie sich bei den Torwachen nach einer Herberge erkundigt.  Von diesen wurde ihnen das Gasthaus ‘Zum weißen Grafen’ in der Nähe des Albenhusener Tors genannt und da sie es nicht besser wussten, nahmen sie den Rat an und bezogen die gediegenen Zimmer im  Grafen. Nach einem ordentlichen Abendessen machten sich dann Xorgolosch und Gorthak auf den Weg in das um den Ingerimmtempel liegende Zwergenviertel. Nach einem Besuch im Tempel konnten sie noch vor Geschäftsschluss ein paar Gespräche mit den örtlichen Schmieden führen, aber auch diese wussten nicht mehr zu berichten, als die beiden schon wussten.  Die Angroschim hatten eine Binge am Westrand des Vorkoschs und kommen in etwa einmal im Monat vorbei, um die neuen Bestellungen aufzunehmen und die letzten Bestellungen auszuliefern. So kamen die beiden Angroschim wieder zurück in den Grafen und konnten Eblaus und Krispinian nichts Neues berichten. Also beschlossen sie, am nächsten Morgen Gratenfels zu verlassen und sich in Richtung des Vorkoschs aufzumachen.

Eblaus hatte sich von der Befragung mehr erhofft. Offensichtlich machten die Zwerge ein Geheimnis aus der Lage ihrer Binge. „Herr Xorgolosch, Herr Gorthak, ist das bei Eurem Volk so üblich, ein großes Geheimnis aus Euren Kammern unter dem Berge zu machen? Könntet Ihr nicht stolz auf die Errungenschaften der Angroschim sein? Weshalb ist das so?“

“Nun”, antwortete Xorgolosch, “ich vermute, dass es mit den Metallen zusammenhängt, die unsere Brüder aus dem Berg holen. Es ist ja nicht nur normales Erz, sondern zum Teil Metalle, die magisch und sehr kostbar sind. Und da gebietet es die Vorsicht nicht jeden auf die Fundstelle hinzuweisen.”

„Was? Magische Metalle?“, fuhr Eblaus auf. „So etwas gibt es? Ach du Schreck. Der Herr PRAios möge verhüten, dass diese Materialien in die falschen Hände geraten!“, empörte sich der junge Geweihte, offensichtlich nicht wissend, welch Bandbreite die Schätze INGerimms zeigten.

“Natürlich gibt es das”, grinste Xorgolosch breit, “sagt, Euer Gnaden, habt Ihr denn noch nie von Mindorium, Arkanium, Endurium, Titanium und Eternium gehört? Wenn ich es richtig in Erinnerung habe, sind viele Artefakte des Kaiserhauses und der zwölfgöttlichen Kirchen ganz oder teilweise aus diesen Metallen gefertigt. Und auch die Rüstung, die wir suchen, hat Teile aus diesen Metallen - so sagte Meister Ferrombarosch zumindest.”

Eblaus grübelte. “Doch, ja. Das habe ich. Ähm. Aber also nicht von diesem Mindorium. Die anderen Metalle kenne ich nur als reine, göttergefällige Erze. Als Dämonenhammer im Übrigen. Sind diese etwa auch … magisch?!”

“Nun man nennt sie so”, war die etwas ausweichende Antwort des Angroscho. “Ihnen wohnen alle Kräfte inne, das ist gewiss. Aber ob sie magischen oder göttlichen Ursprungs sind, da bin ich dann doch der Falsche, dieses letztendlich entscheiden zu wollen.”

“Doch sicherlich letzteres, wenn schon eine Rüstung des heiligen Hlûthar aus diesem Material geschmiedet wurde!”, erklärte Eblaus überzeugt. Das war das erste Mal, dass seine Kameraden den Eindruck hatten, sie hätten einen ‘Nerv’ getroffen. Über diese abstrakte Frage konnte sich der junge Mann scheinbar richtiggehend ereifern. “Wir … wir sollten keine weitere Zeit verlieren. Wenn die Rüstung gar in die Hände dunkler Mächte gefallen ist! Was könnten sie mit so einem Artefakt aus einem göttergefälligen Metall alles anstellen?”

Xorgolosch zuckte nur mit den Schultern und folgte auf dem Zwergenpony dem plötzlich vorgepreschten Geweihten.

Nach wenigen Meilen hinter Gratenfels führte dann eine Straße nach rechts von der Reichsstraße weg nach Kranick. Das Reiten wurde auf den schmalen und holprigen Straßen gerade für die beiden ungeübten Zwerge wieder deutlich beschwerlicher und so waren alle erleichtert, als sie gegen Mittag Grafenfurt erreichten, wo sie erst einmal eine Rast einlegten. Nach dem Mittagsmahl ging es dann durch die dem Ort seinen Namen gebende Furt auf die andere Seite des Tommel. Dort in Iriansmühl erfuhren sie, dass die Gruppe der Angroschim hier regelmäßig durchkommt und sich immer aus Richtung Firun dem Örtchen genähert hat. Also folgten die Gefährten der Straße an der Tommel entlang und erreichten am Abend das Dörfchen Riedgrund, das idyllisch im Tal des Kranichbachs lag.

“Wir dürften nunmehr nah sein”, erklärte Eblaus wie aus dem Nichts. “Ich bin mir sicher, die Binge ist nicht mehr weit. Herr PRAios weist uns den Weg.” Der junge Geweihte deutete grob in Richtung der aufragenden Berge. “Reiten wir dem kalten Wanderer entgegen.” Der blonde junge Mann wirkte entrückt und voller Ruhe, doch seine Worte hatten einen Hauch Tatendrang in sich. Seine - zwergischen - Begleiter waren sich nicht sicher, ob er nur fabulierte oder eine Eingebung hatte.

Am nächsten Morgen, nachdem Eblaus seine Gefährten zum Praiostagsgebet aufgefordert hatte, ging es die Straße entlang weiter Richtung Firun. Im Gegensatz zum Vortag hatte Herr Efferd aber heute beschlossen, die Gruppe mit ein wenig Wasser aus den Wolken abzukühlen. Und trotz der dichten Wolkendecke konnte sie nach einiger Zeit vor sich die ersten Kuppen des Vorkosch in der Ferne aufragen sehen. Ihr Weg führte sie den ganzen Tag über entlang des Kranikbachs der hier schon einige Schritt breit gemächlich der Tommel entgegen floss. Die Landschaft verwandelte sich im Laufe des Tages weiter von kleinen um die Weiler und Dörfer gelegenen Äckern und Weiden zu immer dichter werdendem Wald, der sich dichter an die Uferstraße heran schob und so den Blick auf die Gipfel des Vorkoschs immer wieder gesperrte.  Es war am Nachmittag sogar das Heulen eines Rudels hungriger Wölfe zu vernehmen, die der Gruppe in einem Waldstück einige Meilen folgte, aber kurz vor Kranichfurt verschwand. In Kranichfurt erfuhren die Gefährten, dass sie sich, wie Eblaus vorhergesehen hatte, ihrem Ziel näherten, denn der Dorfvorsteher erklärte auf Nachfrage, dass es hinter Bruchhusen weiter im Gebirge eine Zwergenbinge geben würde. Er empfahl den Reisenden aber auch gleichzeitig die Reise nach Bruchhusen und zur Binge erst am nächsten Tag fortzusetzen, wollte man nicht in der Wildnis übernachten.

Mit jedem Tag schien Eblaus konzentrierter auf das ihm eigentlich unbekannte Ziel zuzusteuern. Wiederholt murmelte er, dass “ihr Ziel schon zum greifen nah sei” und “er es klar vor Augen” habe. Die Wölfe, der Regen, ja die insgesamt raue Landschaft schienen ihn überhaupt nicht zu beeindrucken. Trotz seiner schmalen Statur und der erst kürzlich ausgestandenen Erkältung. Insgesamt machte der junge Mann eine Veränderung durch, die die Zwerge nun gar nicht verstanden.

Eblaus war am nächsten Morgen wieder vor dem Aufgehen des Praioslichtes wach und hielt auch seine Gefährten an, nicht zu trödeln. Die beiden Angroschim ließen sich davon aber nicht beirren und aßen in Ruhe ihr Frühstück auf - selbstverständlich mit einer großen Kanne Bier. Der Morgennebel, der sich im Tal des Kranickbaches ausgebreitet hatte, verwehrte der Gruppe die Sicht auf den vor ihnen aufragenden Vorkosch und sie konnten so mit Mühe der Straße entlang des Baches folgen, bis sie an die Weggabelung Richtung Bruchhausen kamen. Dort führte sie dann der Karrenweg vom Bach weg in einen leicht ansteigenden Bergwald. Somit war der Nebel zwar verschwunden, aber die Sicht auf die Berge immer noch verstellt. Aber der Weg mit den tiefen Karrenspuren war eindeutig und nicht zu verfehlen, sodass die Reisenden kurz nach dem Höchststand des Praiosmals in dem kleinen Weiler Bruchhusen ankamen. Wie der Name schon nahe legte, lebten hier hauptsächlich Steinbrecher und deren Handlanger, die ihren Lebensunterhalt in den am Rande der Gratenfelsberge - wie dieser Teil des Vorkoschs genannt wurde - gelegenen Steinbrüchen verdienten. Auf Nachfrage bestätigte ihnen der Dorfschluze Kolman, dass sie auf dem richtigen Weg seien und nur weiter den Wagenspuren hoch in die Berge folgen müssten. Nach einer kleinen Vesper machten sich die vier demnach weiter auf den Weg hinauf in die Schluchten der sich vor ihnen erhebenden Berge. Und auf dem steilen, sich letztlich in vielen Serpentinen durch die Berge schlängelnden Karrenweg sahen sie dann kurz vor Einbruch der Nacht eine Wehrmauer mit zwei Türmen vor sich, die das Ende des Tals abschloss. Der Weg führte direkt auf das geschlossene Tor zu. Als sie sich bis auf hundert Schritt dem Tor genähert hatten, erschallte eine Stimme durch das enge Tal, die auf Rogolan rief: “Drakka! Halt! Wer seid ihr und was wollt ihr?”

In Rugoschrom

Xorgolosch lenkte sein Pony nach vorne und antwortete ebenfalls auf Rogolan: “Fortombla hortomosch, Garoscho!  Wir haben von dieser berühmten Binge gehört und würden gerne auf Grund des schon fortgeschrittenen Tages eure Gastfreundschaft in Anspruch nehmen und an einem gemütlicheren Plätzchen als hier in diesem zugigen Tal unser Anliegen beim Meister der Binge vortragen. Es ist ein etwas delikates Anliegen und sollte daher nicht lauthals diskutiert werden. Dürfen wir also näher kommen?”

“Moment!” kam die umgehende Antwort. “Wartet dort.” Eine kurze Zeit war es nur die Stille und der Wind, der das Tal füllte, bis dann wieder die Stimme der unsichtbaren Wache ertönte. “Es ist euch gestattet näher zu kommen und die Binge zu betreten.” Nachdem diese Worte durch das Tal gehallt waren, konnten die Gefährten sehen, wie sich das große zweiflügelige Tor öffnete und den Blick in einen dunklen Schlund freigab, der tief in den Berg führte. In der Öffnung wurden nun zwei Angroschim sichtbar, die in Rüstung und mit Armbrüsten in die Öffnung getreten waren und die Näherkommenden argwöhnisch musterten.

Eblaus betrachtete alles mit großen, staunenden Augen. Er war von zwergischer Kultur richtiggehend fasziniert. Doch schwieg er, schließlich sprach er die Sprache der Zwerge nicht und war hier auch nicht heimisch. Bei PRAios, er wollte keinesfalls ihre Mission durch einen ungeschickten Fehltritt ins sprichwörtliche Fettnäpfchen gefährden.

Gorthak hatte seit dem Aufbruch aus Erzenschöffer kaum 20 Worte mit seinen Gefährten gewechselt. Aus Gründen, die vermutlich selbst ihm unbekannt waren, war er auf der Reise hierher ruhig und nachdenklich, geradezu zurückgezogen. Doch der Moment, in welchem sich das Tor öffnete, schien wie ein belebender erster Hammerschlag zu sein. Wie aus dem Nichts straffte sich der Angroscho, ein Lächeln zeigte sich auf seiner bisher trüben Miene. Er gab seinem Pony die Sporen und setzte sich, vermutlich zum Erstaunen aller, fast schon hektisch in Bewegung und überwand die 100 Schritt bis zum Eingang in Windeseile. Bei den beiden Wachen angekommen, schwang er sich von seinem Pony. Mit der für ihn typischen leichten Verbeugung begrüßte auch er die Wachen auf Rogolan: "Garoschem. Bei Angrosch es tut gut und Not, andere Angroschim zu sehen. Wahrlich dies kann ich euch versichern. Habt Dank, dass ihr uns Einlass in Eure Binge gewährt."

Xorgolosch war der erste, der die Verwunderung über Gorthak Losstürmen überwunden hatte und meinte zu seinen beiden menschlichen Gefährten: “Folgt uns oder wollt ihr heute Nacht draußen schlafen?”

“Ähm, ich würde bevorzugen, mitzukommen. In die tiefen Hallen!” Eblaus Augen leuchteten.

Die beiden Bewaffneten am Tor grüßten Gorthak verhalten und blickten weiter skeptisch auf ihn und seine Reisegefährten, die sich nun auch langsam dem Tor näherten. Da erschien auch schon aus dem Dunkel des Berges ein weiterer Angroscho, gekleidet in sehr bequemen Hosen und einem weitem Wams, das sich trotz allem über seinem feisten Bauch spannte. Er begrüßte erst Gorthak auf Rogolan und wechselte dann auf Garethi, als er die beiden Menschen nähern sah. “Willkommen in Rugoschrom - oder wir ihr sagen würdet: ‘Rugoschs Hallen’! Aber warum haben sie die ehrenwerten Herrschaften den beschwerlichen Weg zu uns gemacht, wo wir doch unsere Erze ausliefern?” Dann unterbrach er sich. “Oh, verzeiht, bevor wir über das Geschäft reden, sollte ich mich vielleicht erst vorstellen. Mein Name ist Murkhag Sohn des Ingergosch, ich bin der Adlatus des Vogtes dieser Binge, Meister Dugamil Sohn des Tuhag.”

“Mein Name ist Eblaus von Niedersprötzingen. Ich bin Geweihter des strahlenden Herrn PRAios und darf die Angrosch…im? Sagt Ihr so? Auf der Queste in diese Eure hohen Hallen begleiten.”

Xorgolosch nickt bestätigend. Da hat seine Gnaden doch etwas unterwegs gelernt. Anschließend stellte er sich ebenfalls - mit Rücksicht auf seine Begleiter auf Garethi - vor: “Ich bin Xorgolosch Sohn des Fuldoram, Edler zu Erzwacht aus der Vogtei Brüllenbösen. Und da, wie bereits erwähnt, unsere Queste sehr diskret zu behandeln ist, sollten wir das Weitere nicht hier besprechen.”

Nachdem die Gefährten abgestiegen sind und die Reittiere von zwei weiteren Zwergen weggeführt worden, plaudert Murkhag den ganzen Weg durch die Binge über die Geschäfte mit den verschiedenen Erzen und nebenbei erfuhren die vier noch, dass der Vogt ein entfernter Verwandter des Bergkönig ist. Und dann öffnete Murkhag schon eine Doppeltür in einem der langen Gänge und sie standen in einem großen gemütlich eingerichteten Arbeitszimmer, das von einem großen Schreibtisch dominiert wurde. Hinter dem Tisch saß ein schon älterer Angroscho, der tief über einen Stapel Papier gebeugt war und nun die Ankommenden anblickte. Auch er hieß die Gefährten willkommen und bot ihnen Platz in einer kleinen, auch für Menschen sehr bequem aussehenden Sitzecke an. Er setzte sich selbst in einen hohen Sessel, während Murhag den Gästen Getränke und einige Häppchen anbot.

Eblaus betrachtete seine Umgebung mit Faszination und großen Augen. So hatte er sich eine Zwergenbinge nicht vorgestellt. Diese ‚Heimeligkeit‘, der gute Geschmack aber vor Allem die Höhe der Gänge und Räume - fast, als hätte man die Räume für Menschen, nicht nur für das kurze Volk geschaffen. „Habt ganz herzlichen Dank für Eure Gastfreundschaft!“, erklärte der junge Geweihte. „Wir wollen Eure Zeit nicht unnötig in Anspruch nehmen, hoher Herr. Mein Name ist Eblaus von Niedersprötzingen und ich entbiete die besten Grüße der Kirche des Lichts.“ Mit Neugier betrachtete er die Häppchen. Von den besonderen Speisen der Zwerge hatte er schon einmal gehört, aber auch nur in die Nähe eines Pilzbrotes zu kommen, hatte er nicht erwartet. Dieser neue, andersartige Geruch …

… und vor allem der Geschmack der Speisen. Gut, die Braten hätte Eblaus auch in ähnlicher Form in einer Gaststätte der Menschen vorgefunden, aber die verschiedensten Arten von Pilzen hatte er noch nie gesehen, geschweige denn gegessen. Und dann waren da noch Stücke vom Großen Schröter und der Höhlenspinne.

Hungrig und - noch viel mehr neugierig - machte er sich über die unbekannten Speisen her. Zwischen den Bissen dieser unbekannten Nahrung versuchte er, den Zwergen die Notwendigkeit ihres Erscheinens und die Eile ihres Anliegens darzutun.

Nachdem der Vogt das Anliegen der Helden vernommen hatte, saß er einige Minuten still vor sich hin, an seiner Pfeife paffend in seinem Sessel. Dann begann er: “Es war Meister Datasch, einer unserer Steiger, der das Midorium dieses Mal persönlich zu Meister Ferrombarosch gebracht hatte. Er wollte es nicht den Brüdern überlassen, die sonst die Erze und Metalle zu den Schmieden und Märkten bringen. Ich denke, dass ihr euch morgen mit ihm und seinen Gefährten unterhalten solltet. Heute ist es schon zu spät und die Reise war sicherlich auch anstrengend. Murkhag wird euch eure Kammern zeigen, denn ihr seid selbstverständlich meine Gäste. Nachdem ihr euch ein wenig frisch gemacht habt, würde ich euch zu einem Abendessen in der Halle begrüßen wollen.” Damit waren die Helden verabschiedet und wurden von dem Adlatus aus dem Arbeitszimmer geführt und zu den Wohnräumen weiter im Berg geleitet. Die Kammern waren Doppelzimmer, eins auch auf Notwendigkeiten der gelegentlich vor Ort anwesenden menschlichen Händler eingerichtet.

Mit großen Augen bestaunte der Praiot all die Wunder, die sich vor seinem Auge auftaten. Dabei drohte er fast aus den Augen zu verlieren, weswegen sie den strammen Pfad in die Berge auf sich genommen hatten.

Das Abendessen brachte der Gruppe außer einem Querschnitt durch die kulinarischen Köstlichkeiten der Angroschim keine weiteren Erkenntnisse.

Am nächsten Tag trafen dann die vier Angroschim, die das Mindorium nach Erzenschöffer gebracht hatten, mit den Gefährten zusammen. Lange versuchten die vier von den Angroschim zu erfahren, ob sie etwas mit dem Verschwinden der Rüstung zu tun hatten, aber viel kam dabei nicht zu Tage. Sicher war nach der Befragung, das die vier Angroschim (Datasch Sohn des Rumwim, Steiger und Anführer der Gruppe, Dargro Sohn des Tokoll, Bergmann, Paglasch Sohn des Benlum, ein weiterer Bergmann und Aurutram Sohn des Smarman, ein Plättner, der bei der Verarbeitung des Mindoriums helfen sollte) nicht die Täter waren. Die vier waren bei der Reparatur der Rüstung anwesen und sind Meister Ferrombarosch gelegentlich zur Hand gegangen. Sie waren während ihres Aufenthaltes häufiger im Ingerimmschrein und wurden dort auch von angeblichen Liebfeldern nach der Rüstung und der Schmiede ausgefragt, sind sich aber relativ sicher, dass sie den Namen Hlûthar nicht in ihrer Gegenwart erwähnt hatten. Am Tag ihrer Abreise, an dem, so erfuhren sie jetzt, auch die Rüstung gestohlen wurde, waren sie am Mittag noch in eine Wirtshausschlägerei verwickelt. Um die nicht weiter ausarten zu lassen, waren sie sehr abrupt aufgebrochen.

Als sich die vier am Abend wieder mit dem Vogt und dessen Adlatus austauschten, befürchteten sie schon, dass sie unverrichteter Dinge zurück zu Oldebor müssten. Aber dann kam Vogt Dugamil noch ein Einfall. “Die Rüstung, die seinerzeit für den Heiligen Hlûthar angefertigt wurde, wurde von deb Meisterschmieden Aurin und Raurinaus Metallen gefügt, die aus dieser Mine stammten. Da es sich dabei nicht nur um normale Metalle sondern auch um Mondorium handelte, war auch der Beistand eines Angroschgeweihten und eines Geod von Nöten. Da unsere Geodim aufgrund ihrer Natur zu diesen Metallen affin sind, haben sie es für sich als wichtig empfunden, den Verbleib der Metalle zu beobachten und über die Generationen weiterzureichen. Ich würde, wenn ihr es wünscht, nach unserem Geod schicken, denn er lebt nicht bei uns im Berg, sondern außerhalb in den Bergen. Aber es wird frühestens morgen Abend sein, dass er hier sein wird.”

So blieb den vier nicht viel mehr übrig als in der Binge auf den Geoden zu warten. Um die Zeit zu verkürzen bot Murkhag den Gefährten an ihnen die Binge, die verschiedenen Erzstollen und die Erzschmelzen und Gießereien zu zeigen. Am Abend war aber der Geode immer noch nicht eingetroffen, so dass den vier schon wieder Zweifel kamen, ob die Entscheidung zu warten die richtige gewesen war. Die Nacht verging und auch das Frühstück am nächsten Morgen, als endlich der Geode in der Binge eintraf. Es war ein alter, sehr alter Angroscho, der schon viele Jahrhunderte über Deres Anlitz gewandelt war. Sein  Rücken war schon leicht gebeugt und er stützte sich beim Gehen auf einen langen, schweren Wanderstab. Neben ihm ging ein großer Hund. Er trug eine schlichte graue Robe, die fast vollständig von seinem weißen, wallenden Bart, der ihm bis fast an die Knie reichte, verdeckt war. Seine ebenfalls weißen, unordentlichen Haare fielen ihm bis weit in den Rücken. Vom Gesicht war nur die Nase und darüber die neugierig blickenden schwarzen Augen zu sehen. Als er den Kopf drehte, während er die Gefährten einem nach dem anderen musterte, blinkten zwischen den Haaren ein Paar schwerer goldener Ohrringe hervor. Nachdem er die Gruppe gemustert hatte, begrüßte er den Vogt mit einer tiefen, heiseren Stimme auf Rogolan. Dieser erwiderte den Gruß und begann dem Geoden immer noch auf Rogolan zu erklären, aus welchem Grund die Zwerge und Menschen hier waren und warum er nach ihm geschickt hatte. An verschiedenen Stellen der Erklärung des Vogtes brummte der  Geode laut - es war nicht klar, ob es zustimmend oder ablehnend sein sollte. Letztendlich aber nickte der Geode und so ließen sich alle im Arbeitszimmer des Vogtes nieder und nachdem sich der Geode eine Pfeife angezündet hatte und sich zurückgelehnt hatte, begann er auf Rogolan zu erzählen. Murkhag übersetzte die Worte des Geoden leise für die beiden Menschen.

So erfuhren sie die Geschichte der Rüstung. Nachdem sie zu spät, denn Hlûthar war schon gefallen, den Menschen übergeben worden war, blieb sie lange Zeit in Gratenfels unter der Obhut der Menschen. Nach und nach geriet sie in Vergessenheit und wurde von den Angroschim zurück in die Binge gebracht, bis sie ein Vorfahr des jetzigen Landgrafen wieder zurück forderte. Da er als legitimer Besitzer galt, wurde die Rüstung wieder nach Gratenfels gebracht. Zur Zeit der Priesterkaiser wurde vom Landgraf die Freiherren von Gisbingen der Hexerei bezichtigt und alle Angehörigen der Familie, denen man habhaft werden konnte, hingerichtet. Einige Zeit später stellte sich allerdings heraus, dass einige Angehörige derer von Gisbingen den Häschern entkommen waren und diese nun dem Haus Greifax ewige Rache schworen. Und so gelangte durch einen gelungenen Überfall Hlûthars Rüstung in die Hände des Hauses Gisbingen. Die Rückholung der Rüstung nach Gratensfels durch den erbösten Landgraf hatte zur Folge, dass die Burg Gisbingen geschleift wurde. Und so blieb die Rüstung bis zu ihrer Reparatur in Gratenfels.

Bis tief in die Nacht diskutierten die Gefährten gemeinsam mit den Angroschim Rugoschroms über die nächsten Schritte. So kamen sie dann zu der Vermutung, dass es auch heute noch Nachkommen der Familie Gisbingen geben könnte, die die günstige Gelegenheit genutzt haben und die Rüstung wieder in ihre Hände gebracht haben. Jetzt galt es nur noch die Burg - oder besser deren Reste - zu finden, denn den genauen Ort der Burg wusste der Geode nicht. Er wusste nur, dass sie weiter gen Efferd liegen sollte.

Am nächsten Morgen, dem 24. des Monats Phex, machten sich also die vier Gefährten auf, um die Ruine Gisbingen zu finden. Als sie dann drei Tage später in strömenden Regen eine kleine Rast eingelegt hatten, hörten sie in der Ferne, wie sich ein Trupp Reiter näherte.

Gruppe Kranick II - Bunte Hunde - Auf zur Jagd!

Die Gruppe bewegte sich bis zur Tür des Zimmers in der ‘Höh’, in dem die Händlerin ihr Quartier aufgeschlagen hatte. Auf das Klopfen an der Türe der jungen Händlerin reagierte genau niemand.

Rhodan Herrenfels, der dicke Händler, runzelte verwirrt die Stirn. “Wir haben uns doch gerade noch mit der Dame Wina unterhalten. Sie rauschte doch mit wehenden Fahnen in ihr Zimmer ab. Seitdem hat sie das Haus nicht mehr verlassen, sie hätte doch an uns vorbeikommen müssen!”, flüsterte er. Weil niemand Widerspruch erhob, presste er sein Ohr an die Tür und lauschte. In diesem Moment schallte ein lautes Rumpeln aus der Kammer. Der Rosenhainer taumelte desorientiert zurück und hielt sich sein Ohr. Es gelang ihm gerade noch, auf die Tür zu deuten. Dann konnten alle ein Wiehern eines Gauls vom Hof ein Stockwerk tiefer vernehmen.

Nun standen sie also alle vor der Tür des Zimmers dieser ominösen Wina ... oder Winna, so ganz hatte Lysander es bisher noch nicht herausgefunden, das Beste würde es wohl sein, wenn er sie darauf ansprechen täte, so hätte er dann hoffentlich auch sogleich Zugang zu dieser Person! Der junge Eisenfels stand direkt neben dem etwas beleibteren Händlers Rhodan Herrenfels, als dieser sein Ohr an die Tür legte, da niemand auf das Klopfen reagiert hatte. 'Ab durch 's Fenster geht es auch, wenn 's denn unbedingt sein muss!', dachte sich Lysander, da rumpelte es ordentlich, der Händler wich von der Tür zurück, das Gepolter, so schien es, musste laut an sein Ohr gedrungen sein! Mit nach oben gezogenen Augenbrauen schaute Lysander den Händler an, irgendwie schien er Recht zu behalten, auch wenn er seine Vermutung nicht geäußert hatte. Als er das Wiehern vernahm, machte er kurzen Prozess! "Lasst mich mal probieren!" Mit der vollen Wucht seiner 90 Stein, warf er sich gegen die Zimmertür der Plattnerin, in der Hoffnung, die Türe würde nachgeben. Es sollte eigentlich funktionieren!

Fulco reagierte auf die Geräusche sofort. Er wirbelte herum und lief, so schnell es ging ohne herauf kommende Personen um zu rennen oder zu stoßen , die Treppe hinunter Richtung Stall um zu sehen, ob es wirklich Winna war, die hier die Flucht ergriff. Er machte sich innerlich schon auf eine deftige Verfolgungsjagd zu Pferde bereit. 

Sich innerlich eine Idiotin dafür heißend, aus der Stube getreten zu sein, hatte man doch oder ein Fensterladen? - kam so unerwartet und sein Ohr war so fest an die Türe gepresst, berichtet, Wina sei in der Höh' untergebracht, stand auch Irminella an besagter Tür, an der der Händler bis vor einem Moment noch gelauscht hatte. Nun war er zurückgetaumelt und fasste sich ans Ohr. Als sie das Wiehern hörte, wirbelte auch sie herum und rannte, Fulco dicht auf den Fersen, hinterher. Auf der Treppe riet sie über die Schulter: "Lysander! Kommt!" Ohne auf eine Reaktion zu warten, folgte sie Fulco zum Stall. 

Dummerweise tat sich nichts, die Tür blieb standhaft, und weigerte sich nachzugeben, Fulco hatte sich mittlerweile aufgemacht, vermutlich war der Stall sein Ziel. Der junge Eisenfels wollte es sich ersparen, ein zweites Mal ohne Erfolg gegen die Tür zu donnern, diese Tür war aber auch verflixt robust, und so nahm er die Gelegenheit gerne wahr, die sich ihm durch Irminella bot. Auch er setzte sich nun in Bewegung, "Schon unterwegs!" rief er der Vögtin hinterher, er folgte ihr natürlich. Auf Peranna achtete er in diesem Moment nicht, sie durfte selbst entscheiden, ob sie sich anschließen wollte. Alles ging irgendwie sehr schnell!

Rhodan bemühte sich, sich wieder zu berappeln. Der Lärm - vielleicht eine schlagende Tür dass er nachgerade verwirrt zurückstolperte. Das Ohr schmerzte, aber schien heil zu sein. Jedenfalls tropfte nichts heraus. Als Lysander versuchte, die Tür mit Gewalt zu öffnen und es ihm nicht gelang, konnte sich der dicke Mann wieder fangen. Diese Wina - offensichtlich führte sie etwas im Schilde und sie hatten sie auf dem falschen Fuß erwischt. Für sein Gewicht flink folgte er den anderen die Treppe hinunter in den Schankraum und eilends auf die Straße hinaus. Vor der Tür blickte er sich nach der Reiterin um.

Peranna Sabea, so pragmatisch veranlagt wie sie war, bevorzugte den kürzesten Weg zu den Stallungen. Und damit meinte sie auch wirklich den Kürzesten! Als Knappin und Pferdenärrin sollte sie inzwischen die Abkürzungen und Schleichwege zu den Stallungen kennen, in denen sie so liebend gerne ihre Zeit verbrachte, damit die Herrschaften nicht wieder einen Umweg unternahmen. So unkonventionell dieser Weg also sein mochte, ein Dienstbotendurchgang, ein beherzter Sprung über ein Blumenbeet beispielsweise (an denen Ulfried von Argenklamm auch sicher und bequem vorbeigehen konnte). Sie rief ihrem Dienstherren und Vettern etwas übermütig zu: “Hier ist der kürzeste Weg!” In der Hoffnung somit Wina ihren Fluchtweg eher abzuschneiden, nahm Lysander Quintins besonnene Knappin ihre Beine in die Hand, und präsentierte den Hohen Herrschaften und Damen sowie Rhodan Herrenfels den zügigsten Weg zu den Stallungen. Ihr strohblondes Haar flatterte hübsch im Wind als sie ihren ureigenen Weg entlang eilte. Wer ihr nicht folgte, der würde irgendwann vermutlich verwundert gucken. Es hatte schon manchmal Vorteile andere Aufgaben zu haben. Selbst wenn diese lästig waren.

Als sie den Ruf Perannas vernahm, wechselte Irminella sofort den Kurs, auch wenn er ihr nicht persönlich gegolten hatte. Sie löste sich also aus Fulcos Windschatten und heftete sich an Perannas Fersen. Irminella bewegte sich dabei äußerst behände. Die Sprünge über Beete und die engen Kurven um Außenwände einiger Häuser herum gelangen ihr fast spielerisch - was äußerst gut zu ihrer Kleidung passte. Hätte man sie als Unbeteiligter so gesehen, wäre man sicher gewesen, es habe sich bei der Frau tatsächlich um eine Waldläuferin und nicht um eine Hohe Dame gehandelt.

Natürlich kam ihr die nun deutlich geringere Geschwindigkeit zupass. Fulco, der, obwohl er nur eine Handvoll weniger Lenze auf dem Buckel haben konnte als sie selbst, hatte nach wenigen Momenten Abstand gewonnen. Vor allem der junge Lysander hatte, obschon sie weit vor ihm losgespurtet war, in Windeseile zu ihr aufgeschlossen. Durch den Tempowechsel waren die Karten nun neu verteilt. Und so folgte Irminella grinsend und mit konzentriertem Blick dem jungen Graupenmädchen durch das dunkle Erzenschöffer.

Auch Lysander wechselte geschwind die Richtung, er konnte ohne Probleme mithalten, die Kettenrüstung störte ihn nur wenig!

Fulco nahm seinen direkt gewählten Weg und legte an Geschwindigkeit zu . ’ Gut das ich noch regelmäßig laufe und fit bin. ’ . Am Stall angekommen sah er sich kurz um und orientierte sich. 

Keuchend vor dem Stall angekommen sahen die Adligen gerade noch eine schlanke Gestalt auf einem Pferd, die im Galopp auf das Ortsende zuhielt. Die Person trug einen weiten Kapuzenmantel, der ihre Silhouette verdeckte. Hinter ihr auf dem Pferderücken schwankte ein festgezurrtes Bündel gefährlich hin und her. Es ließ sich nur schwer erahnen, was in dem Leinen eingeschlagen war. Fulco schaute dem Reiter hinterher und versuchte zu erspähen, was sich dort im Bündel befinden könnte

Es handelte sich um mehrere Spann lange, schmale Gegenstände, die sich gegen den Stoff abzeichneten - es hätten Stöcke sein können. Vermutlich aber eher Schwerter und Langdolche. “Wir müssen ihr folgen! Aber unbemerkt!”, erklärte Rhodan. “Vielleicht bringt sie uns zur wahren Quelle ihrer billigen Schwerter.”

Grundsätzlich hatte sie gute Augen, doch die Nacht und der Regen ließen das Bild des Reiters oder der Reiterin vor ihren Augen verschwimmen. "Verdammt! Ich erkenne nichts! Die Herren?" Ihrem Tonfall zufolge war die Burgvögtin recht ungehalten. Sie blickte zu Rhodan. "Gut. Dann auf die Pferde und in gebührendem Abstand hinterher. Bei dem Matsch sollten wir ihn einfach folgen können. Niemand macht Licht."

Fulco erfasste die Situation und musste dem Händler recht geben. So nickte er seinen Gefährten zu “ Guter Plan, also auf auf”. Während er sprach, band er seinen Gaul los und stieg auf. Er schaute sich recht ungeduldig zu seinen Gefährten um. 

Da der Flur der “Höh” im ersten Stock recht schmal gewesen ist, wollte Ulfried sich nicht auch noch mit nach oben drängen. Und so stand er noch mitten auf der Treppe, als er von oben Lärm und Getöse vernahm und Fulco ihm kurz darauf entgegen rannte und hastig nach unten und schließlich nach draussen eilte. Ihm sollten bald auch die anderen Begleiter folgen, und so presste er sich an das Geländer und ließ alle so gut es eben ging passieren. Falls diese Wina geflohen sein sollte - und das Pferdegetrappel, welches er von draussen vernahm, ließ darauf schließen -, so hatten die Edelleute sicher bessere Chancen, eine Verfolgungsjagd erfolgreich zu gestalten, als er. Ohne große Hast schritt er zum Ausgang und als er sah, dass die ersten seiner Begleiter bereits auf ihren Pferden, ganz ohne Sattel um Zaumzeug, an ihm vorbei preschten, hob er überrascht die Augenbrauen. Nein, ein solch halsbrecherisches Unterfangen war sicher nichts für ihn. Also machte er auf der Schwelle kehrt und ging direkt zum Wirt, den er mit besorgter Miene fragte: “Guter Mann, diese Wina, wo kommt sie eigentlich her?”

“Ja, äh … “ Rigbald betrachtete mit offenem Mund die rennenden Adligen, in großer Hast begannen, ihre Rosse aus dem Stall zu ziehen. “Ich glaub’, aus dem Albenhus’schen, aber sicher nich …” Er rieb sich mit einem Lappen, den er in der Schürze stecken hatte, über seine hohe Stirn, auf der Schweißperlen standen. Ulfried nickte dem Mann kurz zu und die Enttäuschung war in seinem Gesicht abzulesen. Als hinter sich hinter ihm die Tür plötzlich wieder öffnete, fuhr er herum.

Die Tür der Gaststätte schwang erneut auf. Irminella trat ein und schaute kurz durch den Raum. Als sie Ulfried sah, rief sie: "Wir verfolgen sie zu Pferde. Ich möchte Euch nicht zu nahe treten, doch wenn Ihr mögt, könnt Ihr bei mir aufsteigen. Das Tempo dürfte nicht sehr hoch sein, sie soll uns nicht sehen. Kommt Ihr?" Sie war im Türrahmen stehengeblieben und hielt die Tür auf. Durch die geöffnete Tür konnte man das ungesattelte Pferd der Burgvögtin sehen, es stand quasi direkt vor der derselben. Der Blick Irminellas verriet trotz des eher ruhigen Auftritts, dass ein wenig Eile doch geboten war.

Ulfried stand wie angewurzelt vor der Burgvögtin und blickte mit weit aufgerissenen Augen abwechselnd auf sie und auf ihr Pferd, welches ungesattelt vor der Tür des Gasthofes stand.

“Ich…ähm…ich,” stammelte er, während er nach den passenden Worten zu suchen schien, die sein Gegenüber weder als ungebührlich noch als feige interpretieren konnte, ehe er scheinbar aufgab und Irmenella von Eberbach kurz zunickte:“Es wäre mir eine Ehre, mit Euch reiten zu dürfen, edle Dame! Ich hoffe, ich bin für euch keine Last.”

"Wieso solltet Ihr eine Last sein, Euer Wohlgeboren?" Irminellas Stirn lag in kleinen Falten. Dann wedelte sie mit der Hand. "Schön, dass Ihr mit uns kommt. Also, los geht's!" Sie wartete bis Ulfried zur Tür hinaus war, bis sie bemerkte: "Leider weder Sattel noch Steigbügel. Darf ich Euch nach oben helfen? Anschließend könnt Ihr mir ebenfalls zur Hand gehen. Euren Gehstock reiche ich Euch nach oben. Ihr könnt Ihn um meinem Bauch herumführen und ich daran festhalten." Nach einer kurzen Pause: "Unorthodoxe Methoden in aufregenden Zeiten, ich weiß."

Ulfried schluckte kurz, dann überreichte er der Vögtin seinen Gehstock und klammerte mich mit beiden Händen an dem Rücken des Pferdes fest. Mit einem beherzten Satz stieß er sich mit seinem gesunden Bein ab und versuchte sich mit beiden Händen nach oben zu ziehen, was ihm jedoch misslang. Langsam glitt er wieder an der Flanke des Pferdes hinab und stand schließlich wieder in der Ausgangsposition. Seine Miene wirkte nun jedoch entschlossener. Mit Hilfe der Burgvögtin gelang es ihm schließlich, sich über was Pferd zu wuchten und nachdem er schließlich bäuchlings auf dessen Rücken lag, schwang er sein linkes Bein herums und richtete sich auf. Mit ein wenig Stolz im Gesicht saß er nun lächelnd auf dem Roß der Vögtin und schob sich mit der hand eine lockige, braune Strähne aus dem Gesicht. Dann beugte er sich hinab und reichte Irmenella seine Hand. Als beide auf dem Pferd saßen, die Vögtin zuvorderst und Ulfried hinter ihr, legte er seinen Gehstock wie zuvor besprochen um ihren Bauch und klammerte sich mit seinen Händen jeweils um das obere wie untere Ende. Seinen Oberkörper neigte er leicht nach vorne, sodass sein Kopf auf der Schulter der Edeldame lag. “Ich bin bereit.”, flüsterte er der Vögtin ins Ohr und in seiner Stimme schwang eine ungewohnte Begeisterung mit.

Lysander Quintin war an seinem Pferd angekommen, das Zaumzeug wurde von ihm routiniert und schnell angebracht, mit dem Sattel dauerte es etwas länger, er wollte sein Ross jedoch auf keinen Fall ohne die Sitzgelegenheit reiten. Er beeilte sich natürlich, und so klappte alles gut, trotzdem dauerte es etwas länger, als erwartet, bis er losreiten konnte. Als er mit seinem Pferd aus dem Stall kam, konnte er erkennen, daß Irminella mit ihrem Pferd vor der Höh stand. Er stieg auf sein seinen Hengst Damian: “Irminella, auf geht ‘s! Worauf wartet Ihr?”, da verstand Lysander, um was es der Vögtin ging., sie wollte wohl Ulfried die Möglichkeit geben, an der Jagd teilzunehmen. Also geduldete sich Lysander Quintin noch diesen Augenblick, zumindest mal nach außen hin, vom Ross aus beobachtete er die Beiden. ‘Alter Trollzacker, wird ‘s jetzt?’, dachte er, dabei legte er seine Stirn etwas in Falten, was zur Folge hatte, dass er irgendwie mürrisch aussah, obwohl dem nicht so war. 

Auf den Ausruf Lysanders reagierte Irminella lediglich mit einer hochgezogenen Augenbraue, nachdem sie sein mürrisches Gesicht gesehen hatte. Als sie wieder zu Ulfried blickte, hatte sie ihrem Gesicht zu urteilen nach nichts als Hochachtung für den Hohen Herren übrig, der sich soeben mit nur wenig Unterstützung auf ihr Pferd gehievt hatte. Mit einem breiten Lächeln griff sie nach seiner Hand, die er ihr zur Hilfe entgegengestreckt hatte und zog sich mit seiner Hilfe und ein wenig Schwung nach oben. Als sie beide saßen und sie Ulfrieds Worte vernahm, legte sie ihren Kopf leicht in den Nacken. "Gut, dann geht's los." Wenig später waren die beiden gemeinsam auf Tamas Rücken Teil der heimlichen Verfolgungsjagd. 

Nachdem Ulfried endlich aufgesessen hatte, konnte es losgehen. Sogleich verfolgte man die fliehende Person.

Peranna war es eigentlich gewohnt vorzurennen, die Pferde rittbereit aus ihren Boxen zu holen und ihrem Dienstherren in die Steigbügel zu helfen, doch dieser hatte in seiner Eile augenscheinlich andere Pläne und ließ sie gar nicht dazwischen, um zu helfen. Man könnte auch sagen, sie war ungebraucht, denn er machte alles alleine!  Daher kümmerte sie sich um ihren eigenen Schimmel Friedenand, der die Aufregung des Aufbruchs spürte. War sie sich recht sicher, ihr Vetter würde sich schon sofort melden, wenn er etwas Hilfe brauchte. Sie zäumte und sattelte Friedenand auf und ließ den hohen Herrschaften den Vortritt aus den Stallungen. Sie bestieg den gesattelten Pferderücken wortlos, da der Hohe Herr schon alleine auf Damian gefunden hatte, und leitete ihren Eisensteiner Riesen - ohne eine Aufgabe zu haben - an die Flanke des Rappen, um auf den Sattel zu schmulen. Natürlich wusste der Hohe Herr Lysander Quintin ein Pferd ordentlich zu satteln, doch in der Eile konnte man ja nicht wissen wie rutschfest der Sattel saß, nicht, dass er vom Tier fiel und sich etwas tat. Nein, der Sattel saß festgezurrt. Ein wenig peinlich berührt war sie schon, ihren traditionellen Aufgaben nicht nachgekommen zu sein. Der Hohe Herr vom hohen Wuchs schien von der üblichen Etikette nur das Notwendigste zu halten. Er war ein recht unkonventioneller Mann mit einem frechen, doch charmanterem, Mundwerk als der Großvater. Der sich jedoch stets in seinen Sattel helfen ließ… Jetzt fehlte nur noch Euer Wohlgeboren von Argenklamm, jener Hilfe durch Irminella von Eberbach selbst bekam. Vielleicht wäre die Knappin hier von Hilfe gewesen, doch fragte Euer Wohlgeboren von Argenklamm nicht nach Hilfe und daher schickte es sich auch nicht ihn zu beschämen, indem man es einfach tat. Der Edle von Argenklamm rang alleine mit seinem Aufstieg und gewann. Es war putzig anzusehen. Peranna biss sich mit ihren Hasenzähnchen auf die Unterlippe, weil sie sich freute, dass es jetzt losging. 

Das Ross von Wina war längst am Ortsausgang verschwunden - doch auf dem feuchten Schlamm der Hauptstraße zeichneten sich die Hufspuren noch deutlich ab. Zumindest so lange, bis der Gänsehirt des Dorfes mit seiner Schar aus den Allmendwiesen zurückkam uns eine Herde gen Stall trieb. Der stete Regen perlte auf dem Gefieder der Gänse und sorgte dafür, dass sich die stolze Rohaja aufplusterte und mit heftigem Flügelschlag die Tropfen aus den Schwingen schüttelte.

Fulco schaute in Richtung Irminella ’ Die Frau handelt schnell, überlegt und folgerichtig. Respekt ’  Er freute sich, dass die Vögtin Rücksicht auf Ulfried nahm.   Als Fulco sich vergewissert hatte, dass seine Gefährten weitgehend bereit waren und es losgehen konnte, gab er seinem Pferd die sprichwörtlichen Zügel und nahm die Verfolgung der reitenden Frau auf.  ’ Endlich mal was Handfestes zu tun ’ dachte er und genoss den Ritt. 


Der erfrischende abendliche Frühlingsregen, der ihm ins Gesicht schlug, belebte Körper und Geist und hielt ihre Aufmerksamkeit wach.

Rhodans Nerven waren bis zum Zerreißen gespannt. Das war eine delikate Situation, in die sich diese Wina gebracht und die ganze Gruppe hineingezogen hatte. “Eilt Euch! Aber reitet unauffällig. Als wären wir ein Haufen Reisende auf einem ganz anderen Weg. Solange wir ihren Spuren folgen können, kommen wir zügig voran. Aber wenn dieser Regen stärker wird, könnte er die Spuren verwischen!”

Als sie an Firman, dem Gänsehirten vorbeiritten, schenkte Peranna den Gänsen des etwa gleichaltrigen Jungen mit dem weizenblonden Haar einen aufmerksamen Blick und war immer noch beeindruckt von der stolzen Rohaja und ihren gefiederten schnatternden Freunden mit den gewagten Namen. ‚Wenn Travia zornig ward und Heim und Herd beschützte, sah sie sicherlich nicht viel anders aus.‘, dachte sie. Aufgrund des einsetzenden Regens zog die Knappin mit dem strohblonden Haar sich die Kapuze ihrer Gugel auf den Kopf. Sie ritt auf Friedenand in der Nähe ihres Dienstherren und Vetters, der wiederum in Gegenwart der Burgvögtin und des Adeligen von Argenklamm ritt. Wie man unauffällig ritt und die Empfehlung des Händlers Herrenfels umsetzte, das wusste Peranna Sabea wahrlich nicht. Von daher ritt sie einfach wie eh und je. Sie sah Winas Spuren auf dem Boden. Es waren die frischesten auf dem Schlamm. Das Graupenmädchen hoffte, dass der Regen sie nicht verwischen würde. Sie wusste ja schließlich nicht, wohin sie führten.

Den Gänsen schenkte Lysander Quintin keine besondere Beachtung, ihm war es wichtiger diese fliehende Person einzuholen, wobei ihm klar war, dass bei dieser Witterung eine Verfolgung wohl sehr schwer werden würde. Noch konnte man Spuren erkennen. Seine Lederbekleidung hielt ihn soweit trocken, irgendwann jedoch würde auch dieser Schutz Regenwasser durchlassen, das war mal klar! Noch hielt es aber so gut wie dicht! Als die Gruppe das Dorf verließ, sprach Lysander Quintin die Gruppe mit lauter Stimme an, ohne zu brüllen, als wäre er von Sinnen: “Es beginnt zu dämmern, allzu lange werden wir der Spur nicht folgen können!” Er sah reitenderweise, mal nach rechts und mal nach links. Da er sich sicher war, daß die unbefestigte Straße gen Firun führte, er jedoch keine Ahnung hatte, wohin, legte er nach: “Wohin führt die Straße denn, wie heißt der nächste Ort?” Er gab sich Mühe, die Geräusche der Pferdehufe zu übertönen, was ihm, dank seines lauten Organs, auch recht gut gelang. Lysander von Eisenfels hatte patschnasse Haare, was seinem guten Aussehen in keinster Weise schadete, eher das Gegenteil war der Fall, er machte wahrhaftig eine gute Figur, gemeinsam mit seinem Hengst Damian. Da änderte auch die schlechte Witterung nichts daran!

Irminella ritt nicht mehr in direkter Nähe zu Lysander, dennoch hörte sie seine Fragen. Mit nur leicht erhobener Stimme antwortete sie: "Ich weiß nicht, was gen Firun liegt. Fraglich, ob sie überhaupt eine Siedlung anreitet, wer weiß, ob sich ihre Geschäfte nicht besser außerhalb einer solchen tätigen lassen? Wir sollten trotz der Dunkelheit Vorsicht walten lassen… und nicht zu laut sein!" Sie machte eine Pause. "Das ist gerade die heißeste Spur, die wir haben. Wenn sie uns bemerkt, wars das." Tierkennerinnen wie Peranna fiel auf, dass sich Tama sichtlich schwer tat, mit zwei Reitern auf solch einem Untergrund. Sie sank deutlich tiefer ein, als die anderen Tiere und musste entsprechend mehr Kraft aufwenden, um die Beine aus dem Morast herauszuziehen. So fiel die Burgvögtin ein wenig ab, sie wollte ihr Pferd anscheinend so gut es ging schonen. Bei Blicken über die Schultern konnte man immer wieder erkennen, wie sie sich zum Kopf ihres Pferdes herabbeugte und es sanft im Nacken streichelte. Ulfried war der einzige, der hören konnte, dass die Hohe Dame immer wieder auf Tama einredete: "Du schaffst das, meine Liebe!", oder "Noch ein bisschen, ich glaube an dich!", waren nur zwei der Sätze, die Tama anscheinend Mut und Kraft schenken sollten.

In den Regen in der zunehmenden Dunkelheit mischte sich ein eisiger Wind, der verkündete, dass der Sommer und die Zeit der guten Göttinnen noch nicht den endgültigen Sieg über die Macht des Herrn Firun angetreten hatte. Die Spuren führten weiter gen Firun, der Reichsstraße zu, schwieriger auszumachen nun, da das Licht schwand. Doch auf der schnellen Hatz, ohne Lampen, ohne Ausrüstung, wurde die Verfolgung zunehmend schwierig.

Ulfried saß die ganze Zeit eng an die Vögtin gepresst hinter ihr auf ihrem Pferd. Das Gewicht der beiden setzte dem Tier bei diesem tiefen Geläuf zu, sodass der junge Edle es lange Zeit nicht wagte, das Zwiegespräch zwischen Pferd und Reiterin zu stören. Als es jedoch zunehmend dunkler wurde und auch die Begleiter in der Dunkelheit nicht mehr auszumachen gewesen sind, räusperte er sich kurz und sprach leise in das Ohr der Vögtin. “Verzeiht Edle Dame, wir werden die Reichsstraße vielleicht noch erreichen können, aber dann? Wird diese Wina sich nach Rahja oder gen Efferd gewandt haben? So oder so, unsere Chancen stehen nicht gut, ihrer Spur heute Nacht weiter folgen zu können. Schont euer Pferd, schont euch selbst. Morgen werden wir mehr Aussicht auf Erfolg haben.”

"Nein! Wir schaffen das!", bellte die Burgvögtin. Es folgte eine für beide Parteien unangenehme Pause, bevor Irminella das Wort nun wieder im gewohnt freundlichen Ton erhob: "Ihr habt vollkommen Recht. Tama braucht eine Pause, ich danke Euch. Es tut mir gleichsam Leid, dass ich Euch damit eventuell dieses Abenteuers beraube, sollten wir die Spuren morgen nicht finden. Ich kenne mich nur leidlich damit aus." Sie drosselte das Tempo. "Kennt ihr Euch in der Gegend aus? Bei diesem Wetter möchte ich nur ungern unter den Sternen schlafen." Sie lachte.

Ulfrieds Stimme erklang freundlich an ihrem Ohr: “Nein, leider nicht. Ich habe vor zwei Tagen das erste Mal in meinem Leben diese Strecke genommen. Lasst mich überlegen, vielleicht entsinne ich mich noch, was entlang des Weges liegt…”

Fulco schaute sich kurz um.  ’Mist, wir bekommen sie nicht mehr, es wird zu dunkel und Irminella hat zuviel Gewicht auf dem Pferd ’ Er drosselte seine Tempo und ließ sich zu Irminella, Ulfried und Lysander zurückfallen. “ Wie sieht es aus, benötigt ihr eine Pause für euch und euer Tier?” rief er in Richtung der Vögtin und Ulfried? 

Irminella blickte zu Fulco herüber, dessen Silhouette sich nur schemenhaft vor der Schwärze der Nacht abzeichnete. Nur das kalte Licht des Madamals beleuchtete die Szenerie. "Ja. Tama ist müde, ihre Fesseln sinken zu tief ein.", kam es nur knapp als Antwort zurück. "Wir suchen uns eine Bleibe. Ich bin mir nicht sicher, ob wir die Spuren bei diesem Wetter am morgigen Tage noch finden. Ist jemand waghalsig genug, bei diesem Wetter noch ein wenig weiterzureiten? Hat sie mittlerweile nicht ausreichend Abstand, dass eine kleine Lampe im Nirgendwo nicht weiter auffällt? Oder finden wir die Spuren morgen? Ich kenne mich mit dem Fährtenlesen nur leidlich aus." Fulco konnte es nicht sehen, aber er hatte das Gefühl, dass die Burgvögtin noch immer mit ihm sprach, hatte sie sich scheinbar kaum bis gar nicht bewegt, seitdem sie ihm Antwort gegeben hatte. 

Peranna schielte im Regen zu dem Edlen von Kranickteich hinüber und dachte sich spitzbübisch: ‚Man sollte einer Dame in wirklich keiner Situation sagen, dass sie zu viel Gewicht mit sich führt.‘ Euer Wohlgeboren hatte sich da sehr missverständlich ausgedrückt. Wenn man es denn missverstehen wollte! So oder so ward es dunkel geworden und die Chancen dieser Wina auf den Fersen zu bleiben waren ein schwieriges Unterfangen, weil man keine Spuren mehr sah - geschweige denn die Hand vor dem Auge. Peranna tätschelte Friedenands nassen Hals, den sie noch am ehesten aufgrund der Helligkeit erkannte. Sie war ein wenig enttäuscht darüber, dass die Verfolgungsjagd für heute ihr Ende nahm. Sie tendierte an sich zu einer Sturheit, die der gräflichen Burgvögtin gleichkam. Doch nach dem Kopf einer Knappin ging es nunmal nicht. Daher suchte sie die Schemen ihrer Begleiterschaft auf und lauschte aufmerksam den Meinungen der Hohen Herrschaften, ob sie rasten sollten. Tama hatte es wirklich schwer mit beiden Reitern auf ihrem Rücken. Auf diesem Untergrund voran zu kommen war für die Stute nicht einfach. Peranna wusste, dass es ihr leichter fiel, wenn der Schlamm versiegt war. Es sprach viel für eine Rast.

Mittlerweile war es kalt geworden, doch Lysander mißfiel der Gedanke jetzt schon aufzugeben. Allzu weit war die Gruppe ja noch nicht geritten, der junge Eisenfels entschied sich dafür, zumindest noch ein Stück weiterzureiten. “Ich scheue das Wetter und die Dunkelheit nicht!”, obwohl er sich sicher war, dass in der Dunkelheit auch so manches Übel warten konnte. Sein Blick wanderte über die Runde, er sah wirklich nicht so aus, als wolle er aufgeben, in seiner Stimme lag der Optimismus, der ihn oftmals auszeichnete, bei Irminella stoppte er den Rundblick über die Gruppe: “Ihr solltet Euer Tier schonen, …ja, das solltet Ihr, wobei  ich weiß, daß Ihr lieber weiterreiten würdet, aber bei diesem Verhältnissen macht ‘s so keinen Sinn.”, was auch wirklich zutraf, dann fuhr er fort: “Bei meiner Treu’, ich werde mit Peranna weiterreiten, so schnell will ich nicht hinwerfen, vielleicht können wir ja doch noch etwas in Erfahrung bringen!” Einen Augenblick schaute er zu seiner Knappin, die er jedoch, wie alle anderen Personen vor Ort auch, nur schemenhaft erkennen konnte, er lächelte aufmunternd. Dann, wieder allen zugewandt: “Falls sich jemand der Hohen Herren anschließen möchte, nur zu, auch, oder gerade weil es dunkel wird, ist jedes Augenpaar willkommen!” Für einen Moment überlegte der lange, gutaussehende Blonde, Damian, der schwarze Hengst, schnaubte einmal ungeduldig. “Hm, eine Lichtquelle wäre ab einem gewissen Punkt sicherlich nicht das Schlechteste, aber ich habe nichts bei mir, das gab der Aufbruch nicht her!, ein zuversichtliches Grinsen folgte, es wirkte fast ein wenig verwegen, vermutlich waren seine weissen, gesunden Zähne das einzige,  daß man gut sehen konnte. “Doch wen kümmert ‘s, wer möchte sich also anschließen?” 

“Hoher Herr, Eure Wohlgeboren, darf ich einen Vorschlag unterbreiten?”, erklang Perannas junge Stimme aus der kaltnassen Dunkelheit, die nichts gegen das Weiterreiten perse hatte. Sie war es durch ihren Vettern ohne Landsitz gewohnt viel zu Pferde zu reisen. Doch sie verspürte Mitleid mit der Stute Tama und mit ihrer Gesundheit: „Sollte es Euch belieben die Verfolgung weiter aufnehmen zu wollen, habt Ihr stets meine Unterstützung, hoher Herr. Sollte es Euer Wohlgeboren von Argenklamm belieben, besteht die Möglichkeit den Ritt auf dem Rücken eines anderen Pferdes fortzuführen. Es wäre eine Option. Für eine Weile.“, schlug das Graupenmädchen diplomatisch vor. Die Hohen Herrschaften waren es, die entschieden.

Ulfried saß schweigend hinter der Vögtin auf deren Pferd. Er spürte das Tier zittern und schnauben. Als der junge Edle seine Umklammerung von seinem Stock und der Vögtin löste, zitterten seine Arme von der Anstrengung. Vermutlich wird auch die Edle Dame einige blaue Flecken an ihrem Torso davon tragen, dort, wo Ulfrieds Stock während des Ritts fest um ihren Oberkörper gepresst lag. Zu dem Vorschlag der Knappin schwieg er. Es war nicht seine Entscheidung, ob jemand einen halben Krüppel wie ihn auf seinem Pferd mitnehmen mochte.

Fulco hatte seinen Mitstreitern aufmerksam zugehört. “ Ich dachte das gleiche wie ihr Peranna. Wenn Ulfried zu mir umsteigen würde, glaubt ihr, Irminella, das euer Pferd dann noch etwas weiter könnte? Vielleicht sollte Lysander und Peranna etwas zügiger reisen und wir ein wenig langsamer hinterher? Wenn ihr nicht mehr weiter könnt, könnt ihr ja wieder zu uns zurückkommen, ansonsten folgen wir euch im Tempo, welches die Pferde zulassen. Ansonsten würde ich mich Lysander und Peranna anschließen und wir würden dann zu euch zurückkehren. Was ist euch Lieber? Ich trenne die Einheit ungerne, wenn ich ehrlich bin. Die Idee für eine Lichtquelle habe ich grade wohl auch nicht” hier zuckte er die Schultern, obwohl im klar war, dass die anderen dies nicht sehen konnten bei den herrschenden Lichtverhältnissen

Mit ruhiger und entschlossener Stimme, die sie fast zu einem Flüstern gesenkt hatte, sprach sie zu Ulfried. Ihren Kopf legte sie, wie die anderen Male ebenfalls, leicht in den Nacken: "Meine Entscheidung hat nichts mit Euch zu tun. Es war mir eine Ehre mit Euch zu reiten." Nun richtete die Burgvötin ihr Wort mit ebenso entschlossener Stimme an die anderen: "Nein. Tama braucht eine Pause." Wie beiläufig kraulte sie das Pferd im Nacken. "Ich werde ihr und mir eine Bleibe suchen. Das Unterfangen ist an sich ist weit wichtiger als meine Teilnahme daran. Sollte ich Euch morgen nicht mehr finden, treffen wir uns in Erzenschöffer zur Befragung der Lehrlinge. Sollte Seine Wohlgeboren von Argenklamm mit Euch reiten wollen, so steht es ihm natürlich frei." Sie flüsterte wieder: "Lasst Euch das nicht entgehen, nur weil Ihr glaubt, eine Last zu sein. Ihr müsst Euch diesen Unfug aus dem Kopf schlagen. Sitzt woanders auf und habt Teil daran. Keine falsche Scheu. Nicht meinetwegen und auch nicht wegen Eures Beines. Ihr seid weit mehr als ein lahmes Bein...".

Nachdem Lysander den Vorschlägen die adligen Lauscher geliehen hatte, nickte er in der Dunkelheit, schließlich fasste er sich kurz: "Dann soll es so sein, trennen wir uns!" Man hätte spüren können, dass Lysander Quintin darauf brannte weiterzureiten. Trotzdem wandte er sich ebenfalls an Ulfried, Lysander sah es ähnlich, wie die Vögtin: "Ihr könnt bei mir aufsitzen, Ulfried, so Ihr dies möchtet!" ... "Wie ich schon sagte, jedes weitere Augenpaar hilft uns weiter, selbst wenn es dunkel ist, wer weiss ob sich nicht irgendwo Lichter zeigen, lassen wir 's drauf ankommen! Wollt Ihr denn aufsitzen, Ulfried?", stellte er eine klare, finale Frage.

Der junge von Argenklamm rutsche bei den Worten der Vögtin auf dem Pferd leicht hin und her, ehe ihn die direkte Ansprache Lysanders zusammenzucken ließ. “Nein!”, antwortete Ulfried in bestimmtem Ton. “Ich danke euch, Herr von Kranickstein und Herr von Eisenfels, für euer großzügiges Angebot, aber…”, er räusperte sich kurz, “...ich kann die Edle Dame von Eberbach hier nichts nachts alleine in der Wildnis zurücklassen.” Mit jedem weiteren Wort schien seine Stimme an Kraft zu gewinnen. “Es ist meine Schuld, dass sie hier verweilen muss und diese Schuld möchte ich nun begleichen, indem ich ihr und ihrem treuen Reittier beistehe und helfe, eine Bleibe zu finden.” Dass er aufgrund der Dunkelheit die Reaktion seiner Begleiter nicht sehen konnte, kam ihm in diesem Moment zupass. Hochgezogene Augenbrauen, ob seiner mangelnden Wehrhaftigkeit im Widerstreit zu seinen Worten, hätten ihn nurmehr wieder verunsichert. So beugte er sich wieder leicht nach vorne, ganz nah an den Kopf der Vögtin und sprach leise weiter: “Ich danke euch, für eure schmeichelnden Worte. Ich verspreche euch, falls uns ein wildes Tier überrascht, so seid ihr mit mir an eurer Seite sicher. Natürlich werden wir fliehen, aber ihr müsst nicht schneller als die Bestie sein, nur schneller als ich. Und das seid ihr allemal!”. Ein kurzes Kichern folgte noch, dann lehnte er seinen Kopf wieder zurück und wandte sich den anderen zu: “Ich wünsche euch viel Erfolg bei eurer Suche und…gebt auf euch Acht!”.

Lysander Quintin nickte, ob der Entscheidung von Ulfried. "Ihr seid wahrhaftig ein Ehrenmann!", lächelte Lysander in die Dunkelheit. "Doch genug der warmen Worte, ... Vögtin Irminella, wir werden uns spätestens morgen sehen!", um dann Fulco und Peranna anzusprechen. "Bereit, wenn Ihr es seid!", er klang voller Tatendrang und, trotz der widrigen Umstände, optimistisch, gerade so, als könnte ihm gerade nichts die Stimmung verhageln! "Wir sollten für 's Erste auf keinen fall zu langsam reiten, ... und wir sollten auf Abzweigungen, oder andere Auffälligkeiten achten ... nun ja, sofern wir etwas sehen können!", zwinkerte er ungesehen in Perannas Richtung.

"Gut, dann ist es entschieden. Ich schließe mich Seiner Wohlgeboren an, viel Erfolg und gebt Acht. Auf ein baldig Wiedersehen!"

Fulco nickte ob der Worte seiner Begleiter. “Dann soll es so sein. Wir sehen uns dann spätestens Morgen in aller Frische bei den Lehrlingen, die Götter halten auch des Nachts ihre schützende Hand über uns. Dann lasst uns losreiten” sagte er und gab seinem Pferd die Zügel. ’ Der Junge hat mehr schneid, als er selber weiß.’

Nachdem Fulco losgeritten war, tat Lysander es ihm gleich, dass Fulco sich an die Spitze gesetzt hatte, störte ihn in keinster Weise. Einmal schaute er noch über seine Schulter, Peranna sollte es ohne Probleme schaffen mitzuhalten, sie konnte gut reiten. Und belastendes Gepäck tat die Knappin schließlich auch nicht behindern, sie hatte schlicht keines dabei! Ein wenig bereitete es ihm Sorge, dass tief herunterhängende Äste , die Reiter aus dem Sattel heben könnten. Die Sicht war wirklich schlecht! Es dauerte nicht lange, und er hatte Fulco eingeholt, er ritt links von ihm, etwas nach hinten versetzt. So gut es ging, versuchte er auf dem Weg etwas zu erkennen.

Die Knappin schwieg sich aus was diese Trennung anging. Ähnlich wie ihr Vetter und Dienstherr erschien sie übereifrig und erpicht darauf weiterzureiten. Sie führte ihren weißen Eisensteiner Schimmel an Lysander Quintins verlängerte Flanke, dieser konnte sie in seiner Nähe hören. Angst kannte sie keine. Die junge Löwin mochte das Abenteuer. Zwischen ihrem Dienstherren und Euer Wohlgeboren von Kranickteich fühlte sie sich sicher. Der Händler von Rosenhain war auch noch da. Sein Reittier tat ihr ebenfalls leid aufgrund seines großen Gewichts, das den Rücken des Tieres belastete. Doch schien Phex ihm hold zu sein.

Friedenands Faxen und Schelmereien wusste das Mädchen mit ihrer tierverständigen Art zu beruhigen. Er spürte bei seiner Reiterin Sicherheit. Er war eben noch in Ausbildung, wie Peranna jung und brauchte eine verständige Hand während Damian besonnen war. Friedenand und Damian waren beide gut ausgeruht. Es hatte außerdem Vorteile in einer kleineren Gruppe zu reisen. Peranna hielt sich in der Nähe des erfahrenen Rappen Damian. Sie passte sich der Reitgeschwindigkeit ihres Ritters an wie sein verlängerter Schatten. Reiten konnte sie. Sie verließ sich auf Friedenand und das Tier verließ sich auf sie. Sie verließ sich auf ihren Dienstherren und ihr Vetter sich augenscheinlich auf sie. Eine Knappin, die nie des nachts ritt, hätte wohl ihre Schwierigkeiten gehabt. Doch es hatte eben so seine Vorteile die Knappin eines landlosen Ritters zu sein, der das Risiko schätzte. Das merkte Peranna besonders an ihren Gewohnheiten zu Pferde. Oft ritten sie bei Wind und Wetter. Trotz alledem musste sie sich konzentrieren. Mehr als ihre Begleiter es taten, fehlte ihr doch die Lebenserfahrung. Friedenand gab sich alle Mühe die Straße gut zu meistern. In die Nacht zu sehen war nicht einfach und ein gutes Gehör konnte wettmachen, was ihr an Lebenserfahrung fehlte. Die Knappin ritt tapfer, war neugierig und gewillt sich ins ungewisse Abenteuer zu stürzen. Sie konzentrierte sich darauf sicher durch die Nacht zu reiten, mehr als die Spuren zu lesen. Die verlor sie oft aus dem Blick! Damit war das Graupenmädchen in Ausbildung beschäftigt. Der Regen brachte nämlich so seine Tücken mit sich. Peranna gab nicht auf. Sie war stur und blieb auf dem Weg. Ab und an hörte man sie unzufrieden brummen. Fast klang sie dabei wie Ritter Fradrik von Graupen. Durch den Schlamm und die Nässe ging es weiter. Sie bildete eines der Schlusslichter der verkleinerten Truppe. Ihre Frisur, unter ihrer Kapuze, war inzwischen vermutlich dahin. Ansonsten war sie wie Lysander Quintins Schatten. Der ab und an eigenwillig brummte, wenn ihr etwas nicht passte, ganz nach der Nordmärker Art. 

Rhodan war unruhig geworden. Die Gruppe hatte zu viel Zeit verplempert. Die hohen Herrschaften hatten sich wie immer in Befindlichkeiten ergangen und waren für die Aufgaben der Nacht weder vorbereitet noch gefeit. Welch ein Glück, dass sie ihn bei sich hatten. Der dicke Mann konnte gut in der Nacht sehen. Fährten und Spuren waren wie Phexens Fußstapfen lesbar für einen Mann seines Schlages. Nach kurzer Zeit setzte er sich an die Spitze des noch reitenden Trosses, um den Anschluss an die verschreckte Wina nicht zu verlieren. Dennoch hatte auch er Schwierigkeiten, nachzuvollziehen, wohin sie ritten. Er hielt Ausschau nach Landmarken, die auch in der Dunkelheit erkennbar und markant waren. Hoffentlich würden sie nicht allzubald auf die Reichsstraße stoßen; das Pflaster würde eine Identifikation der Spuren erschweren.

Fulco ließ den Händler an sich vorbei ziehen. Er schien sich besser mit der Verfolgung in der Nacht auszukennen, als er selber es tat. ’ Soll er voran reiten, er scheint zu Wissen was er tut.` Fulco blieb an dem dicken Mann ran und schmunzelte vor sich hin. Eigentlich überließ er nicht gerne die Führung an andere, aber jeder nach seinen Fähigkeiten.   

Irgendwann in der zunehmenden Dunkelheit erreichte die Gruppe die breite Straße mit ihrem Belag aus Pflaster und Kies. Der Regen klebte ihnen die Haare ans Haupt und ließ eine ordentliche, nur langsam zerfließende Matschspur eines Rosses erkennen, das nach links abbog.

Mit pitschnassem Haupthaar - aber auch ansonsten recht nass - blickte Lysander weiterhin auf den Weg, er schaute zwar ab und an auch mal auf, dem Weg galt aber mittlerweile der größte Teil seiner Aufmerksamkeit. Es wurde immer dunkler, doch was war das? Mittlerweile hatten sie eine befestigte Straße erreicht. “Halt!”, sprach Lysander die Gruppe vernehmbar an,  “Holla, die Waldfee, ein blondes … nein, blindes Huhn findet auch mal ein Korn!”, konnte er sich einen flachen Scherz nicht verkneifen. “Hier ist wohl jemand nach links abgebogen! Könnte natürlich jeder gewesen sein, aber wir sollten der Spur folgen, ansonsten kann ich nichts entdecken!”

Rhodan rief ihm zu: “Genau! Hinterher!”

‘Das musste Wina gewesen sein!’  Perannas Haar klebte, was recht unzufriedenstellend war, platt an ihrem Kopf. Sie nestelte daran herum und ihre Kleidung hatte sich indes vollgesogen mit Wasser. Sie triefte nass und hing dabei schwer an ihr hinunter. Die Knappin wischte sich überflüssiges Regenwasser aus dem Gesicht. Eigenwillig und stur brummend folge sie der Abzweigung nach links. Friedenands Hufe blieben mit denen Damians im Takt: ‘Wo mochten jene Spuren wohl hinführen, Friedenand? Ihr Götter, hoffentlich wären wir in der Lage sie zur Rede zu stellen. Sie darf doch nicht einfach so davonkommen.’ Die junge Anhängerin der Löwin sah es nicht ein. Wenn es nach ihr ginge, würde immer weitergeritten.

Lysander ließ sein Pferd wissen, dass es weiterging, er folgte der Spur, so lange er sie  erkennen konnte, oder eben etwas anderes passierte, auch in diesem Fall glotzte er nicht nur auf den Weg, sondern auch immer mal wieder auf, es könnte sich ja eventuell auch irgendwo ein Lichtlein zeigen. Oder eben auch etwas völlig anderes!

Die Reichsstraße aber war pechschwarz in der nun vollständig hereingebrochenen Dunkelheit, und der Himmel von Wolken verhangen, aus denen Frau Peraine noch immer einen wohlwollenden Frühlingsregen schickte. Lysander wusste, wie alle anderen, dass sich an den Reichsstraßen zumindest alle 30 Meilen, im Abstand einer Tagesreise eines Fußgängers, ein Gasthaus fand … doch wo hier das nächste war, das war eine gute Frage. Allerdings dürfte Gratenfels, die große Grafenstadt, kaum mehr denn zwanzig (oder so) Meilen zur Linken liegen, wenn ihn seine Orientierung und Erinnerung nicht trog.

Mittlerweile war es so gut wie zappenduster geworden, aus tief hängenden Wolken regnete es dauerhaft. Lysander überlegte, was wohl jetzt das Beste wäre. Seine Stirn lag in Falten, was die Anderen vermutlich nicht sehen konnten, es war einfach zu dunkel. Er wandte sich an seine Mitstreiter, trotz der wahrlich widrigen Bedingungen klang Lysander Quintin recht optimistisch. Dass er die Spur nicht mehr sehen konnte, ließ sich aber nicht von der Hand weisen! "Wenn wir diese Richtung weiterreiten, dann werden wir irgendwann Gratenfels erreichen, ob sie dort hin will?" Es folgte eine kurze Pause, in der er seitlich an sich und dem Pferd hinunter schaute, einmal rechts, dann einmal links: "Und, um ehrlich zu sein, ich kann keine Spur mehr erkennen, zumindest nicht vom Pferd aus." Vom Pferd zu steigen, und zu Fuß weiterzugehen, um eventuell die Spur zu verfolgen, war keine Option, das wusste Lysander. "Müssen uns wohl auf unser Glück verlassen, das bekanntermaßen ja mit den Tüchtigen ist!", verbreitete er ein gewisses Maß an Optimismus. Zumindest versuchte er es! 

Dass seine Haare vermutlich nicht so aussahen, wie er es gerne gehabt hätte, das wußte Lysander natürlich ebenfalls, und er war sicherlich einigermaßen eitel. Jedoch nicht so eitel, dass er sich deswegen im Moment ernsthaft Gedanken um seine Haarpracht gemacht hätte, alles hatte seine Grenzen, es gab wahrhaftig wichtigeres zu tun! Sich Regenwasser aus dem Gesicht zu wischen, das hatte er mittlerweile aufgegeben.

Fulco nickte, obwohl das natürlich niemand wahrnehmen konnte bei den Sichtverhältnissen.  Er hob seine Stimme aufgrund des Wetters etwas an “ Dann lasst uns weiterreiten und auf Phexens Gunst bauen. Oder kann jemand nicht mehr weiter” Beim sprechen wichte er sich mehr schlecht als recht den Regen aus dem Gesicht und wartet ungeduldig auf die Reaktionen seiner Gefährten.  

“Mit dem Segen des Alveransfuchses werden wir den Weg weiter finden!”, bestätigte Rhodan. “Ich kann die Spuren noch immer erkennen. Ihr etwa nicht? Seht da!” Der dicke Händler deutete die Straße entlang und wies auf die Schlammspuren des Pferdes der jungen Kollegin hin.

Regentropfen perlten von Lysanders Gesicht und tropften von seinem Kinn , als er seinen Blick erneut auf die Straße richtete, er konnte keine Spur erkennen, erst als er genauer hinschaute, konnte er so etwas wie eine Spur entdecken. Aber ein Fährtensucher, das war er mit Sicherheit nicht! “Gut, dann reitet voran, wenn Ihr die Spur besser seht, nur zu!”  

Die Fährten folgten der Straße Richtung Gratenfels - lange genug, dass die Gruppe schon gegen Ende der Nacht einen Wegweiser mit dem Hinweis ‘Gratenfels, 9 Meilen’ erreichte. Mittlerweile durchgefroren und nass bis auf die Knochen war ihnen dennoch bewusst, dass die Stadttore nachts geschlossen waren. Und nicht für Geld noch gute Worte vor dem ersten Praiosstrahl und Hahnenschrei geöffnet werden würden.

In einer Sache fand Peranna den dickbäuchigen Händler bewundernswert: er konnte Spuren lesen und war für das Unterfangen, dem sie folgten, begabt wie kein Zweiter ihrer kleinen Truppe. Die Knappin ward indes zum firungefälligen Eisklotz geworden und selbst Friedenand konnte sie nicht mehr wärmen. Der Wegweiser besagte, es sein noch neun Meilen nach Gratenfels. Wo konnten sie rasten? Peranna sah sich um, ob sie ein geeignetes Nachtlager erspähen konnte. Ein Bauernhaus, einen Schuppen, eine Höhle… Hauptsache der Ort war trocken.

Ganz so einsam war die Strecke nicht mehr - die Gruppe hatte bereits zwei, drei Gehöfte, kaum auszumachen in der tiefen Dunkelheit, passiert, und ein weiterer Pfad, der von der Reichsstraße abzweigte, würde wohl ebenfalls bei einer kleineren Siedlung in nicht allzuweiter Entfernung enden, viele Dörfer befanden sich, wie Peranna bei ihrem letzten Weg über die Reichsstraße II bemerkt hatte, in Reichweite, aber nicht direkt an der Fernstraße.

Peranna erinnerte sich durch Regen und Nachtschwärze an ihre Anreise auf der Reichsstraße II mit ihrem Ritter Lysander Quintin zurück: “Eure Wohlgeboren, Hoher Herr, Meister Herrenfels, mit Verlaub, ich bin mir recht sicher, wir sind schon an zwei, drei Gehöften vorbeigeritten und ich entsinne mich, in nicht allzuferner Reichweite müsste eine kleine Siedlung auf einem Nebenpfad liegen.”, meldete Peranna Sabea, die wusste, dass es noch mehrere Dörfer in dieser Gegend gab: “Vielleicht sollten wir unser Glück für diese Nacht dort suchen, sollte es belieben, zumindest bis die Tore Gratenfels am Morgen wieder öffnen.”, schlug die Knappin vor. Wer wusste es, vielleicht war Wina ja genau dort hin abgebogen? Bis zum neuen Morgen waren sie so weit an die große Stadt herangeritten wie sie konnten. Das Graupenmädchen suchte daher nach einer pragmatischen Lösung. Pragmatischer zumindest als bis zum Morgenanbruch im Regen zu verschrumpeln.

Rhodan, dem die Suppe überall herunterlief und sich nicht mehr unterscheiden ließ, ob es nun Schweiß oder Wasser war, musste schlussendlich klein beigeben. “Na gut. Ihr habt Recht. Es…naja…wir werden sie schon wieder finden!”

Fulco war - wie seine Gefährten - vollkommen durchnässt. ’ Wahrscheinlich hat das Mädchen recht, so werden wir keinen Erfolg haben. Ich werde zu alt für so einen Kram’ hier musste Fulco schmunzeln. “ Ich stimme euch zu Peranna, ihr habt Recht. Ich denke heute werden wir nichts mehr erreichen, so schade das auch ist. Also lasst uns den Ort aufsuchen und etwas für den Rest der Nacht finden. Nach ein paar Stunden Schlaf und etwas im Magen wird es bestimmt besser voran gehen” 

"Eine gute Idee, so halten wir 's!" Lysander gab unumwunden zu, dass Peranna recht hatte, es war an der Zeit, sich nach einem Obdach umzuschauen, wenn Peranna wußte, bzw. sich erinnerte, wo man eventuell unterkommen könnte, wäre es sicherlich nicht das Falscheste! "Wir nehmen den Nebenpfad zu der Siedlung, wer weiss, vielleicht ist sie ja genau dort hin!", mutmaßte Lysander hoffnungsvoll, so klang er auch. Obwohl er triefend nass war, klang er weiterhin recht gut gelaunt! "Dann reitet voraus, junge Dame, wollen mal sehen, wie es um Eure Orientierung bei Nacht bestellt ist!", spornte er seine Knappin ein klein wenig an. Zu Rhodan sagte er noch, mit einem Grinsen im Gesicht; "Bei meiner Treu', das werden wir!"

Ein Fradrikgrinsen verschwand in der Dunkelheit: “Sehr wohl, Hoher, Herr!”, erfreute sich die Knappin. Sie lenkte den Schimmel Friedenand ohne weitere Umschweife gen Pfad, der von der Reichsstraße abzweigte, um die Hohen Herrschaften, die sich nicht erinnern konnten, in die Richtung der kleinen Siedlung zu führen. Dann würden sie weitersehen, ob die Götter ihnen hold waren. Großes Drumherumgerede war Perannas Sache augenscheinlich nicht. Impulsiv preschte die junge Dame voran.

Rhodan entschloss sich, die junge Frau vorausreiten zu lassen. Ihr Schwertvater schien ihr zu vertrauen und der Händler freute sich, wenn ‚einfachen Leuten‘ Vertrauen geschenkt wurde. Peranna ordnete er dieser Kategorie zu. Er bemühte sich, den Spurenverlauf der Händlerin nachvollziehen, als sie ihr folgten. Wohin wäre er gegangen, wenn er es eilig gehabt und Richtung Gratenfels geritten wäre? Der dicke Mann versuchte anhand der Spuren festzustellen, ob und wie viel schneller Wina geritten war. Welchen Vorsprung hatte sie? Hatte sie es bis Gratenfels geschafft oder würde auch sie Unterschlupf für die Nacht suchen müssen?

Es war dunkel und nass - eine genaue Aussage aus den kaum noch erkennbaren Spuren zu ziehen, wäre einem kleinen Wunder gleichgekommen. Dennoch war sich Rhodan sicher, dass die Frau mit etwa einem Wassermaß Vorsprung in Richtung Gratenfels unterwegs gewesen war. Ohne bis hierher irgendwo seitlich von der Straße abzubiegen. Ob sie es noch vor Toreschluss in die Stadt geschafft hatte oder nicht, das vermochte er indes nicht zu sagen - das war eine knappe Angelegenheit, bei der Phex die Münze sowohl in die eine als auch in die andere Richtung hätte tanzen lassen können.

Der schmale Weg führte etwa eine Meile durch leicht hügeliges Gebiet, vermutlich Weiden, die irgendwann umfriedeten Obstgärten wichen - soweit sich in der pechschwarzen Dunkelheit überhaupt irgend etwas erahnen ließ.  Irgendwann tauchte vor den Reitern das Holztor einer einfachen, hölzernen Einfriedung auf, und hinter dem Zaun schlug laut und scharf ein Hund an.  Nicht viel später flammte in der Finsternis eine Flamme auf, das sich als Stalllaterne in der Hand einer Bäuerin entpuppte, die, einen Mantel um die Schultern und ihr Nachtgewand geschlungen, in einer Hand eine Forke hielt und mit ein paar barschen Worten den Hund zur Ruhe rief, ehe sie auf ihrer Seite des Hoftores stehen blieb, in Richtung der Ankömmlinge leuchtete. “Wer seid ihr und was wollt ihr?” klang die knappe Ansprache.

“ Travia zum Gruße, Fulco von Kranickteich, gute Frau. Wenn ich euch meine Gefährten vorstellen darf: Lysander von Eisenfels, Peranna von Graupen und der ehrenwerte Händler Rhodan Herrenfels. Wir haben uns ein wenig in der Zeit geirrt und benötigen ein Quartier für die Nacht. Es soll euer Schaden nicht sein. Mit wem haben wir die Ehre?”

Auch wenn die Frau mit Hund recht bärbeissig war, schenkte Lysander ihr ein freundliches Lächeln, als sein Name genannt wurde. Mit schlechter Laune käme man hier sicherlich nicht weiter, da war er sich sicher!

„Und habt Ihr womöglich kürzlich eine schöne junge Frau vorbeireiten sehen oder ihr gar Obdach gewährt?“, setzte Rhodan hinzu und verneigte sich sodann  andeutungsweise zum Gruß.

Friedenand scheute etwas vor dem Wachhund, der laut bellte, doch Peranna beruhigte ihn wieder. Alles war gut. Schließlich war es nur ein Hund hinter einem Zaun, der seinen Aufgaben - Haus und Hof zu beschützen - geflissentlich nachkam. Der Wohlgeborene von Kranickteich übernahm die Vorstellung, während die Nachfrage des dicken Händlers Peranna neugierig machte. Ihr Blick wanderte in Richtung der erleuchteten Laterne, um die Antwort zu hören, die die Anwohnerin im Nachtgewand ihnen gleich gab.

“Maline Fatzner ist mein Name.” Die Bäuerin musterte die schwer bewaffnete Gruppe misstrauisch, doch was sie sah, ließ sie zumindest zu dem Schluss kommen, dass es sich um einigermaßen respektable Leute handeln musste. “In Travias Namen, kommt herein.” Sie stellte die Forke beiseite, nahm den zottigen Hund am Halsband und öffnete das Tor. “Nä, eine junge Frau is’ hier nicht durchgekommen - die letzte war Wiesners Alrike, die Eier geholt hat - aber da war schon vor vier Tagen.” kopfschüttelnd musterte sie die Leute. “Ein Stall’ für die Pferd’ ist da.” Sie wies ein auf einen Flügel des Hofs. “Und dann kommt in Haus - ich heiz an und zeig’ euch, wo ihr schlafen könnt.”

“Habt Dank in Travias Namen! Wir werden es Euch vergelten”, meinte Rhodan und klimperte mit seiner Geldkatze.

Der nächste Morgen begann mit dem allerersten Dämmer und lautem Hahnenschrei. Die Reisenden hatten auf einer dicken Strohschütte unter dem Dach, über die die Bäuerin Leintücher geworfen hatte, genächtigt. Zusammen mit den Decken, welche die Fatznerin ausgeliehen hatte, war es ein ganz annehmliches Lager gewesen. In der großen Küche im Erdgeschoss hantierter der Knecht und hatte eingefeuert, und wenig später drang der Duft nach frischer Grütze, Kräutertee und Kompott an die Nasen der Schläfer.

Rhodan hatte sich bereits früh aus seinen wohlgehüteten Federn begeben, um den Zustand der Fährte zu begutachten. Hatte der Regen der Nacht noch Spuren übrig gelassen?

Der Nieselregen hatte in der Nacht geendet, auch wenn der Boden vor Nässe noch glänzte und der kühle, frische Morgen noch den Hauch Firuns in sich trug. Rhodan schätzte es als durchaus zu bewältigen ein, der Spur zu folgen - vorausgesetzt, sie taten es, bevor allzuviele Fußgänger, Reiter und Fuhrwerke sie verwischten.

Peranna hatte Bürste und Kamm vergessen. Die morgendliche Frisur, die sie in der Frühe tätigte, musste mit den Fingern und ohne einen Spiegel gemacht werden. Während sich der dicke Händler Meister Herrenfels um die Spuren kümmerte, versorgte und sattelte Lysanders Knappin Damian und Friedenand während es im Erdgeschoss herrlich nach Frühstück duftete. Es war ein kalter reinigender Morgen, der die Lebensgeister weckte. Wenn es Zeit war den Spuren zu folgen, würde Peranna die beiden Hengste mit einem erwartendem Lächeln aus dem Stall holen.

Als Fulco von seinem morgendlichen Lauf zurückkam, sah er Rodan nach den Spuren schauen. Er lief an ihm vorbei und grüßte nickend in seine Richtung.  ’Der Mann kann was, äußerst nützlich ihn dabei zu haben’. Nachdem er am Hof angekommen war, schaute er in den Stall und ging er zu Dakota und tätschelte ihren Hals “Na mein Mädchen. Ich kümmere mich gleich um dich”  Dann wandte er sich lächelnd an Peranna. “ Guten Morgen, ich hoffe ihr habt die Nacht gut verbracht und konntet Euch etwas erholen. Wollen wir mal schauen, ob wir von der guten Frau Fatzner etwas zum Frühstück ergattern können? ” 

In diesem Augenblick kehrte der Kontormeister von seiner Suche zurück und schmunzelte ob der Hoffnung Fulcos auf einen “standesgemäßen Morgen”. “Auf, auf”, rief er fröhlich. “Nichts mit Frühstück! Wir können den guten Leuten doch nicht zur Last fallen!” Eigentlich wollte er noch hinterhersetzen: Unsere Spur wird kalt, doch hatte er nicht vor, arme Bauersleut zu verschrecken. Jedenfalls erwartete er, dass seine sonore Bassstimme alle schlafmützigen Adligen oder Nicht-Adligen aus ihrem (grundsätzlich ja verdienten) Schlaf geweckt haben dürfte. Wer ihn beobachtete, mochte den Eindruck gewinnen, diese Tatsache bereitete dem großen, massigen Mann ein wenig kindliche Freude.

Peranna sah dem aufrichtigen Edelmann von Kranickteich mit mindestens genauso viel Aufrichtigkeit entgegen und setzte vor ihm zu einer angemessenen Verbeugung und einem Dankesgruß an. Da kam Meister Herrenfels und unterbrach das Gespräch, was Peranna durchaus erst einmal irritierte. Sie stemmte zunächst einmal widerspenstig die Hände in ihre Hüften. Doch der zuvor Spurensuchende hatte recht. Dem dicken Händler gegenüber setzte das Graupenmädchen also zu einem pragmatischen Nicken an und ihre Gesichtszüge wurden weicher. Es folgte bald darauf ein fast phexgefälliges Fradrikgrinsen mit leichten Hasenzähnchen: “Ihr seid mutig, Meister Herrenfels, die Wohlgeborenen und Hohen Herrschaften ohne ihr Frühstück aufbrechen zu lassen! Mich plagt mein Magen noch nicht. Für einen sofortigen Aufbruch habe ich soweit alles vorbereitet. Ich selbst bin bereit und ausgeschlafen genug.”, tat Peranna kund, deren Übereifrigkeit dem Drang zum Frühstücken überwog, weil sie losreiten wollte. Diplomatisch überließ sie jedoch diese Entscheidung den Hohen Herrschaften und fiel ihnen nicht ins Wort. Sie dachte sich: ‘Soso. Der Meister Herrenfels, der traut sich was!’ Sie beobachtete den dicken Mann kurz mit Neugierde. Dünner machte ihn das nicht. Aber auch nicht dümmer.

“Guten Morgen allerseits! Gibt es Frühstück? Ohne Frühstück bin ich zu nichts zu gebrauchen!”, platzte Lysander  gut gelaunt  in die Unterhaltung. Er hatte von allen am längsten geschlafen, was er jedoch nicht weiter thematisierte. Seine Haarpracht war etwas wild anzuschauen, ansonsten sah er noch recht passabel aus. “Oder hat ein jeder schon gefrühstückt? Ich hoffe nicht!” Über was man sich zuvor unterhalten hatte, das hatte er nicht mitbekommen.

Fulco lächelte den jungen Adeligen freundlich an. “ Nein haben wir noch nicht. Allerdings steht die Zeitfrage mal wieder im Raum. Wenn ich Rhodan richtig verstanden habe, müssen wir uns etwas sputen, damit die Spuren nicht verwischt werden. Dann lasst uns die gute Frau Fatzner fragen, ob sie etwas für uns erübrigen kann und ein schnelles Frühstück einnehmen. Wir entgelten es ihr ja auch.  ” Er schaute aufmerksam und erwartungsvoll in die Runde. 

Etwas überrascht schaute er aus der Rüste, der junge von Eisenfels, einmal kratzte er sich kurz am Hinterkopf: “Die Zeit drängt also … hm, nun denn … !” Sein Blick wanderte zu seiner Knappin Peranna: “Die Pferde sind ja schon bereit, wie ich sehe!, um dann seinen Blick wieder auf Fulco zu richten. “Aber eine Kleinigkeit muss rein, wenn es sein muss, dann esse ich unterwegs auf meinem Hengst!”, was durchaus ernst gemeint war! Seiner Laune tat der Gedanke, nicht zu frühstücken, nur kurz Abbruch, vermutlich hatte keiner der Anwesenden etwas bemerkt.

Peranna begrüßte ihren Dienstherren angemessen freundlich, der bemerkt hatte, dass sie die Eisensteiner Hengste schon vorbereitet hatte. Dies erfreute sie und sie benickte seinen Vorschlag. Wohl wissend: ‘Wenn der Kuchen spricht, dann hat der Krümel zu schweigen.’ Doch ihr Drängen war ihr anzumerken. Peranna las man wie ein offenes Buch. Sie tippte unwirsch mit dem Fuß und brummelte ein wenig. Sie wollte weiter - ohne dem Edlen von Kranickteich auf die Füße zu treten! Daher sagte sie nichts, doch sie wirkte ungeduldig und hoffte, die Edlen Herrschaften würden sich richtig entscheiden.

Natürlich hatte Lysander die Begrüßung seiner Knappin registriert, ein knappes Nicken war seine Reaktion darauf, schien er doch wirklich damit beschäftigt zu sein, wo er wohl etwas zu essen bekommen könnte. Er hatte jedoch auch mitbekommen, daß Peranna wohl etwas zu unwirsch mit den Hufen scharrte, deshalb: “So ungeduldig, Peranna?” Es folgte eine kurze Pause, in der er die junge Knappin einigermaßen ernst anschaute, er hatte sich jedoch immer noch nicht daran gewöhnt, seine Base sozusagen zu erziehen. “Dann macht Euch mal auf zu der guten Frau Fatzner, und kümmert Euch um die Wegzehrung! Und sagt ihr auch, daß wir uns nicht lumpen lassen!” Daraufhin richtete Lysander Quintin sein Augenmerk auf seinen Hengst, er nahm sich die Zeit, um den Sitz seines Sattels, und auch der restlichen Ausrüstung zu überblicken. Es war alles soweit in Ordnung, es gab nichts zu bemängeln, also konnte er sich wieder der Gruppe zuwenden.

Peranna grinste nun zufrieden und nickte. Das Tippen und Brummen hörte urplötzlich auf. Sollte es dem Edlen von Kranickteich nicht im nächsten Atemzug gelingen sein Veto einzureichen, blieb ihm nur noch der mirellenartige Duft der Knappin, ihr Windzug des strohblonden Haares übrig, die er noch von hinten beherzt in Richtung der Frau Fatzner flitzen sah, die den herrlichen Frühstücksduft im Haus bescherte. Wobei sie vor Übereifrigkeit gleich die Taler vergessen würde.

Fulco nickte in Richtung Lysander und zuckte lächelnd mit den Schultern “Mir soll ein wenig Proviant für den Weg auch Recht sein, eine gute Idee. So sparen wir auf jeden Fall Zeit ” Er nickte Peranna aufmunternd zu. Dann wandte er sich seinem Tier zu und machte es für die Abreise bereit. Als es sich weg drehte, musste er kurz schmunzeln ’Das junge Graupenmädchen hat ihre Wege, sich durchzusetzen. Sie ist echt auf Zack ’ 

“Eben!”, es folgte eine sehr kurze Pause. “Mit leeren Mägen ist nicht gut Verfolgen!”, pflichtete Lysander Quintin dem Edlen Fulco, freundlich und einmal nickend, bei, während der sich anschickte, sein Tier für die Abreise bereit zu machen. Peranna war plötzlich verschwunden, da hatte wohl jemand Hunger! Kein Wunder, bei dem Essensduft, der in der Luft lag. ‘Wie kann man nur auf die Idee kommen, ohne vernünftiges Frühstück loszuziehen, wenn man die Möglichkeit hat etwas zu essen?’, fragte sich Lysander insgeheim. Da Lysander keinen Wert darauf legte, dass seine Knappin Peranna ihm auf sein Ross half, bestieg er sein Pferd ohne irgendjemandes Zutun. Schließlich war er weder ein alter Mann, noch war er unbeweglich, übergewichtig oder anderweitig belastet. Auch auf seinem Hengst Damian sitzend,  konnte Lysander natürlich den Duft des Frühstücks wahrnehmen, während Damian sich vorbildlich verhielt und keinerlei Zicken machte. Abgesehen davon, dass er selbst noch nichts gegessen hatte - selbst sein Pferd hatte gefuttert - war Lysander Quintin zum Aufbruch bereit.

Fulco stieg auf und und machte einen entspannten Eindruck. Er hielt sich ja nicht umsonst fit. Da konnte er ja neben dem jungen Adeligen nicht wie ein alter Mann wirken. 

„Auf auf!“, wiederholte Rhodan noch einmal und scheuchte den Rest der Gruppe aus dem Haus. Ihrer Wirtin ließ er ein blitzendes Goldstück da - so viel Geld hatte die Frau schon lange nicht mehr in der Hand gehabt und freute sich deshalb wie ein Schneekönig über die großzügige Zahlung des Händlers. Dieser wiederum machte sich einen Vermerk auf der mentalen Spesen- und Ausgabenliste: Jeder Heller würde abgerechnet und vom Landgrafen erstattet werden.

Peranna kam mit den Frühstücksbeuteln wieder und reichte sie den Herrschaften auf die Pferde. Mit dem letzten Päckchen in der Hand bestieg sie den Rücken ihres eigenen Schimmels eilig. Nun war ein jeder versorgt und bereit für das Abenteuer. 

Lysander nahm eines der Päckchen entgegen, er lächelte seine Knappin kurz freundlich und auch irgendwie charmant an. Er nickte dabei einmal. Und eigentlich hätte er auch noch kurze Worte des Dankes gefunden, natürlich nicht übertrieben, alles standesgemäß eben, es kam aber nicht dazu. Peranna beendete die Verteilung der Päckchen, na, sagen wir mal, zügig, diese Tatsache  zauberte Lysander Quintin ein weiteres Lächeln in's Antlitz. Er war von ihrer Tatkraft recht angetan, ohne es sofort zu zeigen. Nun war es Zeit die Dinge anzugehen! “Dann los, werte Herrschaften, wir haben etwas zu erledigen!” Damit bedeutete Lysander seinem Hengst, dass es weiterging, der Hohe Herr konnte ohne Probleme die Straße Richtung Gratenfels finden. Spätestens dort ging es flotter voran, natürlich hatte er sein Frühstück bis dahin schon längst verputzt.

Der Morgen war trüb, aber leidlich trocken. Im Verlauf des Morgens führte der kleine Weg, der von dem Gehöft, das ihnen über Nacht Obdach geboten hatte, wieder auf die Reichsstraße. Auf der breiten, sauber gepflasterten Straße kam die Truppe gen Gratenfels gut voran, bis schließlich fast die Mittagszeit nahte und das nächste Gasthaus, wohl wenige Meilen vor der Grafenstadt, sich ankündigte. Über dem Eingang zu dem großen, einladenden Wirtshaus, das gewiss ein leckeres, wenn auch frühes (so ausgiebig war die Frühstücksportion auf den Rössern nun auch nicht ausgefallen) Mittagsmahl versprach, hing das Wirtshausschild, auf dem ein schwarzer Keiler aus kleinen, finsteren Augen auf die Reisenden herab sah. Darunter befand sich eine Tafel, auf der in großen, freundlichen Buchstaben ‘heute Wildschweinwürste’ geschrieben stand.

Eile mit Weile

Ulfried blickte den davonreitenden Gefährten noch eine Weile nach, auch wenn er sie ob der Dunkelheit schon nicht erkennen konnte, als sie noch dicht bei ihnen standen. Das schmatzende Geräusch, welches die Hufe der Pferde auf dem matschigen Boden verursachten, war jedoch noch einige Zeit gut zu vernehmen. Dann seufzte er kurz und sprach zur Vögtin, welche auf dem Pferd vor ihm saß: “Verzeiht!”, ehe er mit seinem linken Arm ihre Hüfte umfasste und sich langsam vom Rücken des Reittieres gleiten ließ. Da er mit seinem steifen rechten Bein zuerst auf dem matschigen Geläuf aufkam, verlor er für einen kurzen Moment den Halt und musste sich am Bein der Vögtin, die noch oben zu Roß saß, festhalten, um nicht mit dem Hosenboden im Schlamm zu landen. “Es…es tut mir Leid, edle Dame!”, rief er erschrocken aus, als er seine Hand von ihrem Bein löste.

Als Ulfried abstieg wollte die Burgvögtin gerade zu sprechen beginnen: "Wenn ihr...woah...". Irminella war vom Griff des Edlen nach ihrem Bein überrascht worden. Sie rutschte ein gutes Stück vom Rücken des Pferdes, bis sie sich an Zügel und Mähne des Tieres halten konnte. Da sie nun ohnehin nur noch halb im nicht vorhandenen Sattel saß, stieg auch sie ab. "Interessante Technik, Euer Wohlgeboren.", sagte sie. Man konnte deutlich hören, dass sie ein Lachen unterdrückte. "Wenn die Wölfe kommen, hoffe ich auf einen ähnlichen Improvisationsschatz." Nun konnte sie es nicht mehr unterdrücken und sie lachte herzlich. Trotz des Regens und der für sie beendeten Jagd schien sie gute Laune zu haben.

Sie räusperte sich. "Verzeiht, ich meine nichts davon als Häme oder Spott. Bevor Ihr abstiegt wollte ich Euch fragen, ob es für Euch angenehmer wäre, auf Tama sitzen zu bleiben. Euch tut der Untergrund sicher auch keinen Gefallen. Langsam und mit nur einem Reiter schafft es die gute Tama noch ein Weilchen." Sie tätschelte den Kopf des Pferdes. "Von dort oben könntet Ihr auch sicherlich den Lichtschein eines Gasthauses besser erkennen." Sie zeigte einladend auf Tamas Rücken, was vermutlich von der Dunkelheit verhüllt blieb.

Nach einer kurzen Pause sagte sie ernster: "Ich hoffe, Ihr tut dies hier tatsächlich aus freiem Willen und nicht aus einem Gefühl der Verpflichtung heraus."

Ulfried neigte seinen Kopf leicht zur Seite und blickte in Richtung des Schemens der Vögtin vor Ihm, der sich in der Dunkelheit abzeichnete. “Hmmm…”, entfuhr es ihm. “Ich denke, es ist beides. Ich bleibe gerne freiwillig mit euch zurück, da ich mich bei einer Verfolgungsjagd ohnehin nicht als nützlich erweisen würde. Und glaubt mir, ein Marsch durch die Nacht ist für mich dennoch angenehmer, als ein sattelloser Ritt auf dem breiten Hinterteil eines Pferdes.” Der junge edle neigte den Kopf nun zur anderen Seite. “Allerdings fühle ich mich euch aber auch verpflichtet, das ist richtig.” Schließlich zuckte er mit den Schultern, mehr aus Gewohnheit denn als Geste für sein Gegenüber, welche diese wohl ohnehin nicht sehen konnte. “Wie dem auch sei, ich bin mir sicher, es ist die richtige Entscheidung. Kommt, ich glaube, wir sind vor einigen Minuten an einer Scheune vorbei geritten, lasst uns ein Stück zurück gehen!” Aufgrund des schmatzenden Geräusches seiner Stiefel in dem Matsch der Straße, konnte man vernehmen, dass er sich bereits in Bewegung gen Praios gesetzt hatte.

"Also nicht aufsitzen…", murmelte die Burgvögtin und nahm die Verfolgung auf. Sie ließ Ulfried das Tempo vorgeben, möglichst ohne es sich anmerken zu lassen. Nach einigen kräftezehrenden Minuten, die den beiden wie Stunden vorkamen, schälte sich die Scheune aus der Dunkelheit. Die Tür war ge- aber nicht verschlossen, sodass sie sich problemlos aber laut quietschend öffnen ließ. "Sollte sie jemandem gehören und dieser in der Nähe sein, wird er kommen. Vielleicht bringt er Essen mit.", scherzte Irminella. Im Inneren waren sie nun sicher vor dem Regen, der so unnachgiebig auf die beiden niedergeprasselt war und sie von Kopf bis Fuß durchnässt hatte. Die Schwärze der Dunkelheit hier drin konnte es dagegen problemlos mit der dort draußen aufnehmen. "Ich sehe rein gar nichts…Ihr?"

Langsam schälten sich die Umrisse einer Egge aus dem Dämmer, als sich die Augen der beiden an das spärliche Licht gewöhnten. Die hohen Deckenbalken unter dem Strohdach verschwanden in der Dunkelheit und gaben nur eine ungefähre Ahnung von dem großen, leeren Raum. Doch immerhin war die Scheune, deren Boden aus gestampftem Lehm bestand, trocken. Draußen frischte der Wind auf und Regen tropfte von den Halmen auf dem Dach und rann in einem dünnen Vorhang über das große Scheunentor.

“Hmmm, nicht viel.”, brummelte Ulfried und blieb dann eine Weile still, während er sich an einer der Wände langsam zu Boden gleiten ließ. “Ich denke, unser Aufbruch war überhastet.”, sprach er dann in auffallend neutralem Tonfall. “Natürlich ist eine Flucht immer verräterisch, aber bislang haben wir nichts gegen diese Wina in der Hand, ausser dass sie günstiges Schmiedewerk verkauft. Wäre ich an ihrer Stelle, ich würde schweigen.” 

Noch im Stehen nestelte Irminella an ihrem Hals herum, was sie dort tat, konnte man nicht genau erkennen. Als sie damit fertig war, glitzerte etwas in ihrer Hand, das kurze Zeit später in einer der beiden Gürteltaschen verschwand. Kurz danach klatschte ein Kleidungsstück, das offensichtlich mit Wasser getränkt gewesen sein musste, auf den Boden. "Verdam…", sie stockte und sprach das Wort nicht ganz auf. Sie beugte sich herab und hob das Kleidungstück auf, um es kurze Zeit später über der im Dämmer aufgetauchten Egge auszubreiten. "Na bitte", sagte sie, "ein nasser Mantel ist schwerer als man es für möglich hält."

Anschließend setzte sie sich Ulfried gegenüber auf den Boden, achtete dabei aber auf respektvollen Abstand. Den Rücken lehnte sie an eine leere Kiste, die wiederum durch die erwähnte Egge am Verrutschen gehindert wurde. Dann schickte sie sich an, auf Ulfrieds Äußerungen einzugehen.

"Ja, war sie. Wir sind schlecht vorbereitet. Dennoch glaube ich, dass wir die Sache hier zu einem guten Ende bringen können. Wina ist beteiligt, da bin ich mir sicher. Wie, weiß ich nicht. Wenn sie wirklich nur billigen Stahl verkauft, wieso legt sie ihre Geschäfte nicht offen wie der Zerfer? Sondern verschwindet in der Nacht bei strömendem Regen? Wenn man sie nicht bedroht hat - und das kann ich mir nicht vorstellen - sehe ich keinen Grund zur Flucht außer Schuldgefühle."

“Ja, das mag sein. Schuldgefühle oder…Angst.” Ulfried versuchte sich ein wenig bequemer hinzusetzen und dabei entfuhr ihm das ein oder andere Ächzen. “Angst ist ein starker Antrieb. Und wenn ein Mensch nicht von der Wahrhaftigkeit Praios durchdrungen ist, so können Ängste oft auch zu ganz unerklärlichen Handlungen führen. Wahrscheinlich hat diese Wina die Waffen aus der gleichen Quelle wie dieser andere Händler. Vielleicht ist es Hehlerware, vielleicht dämmert ihr das auch. Aber im Gegensatz zu ihm ist sie eine fahrende Händlerin und führt nicht detailliert Buch über ihre An- und Verkäufe. Sie kann ihre Unschuld also nicht cum securitate beweisen. Also bekommt sie es mit der Angst zu tun…”. Der junge Edle hatte mittlerweile eine Position gefunden, mit der er zufrieden schien. “Ihr solltet nicht unterschätzen, wie kurzsichtig das einfache Volk oft ist. Wir Edlen haben unsere Ehre, Praios dedit. Das niedere Volk hat diese nicht und kann sie folglich auch nicht verlieren, was eine Flucht trotz Unschuld erklären könnte.” Ein leises Gähnen schlich sich zwischen seinen Mundwinkeln hervor. “Morgen wissen wir mehr.”

Irminella hatte den Worten nickend gelauscht. Dann sagte sie nur: "Wie ich sagte, mehr als ein lahmes Bein." Dann lächelte sie warmherzig und machte es sich, soweit möglich, gemütlich.

Mit der hereingebrochenen Nacht schien sich auch der Nieselregen zu beruhigen und das leise Tropfen vom strohgedeckten Dach wurde nach und nach weniger.  Und so breitete schließlich der Herr Boron seinen dunklen Mantel über die beiden Jäger und holte sie heim in sein stilles Reich, machte die fehlenden Strohsäcke und Federdecken ebenso vergessen wie die Mühen der abendlichen Hatz und schenkte ihnen eine Nacht lang Ruhe und Frieden.

Der nächste Morgen

Ulfried streckte sich mit einem lauten Stöhnen, als ihn die Morgendämmerung langsam wach werden ließ. Er stütze sich auf seinen Händen ab und versucht sich aufzusetzen. Auf dem feuchten Lehm glitt seine Hand jedoch aus und er schlug unsanft mit dem Rücken auf dem Boden auf. “Ah! Phexver…!”, er verstummte hastig um seine Begleiterin nicht zu wecken, doch zu spät.

Irminella schreckte auf und brauchte einen Moment, bevor sich ihr Bewusstsein vollends aus Bishdariels Umarmung gelöst hatte. Nachdem ihr Geist schließlich nach wenigen Herzschlägen ebenfalls erwacht war, sprang sie auf, um Ulfried aufzuhelfen. Dabei lächelte sie. "Guten Morgen. Ich hoffe, Ihr konntet Euch auf diesem Untergrund ein wenig erholen." Erst jetzt streckt sie sich und schient nur mit Mühe einen großen Gähner unterdrücken zu können. So verzog sich lediglich ihr Mund und ihre Lippen zitterten ein wenig. Dann wischte sie sich sanft mit dem Handrücken den letzten Schlaf aus den Augen. "Das Frühstück wird ausfallen müssen, schätze ich."

Ulfried lächelte der älteren Vögtin etwas unbeholfen zu. “Guten Morgen, edle Dame. Habt Dank.” Mit knappen Handbewegungen versuchte er den Staub und den Schlamm von seiner Hose zu streifen. “So wie ich aussehe, wird man mir auch in einem anständigen Gasthof kein Frühstück geben wollen.” Danach nahm er seinen Gehstock von der Wand, an welcher dieser die Nacht über lehnte. “Aber vielleicht ist uns Phex ja hold und wir finden ein Gasthaus in der Nähe, welches auch einem Landstreicher wie mir ein Frühstück anbietet.” Er straffte sich und atmete tief durch. “Wollen wir?”

Der Boden war aufgeweicht und matschig, aber der Regen hatte kurzzeitig ausgesetzt, als die beiden erneut die Straße unter die Hufe ihrer Rösser brachten. Kaum ein Wassermaß später traf die schmale Straße auf die Reichsstraße II, die das Herz des Reiches mit den efferdwärtigen Provinzen verband.  Eine noch immer sichtbare Matschspur bog linkerhand ab, Richtung Gratenfels. Und wenige Zeit später, kaum ein halbes Dutzend Meilen, kam auch das erste Gasthaus in Sicht, wie sie alle dreißig Meilen an der Reichsstraße zu finden sein sollten.

"Euer Wohlgeboren, was meint Ihr? Lassen wir es liegen dies Gasthaus und halten weiter auf Gratenfels zu oder kehren wir ein für ein kurzes Bad und kleines Frühstück? Wenn es nach mir ginge, würde ich nach Gratenfels reiten. Die anderen mussten sicher auch irgendwann nächtigen und es ist noch recht früh am Morgen. Eventuell können wir dann doch noch am Unterfangen teilhaben!"

Ulfried zwang sich zu einem Lächeln, das im Widerspruch zu dem verkniffenen Blick stand, mit dem er Irminella entgegen blickte. “Ja sicher, die letzten Meilen werde ich noch schaffen. Sofern euer treues Ross mich so lange noch tragen mag!”. Er zuckte kurz zusammen und eine Röte zeigte sich trotz der Kälte in seinem Gesicht. “Ich…ich muss euch ebenfalls danken. Ich klammere mich wie ein Kleinkind an seiner Amme an euch fest und höre von euch dennoch kein Wort der Klage. Sicher habt ihr von meinem Stock schon blaue Flecken, die man auch in zwei Wochen noch sehen wird.”. Dann senkte er seinen Blick. “Eure Tapferkeit ist mir ein Vorbild und ich … und wir werden es bis nach Gratenfels schaffen!”

"Nun da wir auf der Reichsstraße sind, fällt Tama das Laufen deutlich leichter. Also ja, sie trägt uns nach Gratenfels! Nicht wahr, alte Dame?" Dabei tätschelte sie den Nacken des Tieres, das dabei ein Wiehern von sich gab, das, ob der 'Alten Dame' durchaus als formeller Protest gewertet werden durfte. Irminella musste lachen: "Du weißt doch, wie ich es meine.", schob sie deshalb liebevoll nach.

Dann legte sie wieder ihren Kopf leicht in den Nacken, wie sie es bislang immer getan hatte, wenn sie Ulfried ansprach: "Euer Wohlgeboren, es ist mir nach wie vor eine Freude und Ehre zugleich, Euch in diese Queste begleiten zu dürfen. Blaue Flecken sind vergänglich, nur von kurzer Dauer. Neu geknüpfte Bande und Freundschaften mögen die Jahre aber überdauern." Dann nahm sie ihren Kopf wieder nach vorne.

“Hmmm…”, entfuhr es dem jungen Edlen und er schien eine Weile über die Worte der Vögtin nachzudenken. Unversehen begann er danach langsam und bedacht zu sprechen, so als wägte er seine Worte genau ab: “Wisst ihr, hohe Dame, noch vor drei Tagen ritt ich nach Nakrashof und wusste nicht, was mich dort erwartet. Die ganzen edlen Herrschaften zu sehen, verursachte mir…hmmm…unwohlsein.”  Er räusperte sich kurz. “Verzeiht, ihr müsst wissen, dass ich erst vor gut zwei Götterläufen zum Edlen von Kaltenklamm vereidigt wurde. Recht…unverhofft.” Bei dem letzten Wort senke er seine Stimme merklich. “Ich wusste nicht, weswegen Oldebor Greifax nach mir schicken ließ. Und als ich diese Ansammlung von Edelleuten und Rittern sah, da verspürte ich einen Knoten in meiner Brust.”, hörbar atmete er aus. “Umso froher war ich, mit Ritter Fulco von Kranickteich ein bekanntes und geschätztes Gesicht unter den Anwesenden zu entdecken. Er war der Knappe meines Vaters und ich kenne ihn schon, seit ich denken kann. Und dann…”, Ulfried ließ seinen Blick umher schweifen und nickte dabei leicht, “geraten wir in solch ein Abenteuer und die hohen Damen und Herren geben mir das Gefühl, ich gehörte schon seit jeher zu ihrem erlauchten Kreise dazu. Als wäre ich schon immer dabei, auch wenn sie mich vor drei Tagen zum ersten Mal gesehen haben.” Ein tiefer Seufzer entfuhr ihm. “Das…nimmt eine Last von mir. Ich danke euch dafür.”.

"Als ich am Bankett in die Runde blickte, sah auch ich fast ausschließlich neue Gesichter. Auch meines muss den Anwesenden - wenn überhaupt - nur flüchtig bekannt gewesen sein. Und doch sind wir als Gemeinschaft durch Oldebors Auftrag zusammengeschmiedet worden. Wir alle können etwas dazu beitragen. Ihr und ich bringen den scharfen Verstand mit, während andere einen starken Schwertarm ihr Eigen nennen. Ich möchte hierbei keine der Eigenschaften einer anderen gegenüber als überlegen einstufen. Nur gemeinsam bringt man solche Unterfangen zu einem glücklichen Ende. Mittlerweile sind mir die Gesichter nicht mehr ganz fremd. Ich kenne die ein oder andere Eigenart der Anwesenden von anderen ihre Ziele und Träume. So weiß ich nun, dass Wolfmar eine Bürgermiliz ausbilden will, dass sich Krispinians und Fulcos Familien bald vereinen. Allein, dass sie Geschwister haben wusste ich bis gestern nicht. Ich will sagen: ich begreife die Fremdheit, die ich beim Bankett fühlte, als Chance. Als Chance neue Bande zu knüpfen." Sie machte einen Moment Pause, bevor sie weitersprach. "Verzeiht meine Neugier. Doch wenn Ihr sagt, Ihr kamt unverhofft in Eure Position... wie trug es sich zu? Natürlich müsst Ihr mir nicht antworten."

Die Straße schwand unter den Hufen des tapfernen Rosses, das im zunehmenden Morgenlicht auf der gepflasterten Reichsstraße zielstrebig in Richtung Gratenfels ausschritt.

Ulfried schwieg einen Moment, ehe er hörbar tief durchatmete und monoton zu sprechen begann: “Ich besuchte die Altenberger Rechtsschule in Gratenfels. So wie eigentlich alle Zweitgeborenen unserer Familie seit mindestens drei Generationen. Es war mein letztes Jahr. Ungefähr drei Götternamen vor meinem Abschluss.” Unruhig rutschte der junge Edle auf dem Pferd hin und her, als wolle er sich bequemer setzen. “Meine ältere Schwester, Elid, sie ist eine Ritterin…”, nach einer kurzen Pause fügte er hinzu: “...gewesen. Gemeinsam mit meinem Vater zog sie nach Tobrien, in die dunklen Lande.” Ulfried ließ seinen Blick über die graue, noch im Morgennebel liegende Landschaft neben der Reichsstraße streifen. “Beide kehrten nicht zurück.” Beiläufig wischte er sich den Regen aus dem Gesicht. “Dann war es an mir, nach Kaltenklamm zurückzukehren und als Familienoberhaupt zu dienen. Gäbe es in unserem Gut noch ein weiteres Adelshaus, wären diese wahrscheinlich belehnt worden, aber in Kaltenklamm gibt es nur uns, seit Jahrhunderten. Die Baronin nahm mir daher nur wenige Tage nach meiner Rückkehr aus Gratenfels den Lehenseid ab.” Er seufzte kurz. “Natürlich kenne ich die Eidesformel noch auswendig, aber ich kann mich nicht einmal mehr an ihr Gesicht erinnern. Diese Wochen und Tage sind in meiner Erinnerung irgendwie…verschwommen, wie hinter einem Schleier, versteht ihr?”. Dann schwieg er wieder eine Weile.

Irminella war eine ganze Weile still gewesen, bevor sie zur Antwort angehoben hatte:

"Es tut mir Leid, dass Ihr auf diesem Wege Euer Erbe viel zu frühzeitig antreten musstet. Meine Tochter fiel an der Testalschlaufe..." Es folgte eine weitere Pause, in der sich der Brustkorb Irminellas mehrmals stark hob und wieder senkte, was Ulfried in seiner Umklammerung deutlich spürte. Mit zu Beginn brüchiger Stimme, die die Burgvögtin mit einem Räuspern verstecken wollte, sprach sie dann weiter:

"Ich hoffe, Ihr habt es besser verarbeitet als ich." In ihrer Stimme klang so viel Bitterkeit und Trauer mit, dass es Ulfried nicht entgehen konnte, wie tief ihr Schmerz noch immer sitzen musste.

Ulfried schwieg ebenfalls einen Moment, ehe er in Tonfall bar jedweder Emotion entgegnete: “Ich verdränge es. Verarbeitet habe ich es noch nicht.” Dann, nach einem weiteren Augenblick der Stille fügte er hinzu: “Ich bedauere euren Verlust. Ganz aufrichtig!”. Die Träne, welche ihm die Wange herunter rann, konnte zum Glück niemand sehen.

"Düstere Erinnerungen, passend zum wolkenverhangenen Himmel…" Sie wischte sich ein paar Mal durch das Gesicht, Laute gab sie keine von sich. Dann räusperte sie sich erneut.

"Nun ja", sprach sie dann mit gefestigter Stimme weiter, "auch ich verdränge mehr, als dass ich verarbeite. Meine Waffe nach ihr zu benennen war einer meiner kläglichen Versuche, sie bei mir zu behalten." Nach einer Pause, in der sie mehrmals, kaum merklich, leicht den Kopf schüttelte fuhr sie fort:

"Borongefälliges Vergessen hat sich bislang nicht eingestellt. Wie auch? Die Schlachten sind noch sehr präsent, ein jeder führt sie im Munde. Auch hier. Unlängst sprach der Knappe Thimorn davon - und dass daraus Helden und Heldinnen hervorgingen. Doch ist es mir recht herzlich egal, ob meine Tochter als Heldin starb oder nicht. Sie ist tot. Ob sich um sie nun Mythen einer heldenhaften Tat ranken, wer weiß. Für mich als ihre Mutter blieb…bleibt…nur Schmerz zurück."

Sie atmete tief durch, was Ulfried sowohl vernahm, als auch spürte, da sich ihr Brustkorb stark hob und wieder senkte.

"Verzeiht mir, dass ich Euch mit solch düsteren Dingen belaste. Vermutlich das Wetter und die Umstände." Sie lachte ein wenig gekünstelt.

“Ihr müsst euch nicht entschuldigen. Nein, ganz und gar nicht.”. Ulfried schien nun nicht mehr ganz so verkrampft auf dem Pferd zu sitzen. “Jetzt da ich weiß, dass jeder von uns eine Last zu tragen hat, scheint mir meine mit einem Male nicht mehr ganz so schwer.”

Die Stimme der Burgvögtin war wieder fester geworden: "Ich bin überzeugt davon, dass wir alle etwas haben, woran wir schwer zu tragen haben. Doch gibt es so viel mehr, für dass es sich lohnt, diese Last zu schultern. Familie, Freunde, Kinder. In manchen Momenten ist es nur schwer sich daran zu erinnern."

Der Weg führte die beiden Reiter auf dem Rücken der kräftigen Stute entlang der Reichsstraße in Richtung Gratenfels. Je mehr der Vormittag fortschritt, um so deutlicher wurde das Knurren ihrer Mägen und erinnerte sie daran, dass nicht nur das Frühstück, sondern auch das gestrige Abendessen ausgefallen waren. Abhilfe versprach ein Gasthaus am Straßenrand - ein großes und gepflegtes Anwesen, über dessen Eingang das Wirtshausschild einen verwegen aussehenden schwarzen Keiler zeigte. Ein weiteres Schild neben der Tür versprach ‘heute Wildschweinwürste’.

"Ulfried, was meint Ihr? Sollen wir diese Gelegenheit beim Schopfe packen? Wenn wir in Gratenfels ankommen und unsere Mägen rebellieren während der Besprechung oder des Verhörs, nimmt uns doch keiner Ernst!" Sie lachte. "Ich hätte großen Hunger. Halten wir an?"

“Ja, sehr gerne.” Ulfried blickte an sich herab und musste lachen. “Vielleicht können wir hier dafür sorgen, dass wir nicht aussehen wie Landstreicher und man uns den Zutritt in die Stadt verwehrt.” Das Wirtshaus zum schwarzen Keiler

Auf einer Hügelkuppe neben der Straße begrüßte das gastfreie Haus die Reisenden. Aus den geöffneten Fenstern drang froher Feierlärm, und ein Durchgang zu einem Ummauerten Hof versprach Platz für die Rösser, denen ein voller Futtertrog gleichfalls wohltun würde.

Fulco drehte sich im Sattel zu seinen Gefährten um. “ Wir sollten eine Rast einlegen und etwas zu uns nehmen. Es ist keinem gedient, wenn wir uns und unsere Tiere bis zum Umfallen fordern, wir müssen für die weitere Aufgabe ja auch bei Kräften bleiben“ er tätschelte Dakota dabei den Hals. “Vielleicht haben wir auch Glück und Irminella und Ulfried stoßen wieder zu uns, das würde mich schon etwas beruhigen” Mit diesen Worten stieg er ab und band Dakota an. “Friss was mein Mädchen und ruh dich aus” sagte er leise zu seiner Stute. Dann drehte er sich zu seinen Gefährten um. “ Irgendjemand etwas gegen Wildschweinwürste einzuwenden? Und welche Getränke darf ich ordern? “ Er wartete auf die Antworten seiner Gefährten.  

Im Gegensatz zum gestrigen Tag war die Witterung etwas besser, Lysander Quintin hatte sich nicht direkt an die Spitze der Reitergruppe begeben, es war noch nie seine Sache, bei allem und immer der Erste sein zu müssen. Fulco ritt voraus, er war dann auch der Erste, der das Gasthaus erspähte. Im Schwarzen Keiler gab es eine passende Leckerei, zumindest versprach dies ein Schild, dass wohl dafür bestimmt war, Gäste anzulocken. Für was auch sonst!

Die Lage in den Hügeln gefiel Lysander, weshalb er sich einmal, immer noch auf dem Pferd befindlich, umschaute. "Ein schönes Plätzchen!", sagte er, ohne jemanden direkt anzusprechen, da vernahm er Fulcos Worte. Lysander drehte seinen Kopf in dessen Richtung und lächelte sachte. "Da stimme ich vollumfänglich mit Euch überein!" Damit stieg er routiniert und schwungvoll von seinem Hengst, und wendete sich kurz an sein Pferd Damian: "Und du machst auch Pause, die hast du dir wie immer verdient!", es wirkte wohl recht innig, er streichelte sein Pferd fast zärtlich am Hals. Als das getan war, schaute er zu Peranna, und hielt ihr - egal ob noch auf ihrem Friedenand, oder schon abgestiegen - die Zügel entgegen: "Ihr wisst ja, wie es geht, kümmert Euch um die Tiere, und dann folgt uns in den Keiler … in ‘s Gasthaus! Auch Ihr sollt Eure Pause bekommen!" Nun blickte er wieder zuerst zu Fulco und dann zu den Anderen. Alle wurden mit einem aufmunternden, aber knappen Lächeln bedacht, daß eher einem Schmunzeln glich: "Auf geht 's, mein Getränk such ich mir schon selbst aus, aber was ich essen werde, das weiss ich schon!" 

Erneut  huschte ein Grinsen durch durch sein Gesicht, dann, in irgendwie sonderbaren Gedanken an Schweinswürste, Irminella und Ulfried, betrat er als erster das Gasthaus, die Tür war schwer, und quietschte vernehmbar, als er sie öffnete. Ein verführerischer Essensduft lag in der Luft. “Ich glaube, hier sind wir richtig!”, drehte er kurz seinen Kopf und schaute über seine Schulter, in Richtung der Gefährten, er grinste noch einmal kurz und breit. Kurz darauf erreichte er den Tresen, wo er darauf hoffte, einen Wirtin oder auch eine Wirt zu erspähen. Eine kundige Thekenfachkraft würde es wohl auch tun! Den Schankraum hatte er zu diesem Zeitpunkt noch nicht überblickt, was er nun nachholte. ‘Am Ende sitzt unsere Zielperson Wina hier herum, und isst zu Mittag, … und wir vergessen vor lauter Schweinswürsten unseren Auftrag!’, eilte ein Gedanke durch Lysanders Kopf.

Fulco nickte in Richtung seiner Gefährten und folgte im Windschatten von Lysander in die Gaststube. Er wandte sich an die Theke “ Eine gute Portion der angepriesenen Schweinswürste und ein gut gekühlter Hopfen eures Bieres bitte”. Dann schaute er sich kurz im Schankraum um und hielt Ausschau, ob er Irminella und Ulfried entdeckte. Er schaute auch beiläufig, ob er Winna sah. Während er dies tat, ging er zügigen Schrittes zu einem Tisch, der groß genug für 6 war und ließ sich an ihm nieder.   

Gar nichts hatte Peranna gegen Wildschweinwürste einzuwenden.  Der Hohe Herr gab Peranna Damians Zügel noch auf ihrem Pferderücken. Sie stieg behände vom Schimmel ab, hielt in der Hand schlussendlich auch seine Zügel und verbeugte sich angemessen vor ihrem Vetter. Mit einem Schnalzen führte sie die Tiere, eigenwillig wie sie war und hüpfend, in die Ställe, was bei den beiden großen Hengsten eigentümlich und recht amüsant aussah, und ließ die Edelleute ihre Dinge tun nachdem sie der Etikette genüge getan hatte. Sie war ihrerseits gespannt, ob sie die Burgvögtin und den Edlen von Argenklamm hier wieder treffen würden, bei Wildschweinwürsten, und was sie über Wina erzählen konnten oder auch nicht.  Wie immer versorgte die Eisenfelsknappin erst den Rappen Damian nach den Vorlieben ihres Dienstherren und dann ihren eigenen Schimmel Friedenand mit dem sie ein wenig schmuste. Sie versorgte beide Tiere mit großem Einfühlungsvermögen. Das Gepäck und ihre Ausrüstung stellte die Knappin zunächst in das saubere Stroh. Peranna liebte den Stallgeruch und die Wärme der Tierleiber nur allzusehr. Neugierig warf sie nun, da sie Zeit fand, einen Blick auf die anderen Tiere in den Stallboxen. Stand hier Tama? Diese Stute erkannte sie mittlerweile sofort. Sie gehörte Irminella von Eberbach, der Vögtin von Gräflich Bösalbentrutz. Ganz gewiss. Peranna war sich sicher. Sie ließ ihre bosparanobraunen Blicke schweifen. Dabei zwirbelte sie sich eine strohblonde Haarsträhne um ihren jungen Finger.

Das Tor des Stalles öffnete sich knarrend und tatsächlich kam die Burgvögtin herein. In der rechten Hand hielt sie eine Bürste. Sie ging geradewegs auf Tama zu, wobei sie sprach: "So meine Dame. Ich wusste, sie würden eine Bürste haben! Bei dem übereilten Aufbruch habe ich daran natürlich auch nicht gedacht." Sie lachte gelöst. Sie nahm von ihrer Umgebung anscheinend keine Notiz. So fielen ihr weder die mehreren neuen Pferde auf, noch Peranna, wie sie da so Haarsträhne zwirbelnd im Raum stand. "Ich muss sagen, meine Liebe, das Gespräch mit dem jungen von Argenklamm hat richtig gut getan." Sie kümmerte sich liebevoll um ihr Pferd, hatte nur Augen für das Tier. "Die Wildschweinwurst läuft mir ja nicht davon, nicht wahr?"

Um sich selbst hatte sie sich am letzten Tag augenscheinlich nicht wirklich kümmern können. Ihre Kleidung war schmutzig, teilweise noch immer nass und ihre Haare waren nur notdürftig hochgesteckt - von ihrem sonst so ansehnlich geflochtenen Haar war sie weit entfernt. Selbst in ihr Gesicht hatten die Hufschläge Tamas auf den matschigen Untergrund feine Sprenkel gezaubert. Und doch schien sie zufrieden. 

Da bemerkte Peranna die beiden, die Vögtin von Gräflich Bösalbentrutz sowie Tama, die Stute. Peranna lächelte ein Fradriklächeln, verabschiedete sich von Friedenand, nahm die wichtige Habe mit sich, ihre eigene und die des Hohen Herren Lysanders, und verließ die Pferdebox mit einem Knarren der Türe, das sehr gut im Stall hörbar war. Die Holztür quietschte nämlich herzergreifend.

Irminella wurde durch das Quietschen einer Tür aus ihren Gedanken gerissen. Doch noch immer lächelte sie, als sie sich dem Geräusch zuwandte. "Wir sind wohl nicht allein, Tama. Sehen wir mal…", sagte sie, während sie die Augen ein wenig zusammenkniff. "Ach! Peranna Sabea von Graupen! Welch schöne Überraschung. Ich dachte, Ihr und die anderen wären längst über alle Berge." Sie lachte und ging zum Graupenmädchen herüber. "Hat die Hohen Herren auch die Lust auf Wildschweinwürstchen gepackt?" Das herzliche Lächeln war ihr anscheinend ins Gesicht gemeißelt. Irgendetwas hatte sie scheinbar ein wenig… aufgelockert.

Peranna lief mirellenrot an, zeigte ihre Hasenzähnchen und verbeugte sich anständig vor der Burgvögtin, was im Gegensatz zum Quietschen der Tür adrett wirkte. Als sie sich traute ihr in die klugen blauen Augen zu sehen, erkannte sie darin Zwanglosigkeit, ja sogar sowas wie eine familiäre Lockerheit. Einiges konnte passiert sein. Unsicher zwirbelte sich die Knappin eine Haarsträhne zurecht, bevor sie sich ein Herz fasste, sie anszusprechen. Dazu nannte sie die Burgvögtin wie stets bei ihrem höheren Titel: “Euer Wohlgeboren, ich bin erfreut Euch und Tama wohlauf zu sehen. Ich hoffe, Euer Wohlgeboren von Argenklamm geht es ebenfalls gut? Die edlen Herrschaften sind alle zusammen hier, Meister Herrenfels ebenfalls.”, berichte Peranna, die bei dem Gedanken an die Wildschweinwürstchen und den dicken Meister Herrenfels ihre Lachgrübchen offenbarte, aber nichts Weiteres dazu sagte. Sie erfreute sich der Tatsache, dass die Mitstreiter wieder zusammengefunden hatten. Die Zwölfe hatten gut auf sie aufgepasst, glaubte das Graupenmädchen.

"Wundervoll. Ja, Seiner Wohlgeboren geht es gut. Der Ritt war natürlich recht anstrengend. Für Reiter und Ross gleichermaßen und die Unterkunft hätte etwas angenehmer sein dürfen, aber bei einer Verfolgungsjagd darf man vermutlich nicht viel Bequemlichkeit erwarten, nicht wahr?" Sie lachte wieder und begann sich den gröbsten Schmutz aus Haar, Gesicht und Kleidung zu wischen respektive zu klopfen. "Wie ist Eure Gesellschaft denn untergekommen? Oh, falls Ihr Verbindlichkeiten habt, möchte ich Euch Eure Aufmerksamkeit im Übrigen nicht über Gebühr strapazieren." Ihrem Lächeln zufolge meinte sie das Gesagte ernst.

Peranna trippelte tatsächlich ungeduldig von einem Bein aufs andere. Sie antwortete Irminella von Eberbach aber höflich, für diese Zeit hörte sie auch fast auf mit dem Gezappel, denn so viel Zeit musste der Etikette halber sein: “Ihr mögt sicher recht haben, Euer Wohlgeboren. Eure Tama ist eine herausragende Stute. Unsere Zuflucht ward ein Bauernhof nahe Gratenfels. Wir nahmen einen Nebenpfad hin zu der nächstbesten Siedlung.”, erzählte sie in aller Kürze. Peranna schien es eilig zu haben. Verkniffen sah sie die Burvögtin an: “Der Hohe Herr erwartet mich, Euer Wohlgeboren.”, sprach die junge Löwin, die schien als sei sie auf dem Sprung.

"Ich will Euch nicht aufhalten! Ich werde Lysander gleich um Verzeihung bitten für Euer Zuspätkommen." Noch immer hatte die Burgvögtin diese entspannte Haltung und Mimik. "Ich kümmere mich noch kurz um das alte Mädchen dahinten und komme dann ebenfalls in das Gasthaus. Ich habe wirklich Hunger! Ihr seid entlassen, Löwenjunges.", sagte sie mit einem Augenzwinkern und wandte sich dann wieder ihrem Pferd zu.

Vegnügt griff Peranna nach ihrem Gepäck und eilte sich in das Gasthaus.

Rhodan erhob keine Widerrede. Das Wirtshaus zum Schwarzen Keiler kam tatsächlich wie gerufen. Der füllige Bauch des Händlers rumorte mittlerweile weithin hörbar. Er selbst konnte, wenn er musste, auch längere Zeit darben oder verzichten, aber… wenn es nicht unbedingt sein musste… Der Rosenhainer folgte also den Rittersleut in die Gaststube des traditionsreichen Gasthauses. Vielleicht hatte man hier etwas von dieser schwierigen jungen Dame gehört, die sie verfolgten. Bei PHEx, warum musste immer er an diese langwierigen, weitschweifigen, insgesamt unnötigen Aufgaben geraten? Er hätte sich doch an einer Börse verdingen sollen - da konnte man auch gutes Gold machen, nur so viel einfacher und bequemlicher!

Zumindest aber erwies sich das Gasthaus als seinem Namen würdig und ein traviagefälliger Ort, dessen Wirtin sich auf die Kochkunst wohl verstand. Und darauf, wie man wirklich gutes Geld verdiente - besah man sich die Lage an der Reichsstraße II und den idealen Abstand zu Gratenfels, der garantierte, dass ein Großteil der Reisenden eine knappe Tagesreise vor oder nach Erreichen der Stadt (für Fußgänger oder Karren gerechnete) eine Rast ins Auge fasste. An eine Frau, auf die Winas Beschreibung passte, konnte sich die Wirtin gut erinnern - die hatte gestern ‘schnell noch’ einen Beutel Proviant gekauft und war dann ‘wie eine Wilde’ in Richtung Gratenfels weitergeritten - sie habe es sehr eilig, hatte sie gesagt.

“Bei PHEx, Euch sei gedankt”, lachte der dicke Mann heiter. Endlich ein Strohhalm.

Mittlerweile hatte es auch Lysander an den Tisch geschafft, zuvor hatte er natürlich ebenfalls etwas geordert, jedoch nicht nur für sich, sondern auch für Peranna, sie sollte ja bei Kräften bleiben! Da waren Schweinswürste genau das Richtige! Und Wasser! Die Beilage zum Mahl hatte er der Wirtin überlassen, “Überrascht mich!”, hatte er noch zu ihr gesagt. So wie es im Wirtshaus duftete, war es sich sicher, daß hier wohl alles schmecken musste! Am Tisch verhielt er sich dann für einen Moment sehr still, er überblickte erneut den Schankraum, während er über die Worte der Wirtin nachdachte.

Als Irminella Tama zu ihrer beider Zufriedenheit und ausreichendem Maße für die zurückliegenden Anstrengungen und Unannehmlichkeiten entschädigt hatte - viel Futter, nette Worte und Streicheleinheiten waren notwendig gewesen -, betrat die Burgvögtin das Wirtshaus. Sie betrat es mit einem Schmunzeln, denn sie musste erneut an die Worte Ulfrieds denken, der sie so ungeniert und doch vollkommen richtig als 'mit Landstreichern zu verwechseln' beschrieben hatte. Ihr Grinsen wurde etwas breiter, als sie die anderen sah. Natürlich hatte Peranna die Überraschung vorweggenommen, dennoch freute sie sich sichtlich über den Anblick der anderen. Und so gesellte sie sich zu ihnen, nicht ohne zuvor die draußen angepriesenen Würstchen und einen ordentlichen Schluck Wein bestellt zu haben - und eine Karaffe Wasser, denn eine Dame weiß, dass Alkohol und ein leerer Magen eine unheilsschwangere Liaison bilden!

"Einen guten Tag die Herrschaften. Verzeiht meinen Aufzug, doch der letzte Tag war nicht gerade gnädig mit mir. Darf ich?" Sie deutete auf einen freien Platz am Tisch der Hohen Herren.

Noch in Gedanken, vernahm Lysander Quintin die Worte von Irminella, er schaute sie direkt an,  “ Nur zu, nur  zu, setzt Euch zu uns!”, er war freundlich und entspannt wie eigentlich fast immer.

Ulfried ließ der Burgvögtin den Vortritt. Auch er hatte sich vor dem Betreten der Gaststube nur notdürftig zurechtgemacht. Die Schlammflecken auf seiner Hose waren kaum zu übersehen, auch seine dunkelbraunen Locken hingen in klebrigen Strähnen von seinem Kopf herab bis in sein Gesicht. Als er die anderen Mitstreiter sah, grinste er beinahe schon schelmisch. An Fulco gewandt sagte er: “Wie mir scheint, kommt man im Hellen doch schneller voran als bei Dunkelheit.”, und nach einem prüfenden Blick auf die Beinkleider der Anwesenden fügte er hinzu: “...und zudem auch nicht weniger reinlich.”.

Die Aussage Ulfrieds ließ Lysander breit grinsen, diese Art von  Humor gefiel ihm!

Fulco musste auf der Bemerkung des jungen Mannes schmunzeln. Er schaute Ulfried an und lachte in seine Richtung “ Da hast du wohl Recht, richtig gut sieht fast keiner von uns mehr aus. Setzt Euch und stärkt euch. “ In die letzte Bemerkung schloß er Irminella mit ein. “ Wir müssen schauen, wie wir weiter vorgehen wollen” Er nahm einen deftigen Schluck aus seinem Humpen. “ Das tut gut “ Er wandte sich erneut an Ulfried und Irminella “ Ist es euch denn  soweit gut gegangen, ich freue mich sehr euch so schnell wieder zu sehen” 

Rhodan blinzelte zunächst überrascht und starrte Ulfried einen langgezogenen Moment an. Dann brach er in schallendes Gelächter aus. Dieser Mann hatte einen schwarzen, treffenden Humor. Das gefiel dem dicken Händler.


Ulfried nahm das Angebot des Ritters dankend an und nahm an einem der freien Hocker Platz. Als er sich, auf die Tischkante stützend, setzte, verzog er kurz die Mundwinkel, um gleich danach wieder ein gut gelauntes Lächeln zur Schau zu stellen. “Habt Dank.” Dann griff er nach einem Krug und direkt danach einen kleinen Kanten Brot. Nach einem ersten Schluck und einem kleinen aber herzhaften Biss, sprudelte es förmlich aus ihm heraus. “Es war zwar schon stockfinster, aber ich konnte mich an eine kleine Kate erinnern, die wir kurz zuvor passiert hatten. Diese stellte sich als Scheune heraus, die zu unserem Glück leer und unverschlossen gewesen ist. Bequem war die Nacht nicht, aber immerhin lagen wir mehr oder weniger im trockenen. Mit Praios’ ersten Strahlen sind wir dann wieder aufgebrochen. Aber ganz ehrlich, meine Glieder sind noch immer klamm. Habt ihr schon eine Spur finden können?” Erwartungsvoll blickte er in die Runde.

“Wir sind der jungen Kollegin bis hierher gefolgt. Ich glaube, sie ist weiter Richtung Stadt geritten - aber wohin dort?”, brummte Rhodan

“Ich habe gehört, sie käme aus der Grafschaft Albenhus. Vermutlich wird sie sich hinter Gratenfels gen Praios wenden. Das erfahren wir aber sicher am Stadttor.” Der junge von Argenklamm runzelte dann die Stirn. “Aber ja, ihr habt Recht. Wenn Sie sich in der Stadt versteckt hält, könnte sich die Suche aufwändiger gestalten.” 

Irminella hatte sich nach der Einladung Fulcos dankend gesetzt und anschließend der Unterhaltung gelauscht.

"Weiß denn jemand, woher genau sie stammt?" Als sie das sagte, blickte sie Ulfried an. "Seine Wohlgeboren hat mich auf etwas aufmerksam gemacht. Eventuell flieht die Dame aus schierer Angst. Wenn dies zutrifft, sucht sie Sicherheit im Schutz des ihr Bekannten. In ihrem Zuhause, ihrem Elternhaus oder bei einem guten Freund oder gar Geliebten. Vielleicht reitet sie aber auch zu ihrem potentiellen Handelspartner, um ihm panisch zu berichten, dass jetzt alles auffliegt. So oder so brauchen wir mehr Informationen über die Dame, wenn wir nicht aufs gerade Wohl nach der Nadel im gratenfelser Heuhaufen suchen wollen. Vielleicht kennt man sie hier, sie ist sicherlich einmal hier untergekommen."

Rhodan gab wider, was die Schankwirtin ihm berichtet hatte. “Wenn sie nach Gratenfels Stadt geritten ist, dann werde ich sie finden. Wenn sie allerdings zuvor in die Hecken abgebogen ist…”

"In Ordnung, danke. Dann stärken wir uns und verlieren ansonsten nicht weiter kostbare Zeit. Wenn die Dame nur kurz hier verweilte, sollten wir es ihr gleich tun. Einen guten Appetit."

Fulco nickte bestätigend in die Runde “ Wir sollten nach der Mahlzeit aufbrechen. Ansonsten werden wird der Frau nicht mehr habhaft. Guten Hunger” Er lächelte in die Runde und biss herzhaft in die verführerisch duftende Wurst, nahm einen Schluck des Bieres. Beides war ausgesprochen schmackhaft.   


Doch Phex war mit der Gruppe: Nach einer Befragung der Wachen am Gratenfelser Stadttor wurde offenbar, dass Wina heute morgen gleich nach Toröffnung hindurchgekommen war - und kein Wassermaß später die Stadt wieder am gegenüberliegenden Stadttor verlassen hatte. So war es also wieder die Reichsstraße, die unter den Hufen der Reittiere dahinschwand - und die große Frage, die blieb: wie weiter? Genaues Befragen brachte die Reisenden schließlich zu einer kleinen Straße, die am Anfang der Baron Kranick gen Firun abbog - und ins Gut Gut Viererlen und von da aus tiefer in die Baronie Kranick führen würde.

Dem Rosenhainer wurde bei dem kleinen Sträßchen mulmig. Das letzte Mal, als er einem “einfachen” Auftrag Folge geleistet und eine “nur kurze Reise” unternommen hatte, musste er durch ein finsteres Gewölbe zwergischen Ursprungs kriechen und durch Feuer waten. Oder so in der Art. Irgendwie hatte diese Begebenheit schon wieder Qualitäten, in diese Richtung auszuarten. “Was muss das muss”, meinte er achselzuckend zu den Gefährten. “Hatte jemand in letzter Zeit in Kranick zu tun?”, fragte er locker in die Runde.

Fulco hob eine Augenbraue leicht an ’Als ob der raffinierte Hund nicht wüsste wo wer herkommt ’ Er schmunzelte kurz und wandte sich mit einem lächeln in Rhodans Richtung  “ Nun, mein Lehen liegt in der Baronie, direkt neben den Landen der Baronin. Krispinian und Rondragon haben ihre Lehen ebenfalls dort. Gut Viererlen liegt am Rande der Baronie Richtung Rahja/Praios. Das Lehen wird seit ungefähr 4 Götterläufen von der Edlen Roana und ihrem Gatten Landelin verwaltet. Der alte Edle Efferin und sein ursprünglicher Erbe Rondradan sind beim Zug gegen Haffax zu Boron gerufen worden, somit ging das Lehen an seine Tochter. Efferin war der Schwertvater von Landelin. tragische Geschichte, ich hab damals den Haufen der Baronie der Anführen dürfen.” Hier verdüsterte sich das Gesicht von Fulco kurz, er schüttelte kurz den Kopf. Er schloss kurz die Augen, bevor er weiter sprach  “Nun wie dem auch sei, Landelin ist mir vom Feldzug bekannt, ein netter Bursche. Seine Gattin ist der Gebenden sehr nah, sie ist eine ausgezeichnete Heilkundige und bei ihren Untertanen sehr beliebt. Also ja, ich war des öfteren in der Baronie zugangen” Hier lächelte er wieder “ Was wollt ihr genau wissen?”

Rhodan hob in zaghafter Geste die Hände, um den Redefluss seines Begleiters zu mäßigen. Natürlich wusste er das…aber ein wenig Geschwätz schadete doch nie. “Am Liebsten, wo es hier langgeht. Also damit meine ich, ob uns hier ein langer, dunkler Stollen oder vergleichbar unheimliche Peripherie erwartet.” Der Händler sprach so, als würde Fulco schon wissen, welche unangenehmen Risiken hier warten konnten.    

Ulfried zog die Augenbrauen zusammen, als die Gruppe kurz an der Abzweigung anhielt. Er hatte mit einigem gerechnet, jedoch nicht damit, dass diese Wina nach Kranick flüchten würde. Er verwarf daher den Gedanken, dass sie einfach nur Angst bekommen hätte, denn was auch immer sie nun gen Firun trieb, sie wollte etwas verbergen. Ulfried kannte zwar das Lehen des Edlen von Kranickteich, aber darüber hinaus war die Baronie für ihn ebenso wild und wenig erschlossen wie Schnakensee. Kurz: Ein hervorragender Ort, um nicht gefunden zu werden. “Haben wir denn überhaupt die Möglichkeit, die Flüchtige in der Wildnis aufzuspüren?”, mit sorgenvoller Miene blickte er in die Runde.

Irminella nickte bei den Worten des jungen von Argenklamm. "Ich glaube, Ihr habt Recht. Meine Fähigkeiten mich in der Natur vernünftig durchzuschlagen halten sich durchaus in Grenzen. Auch wenn mein Aufzug etwas anderes behauptet." Sie lächelte und hob entschuldigend die Hände.

Fulco nickte den beiden zu. “Da habt ihr recht, wir haben viel Waldbestand in der Baronie. Wenn sie sich dort versteckt hält, wird es schwierig. Allerdings werden wir bestimmt Antworten bekommen, wenn wir die richtigen Fragen stellen. Ich denke, das die Leute sie nicht gegenüber unserer Gruppe decken werden” Hier schaute Fulco entschlossen und zuversichtlich zu seinen Gefährten.

“Nein, da braucht Ihr Euch keine Sorgen zu machen. Wenn sie jemand gesehen hat, dann bringen wir den zum reden. Gefährlich ist es nur an Orten, wo jeder jeden sieht und niemand jemanden gesehen haben will. Aber da sind wir ja erfreulich einfach weitergekommen”, lachte Rhodan.

Die Knappin Peranna, die als Letzte an den Wirtshaustisch hinzustieß, mit den guten Sachen des Hohen Herren Lysander sowie ihren eigenen in den Händen (aus beiden erklomm eine Kakophonie aus Seifendüften bevor sie sie tauglich verstaute),  schwieg höflich und hörte für eine lange Zeit bloß aufmerksam zu. Auch sie aß und trank versetzt zu den hohen Herrschaften und ein wenig verspätet, denn sie kümmerte sich ja um die Ausrüstung und hatte so ihre Aufgaben.  Nebenher war noch Zeit dafür große bosparanobraune Augen zu machen, die die Erzählenden trafen. Besonders den Edlen von Argenklamm, dem Edlen mit den Locken, die gerade an ihm klebten, der nun eine gar spannende Frage stellte. Immerhin hatte der schwermütige Adelige normalerweise schönes Haar, was für Peranna etwas war, wodurch Personen bei ihr in Rang und Namen anscheinend stiegen. Dass sie nun an ihm klebten, führte im Umkehrschluss jedoch nicht dazu, dass er weniger Respekt genoss. Es war nur so, dass sie die Menschen besonders ernst nahm, wenn sie ordentliche Haare hatten. Peranna mochte schöne Haare und so schaute sie alle Häupter gedanklich durch: ‘Angeklatscht, annehmbar, annehmbar…’ und bildete sich eine tagesaktuelle Meinung. Dann ging es auch schon weiter mit der Reise zu Pferd…

Währenddessen ritt die Gruppe weiter, hinein nach Gut Viererlen, auf dem schmalen Pfad entlang, der nun nur noch einem Karren Platz bot und deutlich holpriger und unebener gestaltet war als die Straße, auf der sie noch ein Wassermaß zuvor unterwegs gewesen waren. Ein Kiepenkerl wusste zu berichten, dass ein ‘blondes junges Weibsbild, wirklich hübsch anzusehen!’ ‘irgendwann heut’ vormittag, s’muss bei Moorsend gewesen sein’ an ihm vorbeigeritten war. “Richtung Grafenfurt hoch.” erläuterte er hilfsbereit und ordnete seine nach adrett geflochtenen feuerroten Bart, der auch einem Angroscho wohl zur Ehre gereicht hätte.

"Phex ist mit uns, wie er hoffentlich auch mit Euch ist, guter Mann. Habt Dank." Weiters hielt sich die Burgvögtin aber auch nicht mit dem fahrenden Händler auf, denn sie hatten das Ziel klarer vor Augen denn je…

Peranna schätzte von Friedenands Rücken aus ab wie weit weg es wohl noch von hier bis nach Moorsend war: ‘Vier bis fünf Meilen haben wir noch vor uns, wenn die Götter uns hold sind.’ Mit ihrem Wissen drang sie sich nicht auf. Sie hatte es einfach. Die Eisensteinknappin ritt weiter und ward stets verlässlich an der Seite ihres Hohen Herren.

‘Mal schauen, ob sie recht behält!”, dachte sich Lysander.

Kranick

Ein leichter Frühlingsregen wehte den Reitern ins Gesicht, während sie dem Pfad folgten, der sie durch sanftes Hügelland führte. Rechterhand fiel das Land ab und wurde sumpfiger, ganze Riedwälder zogen sich in die Weiden und Erlen und Weiden säumten bald den Pfad. Linkerhand wuchsen Hügelketten, die sich bis zum Horizont erstreckten, an dem, verflossen im Grau, sich schon die ersten Gipfel des Vorderkosch erahnen ließen. Schließlich erreichte die Gruppe Moorsend, einen kleinen, birkenumstandenen Weiler aus Holzhütten. Der Boden schwankte unter den Hufen der Pferde, deutlicher Hinweis, dass das namensgebende Moor nicht weit war. Auch hier erinnerte man sich der blonden Reiterin, die im Gasthaus des Ortes einen Happen zu essen erstanden hatte, dann aber, ohne Hast, doch auch ohne Säumen, weiter die Straße lang, gen Grafenfurt zu, unterwegs gewesen war. Inzwischen war der Nachmittag ins Land gekommen und hatte weitere Regenschleier mit sich gebracht. Am Abend erreichte die Gruppe Grafenfurt am Tommel, wo sich die Straße gabelte. Ein Pfad führte weiter hinein nach Gut Viererlen, der andere über den Fluss nach Aelgarsfels durch die Furt, die nun, im Frühling zur Schneeschmelze, längst nicht mehr so einladend aussah, wie sie die Kranicker vom Hochsommer in Erinnerung hatten. Doch über den Fluss nach Iriansmühl, so berichteten die Dörfler, war die blonde Händlerin gereist. Das Wasser war braun vom mitgerissenen Lehm und Schotter und eisig kalt, und würde den Rössern bis fast an die Brust reichen. Allerdings besaß Grafenfurt ein wohlfeiles Gasthaus, das Obdach für die Nacht bieten würde. Doch auch Iriansmühl auf der anderen Flussseite wartete mit einer Herberge auf.

Die Burgvögtin blickte auf das Wasser und pfiff durch die Zähne. "Angenehm wird das nicht. Doch so frisch wie gerade war die Spur  nie? Was meint ihr? Wagen wir den Ritt? Man weiß nicht, wie es morgen aussieht, wenn es weiterregnet! Meine Stimme für die Verfolgung noch heute."

Sie löste den Blick vom Wasser und blickte in die Runde.

Ulfried, welcher auf dem Pferd hinter der Vögtin saß und sich nach den vielen Stunden des gemeinsamen Ritts, die ihm Sicherheit gaben, kaum noch an ihr festklammern musste, ließ seinen Blick über die Begleiter schweifen. “Nach dem ganzen Regen können wir ohnehin kaum noch nasser werden. Ich pflichte euch bei, morgen könnte die Tommel noch höher tragen.” Dann lehnte er sich weit nach vorne, sodass seine Lippen beinahe das Ohr der Vögtin berührten und er flüsterte leise: “Falls es euch beruhigt: ich kann schwimmen.”

Während die Anderen miteinander sprachen, betrachtete Lysander Quintin den angeschwollenen Fluß, "Ich stimme Euch ebenfalls zu, Irminella!", beteiligte er sich schließlich wieder, dabei schaute er zuerst die Burgvögtin an, um dann in die Runde zu blicken. "Wir sollten den Fluß queren, und zusehen, daß wir der jungen Dame auf den Pelz rücken!" Er musste plötzlich schmunzeln, irgendwie kam ihm die Ansage mit einem Mal ein wenig schlüpfrig vor, von einem Kommentar sah er jedoch ab. 

"Wie sieht es aus, wollen wir?" Es folgte eine kurze Pause, da fiel ihm noch etwas ein: "Trennen sollten wir uns jedoch nicht noch einmal!" Nur einen Augenblick später sprach er Peranna an: "Ach so, was Euch betrifft, wie sieht es denn mit Euren Schwimmkünsten aus, muss ich Euch hinübergeleiten?", grinste er sie verschmitzt an, ein bisschen Anstacheln hatte noch keinem geschadet!

Wetteifernd blickte der eigenwillige Graupennachwuchs ihren Hohen Herren und Vettern unter ihrer Umhangkapuze hervor an als sie überzeugt von sich sprach:  “Nein, das braucht Ihr nicht. In meinen Adern fließen Wolfs- und Schafsbach! Eure Knappin schwimmt gut, Hoher Herr. Und reitet noch viel besser…” Damit trieb sie Friedenand tatkräftig weiter. So stolz und stur wie sie ihren Schimmel ritt, wollte Peranna weiterreisen und wohl nicht rasten. Der Eisensteiner Riese machte seine Arbeit ebenfalls gut. Er war ein widerstandsfähiges, lernwilliges Tier, das sich mit Peranna gemeinsam gut machte.

"Dann bin ich ja beruhigt!", konnte die junge Knappin Lysanders Antwort vernehmen, er lächelte freundlich in Richtung seiner Base. Und, ehrlich gesagt, er wusste wirklich nichts über ihre Schwimmkünste, woher auch? Danach gefragt hatte er sie, bis auf den heutigen Tag, noch nie. Daß sie reiten konnte, das wusste er natürlich, es war ja schließlich nicht zu übersehen! Selbst ein Blinder hätte erkannt, dass Peranna auf dem Rücken ihres Pferdes eine gute Figur machte. 

Eines sollte vielleicht noch erwähnt werden: Natürlich war dem langen Blonden Lysander Quintin bewusst, dass es nicht ungefährlich war, die Furt bei diesem Wasserstand zu queren, andererseits war er kein ängstlicher Mensch, der sich vor solchen Herausforderungen fürchtete. Und genau dies wusste er von dem ein oder anderen Mitstreiter nicht so genau, also wandte er sich wieder an die Gruppe, er klang zuversichtlich und selbstbewusst, gleichzeitig sollte er auf die Gruppe furchtlos unbeeindruckt und irgendwie auch recht entspannt wirken. "Sind denn nun alle damit einverstanden?"

Peranna grinste ihr Fradrikgrinsen und entblößte dabei ihre Hasenzähnchen. Aufmerksam sah sie sich nach den Hohen Herrschaften um, die soeben durch Lysander Quintin von Eisenfels befragt wurden.

Auch Irminella blickte umher, hauptsächlich zu Fulco und Rhodan. Alle anderen hatten ihre Meinung ja bereits kundgetan.

„Wir müssen unbedingt die Pferde über die Furt bringen. Ohne sie sind wir chancenlos. Haben wir genug Seil, um sie aneinanderzubinden?“ Rhodan prüfte das Wasser. Floss der Fluss schnell? Wie viel Gefahr drohte von dem Wasser? Das würde sicherlich nicht gemütlich werden. Dem Händler graute es vor der Schwimmeinlage.

Fulco nickte aufmunternd in die Richtung seiner Gefährten “Dann lasst uns keine weitere Zeit verlieren. Eure Vermutungen könnten richtig sein. Morgen kann es noch schlechter für uns stehen mit dem Gewässer”

Mit etwas Glück würden die Pferde es schaffen, ohne dass sie oder die Reiter schwimmen mussten - aber was sich genau unter der braunen, rasch fließenden Masse verbarg, blieb ein Rätsel. Das sich löste, als die Reiter sich schließlich aufmachten, ihren Mut und Göttervertrauen zusammennahmen und am Abend, als die Schatten schon lang waren und die Sonne tief stand, fast verborgen hinter den Wolken, ihre Rosse in die unübersichtlichen Fluten lenkten. Die schlammbraune Flüssigkeit umspülte die Sprungelenke ihrer Reittiere, die misstrauisch und höchst vorsichtig Schritt um Schritt in das eisige, dubiose Wasser tasteten.

Voller Göttervertrauen lenkte Peranna Friedenand in die Furt. Hier und dort hielt sie sich nicht ganz fest und elegant im Sattel, die Beine wurden nass, doch am Ende gelangte sie unfallfrei, ohne ihre Schwimmkünste unter Beweis stellen zu müssen, auf die andere Seite. Ruhe, Konzentration und dem ein oder anderen stillen Stoßgebet sei Dank. Der Schimmel hatte das gut gemacht. Peranna lobte ihn.

Der dicke Händler scheute sich vor der Brühe und hoffte, dass sein Pferd ruhig genug bleiben würde, Schritt für Schritt durch die Furt zu machen. Es tastete sich zunächst vorsichtig in das Wasser hinein. Schritt für Schritt entdeckte es den Untergrund, fand Halt und setzte den Ritt fort. Obwohl die Strömung kräftig am Pferd und der Flanke des Reiters zerrte, kamen sie voran. Rhodan meinte schon, dass die Gefahr vorübergezogen sei, als an der Böschung der anderen Flussseite sein Pferd ausglitt und scheute. Während sich das Tier aus dem Wasser retten konnte, landete er mit dem Gesicht voraus im Morast, ein schockiertes „OH“ ausstoßend. Das kalte Wasser spülte den Dreck schnell weg, brachte ihn aber zum Blubbern und Luftschnappen. Mit Müh und Not kämpfte er sich aus der Brühe und robbte an Land. Seine teure Kleidung war von oben bis unten mit Matsch besudelt und seine blonden Haare hingen ihm klatschnass ins Gesicht. Er machte einen erbärmlichen Eindruck. Doch statt sich über sein Schicksal zu beklagen, brach der Rosenhainer in schallendes Gelächter aus. „Bei PHEx, das hat jetzt noch sein müssen“, prustete er hervor. „Deine Wege sind unergründlich!“

Hinter Rhodan lenkte auch Irminella ihre Stute in die 'Fluten'. "Ruhig, Tama. Du kannst das, Ulfried und ich vertrauen dir. Such dir deinen Weg. Laaaangsaaam…" Vermutlich hörte erneut nur Ulfried, dass Irminella permanent beruhigend auf ihr Pferd einwirkte. Die unterschiedlichen Fließgeschwindigkeiten und Strömungen innerhalb des eisigen Wassers, machten Reiter und Ross sichtlich Schwierigkeiten. Einmal wäre Irminella fast vom Rücken des Pferdes gerutscht, als dieses sich auf dem matschig-rutschigen Untergrund vertrat und ein gutes Stück flussabwärts rutschte. Doch Tamas Erfahrung und Ruhe sowie die Verbindung der beiden Damen führten die drei letztlich sicher auf die andere Seite. Zugegeben, die beiden Reiter waren nasser und schmutziger als erhofft und die Oberschenkel der beiden, mit denen sie sich in Tamas Flanken gegraben hatten, brannten zudem. Das war keine elegante Flussdurchquerung gewesen, mehr ein Kraftakt für Mensch und Tier.

Als Irminella sah, wie Rhodan aus dem Sattel ging, machte sie einen höchst erschrockenen Eindruck, fing sich aber, als sie sah, dass der Händler schon nah genug am anderen Ufer gewesen war, um nicht in Schwierigkeiten zu geraten.

Am anderen Ufer angekommen, tätschelte die Burgvögtin den Hals Tamas eine ganze Weile. "Gut gemacht, altes Mädchen!"

Als er einen Aufschrei vor sich hörte, lehnte sich Ulfried ein Stück zur Seite, um an der vor ihm sitzenden Vögtin vorbei einen Blick auf das Geschehnis zu erhaschen. Als er den dicken Händler sah, als dieser sich lachend aus dem Schlamm erhob, konnte auch der junge Edle ein Lachen kaum unterdrücken. Dank der Reitkünste der Edlen zu Eberbach blieb ihm ein ähnliches Schicksal erspart.

Fulco tätschelte den Hals seiner Stute “ Auf, auf mein Mädchen” Er lenkte die Stute langsam und bedächtig in die Furt. Dies machte er mit dem Tier nicht zum ersten Mal, dies machte es etwas leichter Trotz seiner Erfahrung war der Übergang schwer, der Fluß machte es Reiter und Tier nicht leicht. Fulco musste sich stark konzentrieren um nicht aus dem Sattel zu rutschen und es dem Händler gleich zu tun. Als er den Übergang zwar naß an den Beinen, dafür ohne zu schwimmen gemeistert hatte, musste er lächeln. Unglaublich, mit welchem Humor der Händler sein Mißgeschick nahm. Der Mann war schon ein wenig bewundernswert in seiner Art.   [Ping alle - überlegt euch was - von mir aus dürft ihr gerne drüberkommen, mit einer guten Reiten-Probe sollte das klappen]

Der Abend war bereits fortgeschritten, als die Gruppe, mehr oder minder nass und erschöpft, die Furt gemeistert hatte. Im Gebirge hatte es geregnet und die Aussicht versprach nur noch höheren Wasserstand. In Iriansmühl, bereits im Gut Aelgarsfels gelegen, bot ein einzelnes Gasthaus seine Bett und Speise für die müden Reisenden. Eine Frau, auf die Winas Beschreibung passte, war am Nachmittag durchgekommen, hatte dann aber den Weg nach Selsengrund eingeschlagen - weiter hinein nach Kranick. Langsam zürnte Rhodan der jungen Frau. Wo bei allen Göttern wollte sie hin?

Fulco war froh, dass es für diese Nacht ein Bett, etwas gutes zu Essen und ein Bier geben würde. ‘Interessant, was einen in welcher Situation zufrieden macht.‘ dachte er schmunzelnd. Er würde früh zu Bett gehen. 

Das Wetter war den Reisenden wohlgesonnen am nächsten Tag. Es war trocken, und nur ein leichter Wind aus den Bergen brachte eine Ahnung von Firuns scheidendem Reich. In den Wiesen und Wäldchen neben dem Weg zog sich der erste grüne Flaum über das Land und in den Hecken reckten die Schneetröpfchen ihre Blüten aus dem feuchten Grund.

Als die Gruppe eine mittägliche Rast machte, ging Ulfried auf Fulco zu und nahm ihn beiseite: “Fulco, auf ein Wort!”, der junge Edle blickte sich um und versicherte sich, dass niemand ihnen zuhören konnte. “Wenn wir dieser Straße folgen, dann kommen wir doch nach Kranickteich, oder?”, ohne eine Antwort abzuwarten, sprach er weiter, “Könntest du…wäre es möglich, dass du der Vögtin ein Pferd oder zumindest einen Sattel zur Verfügung stellst und mir vielleicht, also…”, Ulfried knetete nervös seine Hände, “...also, ähm, ich dann vielleicht auch eines bekommen könnte? Wir reiten schon seit Tagen zusammen und selbst ich spüre meinen Rücken deutlich. Die Edle von Eberbach ist eine tapfere Frau und würde nie klagen, aber ich will mir gar nicht ausmalen, wie strapaziös der Ritt für sie sein muss.” Erwartungsvoll blickte er zu dem Ritter hinauf.

Fulco lächelte dem jungen Mann freundschaftlich zu. “ Natürlich kann ich dir und Irminella ein Tier zu Verfügung stellen “ Er runzelte kurz die Stirn “Wenn sie es denn möchte. Ich glaube, das die Dame und ihr Tier sehr verbunden sind, wir sollte sie fragen” Er wandte sich an die Vögtin und rief sie kurz zu sich. “ Wir sind bald in meinem Lehen, wenn die Spur weiter in diese Richtung geht. Ihr habt mit eurem Tier bisher eine enorme Belastung auf euch genommen. Wenn ihr wollt, können wir in Kranickteich eurer Tama eine Ruhe gönnen und ihr nehmt ein Pferd von mir. Ulfried werde ich ebenfalls ein Tier zur Verfügung stellen.” Hier nickte er in Richtung des jungen Edlen, schaute dann wieder die Vögtin an “ Wäre das in Eurem Interesse?”

"Das ist sehr großzügig von Euch! Auch wenn Tama und mich viel verbindet, hat sie in den vergangenen Tagen viel geleistet, sodass sie sich eine Pause wohl verdient hat. Doch nur, wenn wir dadurch nicht viel Zeit verlieren. Dafür steht zu viel auf dem Spiel."

Fulco nickte der Frau wohlwollend zu. “ Nein durchaus nicht, höchstens eine, maximal zwei Stunden. Außerdem sollte euer schönes Tier nicht geschädigt werden. Und auch für euch und Ulfried ist es wohl besser, wenn ihr einzeln weiterreiten könnt.” Dann fügte er schmunzelnd hinzu “ Die Idee kommt übrigens von Ulfried” Er nickte entschlossen. “ Dann machen wir es so”

Sie nickte zum Dank. Als sie wieder mit Ulfried auf dem Pferd saß:

"Es wäre nicht nötig gewesen und doch danke ich Euch im Namen meiner Stute aufrichtig für diese Möglichkeit. Ich würde mich freuen, wenn ich Euch, sollte dies alles irgendwann ein Ende gefunden haben, eines Tages auf Burg Bösalbentrutz begrüßen zu dürfen."

Ulfried nickte Fulco zu und wandte sich dann an die Vögtin: “Sehr gerne, es wäre mir eine Ehre!” Nach einem kurzen Moment fügte er hinzu: “Und…auch wenn ich selbst nur einen kleinen Hof mein Eigen nennen kann, so seid auch Ihr mir jederzeit herzlich willkommen.” Sein Blick senkte sich. “Ich kann euch ohnehin nicht genug danken für die Strapazen, die ihr während der letzten Tage wegen mir durchlitten habt.”

Der Abend traf die Gruppe schließlich im beschaulichen Wegesruh im Edlengut Harschfeld, wo die Familie Ratzenstein regierte. Noch immer waren sie kaum zu Wina aufgeschlossen, doch die Berichte der Anwohner und Dörfler versicherten ihnen, dass sie vielleicht vier, fünf Stunden vor ihnen demselben Weg gefolgt war. Nach einer ruhigen Nacht, in der aber wieder Regengüsse von den Bergen her die Schindeln des geduckten Gasthauses prasselnd wuschen und sich in den dicht an dicht darauf wachsenden Dachsternen fingen, brach der 19. Phex an. Im strömenden Regen ging es über die Straßen, ab Tadansgrund neben einem munteren Bach, der sich nun, zur Schneeschmelze, stolz als Flüsschen fühlte, immer weiter nach Firun. Die Strecke war, obgleich zumeist nur ein Lehmweg, durch den die Steine linsten, gut gangbar, vermutlich stellte sie eine der Hauptverkehrswege der Baronie dar. Am frühen Nachmittag überschritten die Reisenden die Grenze nach Kranickteich, passierten den namensgebenden See und wenig später den Hauptort der Baronie.  Mit etwas Glück würden sie bis zum Abend bis Espenquell gelangen. Langsam aber sicher schien sich auch ihr Abstand zu Wina zu verringern, von vielleicht einem halben Tag auf drei, vier Stunden.

Fulco machte sich kurz bemerkbar und sagte lächelnd in die Runde ” Lasst uns kurz nach Kranickteich abbiegen um Ulfried ein eigenes Tier zu holen und Irminellas auszutauschen, damit Tama etwas nach der Belastung zur Ruhe kommen kann. Wir werden und nicht lange aufhalten” Er lenkte sein Tier in die Richtige Ríchtung seines Gutes.

Zwei Stunden würde sie der Abstecher vermutlich, alles in allem, kosten. Ein geringer Preis dafür, dann um so schneller und nicht mehr mit überlasteten Rössern hinter Wina herzueilen.  Und so machten sie es darum auch.

Nachdem Ulfried auf seinem eigenen Pferd saß, wurde offenkundig, dass er kein sonderlich geübter Reiter war. Er hielt sich leidlich auf seiner geliehenen Stute und korrigierte immer wieder seine Sitzposition. Dennoch wirkte er überraschend gelöst und guter Dinge.

Rhodan fiel diese Veränderung auf. “Wir schließen auf. Das heißt, sie scheint angekommen zu sein. Seht Euch bitte vor - wir wollen sie nicht aufschrecken, bevor wir sie am Wickel haben. Auf eine weitere Verfolgungsjagd habe ich ehrlich gesagt keine große Lust!”

"Dem schließe ich mich an. Wenn wir sie haben, lassen wir sie erst wieder los, wenn wir alles wissen." Irminellas Stimmung war nicht sonderlich gut, sie war bereits eine Weile kurz angebunden. Immer wieder griff sie sich an ihren Brustkorb und rieb ihn ein wenig, wenn sie sich unbeobachtet fühlte. Ihr entgegengebrachte Freundlichkeit beantwortete sie dennoch stets in gleicher Weise.

Fulco nickte “ Ja, da habt ihr Recht. Wir sollten sie mit Verstand stellen. Es interessiert mich besonders, was die Dame in meinem Lehen zu schaffen hat.” Er schweifte kurz seinen Gedanke nach ‘Ich hoffe für die Dame, das es nichts Götterlästerliches oder Illegales ist. Dann ist sie fällig”  Fulco schüttelte kurz den Kopf und schaute wieder in die Runde seiner Gefährten.

„Lasst uns herausfinden, wo sie zuletzt gesehen wurde und dann sollten wir sie beobachten. Sonst war unsere ganze Reiterei womöglich umsonst.“

"Ihr wollt sie beschatten? Ich dagegen sage, dass wir sie im Namen der Herrin Rondra stellen, sobald wir sie gefunden haben!"

“Euer Eifer in allen Ehren! Aber sie auszuquetschen hat bereits in Erzenschöffer nicht das gebracht, was wir uns erhofft hatten. Wir müssen sie in flagranti erwischen, was auch immer sie hier vorhat”

Fulco nickte nachdenklich bei den Worten des Händlers. “Ich glaube, ich muß Rhodan recht geben. Hier sollten wir auf den Pfaden des göttlichen Fuchs wandeln und die Dame erwischen. Sie darf sich nicht rausreden können.” Hier schaute er entschuldigend in die Richtung Irminella. Dann setzte er für seine sonstige Art recht grimmig hinzu. ”Und mögen die Götter ihr beistehen, sollte sie etwas Verbotenes auf meinem Land machen.” Fulco wirkte sehr entschlossen bei seiner letzten Bemerkung. 

Ulfried nickte nachdenklich bei den Ausführungen seiner Gefährten. “Ja, wir sollten abwarten, bis sie ihr Ziel erreicht hat, ehe wir sie stellen. Vielleicht erwischen wir dann auch gleich den richtigen Hintermann, falls es sich um Hehlerware handelt.” Dann wandte er sich an Fulco: “Ihr habt hier sicher einen fähigen, ortskundigen Wildhüter oder Jägersmann, falls wir ihrer Spur verlustig gehen, oder?”

Fulco nickte dem jungen Mann zu “ Sicherlich haben wir kundigen Jäger hier im Gut. Ich hoffe aber, dass wir auch so weiterkommen. “ Fulco dachte kurz nach “ Ich kann mir allerdings nicht wirklich denken, wo sie hin will. Der Weg führt nur noch zur Kapelle oder sie will weiter nach Dunkelstein. Dann wären wir im Lehen von Krispinian” Nun, wir werden es sehen.     

Espenquell

Der Weg wand sich Richtung Berge, hinter Buchenhang durch ein enges Tal zwischen Falkengrat und dem ihm gen Efferd gegenüberstehenen Trollkamm. Eine flache, gerade karrenbreite Brücke führet über den Lechminsgraben und mitten hinein in den Wald, der ein lockerer Mischwald aus Eichen, Erlen und Ahorn war. Abends erreichte die Gruppe schließlich das beschauliche Dörfchen Espenquell. Es war trocken, aber kühl und feucht. Perainewetter. Die steilen Dächer des Ortes, perfekt, um im Winter den Schnee, der hier sicher reichlich fallen würde, abrutschen zu lassen, glänzten noch vom vergangenen Nieselregen. Das dunkle Holz der meisten Häuser erzählte vom Alter und fügte sich fast nahtlos in das Bild der tiefen, dunklen Wälder gleich hinter dem Etterzaun, der das Örtchen umfriedete. Aus den Kaminen quollen helle Rauchwolken. Die Dörfler musterten die Ankömmlinge misstrauisch und aus sicherer Entfernung, was sich aber änderte, als Fulco erkannt wurde. Geonora, die Schulzin, zog sich ehrerbietig die Kappe vom Kopf und verbeugte sich achtungsvoll. “Was führt euch hierher, Edler Herr? Braucht ihr Obdach für euch und eure Begleiter?” Ein paar Hühner, die aufgeregt gackernd und flügelschlagend vor den Beinen der Rösser geflohen waren, kehrten zurück und begannen, im Matsch der Straße nach Körnern und Wurzeln zu picken. Der Dorfmittelpunkt, ein zweistöckiges Steinhaus, war wohl das Schulzenhaus, vor dem sich die Frau Geonora aufgebaut hatte - eine auffallend hässliche Frau Anfang der Siebziger, die aber nichtsdestotrotz mit wachen, klaren Augen zu Fulco aufschaute.

Fulco nickte  “Die Götter zum Grüße Geonora. Wie ich sehe geht es euch gut, dass freut mich.“ Er lächelte die alte Frau, welche schon lange in in Diensten seiner Familie stand, freundlich an. “ Um Eure Frage zu beantworten, wir sind auf der Durchreise. Eine Unterkunft für die Nacht für meine Begleiter und mich wäre wunderbar, habt Dank”.   Er stieg vom Pferd ab und wandte sich erneut an seine Schulzin “ Eine Frage noch, ist vor kurzer Zeit eine junge Frau recht eilig hier durchgeritten? “ 

“Ihr könnt gern unsere gute Stube haben, hoher Herr - und für eure Begleiter schau’ ich im Gasthaus.” gab die Schulzin dienstbeflissen Antwort. “A junge Frau - ja mei.” Sie überlegte. “D’ Rhondara vom Schreiner is vorgestern Richtung Reichsstraß’ … und heut Mittag is’ a Fremde nach Firun durch.”

Fulco nickte der Frau zu. ”Gut, danke. Ich würde aber bei meinen Gefährten im Gasthof nächtigen, macht euch keine Mühe. Wir haben euch ja unangekündigt überrascht.” Dann setzte er in einem beiläufigen Ton hinzu “Hatte die Frau es eilig?”   “Ach ja…und wirkte sie womöglich so, als ob sie etwas gesucht hätte?”, ergänzte der dicke Händler etwas unhöflich von hinten.

Die Schulzin wendete ihre Kappe in den Händen und überlegte. Dann nickte sie auf Fulcos Frage halbherzig. “Sie hat keine Pause g’macht, Wohlgeboren.” erkläre sie und wandte sich dann an den Fremden in der zweiten Reihe. “Nä, hoher Herr,” - der dicke Mann war gut gekleidet und darum ganz sicher niemand, den sie darunter anreden würde -  “die is hier einfach durch, als wüsst’ se, wo hohin se wolle - aber so viel Weg’ gibt’s hier auch net.”

Der nächste Tag, der zwanzigste Phex, führte sie weiter auf die Fährte Winas. Diese schien schnöde der Straße weiter gefolgt zu sein, die sich durch den Lechminsgraben entlang des munteren Gebirgsbaches wand. Wenig Auswahl bot ihr Ziel - entweder würde es der Karrenpfad hinauf nach Dunkelstein sein - oder aber die verwunschen im Wald liegende Kapelle Lechminsglanz.

Fulco folgte der Fährte/ seinen Gefährten und hing seinen Gedanken nach.  ‘Was will die Frau hier. Hab ich etwas übersehen, was in meinem Lehen vor sich geht? Ich hoffe, sie reist wirklich nur durch.‘  

Im Lauf des Tages reiften zwei Erkenntnisse: nach Dunkelstein wollte sie nicht, sondern steuerte statt dessen auf Lechminsglanz zu - was nicht mehr als eine Kapelle im Wald, ohne Dorf drumherum, war. Und: Der Abstand hatte sich auf gut zwei Stunden verringert.

Am späteren Nachmittag schließlich war die Gruppe kurz vor dem Heiligtum. Der Pfad, nur noch ein überwucherter Trampelpfad, hatte sich in Matsch verwandelt. Noch vielleicht eine dreiviertel Meile, und die Kapelle würde in Sicht gelangen, wusste Fulco. Von Wina war, bis auf deutliche und frische Spuren auf dem feuchten Grund, nichts zu sehen.

Fulco zügelte sein Tier und deutete seinen Gefährten an, es ihm gleichzutun. “Wir sind ungefähr eine Meile von der Kapelle entfernt. Ich kann mir bei den Göttern nicht vorstellen, was sie dort macht. Die Kapelle ist nicht in Stand, dies ist eine meiner nächsten Ziele. Wir sollten entweder sehr langsam reiten oder die Tiere am Zügel führen in ca einer halben Meile, zumindest wenn wir ein wenig auf füchsischen Pfaden wandeln wollen und die Dame -bei was auch immer- überraschen wollen.” Er sah seine Gefährten abwartend an.

Rhodan bestätigte Fulcos Ansinnen. Aber höchst seltsam kam ihm diese ganze Geschichte schon vor. “Lechminsglanz sagt Ihr. Eine Kapelle des Herrn PRAios? Was will diese Winna an so einem abgelegenen Ort. Und noch dazu einem Ort von Wahrheit und Gerechtigkeit?”

Seit die Gruppe auf den Pfad zur Kapelle abgebogen war, verhielt sich Ulfried sehr ruhig und man sah ihm an, dass er über etwas nachdachte. Ulfrieds Vater hatte immer darauf bestanden, dass man zu Ehren der heiligen Lechmin jeden Götterlauf, meist Ende Praios, wenn das Lechminsfest in Kaltenstein vorüber war, den Fußweg aus Kaltenklamm bis zur Kapelle auf sich nahm. Eine Pilgerreise von mehreren Tagen, die immer mit einem Besuch bei seinem ehemaligen Knappen, Fulco von Kranickteich, beschlossen wurde. Nach dem Tod seines Vaters nahm Ulfried die Mühen dieses Weges nur noch einmal auf sich, doch statt Einkehr und Gebet blieb ihm diese letzte Pilgerfahrt nur als tränenreichen Trauermarsch in Erinnerung, auf welchem ihn jedes Wegestück an ein ein Erlebnis mit seinem verstorbenen Vater erinnerte. Seit nunmehr drei (oder waren es mittlerweile gar vier?) Götterläufen war er nicht mehr auf diesem Pfad gewandelt und nun führte ihn diese sonderbare Queste an genau diesen Ort zurück.  Während er sich eine kleine Träne aus seinem Augenwinkel wischte, wuchs in ihm die Gewissheit, dass der Götterfürst selbst dies so gefügt haben musste. Als die letzten Worte des dicken Händlers Rhodan verklungen waren, sprach er mit fester Stimme in die Runde: “Lasst uns zu Fuß gehen und die Pferde am Zügel führen.” 

Zähneknirschend aber ohne weiteren Widerspruch saß Irminella ab und fügte sich dem allgemeinen Wunsch, ab nun phexische Pfade einzuschlagen. Ihrem stillen Protest verlieh sie dadurch Ausdruck, dass sie nicht einmal versuchte, gute Miene zum phexischen Spiel zu machen und stapfte entsprechend grimmig dreinblickend mit den anderen mit.

“Vernünftig.” Rhodan hatte den Blick nach vorne gerichtet und, von seinem Pferd abgesessen, das Ziel vor Augen. Entgegen seiner sonst zugewandten Art bemerkte er die stillen Tränen Ulfrieds nicht. Er wirkte angespannt. Irgendetwas stimmte hier nicht.

Fulcos Blick ruhte kurz auf Ulfried. ‘Später Fulco, später. Jetzt muss das hier erstmal aufgedeckt werden.‘ “Was geht hier vor sich” murmelte er leise vor sich hin. Diesmal lächelte Fulco nicht.  

Lechminsglanz

Der Weg war schmal, gerade noch gut für einen einzelnen Reiter - doch dass ein solcher hin und wieder durchkam, verrieten die Spuren deutlich, ebenso wie die Tatsache, dass der Wald hier hin und wieder in seine Schranken gewiesen wurde. Ansonsten hätten sich Peraines Kinder den von Menschenhand gehauenen Weg gewiss längst zurückerobert. Interessanterweise aber zeigte sich, dass die Spuren nicht nur von einem Ross stammten - sondern von dreien. Jene, hinter denen Wina vermutet werden mochte, waren nur die jüngsten. Hier kamen offensichtlich öfters Leute hindurch.

Schließlich zeichnete sich die Kapelle auf einer kleinen Lichtung durch den Waldsaum ab. Es war ein kleiner Sakralbau, umgeben von einer knapp schritthohen Mauer aus Bruchsteinen, die offensichtlich in den vergangenen Götterläufen neu aufgeschichtet worden war. Innerhalb der Einfriedung, vor dem Tor der Kapelle, war ein Pferd angebunden und rupfte angelegentlich das spärliche Frühlingsgrün.

Rhodan schlug vor, die Pferde ebenso anzubinden - allerdings einige Schritt entfernt außerhalb der Mauern der Kapelle. Sodann suchte er nach einem Punkt, von dem aus er sich einen besseren Überblick über die Umgebung würde verschaffen können. Die zwei anderen Pferdespuren hatten ihn aufmerksam gemacht.

Ulfried band sein geborgtes Pferd einige dutzend Schritt vor dem Waldesrand behutsam an einer dünnen Birke fest. Er wirkte aufgeregt und sein Blick ging von einem seiner Gefährten zum nächsten, ganz so, als würde er darauf warten Anweisungen zu erhalten, was er als nächstes tun sollte.

Es gab einige einladend aussehende Bäume am Waldrand, die einen Einblick auf die Anlage ermöglicht hätten. Sie hatten samt und sonders einen Nachteil: das hieß klettern. Der Händler sah sich nach beiden Seiten um, dann zog er ein paar Handschuhe aus seinen Satteltaschen. “Will mir jemand helfen?”, frug er und deutete auf den Baum. Irminella schob sich kommentarlos an dem Händler vorbei und begann den Aufstieg. Die Kleidung, die sie trug, kam jetzt zur vollen Entfaltung. Tarnung und Funktionalität kamen nun zum Tragen. Wieder sah sie aus, wie eine Waldläuferin, wie sie da recht behände den Baum erklomm. Als sie scheinbar ordentlichen Halt gefunden hatte, streckte sie sich dem Händler entgegen. "Nehmt meine Hand, ich helfe Euch nach oben."

Nachdem Fulco sein Tier angebunden hatte, schaute er am Bauch hoch und schüttelte den Kopf.  ‘Laufen, Kämpfen, Diskutieren - alles gerne, aber Klettern.‘ Mit Höhe hatte er es schon in seiner Kindheit nicht so. Er richtete die Aufmerksamkeit auf die Umgebung und konzentrierte sich auf Bewegungen und Geräusche. Die Hand lag auf seinem Schwertknauf. 

Ulfried beobachtete mit offenem Mund die Vögtin, wie sie katzengleich auf den Baum huschte. Mit hochgezogenen Augenbrauen ging sein Blick sodann zu Fulco, und als er sah, wie dieser den Kopf schüttelte und sich abwendete, musste Ulfried breit grinsen. Auf seinen Gehstock gestützt humpelte der junge Edele einige Schritt zu einem der breiteren Bäume und ging, nachdem er überprüft hatte, sowohl die Edle von Eberbach als auch den Ritter von Kranickteich im Blick zu haben, hinter diesem in Deckung. Da blieb auch dem Rosenhainer die Spucke weg. Faszinierend, was doch in so manchem Wohlgeborenen steckte.

Irminella hatte sich, nachdem sie Rhodan ohne große Mühe nach oben verholfen hatte, eine Position in der Krone des Baumes gesucht, von der aus man die Kapelle einsehen oder zumindest beobachten konnte. Neugierig verengte sie ihre Augen zu schließen, ganz so, als könne sie so besser sehen. Spannung lag in der Luft, das spürte sie. Und so wagte sie es kaum zu atmen. Ganz flach und langsam, wie auf der Jagd…

Die kleine Kapelle lag friedlich da. Es war ein mit Schieferplatten gedeckter Steinbau, sichtlich in jüngerer Zeit ausgebessert und teilweise wieder aufgebaut. Von der Außenmauer zur Kapelle führt ein mit Steinplatten gepflasterter Weg, und im umfriedeten Bereich wuchsen weder Büsche noch Bäume - ein sicheres Zeichen, dass hin und wieder jemand nach dem Rechten sah und Gartenarbeiten verrichtete. An einem Pfosten vor dem Portal war das Pferd angebunden, die Läden vor den Fenstern waren bis auf zwei geschlossen - und es herrschte Stille.

“Seht Ihr Wina oder jemanden anderes? Die Spuren deuteten auf mehr als nur meine Kollegin hin”, flüsterte Rhodan der Vögtin zu. Zu sehen war aber keine Person - nur das einzelne Pferd.

Irminella flüsterte ihre Antwort. "Nein, das Pferd und zwei offene Fensterläden. Ihr wolltet doch Phexenspfade beschreiten, oder? Diese Fenster sind eventuell das, was wir brauchen. Ich bleibe hier, falls sich die Lage ändert, habe ich die Überraschung auf meiner Seite. Mehr Phex steckt nicht in mir." Sie lächelte.

Rhodan grinste. “Und was soll ich da sagen? Ich arbeite sonst hinter einem Schreibtisch”, beschwerte er sich spielerisch. Dennoch ließ er sich geschickt den Baum hinabgleiten und wies die Gefährten auf die Aus- und Eingänge der Kapelle hin. “Ich werde versuchen, einen Blick durch die Fenster zu werfen. Oder ist einer von Euch geschickt darin, sich heimlich zu bewegen?”

Ulfried hinkte zu dem Baum, von dem aus die Vögtin Ausschau hielt, zurück. “Wir haben doch zwei Ritter dabei.”, flüsterte er gerade so leise, dass die Umstehenden ihn noch hören konnten und hob dabei beinahe schon entschuldigend seine linke Hand vor den Oberkörper. “Ich könnte vielleicht mit dem Pferd vor den Durchgang reiten und diesen versperren, sodass es niemand wagen wird, diesen Weg zur Flucht zu nutzen, ohne zu riskieren niedergetrampelt zu werden.”. Er drehte seinen Kopf in Richtung der Knappin Peranna und neigte diesen leicht von einer Seite auf die andere, so als wollte er die junge von Graupen einschätzen. “Wenn ihr auf einem Pferd sitzt, so hielte man euch wohl ebenfalls für eine Ritterin…oder zumindest eine Waffenmagd.” Er nickte kurz. “Ja, ich würde es nicht wagen, vor solch einer Übermacht zu fliehen. Und falls es doch jemand wagt, so werde ich ihm mit meinem Stecken einen festen Schlag auf den Kopf verpassen!”. Der junge Edle grinste schelmisch und fuchtelte mit seinem Gehstock in der Luft herum.

Irminella sprach von oben und bemühte sich ebenfalls recht leise zu sein. "Lasst den Händler es einmal versuchen, aber haltet Euch bereit, den Weg zu versperren. Bis sie aufgesessen ist, seid Ihr dort." Sie blickte noch einmal Rhodan an. Als dieser ihren Blick auffing, nickte sie mit dem Kopf Richtung Kapelle. 

Der dicke Mann nickte und hielt, trotz seiner Körpergröße, den Kopf geschickt unten, während er sich auf leisen Sohlen dem Gebäude näherte. Schritt für Schritt kam er dem Bau näher. Mit einem „hilf dir selbst, dann hilft dir Phex“ auf den Lippen, presste er sich an die Wand der Kapelle und streckte seine Kopf so unauffällig wie möglich durch das Fenster.

Das Ende der Jagd

Im Halbdunkel der Kapelle konnte er einige Bänke erkennen - und auf einer der hinteren saß eine wohlbekannte blonde Frau, neben sich zwei dicke Bündel, und packte gerade die Reste einer beendeten Brotzeit beiseite, ehe sie, mit einer Bewegung, als hätte sie das schon ein Dutzendmal getan, zum Fenster blickte, Ungeduld in ihrer gesamten Gestik.

Rhodan zog sofort den Kopf ein. Verdammt, hoffentlich hatte sie ihn nicht gesehen. Weitere Menschen waren nicht in der Kapelle. Offensichtlich war es ihr nicht gelungen, diejenigen zu treffen, die sie hier zu finden gedachte. Der Händler gestikulierte - er hoffe, die Ritter verstanden, dass er jemanden an den Eingängen haben wollte. Noch einmal sollte ihnen diese glitschige junge Dame nicht durch die Lappen gehen.

Fulco folgte dem Wink des Händlers. Das ganze war ihm sowieso nicht ganz geheuer, seine Geduld war kurz vor dem Ende. Er ging schnellen Schrittes, allerdings so leise wie es ihm Möglich war, in Richtung des Portals der Kapelle. Einen hinten gelegenen Ausgang gab es seines Wissens nach nicht. Er hatte eine Entscheidung getroffen, zu Fuß würde die Frau wohl nicht versuchen zu fliehen. Und wenn sie es versuchte, würden sie sie auch kriegen.  Als er den Eingang erreicht hatte, stellte er sich mittig in diesen und sprach die Frau an “Wina, endlich finden wir Euch. Darf ich Euch fragen, was ihr auf meinem Lehen ohne mein Wissen zu tun gedenkt” Fulco lächelte entgegen seiner Gewohnheit nicht, sondern schaute aufmerksam und ernst in Richtung der Frau. Seine Hand lag weiterhin auf seinem Schwertknauf, er war bereit.

Die Frau fuhr auf und ihre Augen weiteten sich, als sie Fulcos ansichtig wurde. “Ihr?” Sie schnappte entsetzt nach Luft. “Was tut Ihr denn hier?” Ganz offensichtlich hatte sie jemand anderen erwartet. Fulco zog eine Augenbraue hoch. Langsam reichte es ihm mit dieser Person. “Ich habe euch was gefragt, Frau. Und ich bin es gewohnt auf meinem Land Antworten zu bekommen, wenn ich etwas frage.” Er holte kurz Luft, um seine Stimme nicht zu erheben. “ Also, was macht ihr hier?”

Die Händlerin betrachtete ihn weiter mit schreckgeweiteten Augen und brachte schließlich ein “Seid ihr allein hier?” heraus.

Fulco konnte es nicht wirklich glauben, was bildete sich dieses Weib eigentlich ein. Er war ein recht toleranter Lehnsherr, aber das Weib war immer noch deutlich unter seinem Stand. Als er sprach, war seine Stimme ein wenig lauter als vorher und sein Gesicht zeigte einen grimmigen Ausdruck. Noch schrie er allerdings nicht, so gut hatte er sich dann doch im Griff. “Ich erwarte eine Antwort, keine Fragen. Also sprich Weib oder ich ziehe andere Seiten auf”

Selbst im Halbdunkel der Kapelle erkannte er, wie die Händlerin bleich wurde. “Verzeiht, Hoher Herr.” murmelte sie und senkte den Kopf. “Ich wollte die Kapelle besuchen, hoher Herr.” 

Fulco atmete tief durch. “Seit wann ist der himmlische Richter der Gott eurer Zunft? Huldigt ihr nicht eher dem Schelmischen? Aber gut, dann habt Ihr wohl nichts dagegen, das ich einen Blick in eure Bündel werfe?” Er ging einen Schritt in die Kapelle hinein. “Interessant ist auch die Art eurer Anreise. Bei Nacht und Nebel, eher einer Flucht gleich, als ein Ritt, um in Einklang mit seinem Gott zu stehen.” Er dachte kurz nach, wandte sich der Frau wieder zu. “Wollt ihr nicht mit der Wahrheit rausrücken, an einem Ort der dem Alveranischen Fürsten gewidmet ist. Was macht ihr wirklich hier und auf wen wartet ihr?”   Wina blickte Fulco mit schmalen Augen an. An ihrem Gesicht konnte man unschwer ablesen, wie es in ihr arbeitete. Sie schluckte. “Ich warte auf meinen Lieferanten.” bekannte sie. “Er trifft sich immer hier mit mir,  aber er ist überfällig. Aber das hier ist der einzige Ort, an dem ich mit ihm Kontakt aufnehmen kann.” Rhodan lauschte mit spitzen Ohren. Mit welchem Lieferanten - bei allen Göttern - traf man sich am Ende der zivilisierten Welt in einer verlassenen PRAioskapelle? Das sollte man ihr glauben? Wollte sie sich an den Galgen bringen? An ihrer Stelle, dachte der Rosenhainer, würde er jetzt die Karten auf den Tisch legen. Sie hatte schon verloren.

Fulco schaute die Frau nachdenklich an. “ Warum trefft ihr euch hier mit eurem Lieferanten? Was laufen hier für Geschäfte ab?“ Seine Stimme war beherrscht, aber fest und ernst. “Wer ist euer Lieferant? Öffnete eure Bündel und laßt mich sehen, worum es geht. Ich erwarte eine umfassende Antwort” forderte er die Frau auf.    

“Ich handele mit Eisenwaren. Dolche, Schwerter, Messer, Nadeln, manchmal auch Rüstungsteilen.” bekannte die Frau. “Und ich kaufe sie sehr günstig - den Mann, der sie mir verkaufte, habe ich hier getroffen. Wir haben uns einmal auf einem Markt kennengelernt - aber dann beschlossen, dass die Kapelle ein ruhigerer Ort für Geschäfte ist.” Sie wurde noch etwas kleinlauter. “Ich frage nicht, woher die Waren sind - es sind alles gebrauchte Stücke. Dafür kaufe ich sie zu einem wahrlich günstigen Preis. Allerdings hat man mir beste Albenhuser Ware versprochen - und dann war der Dolch, den ich eurem Begleiter zeigte, wohl doch aus Albernia.” Hilfesuchend blickte sie mit geweiteten grünen Augen in Fulcos Gesicht. Sie öffnete ihre Packen und zeigte ihre Handelsware - Dolche und Schwerter unterschiedlichsten Alters und Herkunft. “Mein Lieferant ist ein Mann - mittleren Alters, ich kenne nur seinen Namen. Er nennt sich Alrik. Vor kurzem hat er erwähnt, dass er ein ganz besonderes Geschäft abwickeln wollte - mit einer Rüstung. Er habe einen Interessenten in Gratenfels dafür und fragte mich, ob ich seine Mittelsfrau sein wolle. Warum nicht, dachte ich mir, das gibt gutes Silber - oder sogar ein paar Goldstücke. Aber dann ist in Erzenschöffer die Rüstung des Grafen gestohlen worden - und ich hab’s mit der Angst zu tun bekommen. Was, wenn ich verdächtigt werde? Als dann euer Begleiter so komisch reagierte, wollt’ ich nicht warten, bis mich jemand verhört.” In einem ihrer Augenwinkel schimmerte es verdächtig feucht. Fulco hörte der Frau aufmerksam zu. Er schloss kurz die Augen und atmete tief ein “Euch ist klar, das eure Lage nicht gut ist oder? Euer Handeln ist gegen die Gesetze des Landes, ihr handelt wohl mit Diebesgut. Habt ihr wirklich geglaubt, damit durchzukommen? Und dann entweiht ihr im weitesten Sinne Boden, der dem Gott der Wahrheit gewidmet ist.” Fulco schüttelte kurz den Kopf bevor er weitersprach “Und die Verbindung, die ihr zu der Geschichte mit der Rüstung und der Gestohlenen des Grafen ist durchaus zu ziehen.” Fulco machte eine kurze Pause, um seine Worte zu der Frau durchdringen zu lassen. “Was wisst ihr über diesen Interessenten in Gratenfels? Eure Hilfe in dieser Sache könnte durchaus zu euren Gunsten ausgelegt werden.” Die Frau tat Fulco im Grunde leid, sie wollte ja nur ihre Situation verbessern. Aber davonkommen lassen, nein, das ging nun mal nicht…..

“Ich weiß, dass Alrik mir noch einen Treffpunkt in Gratenfels sagen wollte, wo ich die Rüstung zu übergeben habe. Er wollte mich hier treffen, um sie mir zu geben. Aber er hat gesagt, das könne sich noch ein bisschen ziehen. Aber hier kommt doch normal keiner her, da findet mich so schnell … ich meine, da kann ich ein bisschen warten.” Sie sah Fulco mit hoffnungsvollen, feucht schimmernden Augen an. Die glatte Haut der jungen Frau war noch immer schreckensbleich, so dass sich die zahlreichen Feenküsschen auf ihrer Nase und Wangen deutlich abzeichneten. “Ich hab’ aber gehört, wie er sagte, er müsse zuvor nach Gispingen, wegen der Rüstung. Ich glaub’, da wird er sie von denen übernehmen, die sie aus Erzenschöffer geholt haben.” Sie zwinkerte kurz und hoffnungsvoll. “Wenn ihr die Rüstung wiederkriegt - hackt ihr mir dann nicht die Hand ab?”

Fulco setzte einen strengen Blick auf. “Nun, wir sind Euer auf meinem Lehen habhaft geworden, als liegt die Entscheidung erst mal bei mir. Wie ich schon sagte, wird eure Hilfe bei der Angelegenheit um die Rüstung für euch positiv ausgelegt werden. Natürlich müssen wir in Ruhe eure Verfehlungen beleuchten und dann über eure Strafe befinden. Ungestraft kann und wird eure Handlung nicht bleiben. Wann habt ihr euch denn mit Alrik verabredet, wenn dies wirklich sein Name ist? Und kommt er für gewöhnlich alleine oder befindet er sich in Begleitung?”

“Er kam bisher immer alleine. Er meinte, er würde hier auf mich warten, wenn er aus Gispingen zurückkäme.  Wenn der Mond vom Kelch ins Rad geht.”  Was noch mehr als eine Woche sein würde, momentan befand sich das Madamal in der Phase der toten und wiedergeborenen Mada.

Fulco schaute etwas erstaunt auf die Frau “Und so lange wolltet ihr hier ausharren?” Er dachte kurz nach. Nein, diese Zeit hatten sie nicht. “Wisst ihr sonst noch etwas, was uns helfen könnte in diese Angelegenheit weiter zu kommen?” Wina schüttelte den Kopf. “Ich weiß nicht, wo Gispingen ist. Ich würd’s euch sonst sagen, hoher Herr.” Ihre Augen leuchteten hoffnungsvoll auf. “Heißt das, dass ihr mich laufen lasst?” Fulco schaute die Frau an “Das nun nicht, Strafe muss sein.” Hier nickte er bestätigend “Ich werde euch in Haft nehmen und nach der Angelegenheit zusammen mit ihrer Gnaden Sabea über eure Strafe zu Gericht sitzen. Ihr werdet in der Haft gut behandelt, dies verspreche ich euch. Aber euch einfach davonkommen zu lassen ohne eine Strafe kann ich nicht, bei den Göttern”  Wina schluckte, senkte ergeben den Kopf. “Ich werde gut mitkommen, hoher Herr.” Ihre langen blonden Haare fielen ihr über das Gesicht, aber das machte ihr resigniertes Seufzen nicht weniger hörbar. Fulco nickte “Dann wollen wir los. Ihr seid eine gute Reiterin, ihr werdet verstehen, dass wir eure erneute Flucht verhindern müssen. Ich werde euch die Hände binden und euer Pferd an den Zügeln führen bis wir in Kranickteich sind. Die Gefahr, das ihr zu fliehen versucht, ist mir ansonsten zu hoch.” Er ging zu der Frau und nahm sie am Arm um sie aus der Kapelle zu führen.  Die folgte ihm ohne Gegenwehr.

Als er mit der Frau aus der Kapelle trat, blinzelte er kurz aufgrund der Helligkeit und setzte seine Ankündigung um, er band der Frau die Hände. Er achtete darauf, das er sie nicht verletzte bei dieser Handlung. Dann wandte er sich an seine Gefährten. “Wina ist geständig, über einen ominösen Mittelsmann wahrscheinlich Hehlerware zu vertreiben. Die Übergabe der Ware ist hier auf diesem heiligen Boden vonstatten gegangen. Ihr Kontaktmann - dieser nennt sich Alrik - hat sie ebenfalls zur Mittelsfrau bezüglich der Übergabe einer wertvollen Rüstung in Gratenfels - der Kreis scheint sich zu schließen - machen wollen. Diese wollte er ihr hier übergeben. Dies soll, wenn der Mond vom Kelch ins Rad geht, von statten gehen. Das dauert ja noch etwas. Alrik sprach davon, dass sein Weg zur Rüstung ihn nach Gispingen führt. Also müssen wir wohl in diesen Ort als nächstes oder was denkt ihr?” Er schaute seine Gefährten fragend an, dachte kurz nach und setzte hinzu “Wina werden wir in den Kerker nach Kranickstein bringen, der dortige Büttel Kulman ist ein verlässlicher Mann. Nach unserer Queste werde ich mit ihrer Gnaden Sabea über ihre Bestrafung befinden und für ihre Vollziehung sorgen. Wir habe sie ja nun mal auf meinem Lehen gestellt.” Sein Tonfall war bestimmend und überzeugend zugleich.  Rhodan, der die ganze Zeit gelauscht und vorwurfsvoll seine Lippen geschürzt hatte, hatte mit jedem Wort immer größeres Mitleid mit der hübschen, jungen Frau entwickelt. Er dachte an die vielen Geschäfte, die er im Laufe seines Lebens hatte abwickeln müssen, um das zu werden, was er heute war. Nicht alle waren sauber gewesen. Nur: Er hatte sich nicht erwischen lassen. Jedenfalls wurde er nie überführt… Naja.  “Seid gnädig, hoher Herr. Ich glaube, diese Dame hier hat ihre Augen vor der Erkenntnis verschlossen, mit heißer Ware umzugehen. Wenn man ein gutes Geschäft wittert, dann kann man schon einmal in Versuchung kommen”, relativierte der Rosenhainer die evidente Schuld dieser Wina. “Sie wird uns ja jetzt dabei helfen, den eigentlichen Bösewicht dingfest zu machen, nicht wahr?”, setzte er rhetonisch hinzu.

Fulco wandte sich an Rhodan “Natürlich werden wir dies berücksichtigen. Trotz allem liegt ein Bruch der Gesetze vor, dies muss untersucht und gerichtet werden”

Wina, die bei den Worten Rhodans aufgehorcht hatte, nickte entschlossen und schenkte dem Händler ein kurzes, dankbares Lächeln.

Dann fiel Fulco noch etwas ein “ Weiß jemand wo dieser Ort ‘Gispingen’ liegt? Mir sagt er nichts.”

“Nein, davon habe ich noch nie gehört”, bestätigte auch Rhodan.

"Ich glaube, da kann ich helfen.", erklang die Stimme der Burgvötin aus den Blättern des Baumes, den sie erklommen hatte. "Lasst mich nur erst…", sagte sie, während sie sich bereits anschickte vom Baum zu klettern, "herabsteigen."  Als dies getan war, ging sie zu der Gruppe herüber, warf einen kurzen Blick auf die Flüchtige und hob dann an: "Gisbingen ist eine Burgruine in Tommelsbeuge. Dort liegt auch Gut Gräflich Bösalbentrutz, für all jene, die dies nicht wissen. Während das Grafengut im Nordwesten liegt, befindet sich die gesuchte Ruine im Nordwesten. Wenn mich nicht alles täuscht führt uns unser Weg also weiter nach Westen." “Was zum Henker will dein Lieferant in einer Ruine? Wer nistet sich in so einer Behausung ein?”, frug der Rosenhainer Wina direkt. “Woher kommt die Ware wirklich? Das klingt mir fast, dass er nicht nur ein ‘kleiner Gauner’ ist.” “Ich weiß es nicht, edler Herr.” Winas Stimme wurde klein. “Sie war günstig, und da schien es mir klug, nicht allzu genau nachzufragen. Und hierher in die Kapelle kommt fast keiner, auch nicht, nachdem sie einigermaßen in Stand gesetzt wurde.”

Die letzten Worte der Frau brachte Fulco auf etwas, was er zwar wahrgenommen, aber nicht beachtet hatte. Er wandte sich nochmals an Wina “ Wer hat eigentlich begonnen, die Kapelle instandzusetzen?”  Wina zuckte die Schultern. “Ich hab’ angenommen, dass das die Espenqueller sind - oder die Leut’ hier in der Gegend. Ist doch auch klug - man lässt einen  Tempel der Frau Lechmin nicht einfach zerfallen, oder?”

Dann wandte Fulco sich an seine anderen Gefährten “ Also bringen wir Wina kurz nach Kranickteich und reiten dann weiter nach Gisbingen?”

"Gut, auf geht's." Irminella nickte zur Bestätigung. „Sieht so aus“, bestätigte auch Rhodan.

Ulfried blickte schweigend von einem zum anderen, zuletzt erst zu Wina. Er musste zugeben, sie war eine hübsche Frau, aber davon durfte er sich nicht beeinflussen lassen. Eventuell könnte er der Verhandlung und Urteilsfindung beiwohnen. In Gratenfels oder auch in Schnakensee tat er das häufiger, vielleicht würde man sogar nach seinem Rat fragen? Eher nicht, verwarf er den Gedanken schnell wieder, immerhin wird eine Geweihte des PRAios zugegen sein. Dann auf nach Tommelsbeuge. Er nickte seinen Gefährten stumm zu, band sein Pferd los und schritt ihnen, die Zügel in der Hand, hinterher.

Gruppe Schnakensee - die Donnerer - Die Suche nach den Donnerern

Viel Zeit hatte die Geweihte der himmlischen Leuin, Herrat von Bauernfeind, ihren Leuten, den Adligen, gelassen, um sich vor dem Ort Erzenschöffer zu versammeln. Die Zeit drängte und die Hoffnung war da, die Gruppe der abgereisten Donnerer vielleicht einholen zu können. Allerdings war ihr auch bewusst, wenn sie es nicht täten, gab es nur den Weg zu dessen Burg … und diese lag in den abgelegenen Wäldern in der Baronie Schnakensee! Und nicht nur das. Noch immer hielten sich streunende Banden von Orks in dieser Gegend auf. Die große Frau wartete geduldig, doch Einer nach dem Anderen, kamen zu dem vereinbarten Treffpunkt. Nur das Nötigste sollte mitgenommen werden und wie es schien, hatte jeder sich daran gehalten. 

Wolfmar von Wildklamm war 47 Jahre alt, trug schwarze leicht lockige Haare und einen graumeliertem Vollbart. Er war wuchtig und in alle Richtungen groß gewachsen. Der Ritter von Stand hatte stets wache Augen und achtete darauf, dass ihm seine Haare nicht ins Gesicht fielen. Seinen Bart pflegte er sehr gut und achtete dafür weniger auf seine Haare und Fingernägel. Wenn es nicht zu warm war, trug er draussen lieber feingegliederte Handschuhe, die ihm in voller Reisekluft sowohl gut aussehen ließ, als auch für den kampferfahrenen Ritter und Söldner praktisch waren. Eine Kopfbedeckung trug er nie, dafür nutzte Wolfram eher seinen graugrünen eingewachsten Kapuzenumhang bei schlechtem Wetter. Er trug ein Langschwert an seiner Seite. An der anderen Seite hing ein schmuckloser praktischer Dolch, den er im Nahkampf benutzte; nie als Besteck und eine kleine Ledertasche am Waffengürtel, woraus er seit anbeginn der Reise gelegentlich Nüsse entnahm und diese verspeiste. Vielleicht war dem immer beobachtenden und nur wenig redseligen Söldner ein Zitat rausgerutscht, welches seinen Mitreisenden aufgefallen war: “Schmuck trage ich nicht. Der ist nur für Frauen, um ihre weltliche Schönheit zu betonen, eitlen Gecken und Königen.” Er war Mitglied im Geleitschutz Plötzbogen. Gerüstet war Wolfram mit einem Lederharnisch und sein persönliches Wappen, aufgenäht auf seiner Herzseite: Auf Silber ein blauer Keil, in dem Keil ein silbernes senkrechtes Langschwert. Wolfram trug braune genagelte und geschnürte Reitstiefel; jedoch ohne Sporen. Er hatte ein braunes Reitpferd, welches er Rubin nannte und ein schwarzweiss geschecktes Packpferd mit dem Namen Halunke. An Halunke, den er an der langen Leine führte, konnte man einen kampfbereiten Kriegshammer erkennen und ein Schild mit dem Wappen des Hauses Plötzbogen: Auf blauem Grund eine silberne Brücke, darunter eine goldene Plötze. Herrat von Bauernfeind hatte ihr Pferd gesattelt und sich auf den Rücken des stolzen Tieres geschwungen. Ihr war klar, dass der Ritt nach und durch Schnakensee keine “Luxusausfahrt” werden würde, doch wer erwartete schon so etwas vom Leben? Die sogar für eine Leuensritterin groß gewachsene Frau gab auf dem Rücken des Pferdes sitzend eine imposante Gestalt ab. Ihre breiten Schultern und ihre robuste Statur, über der auf rot-weißem Grund die steigende Löwin der Rondrakirche prangte, zeigten: Mit ihr sollte man sich nicht anlegen. Dass sogar überderische Wesenheiten zu diesem Schluss kommen konnten, bewies die dicke und wulstig verwachsene Narbe quer über ihrem Kopf. Ihre schwarzen Haare fielen deshalb nur zu einer Seite herab, während auf der anderen Hälfte ihres Hauptes Narbengewebe Haarwuchs verhinderte. Mit festem, zielgerichtetem Blick betrachtete sie die tiefstehende Sonne. Sie waren allesamt wehrhaft, dachte sich die Rondrianerin. Sie konnten es sich erlauben, in den Sonnenuntergang zu reiten. Sollte ihnen nur Gesindel vor die Hufe kommen. Sie tätschelte den Rondrakamm, der in seinem Schwertgehänge an ihrer Seite prangte. Dann würden wir die Löwin brüllen lassen! Ehrfürchtig blickte der junge Knappe zu der Gesellschaft hinauf, die er nun begleiten sollte. Dass er einmal mit einer Geweihten der Leunin reiten würde, hätte er sich in seinen Träumen nicht ausgemalt. Welche Abenteuer sie wohl erlebt hatte? Vielleicht würde sie auf der Reise eine Geschichte über vergangene Taten erzählen. So in seine Gedanken versunken stand er neben seinem Ross und tätschelte diesem sanft den Hals. Ob seiner Größe mochte man ihn älter schätzen als er war, aber die sanften Züge seines glattrasierten Gesichts zeugten von seinem jungen Alter. Er trug einfache aber saubere Reisekleidung über die ein poliertes Kettenhemd gezogen war, welches im Sonnenlicht genauso blitzte wie die Streitaxt an seinem Gürtel. Der Wappenschild am Sattel seines Pferdes zeichnete ihn als Gefolgsmann des Hauses Eychstädt aus, dessen Herr als Schwertvater seine Ausbildung übernommen hatte. Neben dem Schild baumelte griffbereit ein einfacher Helm, den der Knappe auch aus Eitelkeit noch nicht aufsetzen wollte. Unruhig scharte Thimorns vierbeiniger Begleiter mit den Hufen, er hatte wohl bemerkt dass ein Aufbruch bevorstand und wollte seinen Reiter zum aufsitzen bewegen. “Shhh ganz ruhig, Raidri. Warten wir noch ab, ob die anderen Herrschaften etwas benötigen, dann geht es sicher bald los.”, versuchte der hauberger Knappen sein Ross zu beruhigen. Sichtlich abgekämpft aber dennoch mit entschlossener Miene schritt Jorik dem Treffpunkt entgegen. Das sonst so sorgsam geschorene Gesicht ist inzwischen mit schwarzen Stoppeln übersäht, die dunklen Augenbrauen verwuchert und im Begriff zusammenzuwachsen. Der Schweiß rann ihm sichtbar an den schwarzen Locken vorbei, aber dennoch war sein Griff um den Wanderstab, ein dunkelbrauner Ast, den er unterwegs zu diesem Zweck aufgelesen hatte, unverändert fest. Die zuvor saubere Kombination aus weißer Reiseweste und der sattgrünen Tunika stierte mittlerweile vor Staub und Dreck, und auch die ledernen Schuhe waren bedeckt mit dem Staub der Straßen. Dennoch stand Jorik zu seiner Entscheidung, nicht zu Pferde zu reisen. Er brauchte nur sich selbst, seinen Stolz und seinen Mut zur Verzweiflung, und keine Almosen der Blaublüter. 

Der Hohe Herr Rondragon von Spiegelberg saß auf seinem gesattelten Pferd. Gekleidet war Rondragon in Kette mit Wappen. Zu erkennen war ein schwarz-weiß gezackter Schildhaupt, mittig ein goldener Handspiegel auf Blau. Seitlich hing sein Langschwert. Für den interessierten Betrachter kurz vorgestellt. Rondragon war ein muskulöser, groß gewachsener Mann mit breitem Kreuz und trug sein kinnlanges schwarz gewelltes Haar offen. Seine tiefblauen Augen wirkten klar und sein Dreitagebart kann sich als sehr gepflegt bezeichnen.  Er bewieß Haltung auf dem Roß ohne Arrogant zu wirken. Sein Pferd stand ruhig und abwartend. Rondragon beugte sich kurz vor und streichelte es zwischen den Ohren. Sie wirkten bereit für einen langen Ritt, einen Kampf. Bereit für Taten.

Nachdem endlich alle versammelt waren, reckte die Geweihte sich und schaute allen fest in die Augen. Die Reise musste bald losgehen, wenn sie noch vor dem Sonnenuntergang einen guten Platz finden wollten, um zu übernachten. Wenn alles gut gehen würde, könnten sich am späten Abend den Hof des Bauern Hollerheide erreichen. Dessen Tochter war einst eine Gefährtin Herrats und die Familie trug den Glauben an die Sturmherrin tief im Herzen. Dann setzte sie zum Reden an. „Lasst uns keine Zeit verlieren! Reiten wir an der Flanke der Berge gen Firun. Ich kenne eine Kate guter Leute dort - der Hof schmiegt sich an die Flanke einer weitläufigen Alm an der Grenze zwischen der Landgrafschaft und Kranick. Wir werden dort für die Nacht unterkommen können.Wenn wir morgen früh aufbrechen, könnten wir es bis zum Einbruch der Nacht nach Schnakensee schaffen. Der Pfad am Saum der Berge entlang ist sicher, aber nicht gerade belebt. Macht Euch womöglich auf unliebsame Gäste gefasst. Hat jeder sein Schwert gegürtet und das Brüllen der Leuin im Herzen?“ Herrat bellte den letzten Satz wie einen Schlachtruf. Die wohlwollenden Augen der Alveranslöwin sollten über die kleine Schar wachen. “Ich bedaure zu tiefst… geehrte Dienerin der Löwin…”, erwiderte Jorik schwer atmend der ruhmreichen Rede, “Aber das Einzige, das ich von meinem Herzen zu hören bekomme… ist das verzweifelte Hämmern… nach einem viel zu mühseligen Aufstieg.” Vollkommen erschöpft klammerte er sich an seinen Wanderstab. Die Oberschenkel brannten, sein Rücken war gekrümmt wie der einer wütenden Straßenkatze. “Hat vielleicht..” - wieder atmete Jorik schwer aus - “noch jemand einen Platz frei?”  “Euer Gnaden, ich bin bereit zum Aufbruch.” Wolfmar konnte endlich zeigen, dass er als reisender Söldner und Anführer besonders geeignet war, dieser Gruppe anzugehören. So packte er seine Reiseutensilien so um, dass ein nicht allzu schwerer Mensch auf seinem Packpferd ausreichend Platz hatte. “Herr Aldenweyn, ihr könnt gerne auf Halunke reiten. Der gute Schecke ist das zwar nicht gewohnt aber durchaus gutmütig. Außerdem habe ich keinen weiteren Reitsattel für euch.” Wolfmar grinste breit. “Ich empfehle euch, Jorik Aldenweyn, eine gute doppelt gefaltete Wolldecke zwischen eurem Hosenboden und dem Rücken von Halunke zu nutzen. So stört ihr mein Packpferd weniger und für euch wird der Ritt angenehmer. Wenn Ihr wollt, führe ich Halunke an der langen Leine. Wenn ihr selbst reiten könnt, erlaube ich euch, mein Packpferd selbst zu reiten. Mein Schild und Kriegshammer aber verliert besser nicht. Sonst werde ich ungemütlich.” Wolfmar zeigte dem Alchimisten seine geballte Faust, während er lächelte. Thimorn kontrollierte eilig sein Gepäck und prüfte ob sich Axt und Schild wie gewünscht aus ihren Halterungen lösen ließen. Erst dann schwang er sich auf seinen unruhigen Vierbeiner. “Allzeit bereit Euer Gnaden. Ich höre auf Euren Befehl!”, antwortete er auf ihren Schlachtruf. Er mochte der jüngste der Gruppe sein, aber er würde ihnen schon noch zeigen, dass er zu mehr Nutze war als dieser dahergelaufene Alchimist. Er hatte zwar nichts gegen die Bürgerlichen, schließlich war er ebenso aufgewachsen und seine Familie erst seit wenigen Jahren in den Adelsstand erhoben. Aber das war eine Mission Rondras. Dieser Jorik war hier so fehl am Platze wie der Rest der Gruppe in einem Labor. Kopfschüttelnd sah der Knappe zu, wie das Packpferd des Hohen Herrn von Wilderklamm für ihren Mitreisenden bereit gemacht wurde und führte sein Pferd parallel zu den beiden: “Hoher Herr, wenn Ihr erlaubt kann ich auch die Leine übernehmen. Ihr solltet Euch nicht mit so etwas belasten müssen.” Eilte er sich seine Dienste anzubieten. Die Dienerin der Alveranslöwin verkniff sich mit Mühe einen bissigen Kommentar über Sinn und Unsinn so mancher Lebensweisen. Wie konnte man nur auf die Idee kommen, ohne Pferd über Land reisen zu wollen? “Herr vom Wildklamm, Euch sei gedankt, den Herrn Aldenweyn mitreiten zu lassen. Ihr habt doch hoffentlich Eure Ausrüstung beisammen und ein Schwert oder eine vergleichbare Waffe gegürtet?” Herrat beäugte den jungen Mann mit strengem Blick. Wolmar hatte zugesehen, wie elegant Thimorn auf sein Pferd geschwungen war. Endlich jemand von den jungen Edlen, der auf dem Rücken eines Pferdes aufgewachsen war, anstatt in der Spielstube oder Kanzlei seiner Eltern, dachte er. Er und sein Pferd waren noch nicht eine Einheit. Das sah selbst ein einäugiger Bettler. Doch das wird schon. Dem Ritter gefiel Thimorns jugendliche Art und er erinnerte sich daran, wie er selbst und sein bester Freund Emmeran früher waren. Auch der junge Alchemist Jorik Aldenweyn kann mit seinem Fachwissen sicher nützlich sein. “Wenn Herr Aldenweyn selbst nicht reiten kann, dürft ihr meinen Halunke gerne an die lange Leine nehmen, edler Herr von Hauerberg. Aber auch für euch gilt: Wenn ihr verschuldet, dass mein Schild oder Kriegshammer verloren geht, mache ich euch dafür verantwortlich. Ob edler Herr oder nicht.” Auch ihn ließ Wolfmar seine behandschuhte Faust sehen, während er lächelte. Aufgesessen, mit seiner Schildhand an dem gegurteten Schwertknauf und an Herrat gerichtet sprach er: “Ihr seid die Anführerin unserer Gruppe, euer Gnaden. Wir sind zum Aufbruch bereit. Mit dem Segen der Leuin und euren Anweisungen können wir abreisen.” “Gilt das auch für Euch, Herr von Aldenweyn?”

Rondragon beobachte die Situation und hörte sich ersteinmal alles an. Dann sprach er mit klarer Stimme “Herrat von Bauernfeind, ihr seid kundig in diesem Gebiet. Ein wichtiger Aspekt für uns. Führt uns zu dieser Kate und erzählt mir auf dem Weg dorthin, alles über das Gelände und den Menschenschlag. Bei der Leuin”, Rondragon Stimme wurde basstief “laast uns die Donnerer finden.”

Nun würde er wohl doch die Hilfe des Adels annehmen müssen. ‘Blaue Probleme erfordern eben blaue Lösungen.’ Soviel hatte Jorik in der kurzen Zeit der Gesellschaft dann wohl gelernt. “Gewiss, Euer Gnaden. Reiten wir.”, bestätigte Jorik missmutig.

“Reiten wir”, bestätigte die Ritterin der Göttin und gab ihrem Pferd die Sporen.

Der Hof Hollerheide (16. Phex , abends)

Ein kalter Schauer läutet das Ende des Tages ein und mit dem letzten Licht am Himmel zeigte sich auch die gesuchte Kate: der Hof Hollerheide! Das kleine, einstöckige Fachwerkhäuschen schmiegte sich an die Flanke einer weitläufigen Alm an und besaß weder Stallung noch Scheune. Allein ein Unterstand war an der Kate angebracht worden und als die Reisenden näher kamen, erkannten sie, das diese als Schmiede genutzt wurde … und offensichtlich als Stall. Eine Ziege und ein Pferd standen unter dem Dach und waren geschützt vom abendlichen Regen. Rauch aus einem Schornstein deuteten auf Leben im Inneren, die Fensterläden waren geschlossen. Das Stück Land wirkte trostlos und ein jeder konnte erahnen, dass das Leben hier kein einfaches war. Als die Reiter bereit zum Absatteln waren, sahen sie einen hölzernen Pfahl. Kunstvoll geschnitzt, erkannten sie die Herrin des Sturmes, Rondra, stolz und gestützt auf einem Schwert. Frisch geschnittene Blumen lagen ihr zu Füßen. Herrat sattelte schwungvoll ab und warf sich vor dem Pfahl auf die Knie. Nachdem sie sich zunächst würdevoll vor dem Abbild der Göttin verbeugt hatte, richtete sie ihren Oberkörper stolz und kräftig auf und schmetterte dem Pfahl ein lautes “Schwertmutter, Alveransleuin, auf deinen Beistand ist Verlass!” entgegen. Dabei achtete sie zunächst nicht auf die anderen Reiter, doch erwartete sie, dass die Herrschaften es ihr gleichtun würden. Die schwarzhaarige Geweihte hatte die Hoffnung, die Bauersleut würden sie an ihrer markigen Stimme und ihrem Rondrasgruß schon von weitem erkennen. Kaum ertönte die laute Stimme der Geweihten, fing auch ein Kläffen im Inneren der Kate an. Wolfmar sah, wie Herrat das Abbild ihrer Göttin huldigte, während er sein Pferd Rubin an einem anderen Pfahl anband. Der Ritter sah sich um und achtete besonders auf sein Schecke Halunke, den der Alchimist Jorik ritt. Schild, Kriegshammer und seine Ausrüstung waren noch angebunden. Jorik Aldenweyn schien es auch gut zu gehen. Die anderen Reisebegleiter waren ebenfalls gut angekommen. Nach den Worten der Rondrageweihten schlug auch Wolfmar ein rondragefälliges Zeichen vor seiner Brust. Als er das Kläffen aus der Kate hörte, spannten sich seine Muskeln und Aufmerksamkeit um das Gebäude ein wenig an. Er half trotzdem erst den Mitreisenden beim absteigen. Wieder hielten seine wachsamen Augen nicht nur das Gebäude, sondern auch die Umgebung im Blick. Wolfmars  Stimme klang ruhig, als er sagte: “Spätestens jetzt weiss man, dass wir hier sind.” Thimorn blickte sich beim Einritt auf dem Hof nervös nach der Ausrüstung des Herrn von  Wilderklamm um. Auf den ersten Meilen ihres Ritts hatte er sie noch genau im Blick gehabt, aber dann im Trott des Tages immer mehr vergessen. Erleichtert atmete er aus, als er sie an ihrem Platz auf dem Packpferd erkannte. Er stieg vom Pferd und begab sich ebenfalls vor den kleinen Schrein der Rondra. Stumm verneigte er sich und sprach in Gedanken ein kurzes Gebet zum Dank für die sichere Reise. Vor der Geweihten wären ihm laute Worte nur Fehl am Platze vorgekommen. Anschließend griff er seinen Raidri wieder am Zügel und blickte zu dem Alchemisten. “Ich hoffe, Ihr habt den Ritt gut überstanden? Ich habe versucht Euch sicher zu führen, aber die Berge sind für ungeübte Reiter ein undankbares Gelände. Selbst meine Beine freuen sich über die verdiente Ruhe.”

Jorik kletterte einigermaßen behände von dem stolzen Ross herab. “Ja, der Ritt war sehr angenehm. Ich danke Euch vielmals.”, gab der Alchimist freundlich zurück. Daraufhin näherte auch er sich dem Schrein der Leuin und verneigte sich knapp mit der Rechten vor dem Herzen. Die Beziehung zwischen dem Jungalchimisten und der Leuin war seit jeher zwiegespalten. Zum einen verehrte er sie für ihren Mut, ihre Stärke und ihre Herzensgüte, zum anderen aber zeigte sie sich stets in prunkvollster Rüstung mit den besten und teuersten Waffen, die sich ein Mensch vorstellen kann. Man erkannte daran sofort, welchem Menschenschlag ihre Sorge galt. Aber gut, es gab natürlich auch weitaus Schlimmeres. Zum Beispiel der Klerus in rot. Nach der kurzen Andacht, die nur ein paar wenige Herzschläge währte, wandte er sich wieder Thimorn um. “Ihr wart sehr geschickt dort oben. Ruht Euch gut aus und genießt die Rast.”

Herrat stapfte in der Zwischenzeit in Richtung der Kate. Sie erwartete schon, dass der Hofhund Wolfi auf sie losstürmen und sie mit seinem zotteligen Fell von oben bis unten mit Haaren besudeln würde. Sie mochte den wehrhaften, großen Hund - und seine Herrchen ebenso.

Thimorn lächelte dem Alchemisten zu: “Ihr habt nicht zu Danken. Es freut mich, dass ich Euch eine Hilfe sein konnte. Aber es gibt einige unter uns, die die Ruhe noch mehr verdient haben. Unsere unermüdlichen Träger haben morgen einen weiteren harten Tag vor sich.” Er trat an Jorik heran und nahm diesem die Zügel des Halunken ab. “Euer Gnaden, Hohe Herren? Soll ich mich auch um Eure Pferde kümmern? Dieser Unterstand scheint mir dafür vorgesehen und unsere Vierbeiner sollten morgen wieder frisch sein, wenn wir die Donnerer einholen wollen.”

Wolfmar war erfreut, dass es allen Mitreisenden gut ging. Die jungen Herren Thimorn und Jorik schienen sich während der Reise auch gut verstanden haben. Die Grenzen von Halunke und Rubin waren noch lange nicht ausgeschöpft, dennoch war sich Wolfmar sicher, dass sie es noch werden, sollte die Gruppe irgendwann auf Gegenwehr stoßen. Hier auf dem Hof schien alles in Ordnung zu sein, wie er beobachten konnte. Die Rondrageweihte hatte ihr strenges Gesicht zu einem Lächeln verzogen, als sie den Hund bellen hörte. Das war ebenfalls ein Gutes Zeichen. Wolfmar sah kurz zum jungen Alchimisten und zu dem Knappen des Herrn von Eychstädt. “Thimorn von Hauerberg, ihr dürft euch gerne um die Pferde kümmern. Als erstes um das Pferd von euer Gnaden von Bauernfeind. Dann könnt ihr euch um Rubin und Halunke kümmern. Vielleicht mag der Herr Jorik Aldenweyn euch dabei zusehen und etwas über Pferde lernen, als Dank, dass er den ganzen Weg nicht laufen musste.” Das Grinsen auf dem Antlitz des Ritters wollte Wolfmar sich eigentlich verkneifen. Doch er mochte die beiden jungen Burschen und sie sollten das sehen. Dann sah er wieder zur Rondrageweihten und dem Hofeingang.

“Sehr gerne doch!”, presste Jorik zwischen zusammengebissenen Zähnen hindurch, verbarg es jedoch geschickt unter einer seiner ironischen Verbeugungen. ‘Glaubt er allen Ernstes ich wisse nichts über Pferde, nur weil ich dieses eine Mal keines mit mir führte? Sein Ernst!?’ Gut, streng genommen erwartete Jorik stets mehr von Menschen mit einem von im Nachnamen, waren sie doch sonst nie darum verlegen sich mithilfe ihrer Stellung, des Schwertarmes oder mit einem Dunkelholzstab über’s einfache Volk zu erheben. Naja, aber Wolfmar schien es in der Realität tatsächlich nicht ernst gemeint gehabt zu haben. Zumindest deutete seine Miene darauf hin. Mit dieser Hoffnung im Gedächtnis folgte er Thimorn zum Unterstand.

Auch Herrat rief noch über die Schulter, dass der Junge sich gerne um die Pferde kümmern dürfe. Ihr Reittier war trainiert und blieb an Ort und Stelle, wenn sie nichts anderes befahl. Doch: Der junge Mann sollte sich hervortun dürfen. Jeder brauchte eine Aufgabe - ein Ziel und eine Bestimmung.

Rondragon schwang sich vom Pferd und huldigte kurz und innig der Göttin. Dann folgte er stumm den Anderen.

Die Tür öffnete sich und ein Hund stürmte heraus. Erst kläffte er, doch wandelte sich sein Verhalten schon nach wenigen Schritten. Der ´Winhaller Wolfshund´, denn von dieser Art stammte der Hund, stürmte zielgerichtet auf die Rondrageweihte zu, wedelte mit dem Schwanz und heulte vor Freude. Ein ältere Mann mit breiten Schultern folgte ihm. Der Bauer, besser gesagt der Schmied und Schleifer, hatte ein einfaches Schwert in der Hand, dass er jedoch sinken ließ, als er die Rondrageweihte erkannte. “Rondra zum Gruße, Knappin Herrat! Zu solch einer späten Stunde haben wir nicht mit noch mehr Gästen gerechnet.” Ingalf Hollerheide kniff die Augen zusammen, um die Begleiter zu begutachten.

Mit seiner linken behandschuhten Hand auf seinem Schwertknauf und einem leichten Nicken, führte Wolfmar einen rondrianischen Gruß an den Bewaffneten aus; Wolfmars rechte behandschuhte Faust schlug hörbar gegen seine Brust in der Herzgegend. Eigentlich stand es Herrat zu, den Gruß des Bewaffneten zu erwidern, schließlich war sie die Anführerin des Trupps und war angesprochen worden und Wolfmar wollte sich nicht vordrängeln. Da sie aber spielerisch mit dem Hund beschäftigt war, sprach Wolfmar nur die Worte: “Rondra zu Gruß, mein Herr. Mein Name ist Wolfmar von Wildklamm.” Sein persönliches Wappen auf seiner Herzseite war deutlich zu sehen. “Mögt ihr uns Euren Namen nennen?” Und kurz auf den Wolfshund geschaut. “Und den Eures tapferen Beschützers?”

Die harte, sonst harsche Geweihte der Donnergöttin konnte sich den Liebkosungen des großen Hundes nicht entziehen. Sie nahm das riesige Vieh in den Arm und ließ sich an Gesicht und Händen abschlabbern, dass die Speichelfäden herabhingen und auf ihr Wams tropften. Man merkte der Frau an, welche ungekannte Freude in dieser zotteligen Umarmung steckte. Der Mann hatte sie als Knappin angesprochen - was ihr selbst nicht aufgefallen war, doch ihre Zeiten als Knappin der Göttin lagen nun schon einige Götterläufe und so manch schweren Kampf zurück. Die Bekanntschaft mit dem breitschultrigen Bewohner des Gehöfts reichte offensichtlich zurück in gelassenere Tage.

“Ich bin Ingalf Hollerheide, Schmied und Schleifer. Und das ist unser Wolfi.” Mit einem Grinsen im Gesicht beobachtete er das Spiel seines Hundes mit der Geweihten. “Seid willkommen auf meinem Hof!” Mit einer Geste machte er klar, das alle im Inneren der Kate willkommen waren. 

Jorik klopfte sich die die letzten Strohreste vom Leib und betrat dann die Kate. Zwar nahm er dem älteren Ritter die Annahme, dass Jorik nichts von Pferden versteht, immer noch etwas übel, aber er konnte nicht leugnen, dass es gut tat, mal wieder gute alte Landarbeit zu verrichten, wenn auch nur für ein paar Momente. Das Leben in der Stadt hatte seine Vorzüge, aber er vermisste das Ländliche immer wieder schmerzlich. Und was soll’s.. nach ein oder zwei ‘oder auch drei’ Krügen Bier wird das alles ohnehin keinen Unterschied mehr machen. Das durfte es auch nicht; in dieser Gesellschaft konnte er sich keinen Fehler erlauben. 

Thimorn hielt die verschiedenen Pferde der Herrschaften am Zügel und versuchte dabei seinen Raidri etwas zu beruhigen, der seit dem Auftauchen des Wolfshundes unruhig hin und her tänzelte. Er war froh, dass die Rösser seiner Begleiter wohl schon einiges mehr erlebt hatten und dem neu aufgetauchten Wolfi nicht allzu viel Aufmerksamkeit schenkten. Als er seinen Begleiter zum stillstehen gebracht hatte, wandte auch er sich an den Hofherren und verneigte sich knapp: “Rondra zum Gruße mein Herr. Thimorn von Hauerberg ist mein Name und Eure Gastfreundschaft will ich gerne annehmen. Aber zunächst würde ich unsere Pferde unterbringen, falls Eure Einladung auch für sie gilt?” Er deutete fragend zu Ziege und Pferd im Unterstand. 

“Dürfen wir denn die Nacht bei dir auf dem Hof verbringen Ingalf? Wir reiten morgen früh weiter gen Norden und fallen dir nicht lange zur Last”, versprach die Geweihte, immer noch im kuschligen Ringkampf mit dem Wolfshund verrenkt.

“Auch ich danke euch für eure Gastfreundschaft, Herr Hollerheide. Möge Travia euch segnen.” Wolfmar nahm sich die feingliedrigen Handschuhe ab und klemmte sie zwischen seinen Waffengurt. Als er an den Wolfshund herankam, ließ er sich bereitwillig von Wolfi seine Hände beschnuppern. Mit seiner Schwerthand strich der Ritter einmal über das Fell des Hundes. Dann begab er sich zu Halunke, um seine Sachen mit in das Haus zu nehmen. 

“Seid gegrüßt”  Rondragon sprach zu seinem Gastgeber für diese Nacht. “Ich hoffe, wir machen euch keine zu großen Umstände?”

“Es wird eng, aber in Travias Namen: seid meine Gäste!”, lachend ging er ins Haus und pfiff den Hund hinein. Der Geruch im Inneren war streng: Ruß, Feuer, Kohlsuppe und Hühnerstall schlug ihnen entgegen. Die Kate war klein. Eine Wohnstube mit Kochstelle, an jedem Stützbalken und Wand hingen Klingen von Werkzeugen, eine Stelle neben dem Kamin mit einem Schleifstein. Der hintere Bereich beherbergte Hühner und eine Leite führt ins Obergeschoss. An einem Tisch saß ein Mann in grauer, doch edler Kutte, während zwei Kinder gerade dabei waren, die Leiter zu erklimmen. Der Mann hatte gerade ein Stück Brot in eine Kohlsuppe getunkt, doch hielt nun in seiner Bewegung inne. Der dunkle Vollbart war gepflegt, seine nussbraunen Augen schauten neugierig.  Er mochte vielleicht Mitte zwanzig sein, auch wenn sein Äußeres ihn älter wirken ließ. “Heute Abend haben wir weitere Gäste. Ehrwürden Herrat, das ist der Weise Sumukrates. Und dort drüben meine Enkel Torben und Rohaja.” Bei der Erwähnung ihrer Namen, hielten die Kinder inne. Beide waren noch unter 10 Götterläufe und schauten ebenfalls neugierig. “Rondra und Travia zum Gruße!”, sagte Sumukrates mit eine wohlklingenden und tiefen Stimme.

Herrat erwiderte den Gruß und durchschritt die Wohnung. In ihren Augen glänzte Nostalgie. Offensichtlich suchte sich nach Gegenständen, die bei ihrem letzten Besuch noch nicht an Ort und Stelle standen.

Wolfmar hatte sein recht großes Reisebündel von Halunke, Schild und Kriegshammer geschultert, als er hinter Herrat in die Wohnung schritt. Freundlich nickte er dem alten Mann zu: “Travia und Rondra zum Gruß, Herr Sumukrates, ich bin Wolfmar von Wildklamm.” An den Gastgeber gerichtet, sagte er: “Herr Hollerheide, wenn nicht genug Platz für uns alle ist, werden der Knappe Thimorn und ich im Stall nächtigen. Ich möchte nur meine Sachen hier unterbringen.”

Jorik hob die Hand und setzte zu einer Antwort an: “Travia und…” einen Moment lang zögerte er, ehe er fortsetzte, “Rondra zum Gruße.” Einen Augenblick schaute er etwas verwirrt, aber dann schaute er sich schon nach einem gut gelegenen Sitzplatz um. “Hier ist noch Platz”, sagte der Bärtige und deutet auf den Stuhl neben sich. “Wie geht es dir Ingalf?”, frug die Rondrianerin, als sie den Innenraum einmal umkreist und ihre Lieblingsstücke noch an ihrem angestammten Platz vorgefunden hatte. “Was macht die Ernte? Was macht das Eisen?” “So ihr zwei, ab in die Kiste!”, sagte Ingalf und gab den Kindern ein Zeichen zu verschwinden. Diese kicherten und kletterten lautstark nach oben. Dann deutete er allen sich zu setzen. “Legt eure Sachen ab, da wo ihr ein Platz finden könnt. Ich habe noch Kohlsuppe für alle.” Dann erst richtete er seine Aufmerksamkeit der Geweihten zu. “Mein Sohn Wulf ist gerade in Gratenfels. Er holt uns das Nötigste und verkauft einige unsere Werkzeuge. Die Ernte war wie immer … bescheiden.” Ingalf griff nach der Schöpfkelle und fing an, die Suppe in Schälchen zu füllen.  “Was führt Euch her? Es muss etwas eiliges sein, wenn ihr nicht die bequemen Betten des Gasthauses in Erzenschöffer nehmt … oder kommt ihr von der anderen Richtung?” Die Frage war an niemanden bestimmtes gerichtet, den er stand mit dem Rücken zu allen.

Wolfmar räusperte sich kurz. Dabei sah er den Kindern nach, wie sie aus der Stube liefen. Als Herrat darauf nicht sofort antwortete, sprach Wolfmar leise aber direkt zu den Anwesenden: “Euer Gnaden Herrat hatte uns hierher geführt. Wir waren wohl der Meinung, nicht wieder an Orten zu nächtigen, die zu viele fremde Augen und Ohren haben. Und wir wären froh, wenn ihr uns nicht allzu viele Fragen stellen würdet, warum wir zu euch gekommen sind und nicht in eine Gaststube. Ich glaube, euer Gnaden Herrat und der edle Herr von Spiegelberg wären am besten geeignet, euch von dem kundzutun, was wir preisgeben dürfen. Vielleicht könnt ihr uns und der Leuin sogar dabei sehr dienlich sein, wenn ihr uns helfen könnt.” Wolfmar suchte sich eine Ecke in der Stube, um sein Bündel mit Kriegshammer und Schild dort zu platzieren. Dann setzte er sich auf einen Stuhl. “Euer Angebot, von der Kohlsuppe zu kosten, nehme ich dankend an, Herr Hollerheide.”

Rondragon legte sein Hab und Gut neben das von Wolfmar. Dann folgte er der weiteren Unterhaltung.

Herrat nickte zustimmend. “Du kennst das ja. Immer auf Achse. Wir reisen nach Norden und müssen uns ein wenig beeilen. Deine Kate war uns wie immer sehr willkommen.” Der Schleifer nickte verständnisvoll und verteilte die Suppe. “Norden, in die Wälder? Dann wisst ihr sicherlich das ´beeilen´ ein überschätztes Wort ist in diesem Zusammenhang.”, sagte Sumukrates. Herrat schmunzelte und zuckte mit den Achseln. “Man tut, was man kann…” “Falls ihr jemanden braucht, der euch schnell und sicher durch Nordgratenfels bringen kann, dann ist das der Herr Sumukrates. Keiner kennt sich besser aus.”, sagte Hollerheide und nickte dem bärtigen Mann zu. “Kannst du reiten?”, frug sie irritiert. Der Waidmann kannte sich sicher aus, aber schnell?! Nun schaute der Angesprochene sie direkt an. “Aber natürlich, mein Pferd steht draußen in der Schmiede. Und der gute Hollerheide hat recht, ich kenne die Wälder sehr gut.” “Na dann! Du kannst uns auf dem schnellsten Weg nach Norden führen.” Er nickte. “Wohin wollt ihr? Und ich frage nicht ´warum´ wollt ihr.” Sumukrates nickte verständnisvoll in Richtung Wolfmar. Wolfmar nahm dankend nickend den dampfenden Suppenteller entgegen. “Ich gehöre zum Geleitschutz Plötzbogen und war des öfteren auch im Norden. Aber nur auf den gängigen Handelsstraßen. Wenn ihr darüber hinaus weitere Wege kennt Herr Sumukrates, wären wir für eure Hilfe sehr dankbar.” „Wir sind auf dem Weg zur Ordensburg der Donnerer“, präzisierte Herrat. Sumukrates schaute überrascht.”Donnerer? Ich habe gerade erst vor ein paar Tagen ein Paar gesehen. Doch um eure Frage zu beantworten: ich kenne Pfade, die die Reise um einiges verkürzen würden. Durch Kranick bis Schnakensee.” “Donnerer”, Rondragon lächelte während er das Wort aussprach. “lange ist es her”. “Erzählt uns mehr von Ihnen” Sumukrates ließ seinen Blick zwischen Rondragon und Herrat schweifen. “Viel kann ich euch nicht erzählen. Die Drei hatten es eilig, wieder zu ihrer Burg zu gelangen. Das war auf der Reichsstraße. Die Hauptfrau,” er überlegte kurz, ”Enid, hatte erzählt, dass sie hat Waffen repariert lassen haben. Ich habe natürlich gleich an euch gedacht, Hollerheide.” Nun grinste er. “Doch sie meinte, das die Schmiede in Erzenschöffer die Beste sei. Nun, ich kann nicht behaupten, das ich mich auf diesem Gebiet besonders auskenne.” Dann nahm er einen Schluck aus seinem Becher .”Wir hatten nur kurz zusammen gesessen. Ich erinnere mich noch, das der Jüngste von ihnen äußerst aufgeregt war und ständig grinsen musste, allerdings hat er mir nicht gesagt, warum er in solch einer guten Stimmung war. Er hatte seinen Arm immer um die großen Taschen, fast so, als wolle er einen Schatz hüten.” “Bist du dir sicher?”, entfuhr es Herrat. “Hast du den Eindruck, diese Enid hat gelogen? Bei RONdra, wenn ich das Weibstück in die Finger bekomme. Da wird kein Knochen heil bleiben.”  Wolfmar hörte neugierig zu. Mit dem Löffel voll Suppe in seiner Schwerthand, ohne einen Tropfen zu verschütten führte er diesen zur Hälfte bis an den Mund. Dann verharrte er kurz und sein Blick war auf Sumukrates gerichtet. “Ihr erwähnt den Namen Enid. Wer ist das? Und von den Donnerer, habt ihr von Ihnen Namen erfahren? Haben sie sich gegenseitig angesprochen und könnt ihr euch an Namen erinnern?” Während Wolfmar auf die Antwort des Herrn Sumukrates wartete, kostete er von dem Löffel, ohne den kleinsten Tropfen zu verschütten und nickte Herrn Hollerheide wohltuend zu, um ihm zu zeigen, dass die Suppe schmeckte. Überrascht zog Sumukrates eine Augenbraue hoch. “Ihr meint, ob sie log, das sie Waffen reparieren lassen hatte? Nun, ich hatte nicht den Eindruck.” Dann wanderte sein Blick zu Wolfmar. “Enid ist die Hauptfrau von den Donnerern. Wir hatten uns kurz unterhalten bei einer Rast. Ich bot ihnen von meinen Vorräten an. Die Hauptfrau hatte ich schon einmal auf deren Burg gesehen. Doch besser kenne ich den Hjalbin. Mit dem hatte ich vorher schon gesprochen gehabt. Ihr müsst wissen, das ich die Donnerer ab und an besuche und meine Dienste anbiete. Der jüngere der Drei war mir allerdings unbekannt.” Er machte eine kurze Pause. “Volle Namen wollt ihr, hmmm. Busch …irgendetwas mit Busch …” Dann fing er an zu strahlen. “Hinterbusch! Ja, Hauptfrau Enid von Hinterbusch. Und Hjalbin von  Krammetstal. Der Jüngere … ich glaube sein Name war Hlûthar, so wie der Heilige.”

Jorik sah Sumukrates einige Herzschläge lang verwundert an, dann setzte er sich zögerlich zu ihm. Zwar wusste er gerade mal wieder so überhaupt nicht, wie er sich verhalten sollte, aber daran hatte er sich in der Gesellschaft der Adligen mittlerweile gewöhnt. Er würde das tun, was er am Besten konnte: in medias res gehen. “Welche…”, begann er noch etwas zurückhaltend, “Welche Dienste verlangt ein solcher Kriegerorden von Euch?” Der bärtige Mann musterte kurz den Aldenweyner. “Verlangen tun die nichts. Ich biete meine Dienste an, als Heiler für Tier und Mensch. Ihr Medicus kauft mir Heilkräuter ab und wir tauschen Geschichten aus. Und … ihr? Ihr scheint mir kein Schwertgeselle zu sein.”

“Danke Herr Sumukrates. Diese Namen im voraus zu kennen, kann uns nützlich sein.”, sagte Wolfmar. “Oh gewiss nicht. Mit dem Schwerthandwerk habe ich nichts zu tun.”, gab Jorik strahlend zurück. Auf seinen bestandenen Abschluss in der Stadt war er seit jeher besonders stolz, und er liebte das, was er tat. Folglich war er nun ganz in seinem Element. “Ich wäre wohl am ehesten mit demjenigen zu vergleichen, der Euch die Kräuter abnimmt, um daraus mithilfe von Drachenfeuereisen und Jorugasblüte einen stark wirksamen Sud gegen das Wundbrandfieber zu brauen. Ich bin Alchimist von Beruf. Es freut mich, Eure Bekanntschaft zu machen, Herr… Sumukrates? Falls ich den Herrn von Wildklamm soeben richtig verstanden habe?” “Ein Alchimist? Welch eine interessante Berufung. Ich denke ich habe da einige Fragen, die ich euch später sicherlich fragen werde.” Nun beendete er seine Suppe. “Wie ich schon sagte, ich helfe gern. Doch ist es Zeit für etwas Ruhe. Wir sollten in der Dämmerung aufbrechen. Wir werden wahrscheinlich die Donnerer nicht mehr einholen, doch sicherlich schnell zur Burg kommen. Ich kenne die schnellsten Pfade durch Nordgratenfels.” Dann erhob Sumukrates sich vom Tisch. “Ich werde draußen bei meinem Pferd nächtigen. Ich wünsche eine geruhte Nacht!” Er verbeugte sich kurz und ging dann nach draußen. „Dir auch“, schallte es dem Wildniskundigen entgegen. „Er hat Recht. Lasst uns schlafen gehen, damit wir morgen früh gestärkt aufbrechen und nach Norden reiten können“, erklärte die Geweihte der Leuin. Die Frau musste ihre Suppe inhaliert haben, denn es wäre niemandem aufgefallen, dass sie ‚sorgsam‘ oder ‚langsam‘ gegessen hätte. Militärischer Drill hatte der Göttinnenritterin anerzogen, sich dann zu stärken, wenn Zeit dafür war.

Wolfmar war sich sicher, dass es jetzt voran gehen könnte. Er löffelte befriedigt den Teller mit der Kohlsuppe aus. “Genau, lasst uns heute früh schlafen gehen. Morgen werden wir schnell aufbrechen.” Dann machte der Ritter sich fertig für die Nachtruhe.

Das Essen tat gut. Karg und einfach lecker. Rondragon war mit sich im Reinen. Seine Gefährten machten einen tüchtigen Eindruck. Auf der Fährte der Donnerer zu sein. Seine Vergangenheit schien in einzuholen. Das Leben mit dem Schwert in der Hand, leidenschaftlich für die Leuin zu streiten. Es war einfach sein Leben. Er dachte an sein verstorbenes Eheweib, welches ihm diese tapferen Kinder gebar. Das sie sein Leben so überhaupt mitgemacht hat. Zu oft, mußte sie ihn entbehren, hoffen und bangen, daß er aus den Schlachten wiederkam. Nicht Alle schafften das und beizeiten, er lächelte, war es alles andere als geplant, lebend zurückkommen zu können und doch hielt es die Leuin für nicht statthaft den Weg auf Borons Weise weiter zu führen. Bei der Zwölfen, wunderte sich Rondragon, wieso werde ich ausgerechnet bei einer Kohlsuppe im Nirgendwo sentimental ? Das kannte er so nicht an sich. Daher versuchte er dieses ungewohnte höfische Gefühl zu unterdrücken und wandte sich direkt an …

“Sumukrates”, Rondragon sprach klar und richtete dabei seine Augen zum direkten Blick auf seinen Gastgeber “beschreibe mir die Donnerer etwas genaue, insbesondere den Jüngsten, gab es Auffälligkeiten und beschreibt auch die Tasche. Ich möchte Sie gerne erkennen, wenn Sie mir über den Weg reiten”

Die Tür der Kate öffnete sich und mit der kalten Abendluft trat der Knappe Thimorn in den Raum. Er hatte sich um die Pferde der Reisegruppe gekümmert und war noch mit allerhand Gepäck beladen, das die Gesellschaft an Satteln belassen hatte. Eilig verschloss er die Tür, damit nicht allzu viel von der warmen Luft nach draußen entwich und sog hungrig die nach Kohlsuppe duftende Luft ein. Neugierig huschten seine Augen zwischen den Anwesenden herum. Ob sie wohl schon etwas von Wert erfahren hatten? Aber es schien ihm nicht angemessen danach zu fragen, von den unbeteiligten Mithörern ganz abgesehen. Daher begnügte er sich damit, das Gepäck in einer Ecke zu verstauen und sich einen Platz bei den anderen zu suchen.

“Oh gewiss stehe ich Euch zu geeigneter Stunde für Fragen und Ausführungen zur Verfügung. Nur keine falsche Scheu; es gibt keine dummen Fragen.”, antwortete Jorik und zwinkerte dem Herrn Sumukrates zu. Als Thimorn die Schenke betrat, winkte ihm Jorik und rief: “Hier, Ihr könnt gern meinen Platz haben. Ich war gerade im Begriff zur Nachtruhe zu gehen.”

An Thimorn und Jorik gerichtet sagte Wolfmar: “Sind die Pferde gut versorgt? Wir brechen morgen sehr früh auf. Esst eine Kleinigkeit und legt euch dann früh schlafen. Herr Sumukrates hier ist mit dieser Gegend hier gut vertraut und wird uns zu den Donnerer führen.” An Herr Hollerheide gerichtet bat er: “Danke für die Kohlsuppe. Sie hat mir sehr gut geschmeckt. Wenn ihr noch etwas davon für unsere beiden jungen Mitstreiter habt, wären wir euch sehr dankbar. “

Thimorn nickte dem Ritter zu: “Ich habe ihnen alles abgenommen und sie so weit versorgt, wie ich es gelernt habe. Sie werden uns morgen weiter zu unserem Ziel tragen können!” Dankbar nahm er den von Jorik gebotenen Platz ein. Er hatte Mühe seine Augen offenzuhalten, aber der Hunger half ihm dabei.  ‘Er kommt mit?’ Jorik, der sich bereits auf den Weg in den Quartiersbereich aufmachte, hielt inne und betrachtete Wolfmar und Sumukrates einen Herzschlag lang aus dem Augenwinkel, ehe er sich mit der Linken auf dem Herzen und einem Lächeln auf den Lippen noch einmal umwandte. “Ahhh, das freut mich doch sehr. Dann auf eine gute und sichere Reise. Gemeinsam. Bis dahin wünsche ich uns eine gute Nacht.” Daraufhin wandte er sich wieder zum Gehen.

“Ihr habt einen tüchtigen Knappen, werter Jorik” Rondragon nickte Jorik anerkennend zu.

Sumukrates wartete höflich, während Hollerheide den Beiden von der Suppe auftat. Dann griff er die Frage Rondragons wieder auf. “ Nun, die Hauptfrau ist in ihren Dreißigern. Denke an die 170 Halbschritt, blond,” er überlegte kurz,” ich glaube sie hatte braune Augen. Hjalbin ist älter, so wie ihr vielleicht. Doch kleiner als wir alle. Ich würde ihn als Südländer beschreiben. Dunkles Haar und dunkle Augen. Und der Jüngste, hmmm, mitte zwanzig vielleicht. Auch er war nicht besonders groß. Blond, und ja, nebelgraue Augen. Eine besondere Farbe würde ich meinen. Nun, die Taschen waren alle in roten, festen Stoffen gewickelt. Eigentlich sehr auffällig. Reicht euch das?”

Gierig griff Thimorn nach der angereichten Schüssel und war schon dabei den ersten Löffel gen Mund zu führen, als er sich auf seine Erziehung besann. “Travia zum Dank!” Eilte er sich hervor zu bringen und widmete sich der einfachen Mahlzeit, als wäre sie ein Festmahl des Kaiserhauses. Eine schnelle Reise durch den Norden (17. - 19. Phex 1044 BF)

17. Phex 1044 BF. Der nächste Morgen begann sehr früh und schon beim Morgengrauen waren alle Reiter auf ihren Pferden. Der ´weise´ Mann, Sumukrates, hielt sein Wort und ritt mit der Geweihten der Leuin voran. Die Reise des ersten Tages war allerdings alles andere als angenehm: ununterbrochen hielt der Regen an, doch gönnte man sich nur kurze Pausen während der Strecke. Nach einem kurzen Ritt auf der Reichsstraße, lenkte der Wegführer die Leute in die Wälder und somit in das Hoheitsgebiet der Barone von Kranick. Noch vor dem Mittag erreichten sie die Ufer der Tommel, doch dank eines Flößers, wurden sie schnell ans andere Ufer gesetzt. Weiter ging es über hügeliges Weideland, doch anstatt der Pfade zu folgen, ging es abermals wieder in die Wälder. Trotz skeptischer Worte, von seitens einiger Ritter und der Geweihten, versicherte Sumukrates, dass dieser Weg der schnellere sein werde. Am Nachmittag kam ein Kloster der Therbuniter in Sicht, in dem die erste längere Pause eingelegt wurde. Die Geweihten und Laiendiener des Ordens schien mit dem bärtigen Führer vertraut und so wurden alle gut versorgt. Nach kurzer Nachfrage, hatten die Donnerer hier eine Nacht verbracht, waren aber Tage zuvor, wieder abgereist. Der restliche Tag ging weiter durch die Wälder, doch bliebens sie diesmal auf den benutzen Pfaden. Bei dem Dorf Zweiwassern setzten sie wieder über einen Fluß und erreichten am späten Abend, nach der Dämmerung, die Ortschaft Espenquell. 

Für die Weiterreise trug Wolfmar von Wildklamm während der Ritts nun sein Schild, der das Wappen der Plötzbogens darstellte, am Schildarm, während sein zweihändiger Kriegshammer an seinem Reitpferd Rubin befestigt war. Mit seinen feingliedrigen Handschuhen umschloss der kampferprobte Ritter fest die Zügel von Rubin und führte sein Pferd zielsicher die Wege entlang, die Herr Sumukrates vorgab. Nur wegen eines Nieselregens hatte Wolfmar sich die Kapuze nicht hochgezogen. Er nannte sowas, etwas feuchte Luft heute. Nur wenn der Regen stärker wurde holte er es nach. Was ihm allerdings die Sicht zur Seite hin beeinträchtigte. Dabei beobachtete Wolfmar mißtrauisch und manchmal mit stark zusammen gekniffenen Augen, alle möglichen Hindernisse, wie Felsen, Vorsprünge und Büsche, die als einen Hinterhalt dienen könnten. Gelegentlich sah sich Wolfmar auch nach hinten um, wissentlich den Knappen Thimorn mit Wolfmars Packpferd Halunke und den Alchimisten Jorik auf Halunke, hinter sich zu haben. Wolfmar musste kurz lächeln, eine Erinnerung schoss Wolfmar vor seinen geistigen Augen. Er sah in dem Knappen sich selbst als junger Mann vor fast dreißig Jahren, wie er seinen ersten Ausritt mit seinem Freund Emmeran von Plötzbogen hatte. Und Jorik erinnerte ihn kurz an Emmeran, wie sein Freund damals das störrische Pferd seines gerade verstorbenen Großvaters reiten durfte. Ein nordischer Kaltblüter. Wie hieß es noch? Asleif? Arleff? Ja, irgendwie so. Wolfmar blickte wieder nach vorne und bewunderte erneut den Griff mit der wunderbaren Parierstange, von Herrats Zweihänder an ihren Rücken.

Während er den letzten Reisetag damit zugebracht hatte die Ritter und die Geweihte  in ruhigen Momenten nach alten Abenteuergeschichten auszuquetschen, war der junge Knappe die zweite Etappe der Reise ungewöhnlich wortkarg. Die Kapuze seines Wollmantels tief ins Gesicht gezogen hielt er den Kopf nur so weit oben, wie es nötig war um die beiden Pferde in seiner Verantwortung sicher ans Ziel der Reise zu führen. So hatte er sich die Verfolgungsjagd ganz und gar nicht ausgemalt. Lediglich nach der Tommel Überquerung hob er den Kopf etwas und betrachtete die Gegend etwas interessierter. Auch wenn sie sich nicht weit weg von seiner Heimat befanden, war ihm diese Landschaft gänzlich unbekannt und er beschloss die Schleichwege in den Wäldern von Tommelsbeuge genauso zu erkunden, wie es der Herr Sumukrates offensichtlich hier getan hatte. Ja, das könnte sich eines Tages als außerordentlich nützlich erweisen, auch wenn er hoffte, nach seiner Schwertleite zunächst noch das Herzogtum oder sogar das gesamte Reich zu bereisen. So hing er bei dem trübsinnigen Wetter seinen Gedanken nach all den aufregenden Geschehnissen nach, die in der großen Welt geschehen mussten, während er  hier im Regen kauerte.

18. Phex 1044 BF. Der Morgen am nächsten Tag war von Freundlichkeit geprägt, denn Efferd hatte aufgehört sein Element vom Himmel zu schütten. Ein Frühlingshafter Wind kündete vom kommen Peraines Segen. Im Dörfchen Espenquell wird Waldbienenwirtschaft betrieben und so kam man nicht drumherum, vom  örtlichen ´Niederhofhonig´ zu probieren. Die findigen Bewohner des kleinen Dörfchens verarbeiteten auch den Wachs der Bienenstöcke zu schönen, gewundenen Kerzen und so machte Sumukrates seinen Wegbegleitern je eine zum Geschenk.  Kurz nach dem Aufbruch, setzten sie wieder über ein Flüßchen und betraten die Wälder der Edlen zu Schwarzweiher. Zur Überraschung Rondragon von Spiegelbergs, der jetzige Edle Schwarzweihers, führte Sumukrates sie alle über einen Pfad, der selbst ihm unbekannt war. Dieser erklärte ihm, das der alte Donewald viele Pfad und Wege kennt, doch vor vielen verborgen hielt. Er selbst hatte gelernt die Zeichen der Wälder zu lesen, und so ward ihm dieser Pfad vor vielen Jahren offenbart. Interessanterweise befanden sich einige, größere ´Findlinge´ in dem Mischwald, worauf der ´Weise´ darauf hinwies, dass es die Erdmutter Sumu selbst war, die diese als Wegweiser für die Bewohner des Waldes gesetzt hatte. Nach nur einem halben Tag betraten die Reisenden die Wälder der Baronie Schnakensee.

Die waldreiche und äußerst dünnbesiedelte Baronie, bot kaum Abwechslung für die Gruppe und man folgte einen ausgetretenen Pfad. Sumukrates erklärte ihnen, dass sie nun auf dem Gebiet der Junker von Richtwald befände und noch am Abend die Grenze zu den Edlen von Eisbühl, dem Haus deren von Wildklamm, erreichen würde. Es war der Neugierde Sumukrates geschuldet, dass er direkt den Ritter Wolfmar von Wildklamm fragte, wie gut er sich in seiner Heimat auskennen würde. Am Abend wurde ein Lager im Wald aufgeschlagen, den weit und breit gab es keine Siedlungen.

Herrat nahm all die ‘unüblichen Abkürzungen’ eher mürrisch zur Kenntnis. Sie hielt es zwar taktisch für klug, auf diesen geheimen Pfaden zügig voranzukommen. Doch war ihr das Gefasel von der Erdmutter, den Wegweisern und den magischen Pfaden, die sich selbst verbargen, nicht geheuer. Sie drängte jedes Mal, wenn Sumukrates zu langen Ausführungen auszuholen gedachte, auf einen zügigen Ritt. Immer öfter konnte man ihr dabei zusehen, wie sie die Zügel knetete.

“Es war schon lange her, als ich diese Gegend zuletzt besucht hatte, mein Herr Sumukrates. Ich glaube weit westlich von hier gab es damals einen Hof, wo wir vom Geleitschutz Plötzbogen während eines Unwetters, Zuflucht gesucht hatten. Ich war erst kürzlich in Sold für meinen Freund Emmeran getreten. Es war meine Aufgabe, mich um die Reitpferde der Söldner zu kümmern. Die ganze Nacht über musste ich mit den Gäulen im Stall verbringen und sie beruhigen. Das Unwetter hörte erst gegen Praiosaufgang auf. Und zur Belohnung durfte ich dann als erstes Frühstücken. Es gab dicke herzhafte, fast noch warme Brotscheiben mit ordentlich Butter drauf. Und herrlich süßen Honig. Dazu ein hartgekochtes Ei und heißen Gewürzwein oder Met, denn es war im Phex, soweit ich mich erinnere. Und am besten war die unverheiratete Schwester vom Bauern. Die durfte mich abtrocknen und meine Füße massieren. Sie hatte wunderschöne, große… äh Augen.” sagte Wolfmar, als er bemerkte, dass Herrat zu ihm blickte. Das brachte Herrat zum Lachen. Augen ja? Große, schöne Augen? Diese Männer und ihre Bedürfnisse.

19.Phex 1044 BF

Der Morgen begann wieder mit einem ständigen Regen, doch führte der ´Weise´ sie alle auf einen besseren und,  vor allem, breiteren Pfad. Trotz des aufgeweichten Bodens gelang es den Reisenden Spuren von Pferden auszumachen, ein weiteres Zeichen dafür, dass es hier Menschen gab. Dennoch begegneten sie keiner Menschenseele und so wurde der Ritt eintönig und bedrückend. Erst am späten Nachmittag zeigten sich Weggabelungen. Der eine führte in das Gebiet der Edlen von Kaltenklamm, der andere zu den Eisbühlern. Der Dritte jedoch, so versicherte Sumukrates, würde direkt zur Burg der Donnerer führen. Von dort aus ging der Weg bergaufwärts und wurde zusehends steiniger. Die Landschaft veränderte sich vor den Augen der Reiter, den nun hatte man das Vorgebirge des Kosch betreten. Und dann endlich, kurz nach Beginn der Dämmerung, hatten sie die Burg der Donnerer in Sicht!

Obwohl das schlechte Wetter und die Eintönigkeit des zweiten Reisetags glichen und Thimorn auch ähnlich schweigsam wie an jenem Tag war, merkte man dem Knappen an, dass etwas anders war. Hoch aufgerichtet saß er auf seinem Pferd und versuchte den Regen zu ignorieren, der ihm ins Gesicht tropfte. Stattdessen sah er sich aufmerksam, fast schon angespannt nach allen Seiten um. Immer wieder zuckte seine Hand zum Griff der Streitaxt an seiner Seite, auch wenn nur das leiseste Knacken vom Wegesrand zu hören war. Mehr als einmal hätte er über diesen Reflex beinahe die Leine fallen lassen, an der er Halunke durch die Wildniss führte. Jetzt wo die Burg der Donnerer in Sicht war, zeichnete ein leichtes Lächeln sein immer noch angespanntes Gesicht. Er schlug die Kapuze zurück, lies die Schultern kreisen und schüttelte das Wasser ab. Sie waren endlich am Ziel, jetzt würde etwas geschehen! Doch was eigentlich? Er ließ den Blick fragend zwischen der Geweihten und den Rittern schweifen, gespannt darauf wie sie nun vorgehen wollten. 

Herrat betrachtete stumm und voller Grimm die Festungsanlage. Sollte es zum Ernstfall kommen, wie mussten sie vorgehen? Wo gab es Wege in die und aus der Burg? “Na endlich”, donnerte sie nach einigen Minuten. “Lasst uns ungebetene Gäste sein!”, erklärte sie mit felsenfester Stimme. Ihr von der tiefen Narbe durchzogenes Gesicht verzerrte sich zu einem Grinsen voller Spannung und Vorfreude.

Die Reiseroutine von Wolfmar wich der Neugier. Das war dem Ritter anzusehen. Er schien sich jedes Buschwerk, jeden Felsen oder Stein genauer zu beschauen und einzuprägen. “Ein alter Krieger lehrte uns in der Akademie, bevor man eine gute Stelle für die Schlacht sucht, sollte man sich einprägen, wie man von dort wieder wegkommt, falls etwas schiefgeht.” sagte Wolfmar, während er prüfend nach dem Schwertgriff an seiner Seite fasste, um sie sogleich wieder loszulassen. “Dabei ging es damals nur um die Eignung als Heerführer. Dennoch befolgte ich seitdem diesen Schritt genau.” Herrat nickte bestätigend. An Herrn Sumukrates gewandt fragte Wolfmar: “Gibt es dort eine Stelle, wo wir die Pferde eine Weile alleine lassen können?” “Mach euch keine Gedanken, dort gibt es alles, was ihr brauchen werdet”, sagte Sumukrates.

Während Thimorns Blick bislang zwischen den Reisegefährten und der Burg hin und her gehuscht war, blickte er sich nach Wolfmars Worten auch in der Gegend um und versuchte mögliche Pfade zu erspähen, die sie unentdeckt von der Burg weg führen würden, sollten sie den Weg nicht mehr zurückreiten können.

Die Burg der Donnerer (19./20. Phex 1044 BF)

Die Burg war trutzig und bot einen wohlgepflegten, wehrhaften Eindruck. Über dem Bergfried wehte stolz das blau-schwarz-gevierte Banner der Donnerer. Nach einem ausführlichen 'Woher und Wohin' ließ die in die blau-schwarzen Farben der Donnerer gekleidete Torwache eintreten, nachdem sie sich von Redlichkeit und Rondrademut (und Kriegerbrief) der reisenden Waffenträger überzeugt hatte. Ohne großes Zögern wurde die Gruppe zur Hauptfrau geführt, Enid von Hinterbusch, einer hochgewachsenen Frau Anfang der 30 in Kettenhemd und Wappenrock, deren breite Schultern und geschmeidigen Bewegungen mehr als alles andere die geübte Kämpferin erklärten. “Hier ist es also..” Mit großen Augen sah sich Jorik im Innenhof um. Die stattlich anmutende Festung mit ihren starken Mauern hatte etwas faszinierendes, aber auch einschüchterndes. Mit ihr legte man sich besser nicht an. Nachdem sie zur Hauptfrau der Donnerer geführt worden waren, deute er eine Verbeugung an und legte sein typisches Lächeln auf, mit dem er immer so gern seine Absichten verschleierte. “Rondra zum Gruße, verehrte Hauptfrau.” Thimorn versuchte seine Nervosität so gut es ging zu verbergen. Während des Gesprächs mit der Wache und auch jetzt vor der Hauptfrau versuchte er sich im Hintergrund zu halten und bis auf ein “Rondra zum Gruß.” nicht weiter aufzufallen. Seiner Erfahrung nach war das ein Angebot, welches die meisten hohen Herrschaften bei einem Knappen gerne annahmen und sich stattdessen ganz auf den Ritter konzentrierten. Auch wenn sein Herr von Eychstädt nicht zugegen war, gab es doch mit den beiden Rittern und der Geweihten genug Personen, bei denen die Aufmerksamkeit der Hauptfrau besser aufgehoben war.  Stattdessen versuchte der junge Knappe den Rat des Herrn von Wildklamm zu beherzigen und versuchte sich den Weg durch die Burg und weitere Ein- und Ausgänge einzuprägen, auch wenn er innerlich zur göttlichen Leuin betete, dass sie die Burg erfolgreich aber vor allem friedlich verlassen würden.  “Rondra zum Gruße! Was ist euer Begehr in solch einer späten Stunde?”, fragte sie in die Runde.

In der Burg ließ Wolfmar seinen Kriegshammer und das Schild, mit dem Wappen der Plötzbogens, auf seinem Reitpferd Rubin. Nur mit dem Schwert an seiner Seite, und dem Dolch in der Scheide, stellte er sich neben Herrat vor die Hauptfrau. Dabei achtete der Söldner besonders darauf, dass man sein persönliches aufgenähtes kleines Wappen auf der Herzseite, seiner Brust sehen konnte; auf silber ein blauer Keil, ein silbernes Schwert im blauen Keil.  Wohl wissend die Etikette einhalten, stellte er sich und seine Begleitung in der genehmsten Reihenfolge vor: “Rondra zum Gruße, Hauptfrau Enid von Hinterbusch. Euch begrüßen Euer Gnaden Herrat von Bauernfeind und der edle Herr Rondragon von Spiegelberg. Mein Name ist Wolfmar von Wildklamm. Das hier sind Thimorn von Hauerberg, Herr Jorik Aldenweyn und der Herr Sumukrates. Wir danken, dass ihr uns empfängt, denn wir sind in einer wichtigen Angelegenheit zu euch gekommen, die wir mit euch besprechen wollen.” Und Wolfmar schaute zu Herrat und dem Edlen von Spiegelblick, die jetzt das Wort hatten. “Habt Dank, von Wildklamm”, setzte Herrat nach. “Wir beabsichtigen, Euch über Euer Begehr in Erzenschöffer zu befragen”, fiel die Ritterin der Göttin mit der Tür ins Haus.

Die Hauptfrau nickte. “Kommt, besprechen wir das woanders.” Der bärtige Führer, Sumukrates, hob die Hand. “Ich werde hier auf euch warten.” Dann schritt er zur Seite. Enid ging voran, überquerte den Burghof und führte alle in einen geräumigen Raum. Dann stellte sie sich wieder vor allen auf. “Nun, was gibt es zu berichten?” “Nicht wir, Ihr mögt berichten. Was suchtet Ihr in Erzenschöffer? Wir müssen dies wissen - im Namen des Landgrafen!” Herrat wirkte energisch, fast wütend. Deutlich überrascht vom aufflammenden Zorn der Geweihten hob Enid die Augenbrauen. “Wir haben einen Zweihänder aus Erzenschöffer abgeholt und ein paar zusätzliche Lederarbeiten.”, sagte sie ruhig. “Wessen Zweihänder? Welche Lederarbeiten?”  “Satteltaschen, Riemen und Zaumzeug.” Nun war es an der Hauptfrau verärgert zu wirken, anscheinend verstand sie die scharfen Fragen nicht. “Der Zweihänder des Burgsassen. Ein Erbstück seiner Familie. Griff und Klinge mussten repariert werden.” Enid klang weiter sachlich. “Einen Zweihänder. Wir haben einen Zeugen, dass ihr ein größeres Bündel bei euch getragen hattet. Sicherlich hätten darin eure Satteltaschen hinein gepasst. Dann hattet ihr in Erzenschöffer hoffentlich keinen Kontakt mit der Plättnerin Wyna. Die hätte euch minderwertige Ware angeboten. Aber hätte dort auch eine historische Rüstung hinein passen können. Vielleicht die Hlûtharsrüstung. Sagt euch das etwas?” Jorik spitzte aufmerksam die Ohren. In den Städten des Reiches galt neben der Dukate noch ein Zweites als wertvollste Währung: Informationen. Und da Wolfmar nun direkt, wie er war, auf diese ominöse heilige Rüstung zu sprechen kam, galt es jetzt, besonders aufmerksam zu sein. "Die Hlûtharsrüstung? ... ." Die Hauptfrau überlegte. "Es heißt, dass diese während der Kaiserlosen Zeiten eine Weile hier auf der Burg beherbergt wurde. Aber das ist schon sehr, sehr lange her. Warum fragt ihr danach?" “Sie wurde gestohlen! Versteht Ihr die Tragweite dieses Schrecknisses? Wir müssen wissen, wer zuletzt mit diesem Artefakt Kontakt hatte. Und als Diebe kommen alle in Betracht, die zuletzt in Erzenschöffer waren.” "Gestohlen?? Famerlorsverfl... ! Verzeiht den Ausdruck. Sie war in Erzenschöffer? Ernsthaft? Wenn wir das gewusst hätten, wären wir dem Schmied auf's Leder gerückt - die einmal vor den Händen zu haben, das ist schon etwas ganz Besonderes." Ihre Augen leuchteten. Herrat betrachtete die Frau kritisch. Sie sprach wahr, aber zeigte damit ein großes Interesse an dem Artefakt. "Wie schon gesagt, wir haben Anfang Phex einen Zweihänder aus Erzenschöffer abgeholt - Meister Ferrombarosch Groscho Gerambolosch ist einfach der Beste, wenn es darum geht, Waffen wieder instandzusetzen. Die Klinge hatte einen Riss an der Fehlschärfe - und unsere Schmiedin meinte, das müsse in die Hände eines Zwergen, oder sie könne den nur noch einschmelzen und neu machen. Aber dass die Hlûtharsrüstung auch dort war ... " Sie strich sich ungläubig über ihren blonden Bürstenschnitt. "Das erklärt aber, vielleicht, weshalb mir Anfang des Mondes vom Heiligen Hlûthar träumte, wie er mit Mythrael gegen dunkle Schemen focht. Im Vollmond stand er auf den geborstenen Mauern einer Burg und schlug einen Schatten, der dunkler war als die Nacht. Doch erst, als sein Knappe Orgil ihm beisprang, vermochte er den entscheidenden Schlag zu setzen und das dunkle Gespinst löste sich zu einem hellen Nebelstreif, der dem Mond entgegenwehte." “Wann habt Ihr das geträumt? Habt Ihr etwa häufiger solche Träume?” Jetzt war Herrat hellwach und neugierig. Ihre Haltung, das konnte jeder erkennen, wechselte von feindseelig auf zugewandt. “Anfang des Mondes.”, wiederholte Enid. “Aha. Und passiert Euch das häufiger? Seid Ihr die Einzige hier, die so etwas schon erlebt hat?” “Wir sind Krieger, keine Boronis. Selten, Euer Gnaden, haben wir derart Gesichte.” “Umso außergewöhnlicher ist deshalb die Klarheit Eurer Träume! Und handelte es sich um dieser Burg hier?”, fragte die Geweihte.

“Die Burg? Nein, es war nicht diese hier.” Sie überlegte einen Moment und betrachtete die Gesichter der Menschen vor ihr. “Gebt mir einen Moment. Es kann sein, das ich das herausfinden kann. Der Vorbesitzer dieser Burg hat einiges über den nordmärkischen Adel und seinen Ländereien gesammelt. Und die meisten Ordensritter stammen aus deren Familien.” Sie deutete auf die Sitzgelegenheiten und verließ dann den Raum. Jorik setzte sich auf eine der Bänke und rieb sich nachdenklich das Kinn, wohlwissend, dass sich bald entscheiden würde, wo ihre ungewöhnliche Reise als nächstes hingehen wird. Er sah sich kurz nach Wachleuten der Hauptfrau um, und als er feststellte, dass die Luft rein war, fragte er mit gedämpfter Stimme in die nächstgelegene Runde: “Was haltet ihr von ihrer Ausführung bislang? Mich verwirren noch ihre Schilderungen der Träume, die sie kürzlich offenbar hatte.” “Allerdings. Diese Schilderungen sind noch nicht wirklich greifbar. Ich bin gespannt, ob ihre Recherchen etwas ergeben werden”, murrte Herrat ungeduldig.

Nach einem Stundenglas kam sie zurück. "Ich habe mich mit meinen Rittern besprochen. Die Mauern der Burg standen vor dem Mondlicht wie die Zähne eines Wolfes, und ein Reißzahn war der geborstene Bergfried, ein Fünfseiter. Ich fand das ungewöhnlich - die meisten Bergfriede, die ich kenne, haben eine regelmäßige Seitenzahl. Einer meiner Ritter, der aus Tommelsbeuge kommt, hat mir berichtet, dass es da eine solche Burg gibt - Gispingen heißt sie. Und jetzt fragt ihr danach. Eine wahre Donnerfährte." Sie betrachtete die Gruppe mit zusammengekniffenen Augen. "Werdet Ihr mir Bericht erstatten über das, was ihr herausfindet?" “Gegenfrage: Werdet Ihr uns begleiten? Eure Träume deuten auf ein finsteres Schicksal hin. Wenn wir dunkle Schatten vertreiben und womöglich finsteres Gesindel erschlagen müssen, dann brauchen wir jedes Schwert. Im Namen des heiligen Hlûthar!”, donnerte die Geweihte. “Ich seid eine Erwählte der Sturmherrin, Euer Gnaden! Und Ihr habt genug Waffenfähige an Eurer Seite - ich bin mir gewiss, unsere Dienste benötigt ihr nicht. Zumal mich hier andere Aufgaben binden. ”  Die Hauptfrau betrachtete Herrat mit einem auffordernden Blick. “Die Möglichkeit zur Queste ist Eure, Euer Gnaden. Auch wenn ich euch darob beneide.” Herrat packte den Griff ihres Rondrakamms und streckte den Rücken durch. “Da habt Ihr Recht! Für die Leuin!” Herrat wollte schon auf dem Absatz kehrt machen, als sie sich eines Besseren besann: „Sagt, habt Ihr Kenntnisse davon, ob die Burg in letzter Zeit in Beschlag genommen oder gar in Stand gesetzt wurde? Ist sie verlassen oder belebt?“ “Das ist eine Ruine - war es immer schon. Da lebt keiner, von dem ich weiß.” Gab die Hauptfrau zur Auskunft. “Gut, dann machen wir uns auf das Unbekannte gefasst. Habt Dank für Eure Auskünfte.” Aufbruch nach Gisbingen (20. Phex 1044 BF) Die Nacht war diesmal als angenehm zu bezeichnen. Die Hauptfrau hatte Pferde verpflegen lassen, und die Gäste konnten in zwei Kammern im trockenem und in Betten verbringen. Sumukrates begrüßte alle am frühen Morgen und hatte auch schon für Proviant für alle gesorgt. Nachdem er hörte, was das nächste Ziel sei, versprach er ihnen, auch diesmal den Weg zu weisen. Jorik gähnte herzhaft und kratzte sich den Bauch. “Moin!”, entfuhr es ihm im unflätigen Akzent der Städte. Er fand aber dann doch wieder recht schnell zu gewohnt höfischer Ausdrucksweise: “Oh, das sind wirklich großartige Neuigkeiten. Es freut mich abermals mit Euch zu reisen.”, heuchelte er Sumukrates mit einer angedeuteten Verbeugung. „Wir können es schon gar nicht mehr erwarten!“, blaffte Herrat und scharrte mit den Hufen. Immer dieser müde, träge Haufen. Wäre dies ein Heerlager, würde sie den Herrschaften Beine machen.

Sumukrates kaute nachdenklich auf einer Süßwurzel. Der ´Weise´ Mann, der Druide, hatte die Gruppe bis an die Grenzen zu Tommelsbeuge gebracht und sich dann verabschiedet. Irgendetwas war äußerst merkwürdig an der Mission dieser Adligen, etwas, das er weiter verfolgen wollte. Doch erst einmal musste er zurück, vielleicht wusste sein Bruder, der neuerdings Herold der Baronin von Schweinsfold war, mehr. Dann setzte er sich auf sein Pferd und ritt davon.

Straßenballade

Der 27. Phex im Jahre 1044 BF bewies, dass der Marktmond, wie ihn die Zwerge nannten, doch den Launen des Fuchses folgte. Ein kräftiger Guss tränkte die Landstraße in Tommelsfurt, auf der sich die kleine Gruppe um Irminella von Eberbach abmühte. Immerhin war es nicht mehr so schneidend kalt - fast schon frühlingshaft warm für diesen nördlichen Landstrich, in dem, wie die Elenviner spitzzüngig behaupteten, Sommer werde, wenn der Schnee taue - und Herbstbeginn, wenn er wieder falle. Etwa zwei Wegstunden vor ihnen müsste, so wusste es die Vögtin von Bösalbentrutz, die hier beheimatet war, die Ruine Gisbingen liegen. 

Ulfried zog die Kapuze tiefer in sein Gesicht und lenkte sein Pferd neben das des Ritters von Kranickteich. “Onkel Fulco!”, raunte er diesem zu, und fügte dann bei, um den Regen zu übertönen: “Psst, Onkel Fulco!”. Als er endlich die Aufmerksamkeit des ehemaligen Knappen seines Vaters hatte, sprach er etwas gedämpft weiter. “Fulco, was ist, wenn…”, suchend blickte er sich um, ehe er sich dem Ritter wieder zuwandte, “...was ist, wenn wir kämpfen müssen.” Langsam wog er den Kopf von links nach rechts und wieder zurück. “Vielleicht ist der Dieb nicht alleine. Sehr sicher ist der Dieb nicht allein! Und er wird sich auch nicht so einfach festnehmen lassen, wie diese Wina. Also… also was soll ich dann tun?”

Fulco lächelte Ulfried warm an und sprach so, das nur Ulfried ihn hören konnte “Dann lenkst du dein Tier in den Hintergrund und lässt das blutige Geschäft Irminella, Peranna, Lysander und mir. Rhodan wird sich bestimmt zu dir gesellen. Er ist auch kein Mann des Schwertes. Euer beider Fähigkeiten waren und sind für den Auftrag sehr von Nutzen. Bring dich nicht in Gefahr, wir und dein Lehen brauchen dich noch. Die Fähigkeiten des Geistes werden in Zukunft deutlich an Gewicht gewinnen, davon bin ich überzeugt. “ Hier nickte der alternde Krieger. “ Mach dir keine Sorgen, dir wird nichts geschehen, dafür werden wir “ hier zeigte er auf die eben genannten Kämpfer” mit Freuden Sorgen. Und gräme dich nicht, es gibt viel mehr als das Beherrschen des kämpfenden Kunst und du hast deinen Wert mehr als deutlich auf der bisherigen Queste gezeigt” Er schaute Ulfried aufmunternd und ernst an. 

“Danke für deine netten Worte!”, entgegnete Ulfried mit einem leicht schiefen Lächeln. “Am besten bleibe ich auf dem Pferd und kann den Schurken nachsetzen, wenn sie versuchen zu fliehen.”

Auch wenn er sich eine ganze Weile doch sehr zurückgehalten hatte, verfolgte Lysander die Unterhaltung, so gut es ging. Er würde sicherlich keinen Zweikampf scheuen, das stand mal völlig außer Frage, er würde die Gruppe bis auf ‘s Blut verteidigen!

"Gut, in gut zwei Stunden erreichen wir hoffentlich das Ziel unserer aberwitzigen Verfolgung. Wie wollen wir es diesmal angehen? Muss ich wieder auf einen Baum?" Sie lachte kurz. Seit geraumer Zeit konnte man spüren, dass die Burgvögtin wieder entspannter wurde. Dies mochte der Nähe zu ihrer Heimat, dem wärmeren Wetter oder dem nahenden Ende des Autrags Oldebors zu verdanken sein.

Lysander stellte zufrieden fest, dass sich die Stimmung von Irminella deutlich entspannt hatte, er lächelte sachte, als er dies erkannte, ohne dumpf in die Landschaft zu grinsen.

Fulco musste bei der Aussage der Vögtin grinsen. “ Ich hoffe nicht, das ihr wieder in schwindelerregende Höhen müsst. Wobei ich euer Geschick bewundere. Wie sind denn die Begebenheiten vor Ort, könnt ihr dazu was sagen?” Er schaute Irminella interessiert an.

"Ich war einmal dort. Es ist eine verfallene Burgruine. Der einst stattliche, fünfeckige Bergfried besitzt nur noch drei Stockwerke. Die Mauern ragen als Schatten ihrer selbst wie zufällig in die Höhe. Keines der Gebäude trägt mehr ein Dach und sind so sicher für niemanden mehr ernstlich Heimstatt. Höchstens für lichtscheues Gesindel als Zwischenlager dienlich - so wie in diesem Falle, schätze ich. Es ist dennoch recht wenig überschaubar, denn die eingestürzten Wände dienen durchaus noch als Schutz vor Blicken. Wir sollten also vorsichtig sein. Wer weiß, ob sich die Halunken nicht mit Gewalt ihrer Haut erwehren wollen."

Fulco nickte “ Sowas hatte ich befürchtet. Dann sollten wir uns vorher gut absprechen, wie wir vorgehen wollen. Wir wollen ja nicht, das einer von uns verletzt wird oder wir einen der unseren im schlimmsten Fall an dieses Gesindel verlieren.” 

“Sollen sie doch kommen!”, murmelte Lysander in seinen nicht vorhandenen Bart, nach all den Erlebnissen käme ihm ein kleines Klingentänzchen fast gelegen, er grinste nun knapp, einen Kampf hatte er noch nie gescheut!

Ein neuer Guss raubte ihnen die Sicht, bis, wie von göttlicher Hand beiseite gezogen, der Regenschleier verschwand und eine steife Brise schließlich gar des Herrn Praios Antlitz durch die Wolken blinzeln ließ. Direkt vor sich, unter den überhängenden Ästen einer dicken Tanne am Wegesrand, hielt eine, gleichsam von den Elementen gebeutelte Gruppe, Mittagsrast. Bekannt erschienen sie ihnen. Doch was hatte sie hierher getrieben - mitten auf die Landstraße in der nordgratenfelser Einöde?

Von Weitem hörte man eine tiefe, kräftige Frauenstimme schimpfen. Offensichtlich ging es der Ritterin der Göttin nicht schnell genug voran. Auch sie hatte nach dem beschwerlichen Ritt eine Pause nötig, doch härtete der Sturm bekanntlich ab. So also stand Herrat schon wieder, als die Reiter nahten. Sie spähte hinüber und erkannte doch niemanden der vom Wetter Gebeutelten - wie sie selbst. „He da, wer seid Ihr? Was habt Ihr hier zu schaffen?“, rief sie schroff.

Fulco konnte sich ein Grinsen aufgrund der übereifrigen Art der Geweihten nicht verkneifen und hoffte, dass die Frau dies nicht sehen konnte aufgrund der Wetterverhältnisse. Er wandte sein Gesicht in Richtung der Rondra Dienerin und rief laut und deutlich “Die Götter zum Gruße euer Gnaden, schön Euch wieder zu sehen. Wir scheinen in die gleiche Richtung unterwegs zu sein, also haben unsere Nachforschungen wohl das gleiche Ergebnis zu Tage gefördert” Er lenkte sein Pferd in die Richtung der anderen Gruppe.

“Oh beim feurigen Schweif der Himmelslöwin! Eure Stimme zu hören erfreut mich ungemein!”, brüllte Herrat Fulco entgegen, sodass er meinte, sie stünde direkt neben ihm. “Dann hatte die Hauptfrau nicht nur einen schlechten Schlaf.”    

“ Ich freue mich ebenfalls, euch und eure Gefährten gesund und wohlauf wieder zu sehen, euer Gnaden” Fulco lächelte der jungen Frau aufrichtig entgegen. “Dann fehlt uns ja noch die dritte Gruppe und wir können gemeinsam den Feind stellen und die Rüstung zurückholen. Was habt ihr vom Orden des Donners zu berichten?” 

Herrat sah sich um und prüfte, ob alle noch heil und munter waren. “Sobald die anderen eintreffen oder aber ein Halbstundenglas vergangen ist, werde ich gerne schildern, was uns die Donnerer berichten konnten.”  

Als sich die beiden Reisegruppen wieder gefunden und gemeinsam zur Absprache einen leidlich trockenen Platz unter den dicken Wedeln des alten Baumes ergattert hatten, hörten sie missmutige Stimmen auf der inzwischen einen Zoll unter Matsch, Unrat und Wasser stehenden Straße, die sich bitterlichst über das Pexenswetter beschwerten. Bekannte Stimmen.

Xorgolosch blickte von dem kleinen Imbiss, den er gerade zu sich nahm, auf als er das Getrappel der sich nähernden Pferde hörte. Nach kurzem Augenzwinker meinte er zu seinen Begleitern: “Ich glaube die nassen Reiter dort sollten wir kennen.” Und dann lauter zu der sich nähernden Gruppe: “Kommt näher, hier ist es ein wenig angenehmer als auf der Straße!”

Ulfried blickte überrascht zu den beiden Zwergen, dem Geweihten und dem Ritter, die am Wegesrand Rast hielten. “Die hohen Herren, Euer Gnaden!”, nickte der junge Edle den vieren von seinem Pferd herab zu. “Lasst mich raten, Ihr seid auf dem Weg zur Ruine der Burg Gisbingen,” er legte den Kopf leicht schief und runzelte die Stirn, “oder kommt ihr geradewegs von dort?”

“Wie Ihr richtig vermutet, ist das auch unser Ziel”, antwortete der Angroscho und schüttelte sich dabei wieder einen Schwall Wasser aus dem Bart. “Dann ist es wohl so, dass die Informationen, die wir bekommen haben recht gut waren, denn wenn Ihr auch dorthin wollt, dann liegen wir ja nicht so falsch.  Eblaus nickte bedächtig. "Wir haben uns unterwegs immer wieder nach dem Weg erkundigt, er muss hier irgendwo in der Nähe sein. Kennt Ihr den genauen Ort?”

Irminella gesellte sich, nachdem sie die Frage des Zwerges vernommen hatte, hinzu. "Ich kenne ihn. Unweit von hier befindet sie sich, die alte Burgruine. Schön, Euch alle wiederzusehen." Während sie gesprochen hatte, hatte sie ein Lächeln auf den Lippen getragen. "Bringen wir es zu Ende." “Das werden wir!”, sagte Lysander bestätigend.

Der Junge Edle von Kaltenklamm stieg umständlich vom Pferd und führte dieses am Zügel zur Tanne hin, sodass er selbst unter den ausladenden Ästen Platz fand, dann zog er die vom Regen durchtränkte Kapuze vom Kopf und schüttelte sich kurz. “Ihr seid bei den Angroscho gewesen, oder?” sprach er den Zwerg Xorgolosch direkt an. “Auf welche Spur seid ihr dort gestoßen, die euch ebenfalls zu der Ruine führt?”. Bevor der Zwerg etwas erwidern konnte, ergänzte sich Ulfried selbst: “Wir waren hinter dieser Wina her, der Händlerin, die diese billige Ware verkauft hat. Stellen konnten wir sie schließlich”, Ulfrieds Miene verfinsterte sich etwas, “bei einer Kapelle, die der Heiligen Lechmin gestiftet wurde, könnt ihr euch das vorstellen?”. Um seine Worte etwas auf den Zuhörer wirken zu lassen, machte er eine kurze Pause und schüttelte ungläubig seinen Kopf. “Nunja, auf jeden Fall wurden wir ihrer dort habhaft und sie beichtete dem Herrn von Kranickteich, auf dessen Land die Kapelle steht”, mit seinem Finger zeigte er in Richtung Fulcos, “dass sie sich dort wohl immer mit einem Hehler trifft, der eigentlich in der Burgruine dort vorne Unterschlupf findet.”. Bei den letzten Worten reckte er sein Kinn gen Firun.

„Was für ein untragbarer Frevel!“ Der sonst nachsichtige und menschenfreundliche junge Praiot konnte diese Frechheit nicht einfach ignorieren. „Im Hause des Gleißenden! Was hat sie sich dabei nur gedacht?!“

Fulco nickte bestätigend. ‘Der Praiot kann also auch anders, interessant.‘ 

Plötzlich weiteten sich die Augen des jungen Edlen, so als fiele ihm etwas Wichtiges ein. “Achja! Und sie sollte für ihren Kontaktmann eine Rüstung nach Gratenfels schaffen, hat es aber mit der Angst zu tun bekommen, nachdem ihr zu Ohren kam, was dort geschehen ist. Deswegen ist sie auch geflohen. Hmmmm… aber der Herr Fulco von Kranickteich hat sie festsetzen lassen und wird sie der Obrigkeit überstellen.” Ulfried nickte kurz. “So, und was habt ihr herausfinden können?”

“Um es kurz zu machen, dass die Rüstung in der Ruine Gisbingen sein könnte”, antwortete der Angroscho grinsend.  Dann fuhr er mit einer ausführlicheren Erklärung fort: “Das Metall zur Rüstung für den Heiligen Hlûthar stammte aus der Binge Rugoschrom. Dorthin hatten wir uns aufgemacht und vom Geod der Binge die Geschichte der Rüstung und ihren Verbleib durch die Zeiten erfahren. Und dabei tauchte mehrmals der Name Gisbingen auf und so lag dann die Vermutung nahe, dass auch der aktuelle Raub der Rüstung wieder mit diesen zu tun hätte. Da wir keine bessere Spur finden konnten, haben wir uns daher hierher aufgemacht. Und so wie es scheint, lagen wir mit unserer Idee wohl nicht ganz so falsch.”

„Die Geschichte der Rüstung ist sicherlich mit ihrem Schicksal eng verwoben! Über Artefakte wie diese wachen die Götter selbst. Sie lenken die Geschicke der Menschen, sodass ihr Wille geschehe“, sinnierte Eblaus. Herrat dagegen setzte ein Grinsen auf: „Na, Rondra weiß halt, was sie will! Und offensichtlich will sie uns auf die Fährte dieser Verbrecher schicken. Uns haben die Donnerer bestätigt, dass die Ruine schon lange leer steht. Ihre Hauptfrau wurde von einem Wahrtraum heimgesucht - sie sah den Heiligen Hlûthar, wie er sich eines finsteren Schattens erwehrte. Wir werden auf der Hut sein müssen. Schärft Eure Klingen und stählt Eure Körper. Im Namen der Sturmherrin werden wir Ruhm und Ehre erringen!“ Rhodan rollte mit den Augen. Alles nur das nicht …

Fulco hörte sich die Götterdiener geduldig an, bevor er zum Sprechen ansetzen. Als er das Mimenspiel des Händlers bemerkte, musste er kurz grinsen. Er hatte seine eigene Mimik allerdings recht schnell wieder unter Kontrolle. “ Ihr habt bestimmt Recht mit euren Aussagen, Euer Gnaden” Hier wandte er sein Antlitz in Richtung der Rondrageweihten. “Wir müssen vorsichtig sein. Nicht, dass hier namenloses Treiben am Werk ist. Denkt an den ungeklärten Mord unserer ehemaligen Herzogs Hartuwal.“ Hier machte der Ritter eine kurze Pause und überlegte. “Wir sollten also nicht blindlings in die Ruine rennen, sondern einen guten Plan haben, zumal wir in unserer Gruppe nicht nur Frauen und Männer des Schwertes haben. Der Plan sollte also alle Fähigkeiten, die unsere Mitstreiter besitzen berücksichtigen und nutzen. Die Zwölfe haben in ihrer Unteilbarkeit ja verschiedenen Aspekte und Kräfte, welche die Vielfalt Deres ausmachen.” Hier nickte er nochmals bestätigend und lächelte in die Runde. Er war schon ein wenig beruhigt, dass sie mit dem Zusammentreffen der anderen Gruppe deutlich an Kampfkraft gewonnen hatten und sie die Diener der beiden mächtigsten Götter an ihrer Seite wussten. Dies würde er natürlich nicht aussprechen, aber die Gedanken waren ja bekanntlich frei. Er schaute auf die bevorstehende Aufgabe deutlich positiver gestimmt.

Herrat tat ihre Zustimmung vernehmlich kund: “Jawohl, ein Schlachtplan muss her. Wir müssen …” Sie deutete auf das Terrain vor ihnen “... dafür sorgen, dass niemand einfach so entkommen kann. Das heißt, wir müssen die Eingänge zur Ruine abdecken können; und das, wie Ihr zutreffend sagtet, mit kampfkräftigen Streitern.” Ihr Blick galt dabei insbesondere Rhodan, der entschuldigend die Handflächen hob. “Mich meint Ihr da sicher nicht, Euer Gnaden. Aber ich kann mich vorher mal umsehen und die Umgebung auskundschaften.” Diese Aussage ließ die Rondrianerin die Augenbrauen schürzen. Der dicke Händler wollte etwas ‘auskundschaften’?    

Ulfried schon die Augenbrauen zusammen und nickte, während er ein zustimmendes Brummen von sich gab. “Ihr seid sicherlich der unauffälligste von uns. Also, zumindest wird niemand Verdacht schöpfen, wenn er euch erspäht. Eventuell könnte ich euch begleiten, immerhin”, der junge Edle blickte an sich herab, “könnte ich euer Schreiberling sein.” In seiner robusten Lederweste und dem Reiseumhang darüber, wirkte der Edle von Kaltenklamm für den geübten Blick jedoch eher wie ein gut situierter Wildhüter … oder ein wenig wohlhabender Edler. Lediglich der Gehstock, den er stets fest umklammert hielt, trübte dieses Bild etwas. Nachdem er sich kurz geräuspert hatte, fügte er hinzu: “Allerdings vermag ich nicht die Unwahrheit zu sagen. Falls ihr euch einer List bedienen möchtet, wäre ich der falsche Begleiter.”

Wolfmar von Wildklamm übernahm als Mitglied des Geleitschutz Plötzbogen und Stratege, die Planung für die Reise. “Wenn wir die Örtlichkeiten erkundet haben, können wir dann Gruppen einteilen und dort eindringen. Euer Gnaden Herrat hat sich in unserer Unternehmung, die Donnerer aufzusuchen als Anführerin bewiesen. Mein Vorschlag ist, dass euer Gnaden auch das Kommando, in die Ruine Gispingen zu einzudringen, übernimmt. ”

Fulco runzelte leicht die Stirn. ‘ Ob diese junge ungestüme Frau die Richtige hierfür ist? Nun geben wir ihr die Möglichkeit, man kann ja immer noch im Fall von Fehlentscheidungen eingreifen.‘ Er wandte sich an die Runde. “Nun beim Eintreffen in die Ruine sollte eine Person das Kommando haben, da gebe ich euch recht. Die Vorbereitungen sollten wir allerdings mit mehreren Köpfen treffen” Hier nickte Fulco mehr zu sich selbst.” Der Plan muss bekannt sein, auch dem Anführer kann-mögen die Götter es vereiteln- etwas zustoßen. Ihrer Ganden das Kommando zuzusprechen stimme ich zu ”

Irminella räusperte sich. "Hmhm. Wie ich bereits sagte, kenne ich die Burgruine." Sie wandte sich an die Rondrageweihte. "Wenn Ihr uns in die Ruine führen wollt, solltet Ihr über die Begebenheiten Bescheid wissen. Lasst Euch ins Bild setzen. Gisbingen liegt auf einer Hügelkuppe und hat heute drei Zugänge. Das Fallgitter des Haupttores hat sich verkantet und lässt sich nicht mehr bewegen. Man muss das Haupt ein wenig beugen, um hindurch zu gelangen. Neben diesem offensichtlichen Eingang, gibt es zwei Durchbrüche in der ehemaligen Ringmauer, die sowohl groß genug sind für uns als auch noch nicht von Gestrüpp überwuchert und damit für eine Passage unbrauchbar gemacht wurden. Dennoch muss man sich, um zu ihnen zu gelangen, eng an der Mauer entlang durch einiges von diesem Gestrüpp schlagen oder sich vom Fuß der Kuppe durch selbiges hinauf kämpfen." Sie machte eine kurze Pause. "Auf dem Gelände erwarten uns eingefallene Gebäude ohne Dächer, wirklich bewohnbar ist dort nichts mehr. Es gibt allerdings Gerüchte, dass es Kellerräume geben soll, deren Zugänge entweder ganz oder halb verschüttet sein sollen. Auch vom Bergfried steht nicht mehr viel, eventuell ist das unterste Turmgemach bewohnbar. Das ist soweit alles." Als sie schloss, blickte sie eine Weile zu Wolfmar hinüber. Als er ihren Blick fing, hob sie kurz die Brauen und wandte sich dann ab.

Konzentriert sprach Wolfmar zu Irmella: “Hohe Dame, Vögtin Irminella von Eberbach. Seid ihr in der Lage, uns eine Zeichnung des Geländes, der Burg und den möglichen Zugängen anzufertigen?” Die Burgvögtin wandte sich Wolfmar wieder zu.  "Leidlich. Ich kann uns den ungefähren Umriss der Burg und die entsprechenden drei Zugänge aufzeichnen." Wolfmar nickte Irmella zu. “Das würde uns wahrlich helfen. Dann bräuchten wir uns nicht vor Ort kundig machen.”

“Irminella, ihr habt gerade von Gerüchten über Kellerräume gesprochen. Wo sich der Eingang dazu befindet wisst ihr nicht oder? Bei drei Zugängen sollten wir drei gleich starke Gruppen bilden, die Kämpfer gut aufteilen.“ Die letzten Worte sprach er wieder in die Runde. Er wirkte nachdenklich und ernst. ‘Mögen die Götter mit uns sein, da kann einiges schiefgehen‘ Er sprach - ganz in Gedanken - weiter, ohne eine Antwort abzuwarten.     “ Vielleicht solltet” hier wandte er sich an Irminella “Ihr mit den Angroschim den Haupteingang nehmen. Wenn Ihre Gnaden, Lysander, Wolfmar und Peranna den einen Eingang im Bruch der Mauer nehmen, könnten Rondragon, Thimorn und ich den anderen nehmen. ” Er dachte kurz nach und wandte sich dann an die Gefährten, welche keine Männer des Schwertes waren. “Ihr solltet vielleicht in der zweiten Welle zur Burg hinzustoßen. Sollte es zu kämpfen kommen, wärt ihr bei den von Irminellas beschriebenen Begebenheiten vor Ort wirklich gefährdet, ernstlich verletzt zu werden. Wenn wir ohne Widerstand auf die Burg kommen, geben wir euch ein Signal und ihr stoßt zu uns” Er schaute aufmunternd in die Runde. “Ich würde in der Ruine zuerst den noch halbwegs intakten Raum im Bergfried durchsuchen, damit uns von dort niemand entwischt oder in den Rücken fällt, danach die Zugänge zu den Kellerräumen suchen. Dies scheint mir der wahrscheinlichste Ort zu sein, an dem sich zwielichtiges Gesindel versteckt. Auch hier sollten die Kampfstarken unsere Gefährten den Vortritt nehmen. Was haltet ihr von dieser Idee?” Fulco schaute abwartend und aufmerksam in die Runde seiner Gefährten.

Der Jungalchimist tat so als lausche er aufmerksam dem Pläneschmieden, doch im Innern befand er sich tief in der Meditation versunken. Jedenfalls so tief wie es mit offenen Augen möglich war. Auf diese Weise bereitete er sich stets auf Stresssituationen vor, und was bei der Abschlussprüfung half, konnte in der Schlacht wohl kaum schaden. Tief im Stillen wunderte er sich, ab wann sie von dem Plan abweichen mussten, wenn der Kampf begann. War es bereits zum ersten Sturm? Zum Zweiten? Oder erst vor der Hlûtharsrüstung? Das wissen nur die Götter. ‘Oder so..’

Burg Gisbingen

Irminella hatte während den Ausführungen Fulcos mehrfach genickt. Sie wollte ihn nicht unterbrechen, also sprach sie erst, als er geendet hatte:

"Nein, wo sich diese Zugänge befinden - und ob sie überhaupt existieren - weiß ich nicht. Sollte es sie geben, gehe ich mit Euch darin überein, dass wir den Dieben vermutlich dort am ehesten habhaft werden. Die Gruppen sind so sicher genauso gut, wie anders, demnach sollten wir es so machen, wie Ihr sagtet. Allerdings hoffe ich ohnehin, dass wir … abschreckend genug sind, um einen Kampf zu verhindern."  Das Wort 'abschreckend' hatte sie mit einem Schmunzeln gesagt. Diesem Schmunzeln und ihrer Körpersprache zu Folge, schien sie derzeit (noch?) recht gelassen auf die kommende Konfrontation zu blicken.

"Der Bergfried ist auch recht stark verfallen. Wie gesagt, hier befindet sich höchstens etwas im Erdgeschoss, das ist schnell überblickt. Generell sollten wir dort drin aufeinander Acht geben. Es gibt ausreichend verwinkelte Ecken und Steinwürfe, denen man, sollten die Diebe dort zum Äußersten bereit sein, besser nicht den Rücken kehrt. Also, Augen und Ohren offenhalten! Der Plan ist gefasst. Gehen wir."

“Ich schließe mich der Wertung der Burgvögtin an”, bestätigte Rhodan, der aufmerksam gelauscht hatte. “Stop!”, rief Herrat. “Ihr habt uns noch nichts von Ausfall- und Entsatztoren berichtet. Jede ordentliche Burg hat solch einen versteckten Ausgang im Fall der Belagerung. Ich will nicht, dass uns das Pack türmen kann, während wir mit wehenden Fahnen eine verlassene Ruine erobern!” Herrat grinste ihr schiefes, durch die Narbe im Gesicht verzogenes Lächeln. “Herr Fulco hat das im Übrigen gerade sehr überzeugend dargelegt. Ich werde gerne das Kommando einer Lanze übernehmen, aber ich werfe mich dabei zu Ehren der Leuin in die vorderste Linie. Herr Fulco dagegen scheint geschickt darin zu sein, den Überblick zu bewahren.”

"Die sind heute allesamt nicht mehr zugänglich. Eingefallen, überwuchert. Da türmt niemand mehr."

Ulfried kratze sich mit der linken Hand am Kopf. “Wir anderen könnten auf unseren Pferden vor der Burg warten. So sehen wir auf den ersten Blick vielleicht wehrhafter aus und der…ähm…oder die Schurken werden es eher in Betracht ziehen, sich zu ergeben.” Ein wenig Enttäuschung legte sich über seine Züge. “Aber ich habe keine Waffe, also wird das Bild nur unvollständig sein.”

Als sie Ulfried sprechen hörte, wandte auch sie sich noch einmal an die Gruppe. "Ihr sprecht einen wichtigen Punkt an. Auch ich trage keine Waffe bei mir. Der überstürzte Aufbruch ließ das nicht zu…" 

“Ein Schwert kann ich euch geben Ulfried und ein Schild, wenn ihr ihn benötigt. Ich selbst benutze dann meinen Kriegshammer.” Bot der Söldner Wolfmar von Wildklamm ritterlich an. “Vielleicht hat jemand für die Vögtin Irminella eine Zweitwaffe zur Verwendung? Ansonsten werde ich euch mit Kriegshammer und meinem Leib schützen, hohe Dame.” Wolfmar lächelte breit. Der Ritter schien voller Tatendrang zu sein. Endlich konnte er sein strategisches Wissen und sein langjähriges Kampfgeschick einsetzen, dachte er sich.

Fulco nickte lächelnd in die Runde “ Dann ist es beschlossen, gehen wir so vor. Wenn niemand mehr noch eine Planänderung oder eine Anmerkung hat, laßt uns aufbrechen und nicht noch mehr Zeit verlieren.” Dann wandte er sich an Irminella “ Ich könnte euch das Schwert oder den Streitkolben sowie einen Schild anbieten, was liegt euch mehr? Ich bin mit beidem vertraut und nehme dann das andere.”  

Irminella zögerte einen kurzen Augenblick, ging dann aber entschlossen auf Fulco zu und lächelte. "Ich danke Euch, für die Ehre, Eure Klinge ins Feld führen zu dürfen. Ich weiß nur zu gut, dass die Verbindung aus Person und Klinge eine beinahe spirituelle sein kann. Umso dankbarer bin ich für Euer Angebot. Ich werde Euer Schwert im Kampf in Ehren halten und versuchen, ihm gerecht zu werden." Fest blickte sie Fulco an, doch noch immer lächelte sie leicht.

“Dann ist es abgemacht, ich nehme den Streitkolben!”. Ulfried wankte von einem Bein auf das andere, so als könne er es nicht abwarten, endlich gegen den Feind ins Feld zu ziehen.

Da weder Ulfried noch Irminella das angebotene Schwert von Wolfmar annahmen, wollte der Söldner sein Schwert und das Schild für den Kampf benutzen. Sein Kriegshammer verblieb bei seinem Pferd Rubin.

Fulco nickte den beiden zu und gab die Waffen an seine beiden Mitstreiter und nickte ihnen aufmunternd zu. Dann wandte er sich in einem unbeobachteten Moment an Wolfmar und sprach ihn so an, das weder Irminella noch Ulfried ihn hören konnten  “ Könntet ihr mir euren Kriegshammer zur Verfügung stellen? Ich bin nun bar einer Waffe” bei diesen Worten grinste er den Söldner an.   

Wolfmar knirschte mit seinen Zähnen, hatte er sich doch gerade selbst mit Schwert und Schild ausgerüstet und diese zuvor angeboten. Wütend blinzelten seine Augen Fulco von Kranickteich an. “Edler Herr, mir wäre es lieber, wenn ihr mein Schwert und Schild benutzt. Aber jetzt wollen wir loslegen. So sollt ihr meinen Kriegshammer bekommen. Diese schwere Waffe ist mir sehr lieb und ich vergebe sie äußerst ungern an fremde Hände. Doch ich hoffe, ihr könnt damit umgehen. Es wäre jammerschade, den Kriegshammer später aus euren kalten Handen entnehmen zu müssen, weil ihr mit der zweihändigen Waffe gegen eure Gegner nicht bestanden habt, edler Herr.” Wolfmar drückte ohne Mühe die schwere Waffe Fulco in die Hände.

Fulco hob kurz beschwichtigend die Hände “ Ich wusste nicht, das euch der Hammer lieber ist und ihr eine Verbindung zur Waffe habt, verzeiht. Ich dachte, euch wären Schwert und Schild lieber. Ich bin mit letzteren deutlich geschickter unterwegs und würde dies auch gerne nehmen. Ich wollte euch nicht um eure Hauptwaffe bitten”

“Wir wollen aufbrechen, edler Herr. Hier nehmt den Kriegshammer.” Wolfmar überließ Fulco die schwere Zweihänderwaffe und schloß sich mit Schwert und Schild der Gruppe um Herrat an.

Nachdem alle Pläne geschmiedet waren, die Waffen verteilt und die Gruppen eingeteilt waren, näherte sich die Gruppe der Ruine. Als das Praiosrund gerade mit einer Kante Dere berührte, hatten sie dann das Ziel vor Augen. Es war genauso wie es von Irminella beschrieben worden war, auf einer niedrigen Kuppe über den Resten des Dorfes Gisbingen erhoben sich die vom Zahn des Dreizehngehörnten angenagten Überreste der Burg. Die grauschwarzen Mauern waren zum größten Teil zusammengefallen und von Efeu überwuchert. Die Reste der Gebäude waren ebenfalls nur noch als schritthohe Mauern zu erkennen, nur der ehemals stolze Bergfried ragte wie ein drohender Finger gut doppelt so hoch aus den Trümmern hervor. Zum ehemaligen Torhaus zog sich eine mit Unkraut und Gestrüpp überwucherte Zufahrt hin und endete vor dem eingebrochenen Fallgatter. Die von Irminella beschriebenen weiteren Eingänge waren von der Seite, aus der sich die Gefährten nun näherten, nicht zu erkennen und mussten daher an den abgewandten Hügelseiten liegen.

Irminella sprach mit gesenkter Stimme, als sie auf die Ruinen zuhielten. Ob sie dabei mehr zu sich oder den anderen sprach, ließ sich nicht genau sagen. "Nun gilt es. Darauf haben wir die letzten Tage hingearbeitet. All die Strapazen führen uns heute hierher. Ein wahrlich passender Ort für das ruhmreiche Ende unserer Aufgabe. Holen wir uns die Rüstung …"

Xorgolosch rückte seinen Helm zurecht und lockerte den Linkwurmschläger an seinem Gürtel. “Gortoscha mortomosch, garoscho Gorthak! Gortoscha mortomosch!” Dann zu Irminella gewandt: “Wollen wir?”

Sie nickte Xorgolosch zu und hielt sich dann ein wenig abseits des Tores. "Warten wir, bis die anderen in Position sind."

Irminella konnte die Anspannug und die Ungeduld des neben ihr wartenden Angroscho deutlich spüren. Jetzt sollte es sich zeigen, ob sie alle die Spuren richtig gedeutet hatten und die Rüstung in der Ruine versteckt war.  Gespannt abwarten blickte Xorgolosch zwischen dem Aufmarsch der beiden anderen Gruppen und der Ruine hin und her. War dort nicht eine Bewegung gewesen? Stieg nicht aus dem hinteren Gebäuderest eine dünne Rauchfahne auf? Aber jedes Mal nachdem er sich die Regentropfen aus den Augen geblinzelt hatte, war nichts mehr zu erkennen gewesen.

Ulfried hielt sich mit den anderen, weniger kampftauglichen Begleitern im Schatten der Dorfruine am Fuße der kleinen Kuppe. Er nahm sein Pferd am Zügel und spähte den Weg hinauf zu seinen Gefährten, die sich dem Torhaus näherten. Sobald diese in die Burg Ruine eindringen, wollte er auf sein Pferd steigen und die halbe Wegstrecke zur ehemaligen Burg reiten, sodass er gut sichtbar für alle potentiell Flüchtigen mit seiner Reitergruppe ein Entkommen nahezu aussichtslos erscheinen ließe.

Ulfrieds Position war gut gewählt, so dass er sah, wie sich Irminella gefolgt von den beiden Zwergen dem eingefallenen Haupttor näherte und dort kurz verharrte. Am Rande seines Gesichtsfeld konnte er die zweite Gruppe unter Führung von Herrat in einem Gebüsch an den Resten der Mauer verschwinden sehen, die dritte Gruppe und der Führung von Fulco war von hier nicht zu erkennen. Rhodan hatte sich zwischenzeitlich aufgemacht, Anzeichen eines verfallenen und frei geräumten Hinterausgangs zu suchen.

Irminella hatte einige Herzschläge abgewartet. "Jetzt müssten sie gleich an den entsprechenden Stellen sein. Gehen wir.", sprach sie und machte sich auf den Weg ins Innere der Ruine. Ihr Blick ging noch einmal zu Ulfried, mit den sie auf dieser Reise einiges erlebt hatte. Sie nickte ihm ein letztes Mal zu, bevor sie endgültig durch das Tor schritt. Doch erwies sich 'schritt' als reichlich unzutreffend, denn wie sie gesagt hatte, musste sie sich tief bücken, um unter dem Fallgitter hindurchzuschlüpfen. Sie versuchte dabei nicht den größten Lärm zu verursachen und sprach nicht mehr. Drinnen angekommen sah sie sich um, die Waffe Fulcos bereits in Händen, um einem überraschenden Angreifer etwas entgegensetzen zu können. 

Als Irminella losging, folgte ihr Xergolosch in die Burg, auf Grund seiner Größe hatte es der Angroschim etwas einfach sich unter den Resten des Fallgitters hindurch zu bewegen. Nach ein zwei Wimpernschlägen stand er neben der Vögtin und sah sich suchend in dem ehemaligen Burghof um.

Der Boden war übersäht mit herabgebrochenen Steinen, die aus dem Torgewölbe nach unten  gebrochen waren. Nach einiger Kletterei stand Irminella im ehemaligen Innenhof. Hier zeigte sich die Zerstörung der Burg noch deutlicher als von draußen. Kahle Fensterhöhlen beäugten sie aus sicherer Höhe, und die Bruchkanten der Außenmauern und Dachfirste bissen sich in den späten Nachmittagshimmel. Ganz fein konnte sie in der geschützten Luft des Innenhofes den Geruch nach Rauch erkennen. Vor ihr erhoben sich die Reste des Palas, direkt daneben der Turmstumpf des Bergfriedes.

Vorsichtig stieg die Burgvögtin über die auf dem Boden verteilten Steine, als ihr der Geruch von Rauch in die Nase stieg. Kurz hielt sie inne und schloss die Augen. Als sie sie wieder öffnete schaute sie in den Himmel, ob sie eventuelle Schwaden ausfindig machen konnte. Leise sprach sie zu ihren Gefährten: "Wo Feuer ist, da sind Halunken.", dabei lächelte sie. “Und hoffentlich ist dort auch die Rüstung”, brummte Xorgolosch zustimmend. Irminellas Nase erwies sich als wertvoller Verbündeter und führte sie zielstrebig in Richtung des Palas. Durch die noch teilweise stehende Ringmauer war die Luft im Inneren der Anlage stiller als draußen, so dass der Rauch kaum verweht wurde. Herrat hielt den Kopf unten und rannte, so schnell sie konnte, um die Burgmauer herum. Sie hatte sich den weitesten Weg ausgesucht - schließlich war sie auch die Schnellste. Ihre Mitstreiter mussten mit dem hohen Tempo mithalten, was ihnen auch gelang. Als sie den Mauerdurchbruch erreichte, drückte sie sich fest an die Reste verfallenen Steins und lugte um die Ecke. Welche dreizehnmalverfluchten Fallen mochten diese Bastarde aufgestellt haben? Die Rondrianerin suchte einen offensichtlichen Weg hinein in den Palas.

Mit etwas Klettern und Quetschen fand Herrat einen noch gangbaren Weg in den Palas - es musste wohl ein Nebeneingang gewesen sein. Der Gang im Inneren war an einigen Stellen durch heruntergebrochene Deckensteine fast versperrt, doch sie schaffte es, hineinzugelangen.

Wolfmar flüsterte: “Euer Gnaden, lasst mich zuerst durchgehen.” Der Söldner wies auf seinen Schild in der linken. “Sollten uns vom Ende des Ganges Fernkämpfer erwarten, bin ich gegen sie am besten gerüstet. Ich an deren Stelle würde dort einen Bogenschützen und einen Nahkämpfer aufstellen.” So sehr die Rondrianerin darauf brannte, sich mit blitzendem Zweihänder in die Schlacht zu werfen, Wolfmar hatte Recht. Sie nickte und bedeutete ihm mit herabfahrender Faust, der erste zu sein, der die Feste stürmte.

Wolfmar von Wildklamm zog sein Schwert und hielt das Schild mit dem Wappen der Plötzbogen vor seinem Leib, dass er plötzliche Angriffe mit Fernwaffen oder Nahkampfwaffen gegen sich und den nachfolgenden Kämpfern, schützen konnte. “Für die Leuin.” sprach er leise und mehr zu sich. Dann lief er sachte und mit wachen Augen über der Schildkante, als erster durch den Gang.

Irminella atmete leicht auf, als sie Ihre Gnaden sah. Phex war mit ihnen, hatten sie sich doch rückblickend schlecht koordiniert. Die Geweihte der Leuin schickte sich gerade an, in die Überreste des Palas einzudringen. Irminellas Nase hatte sie ebenfalls hierher geführt, sodass sie ihre Schritte ein wenig beschleunigte, um Herrat in den Palas zu folgen.

Ihr Weg führte sie in Richtung des ehemaligen Rittersaales - über eine von herabgefallenen Steinen übersäte Treppe aus von vielen Tritten glattpoliertem Muschelkalk. Der Geruch nach Feuer aus feuchtem Holz, Moder und stehender Luft wurde stärker.

Xorgolosch schiebt sich an der Vögtin vorbei, die Nase hochgereckt nach dem Geruch von Feuer und Holz schnüffelnd, späht er in das Halbdunkel der Treppe hinein, denn im Gegensatz zu den Augen der Vögtin kann der Angroscho deutlich besser sehen.

"Seht Ihr etwas, Xorgolosch?", flüsterte Irminella dem Zwergen zu, als dieser sich an Ihr vorbeigeschoben hatte. "Der Geruch nach Rauch wird intensiver. Wir sind sicherlich gleich da."

“Euer Gnaden Herrat, ich Wolfmar von Wildklamm, werde an eurer Seite stehen und kämpfen, wenn es sein muss. Wir sollten aber in Betracht ziehen, Gefangene zu machen.” An die Mitkämpfer gerichtet, sagte Wolfmar: “Das primäre Ziel ist, die Hlutharsrüstung sicherzustellen. Nicht jeder von euch mag im Kampf erfahren oder gar geschult zu sein. Wer Hilfe benötigt, soll sie von mir bekommen, wenn ihr meinen Namen ruft.”

“Seid doch leise!” raunt der Angroscho den anderen zu. “Riecht ihr das Feuer nicht? Da ist jemand, der sich gerade einen Braten heiß macht. Und der sollte uns doch nicht hören, oder?”

Jetzt nachdem sie der Angroscho aufmerksam gemacht hatte, bemerken auch die anderen den leichten Geruch in der Luft. Er kam die Kellertreppe hinauf gezogen. Ob sie dort das Ziel ihrer Reise erwartete? Die dritte Gruppe unter Fulco hatte sich durch den auf der entlegenen Seite des Burghügels durch das Gebüsch und die Mauerreste gezwängt. Der Weg hätte die Fähigkeiten einer energischen Ziege erfordert und erforderte energisches Klettern, Hangeln und Balancieren.  Doch auch ihnen drang bald der Duft nach Rauch in die Nase.

Fulco machte die Klettertour nichts aus. Wieder mal war er froh, dass er sich körperlich in Schuss hielt und viel trainierte. Er passte sein Tempo an seine beiden Gefährten an und achtete darauf, das die kleine Gruppe eng zusammen blieb. Zudem schaute er immer nach oben zur Ruine und versuchte Bewegungen oder Wachposten rechtzeitig zu erspähen. Als er den Rauch vernahm und keinerlei Wachen erspähte, entspannte er sich etwas. Er murmelte mit einem Grinsen im Gesicht, gerade so laut, dass seine beiden Mitstreiter ihn hören konnten “ Erwartet werden wir wohl nicht, bei den Göttern das ist gut” Als sie den Zugang zum Innern der Ruine erreicht hatten, ging er natürlich vor. Auf dem Hof stehen schaute er sich nach den anderen um und versuchte die Richtung des Feuers auszumachen. 

Die kleine Rauchfahne war im windgeschützten Inneren der Ruine besser zu erkennen und kam aus dem eingestürzten Gebäude auf der anderen Seite des Burghofs. Als Fulco sich konzentrierte nahm er von dort Geräusche und auch leise Stimmen wahr.

Fulco deutet seinen Gefährte in die Richtung, aus der er die Geräusche und Stimmen hörte. Er legte den Finger an die Lippen und schlich, so gut er konnte, seinen Gefährten vorsichtig mit gezogener Waffe voran und stieß dann hinter einer Mauerecke auf die anderen beiden Gruppen, die sich vor einem Abgang in den Keller gesammelt hatten und in die Tiefe lauschten.

Fulco winkte seinen Gefährten kurz zu und so schloß sich die kleine Schar den anderen auf dem Weg in den Keller an. 

Vor der Burgruine

Der Abend brach herein und ließ die Schatten aus ihren Ecken kriechen. Eine scheinbar ewige Zeit schon waren die Krieger in die Burg verschwunden - gewiss ein sechstel Wassermaß (zehn Minuten) - vielleicht auch nur halb so viel. Fast zumindest. Aber die Warterei zog und zog sich. Als feiner Nebelschleier stieg die Feuchtigkeit aus dem Boden auf und zog sich wie Spinnweben über die alten, geborstenen Mauern, die ihre Gefährten verschlungen hatten.

Ulfried spürte, wie die Kälte aus dem Boden kroch und an seinen Beinen emportastete. Fast wie eine körperliche Berührung fühlte es sich an. Als er den Blick senkte, sah er weiße Nebelstreifen, die seine Beine umwehten, sich zwischen die Anwesenden woben und dann scheinbar wieder zu ihm zurückkehrten. Ein eiskalter Schauder glitt über seinen Körper und ließ seine Haare an Armen und Nacken sich aufstellen. Seine Begleiter bemerkten, wie die Nebelstreifen aus dem Boden sich hoben und einer davon sich zwischen sie drängte, fast so, als tasteten Finger aus einem eisigen Grab nach ihren warmen Leibern.

Ulfried blickte zu seinen Begleitern und auf seinem Gesicht zeichnete sich ein wenig Unsicherheit ab, als seine Augen auf dem Praiosgeweihten haften blieben. “Euer Gnaden,” begann er mit leicht gesenktem Haupt zu sprechen, “ich denke, sie sind in der Ruine.” Während er seinen Kopf wieder erhob, wurde sein Griff um den Streitkolben in seiner Rechten fester. “Sollen wir unsere Lichter entzünden und ein Stück hinauf reiten?”

Der Nebel um Ulfried wurde dichter - und deutlich kälter. Fast vermeinte der junge Adelsmann, den Widerhall eines schmutzigen Lachens zu vernehmen, während es wohl nur das Wispern der feuchten Luft war, die seine Schläfen umspielte.

“Aber … aber wir müssen doch hier Wacht halten!”, erklärte der Praiot, obschon es ihn fror. “Die tapferen Streiter müssen sich doch auf unsere Rückendeckung verlassen können.” Eblaus blickte an seinen Füßen nach unten und schüttelte sich. “Aber ein Feuer, ja, das könnten wir schon entzünden. Da werden wir sicherlich niemanden mehr warnen. Brr, ist das kalt hier. Ich will mir nicht schon wieder einen Schnupfen einfangen …”

Ulfried legte seinen Kopf leicht schräg, als er den Geweihten anblickte. “Sollen wir nicht den Anschein erwecken, die Reserve zu sein, sodass eine Flucht aussichtslos erscheint? Wenn wir hier verharren, werden wir es nicht einmal bemerken, wenn einer der Schurken flieht!” Nachdem seine Stimme bei den letzten Worten lauter wurde, hielt er kurz erschrocken inne, ehe er kleinlaut ergänzte: “Meint ihr nicht, euer Gnaden?” Dann machte er sich daran, das Feuer seiner Laterne zu entzünden, worauf er seine ganze Konzentration legte. Nur diesem unheimlichen Nebel keine Beachtung schenken!

Die kleine Flamme seiner Laterne verfärbte sich mit einem Mal blau, ehe sie mit einem mitleidserregenden Hauch erlosch. Die niederhöllische Kälte drang Ulfried in Mark und Bein und ein Gefühl von ohnmächtiger Wut und Zorn umhüllte ihn, ehe mit einem Mal beides von ihm abfiel. Fast schien es, als umkreise ein besonders dichter Nebelstreif noch einmal die Gruppe - und ziehe dann, obwohl kein Lufthauch die Stille trübte, in Richtung der Burg davon. Mit einem erleichterten Zischeln fing der Zunder erneut Feuer und eine kleine, goldgelbe Flamme wärmte Ulfrieds Hände.

Ulfried schluckte laut hörbar. “Ha, ha, habt ihr das gesehen?”, stotterte er verunsichert und hielt die Laterne dabei reihum seinen Gefährten vor das Gesicht. Ganz so, als wollte er sich versichern, dass diese wirklich noch aus Fleisch und Blut waren. “Bei Praios!”, sodann erhob er die geöffnete rechte Hand abwehrend vor seine Brust. “Ich glaube, irgendetwas war hier und … hat sich auf den Weg zur Burg begeben.” Er blickte unsicher zu der alten Ruine und atmete tief aus, ehe er den Geweihten mit festem Blick und entschlossenem Gesichtsausdruck fixierte. “Euer Gnaden, sie werden unsere Hilfe brauchen!”

Auch Eblaus schlug die Schwingen des Greifen vor der Brust. “Oh nein”, schüttelte der Geweihte tapfer den Kopf. “Hier geht etwas Überderisches vor sich. Wir werden doch nicht etwa hiervor reißaus in die Ruine nehmen! Wir müssen uns dem Grauen stellen und es vertreiben!” Eblaus raffte die Schöße seines Talars. “Lasst uns dieses grimmige Wesen suchen, das Eurer Flamme zürnt!”

“So sei es!”. Ulfried wandte sich um, griff seinen Streitkolben fester und reckte mit der Linken die Laterne hoch über seinen Kopf, als er Richtung Burg humpelte.  Ohne seinen Gehstock wurde durch seinen watschelnden Gang noch viel deutlicher, dass ihm jeder Schritt schwer fiel, doch schritt er entschlossen voran, die leichte Anhöhe zu dem ehemaligen Tor der Ruine empor.

Mitten im Torhaus hing das heruntergefallene Fallgatter verkeilt zwischen den beiden eingebrochenen Tortürmen, so dass der Durchgang nur schwer zu erlangen war. Eblaus versuchte, sich zwischen dem Stein und den metallischen Streben hindurchzuquetschen. Dabei drückte er mit aller Kraft das Fallgatter beiseite - was dieses kaum zu beeindrucken schien. Ulfried flüsterte dem Geweihten leise zu: “Ich fürchte, wir werden kriechen müssen. Kann ich Euch irgendwie behilflich sein?” Jorik verbarg sich in der Nähe des Fallgatters in der hiesigen Flora. “Geht ihr nur voran, ich bleibe hier und erwarte euch.”, ließ er seine Mitstreiter wissen, und damit in dem Glauben beim Kampf in der Burg nicht weiter nützlich zu sein. Stattdessen entschied er sich, hier die letzte Unterstützungslinie zu bilden, und zwar ganz auf seine Weise.

Mit zusammengeschobenen Augenbrauen blickte Ulfried zu Jorik und nickte nur knapp, ehe er dem Geweihten hilfesuchend dabei zusah, wie dieser sich durch den Spalt zwischen Fallgatter und Burgmauer zwängte.

“Es…geht…irgendwie…schon…”, keuchte Eblaus atemlos, während er sich durch den schmalen Spalt quetschte. Sein Ornat schien den Schmutz der Umgebung wie ein Schwamm aufzusaugen, doch machte sich der Priester nichts draus, sondern kämpfte sich tapfer durch die Öffnung. Als es ihm endlich gelungen war, auf die andere Seite zu kommen, streckte er seine Hand aus. “Folgt mir. Es schaut schwieriger aus, als es ist!” Hinunter in den Keller Da Irminella ungeduldig Xorgolosch anstupste, beginnt dieser langsam und leise sich der Treppe zu nähern, die sich vom Rittersaal in die dunkle Tiefe hinab wendelt.

Wolfmar blicke kurz zu Herrat und flüsterte: “Ich kann erneut voran gehen, wie vorhin beim Gang. Mit Schwert und Schild. Ich melde mich freiwillig, euer Gnaden.”

Irminella nickte Wolfmar zu und bedeutete ihm mit einem weiteren Kopfnicken Richtung Treppe voran zu gehen. Zuvor hatte sie ihren abgewinkelten Arm auf Kinnhöhe gehoben und ihren Kopf ein wenig eingezogen, sodass er ungefähr hinter dem Arm lokiert war. Anschließend hatte sie die Bewegung beschrieben, die ein Bogenschütze vollführen muss, wenn er einen Pfeil auflegen will.

„Geht voran“, bedeutete Herrat mit einem knappen Handzeichen. Jetzt kam es zum Schwur.

Kopfschütteltn folgte Xorgolosch Wolfmar die Treppe hinunter. ‘Hoffentlich stolpert er nicht und fällt denen, die dort unten sind, vor die Füße!’

Die Spindeltreppe, die in die Keller hinab führte war an vielen Stelen mit unterschiedlich großen Steintrümmern bedeckt, die über die Jahrhunderte von den einstürzenden Mauern immer wieder in den Kellerschacht gefallen waren, so dass es im Dunkel der Treppe nicht leicht war dort hinunter zu steigen. Die beiden Angroschim, die dicht beieinander die Treppe hinab gingen, waren durch ihre Dämmerungssicht klar im Vorteil gegenüber den Menschen, die doch zum Straucheln neigten.

Weitaus weniger elegant als die beiden Zwerge direkt vor ihr, doch sicheren Trittes stieg die Burgvögtin die Treppen hinab. Das Schwert Fulcos hatte sie in die Scheide gesteckt, um bei einem eventuellen Sturz nicht durch eine blank gezogene Klinge noch größeres Unheil heraufzubeschwören.

Herrat dementgegen war es, spätestens seit ihren schrecklichen Tagen in den schwarzen Landen, gewohnt, in der Finsternis mit blankem Stahl voranzugehen. Wie oft war sie mit der schädlichen Kampfmagie der „Dunkelheit“ konfrontiert worden, die Göttergefälligen die Sicht nahm? Auf ihren Lippen hatte sie ein stummes Gebet an die Leuin. Sie sollte den Streitern Mut und Tapferkeit spenden. „Schwärmt am Fuß der Treppe aus. Wir dürfen uns nicht selbst im Weg stehen“, flüsterte sie so leise wie möglich.

Fulco folgte den anderen die Kellertreppe hinunter. Er ging langsam und bedächtig, immer auf eine Gefahr von irgendwoher gefasst. Das hatte ihn der Haffaxfeldzug gelehrt, die Dunkelheit war der Feind und in ihr lauerten -wenn man Pech hatte- unaussprechliche Schrecken. ‘ Hoffentlich findet sich bald eine Lichtquelle‘  Fulco versucht in den Keller hineinzuhören, irgendwas müsste doch zu hören sein. Während er weiter die Treppe runter stieg, murmelte er leise ein paar Bitten an die göttliche Leuin.  

Der Abstieg über die Wendeltreppe in den Keller gestaltete sich für Wolfmar als schwierig, da durch die Jahrhunderte lange Vernachlässigung der Burg sich beschädigte Stufen als zu klein erwiesen oder Brocken vom Mauerwerk auf den Stufen lagen. Wolfmar flüsterte zum Gefährten hinter ihm: “Seid vorsichtig, die Treppe ist nicht sicher.” Der erfahrene Söldner, der zudem sein Schild schützend vor seinen Körper hielt, musste seine Geschwindigkeit drastisch reduzieren und schlich Stufe für Stufe abschätzend und durch seine Stiefel die Steinbrocken fühlend und die kleineren Stücke sanft beiseite schiebend, mit seinen wachsamen Augen, die Wendeltreppe herunter. 

Lysander betrat als letzter die Treppe, und folgte seinen Mitstreitern, die Treppe hinab. Noch hatte er seine Klinge nicht gezogen.

Nach wenigen Schritten schluckte die vollständige Finsternis die Gruppe, so dass auch die Dämmerungssicht der Angroschim keine Hilfe mehr bot. Ein Stein, den Wolfmar beiseite schob, sprang über die Kante einer zur Hälfte fehlenden Stufe in die Dunkelheit, ehe er irgendwann, eine Treppenwindung tiefer, gegen Stein prallte und liegen blieb. Der Geruch nach Rauch wurde stärker.

Der Stein kam Irminella in dieser angespannten Stille vor wie ein tosender Rondrikan. Sie sog scharf die Luft ein und hielt sie an. Konzentriert lauschte sie in die Finsternis …

Wolfmar blieb stehen und holte tief Luft, um seinen Gedanken in einem Rutsch an seine hinter ihm stehende Gefährten, flüsternd auszusprechen: “Ich glaube, wir sind ganz nahe. Es ist gut möglich, dass die Verteidiger Fallen aufgestellt haben und ich mit den folgenden Schritten diese auslöse; wenn sie nicht schon von unserer Ankunft alarmiert sind. Wenn dem so ist, müssen wir unbedingt Licht haben. Ich gehe jetzt weiter. Möge die Leuin uns …” und er meinte eigentlich sich  “... vor unrodrianischen Attacken schützen.” So trat Wolfmar auf die hoffentlich letzten Stufen, um die untere Ebene zu erreichen.

Eine weitere Treppenwindung (und eine fehlende Stufe) später war der Rauchgeruch nochmals deutlicher geworden. Fahler Lichtschein wie von einem Feuer schimmerte durch eine leere Türöffung auf den Treppenabsatz. Dahinter waren leise Stimmen, vermutlich von einem Mann und einer Frau, zu hören.

"Zarpada und Sidech Sirra …", flüsterte die Burgvögtin so leise, dass nur Fulco und Gorthak sie verstehen konnten. Dann machte sie sich bereit. Ihre Waffe ließ sie in der Scheide. Mit der linken Hand formte sie eine Art Schnabel, bei dem sie den Daumen unter die anderen vier Finger legte. Dann öffnete und schloss sie den 'Schnabel' mehrfach.

Ein vorsichtiger Blick in den Raum zeigte ihr zwei miteinander tuschelnde Gestalten, einen Mann und eine Frau, die argwöhnisch zur Türe blickten. “War da was?” drang leise an die Ohren der Gruppe. Ein kleines Feuer brannte in einem Steinkreis zu Füßen der beiden über dem ein Rotpüschel seinen Zweck als Nahrung erfüllte. Der Raum um sie war ein knapp vier Schritt hoher Kellerraum mit einem schönen Kreuzrippengewölbe. Zu ihren Füßen lagen zwei Bündel, während auf einer grob gezimmerten Holzkonstruktion eine grob torsoähnliche Form unter einem Stück Sackstoff aufgebaut war. Beide lauschten argwöhnisch in die Dunkelheit in Richtung der Tür, und die Hand der Frau glitt zu dem Schwert an ihrer Seite.

“Davon würde ich die Finger lassen!” schrie Xorgolosch die Frau an. “Sonst nageln wir euch mit Bolzen an die Wand!”

Die Hand zog sich ein stückweit vom Schwertgriff zurück und die beiden starrten jetzt erwartungsvoll in den Gang. “Seid Ihr das, Meister Baars? Da habt Ihr uns aber einen schönen Schrecken eingejagt!”

Fulco schaute an seinen Gefährten vor ihm vorbei. ‘Hoffentlich gehen sie zügig die Treppe herab, so sind wir anfällig für nen Angriff.‘ Er raunte leise zu seinen Gefährten: “Ausschwärmen,  Treppe freimachen, damit wir unsere Überlegenheit nutzen können!”  Er dachte kurz nach, nein, der Name Meister Baar sagte ihm nichts …

Herrat sprang vom Treppenabsatz herunter und zwängte sich durch den Eingang in das Kellergewölbe. Sie achtete darauf, den Gefährten Platz zu machen. Mit ihrem Rondrakamm in beiden Händen war sie eine imposante Erscheinung. Auf ihrem vernarbten Gesicht flackerte das Feuer.

Kurz durch die Geweihte an die Wand gedrückt, sammelte sich die Burgvögtin kurz und drückte sich dann ebenfalls an Wolfmar und den Zwergen vorbei. Als sie den leeren Türrahmen durchschritten hatte, richtete sie sich gerade auf und durchmaß den Raum zu einer weiter entfernten Stelle, um den Durchgang freizumachen. Dabei behielt sie die beiden fest im Blick. Dann lächelte sie und sprach: "Ah, so heißt er also. Danke! Er hat viel von euch erzählt, den Drahtziehern hinter der Sache. Aber den eigenen Namen wollte er nicht verraten."

Wolfmars Augen waren nicht nur auf das Feuer, die Bündel und die beiden Gestalten gerichtet. Sein peripherer Blick richtete sich auch an die Umgebung und seine Kameraden, die neugierig die Treppe herunter und an ihm vorbei gingen. Immer noch angespannt verfolgte der Söldner die Unterhaltung.

Die beiden Gestalten im Raum hatten nicht mit einer so großen Schar gerechnet, die jetzt nach und nach den Raum überflutete. Daher standen sie sprachlos da, als sich die Geweihte der Leuin mit dem flammenden Rondrakamm auf sie zukam, gefolgt von Irminella.  “Äh…”, fragte die Frau, nachdem sie die bunte Schar gemustert hatte. “... was hat er denn erzählt?” Der Mann - einige Jahre jünger als die Frau - zog sich derweil immer weiter in den Kellerraum zurück.

"Weglaufen wird nichts nutzen, wir sind nur die Speerspitze." Dabei blickte sie zu dem Mann, der sich gerade zurückziehen wollte. Dann blickte sie wieder zur Frau. "Ich glaube, Ihr begreift Eure Situation noch nicht ganz. Wir haben mehr als genug, um Euch … und Euch", dabei blickte sie erneut zum Mann herüber, "für den Rest Eures Lebens hinter Gitter zu bringen. Eventuell wartet auch der Galgen, immerhin habt Ihr Euch an einem heiligen Artefakt der Rondra-Kirche UND einer Grafeninsignie vergriffen …"

Es folgte eine kurze Pause, während der sie ihre Worte sinken ließ.

"Was ich Euch biete, ist Eure Seite der Geschichte zu erzählen, die bislang ungehört war. Nicht mehr aber auch nicht weniger."

Lysander hielt es nach wie vor nicht für nötig seine Klinge zu ziehen, auch das Reden überließ er gerade den Anderen.

Auf ihre Worte hin wurde es merklich kühler im Keller. Selbst das magere Feuer der beiden Gestalten schien sich zu ducken. “Was ist es, dass ihr uns vorwerft?” frug die Frau mit bemüht fester Stimme, der aber ein unsicheres Schwanken angesichts der schwerbewaffneten Truppe nicht ganz fremd war.

“Ts”, entfuhr es Herrat, die drauf und dran war, ein paar Köpfe einzuschlagen. Nur mit Mühe zügelte sich die rot angelaufene Ritterin der Göttin. Irminella war viel zu freundlich zu diesem Pack! Man sollte sie erst einmal ordentlich weichklopfen und dann dem Landgrafen höchstpersönlich zum Fraß vorwerfen.

Die Rüstung des Heiligen Hlûthar

Fulco, der seinen Gefährten hinterher gegangen war, richtete sich zu voller Größe auf und sprach mit fester Stimme: “Schauen wir mal, was wir hier haben” Dann schulterte den schweren Kriegshammer von Wolfmar, ging sicheren Schrittes auf  die grob gezimmerte Holzkonstruktion zu und zog mit einem Ruck das Stück Sackstoff hinunter.  Irminella wartete geduldig ab, bis Fulco bei der Holzkonstruktion ankam und sie enthüllte, bevor sie eine Antwort gab. Unter dem Tuch kam ein alt aussehender Kürass zum Vorschein. “Das ist sie!” kam es von Xorgolosch. Irminella schaute vom Kürass zu der Frau, nickte und lächelte, wobei ihre Augen nicht mitlachten. "Diese Frage könnt Ihr Euch selbst beantworten. Schindet keine Zeit." “Und wagt nicht zu lügen!”, setzte Herrat mit Zorn in der Stimme hinterher. Auch Lysander war nicht gerade gut gelaunt, mit in Falten gelegter Stirn erwartete er eine vernünftige Antwort.

Wolfmar entspannte seine Muskeln deutlich sichtbar und lauschte aufmerksam den Edlen, Geweihten und den mutmaßlichen Dieben. Wachsam glitten seine Augen umher. Vielleicht blieb noch einiges verborgen, was nicht gesehen werden wollte oder sollte.

Aber außer den beiden Gestalten, die immer noch starr vor Schreck die hereinkommenden Gefährten anstarrten, waren nur noch ein paar Bündel mit Reisekleidung, der Rotpüschel über dem Feuer und die Rüstung zu sehen. “Also, spuckts aus!”, blaffte die Rondrianerin im Ton des Exerzierplatzes. "Ich finde auch, Ihr solltet Eure Chance jetzt nutzen, junge Dame. Oder wollt Ihr etwas sagen?" Sie blickte zu dem jungen Mann herüber. "Das Angebot, Euch zu erklären, endet gleich. Also?"

“Wa… was, was wollt Ihr … denn wissen?” stammelte der junge Mann, der hinter der Frau im Schatten fast vollständig verschwand.

“Was ist das, woher habt ihr das und was wollt ihr damit?!”, bellte Herrat und zeigte mit der Spitze ihres Schwertes auf die Hlûtharsrüstung. “Und wenn ihr meint, hier irgendjemand für blöd verkaufen zu können, dann wird euch das schnell vergehen!”

Fulco runzelte kurz die Stirn ob der donnernden und laut polternden Geweihten. Er wandte sich an die beiden Gestalten, sprach mit ruhiger und klarer Stimme. “ Ihr habt ihre Gnaden und ihre Wohlgeboren gehört. Sprecht schnell und im Namen der Götter wahr. Euer Schicksal liegt in euren Händen, wir” hier schloß seine Handbewegung alle Gefährten mit ein “sollten euch Glauben schenken, also überzeugt uns.”     “Wir haben alles Recht dazu!” stieß nun die Frau zornig hervor. “Die Gratenfelser haben unserer Familie so viel Leid angetan, dass sie nun auch mal den Verlust spüren sollten!” "Guter Anfang. Weiter." Irminella nickte der Frau zu und machte mit der rechten Hand eine Art Kreisbewegung, so wie man es tut, wenn man jemanden zum Weitermachen oder eben -reden bewegen möchte.

“Dies hier war das Zuhause unserer Familie!” fuhr sie mit knirschenden Zähnen fort. “Und nun seht was daraus geworden ist. Nur noch Trümmer, Würdet ihr so leben wollen? Würdet ihr das ohne Widerspruch hinnehmen? Oder hättet ihr euch auch gewehrt?”

Wieder nickte Irminella, diesmal waren ihre Gesichtszüge etwas weicher. "Ich verstehe, dass man bereit ist, fast alles zu tun, wenn es um die Familie geht. Und auch den Schmerz über Euren Verlust kann ich nachspüren, auch wenn Ihr mir dies vielleicht nicht glauben mögt." Dann ging sie auf die Frau zu und blieb gute zwei Schritt vor ihr stehen. "Aber das da", dabei deutete sie auf die Rüstung, "ist sicherlich nicht das rechte Maß an Protest. Euch muss doch klar gewesen sein, dass die Sache eine Nummer zu groß ist, oder nicht?"

Sie machte eine kurze Pause und wandte sich dann wieder an den jüngeren Mann. "Wie lange ist die Geschichte dieses Ortes her? Seit ich Burgvögtin von Gut Gräflich Bösalbentrutz bin, kenne ich diesem Ort nur so. Ihr habt Euch also für Eure Rache viel Zeit gelassen. Warum?"

“Rache ist ein Gericht, das am besten kalt serviert wird”, antwortete wiederum die Frau, während sich der Mann hinter ihr duckte. “Es braucht Zeit und die Gelegenheit. Und damit reden wir nicht über Jahre oder Jahrzehnte!” “Geht es um die Geschichte mit der Hexerei?” wollte nun Xorgolosch wissen. Die Frau nickte still und Tränen rannen ihr über die Wangen.

Da nur er und Gorthak in der Binge waren und er den Kenntnisstand der anderen über Hlûthars Rüstung nicht wusste, begann der Angroscho zu erzählen: “Nun, werte Gefährten, erfahrt die Geschichte dieser Rüstung, wie sie uns in Rugoschrom berichtet wurde. Nachdem der Fertigstellung der Rüstung durch die ehrenwerten Meister Aurin und Raurin wurde sie leider zu spät, denn Hlûthar war schon gefallen, den Menschen übergeben. Sie blieb lange Zeit in Gratenfels unter der Obhut der damaligen Herrscher Gratenfels’. Nach und nach geriet sie in Vergessenheit und wurde von den Angroschim zurück in die Binge gebracht, bis sie ein Vorfahr des jetzigen Landgrafen wieder zurück forderte. Da er als legitimer Besitzer galt, wurde die Rüstung wieder nach Gratenfels gebracht. Zur Zeit der Priesterkaiser wurden vom Landgraf die Freiherren von Gisbingen der Hexerei bezichtigt und alle Angehörigen der Familie, denen man habhaft werdenden konnte, hingerichtet. Einige Zeit später stellte sich allerdings heraus, dass einige Angehörigen derer von Gisbingen den Häschern entkommen waren und diese nun dem Haus Greifax ewige Rache schworen. Und so gelangte durch einen gelungenen Überfall Hlûthars Rüstung in die Hände des Hauses Gisbingen. Die Rückholung der Rüstung nach Gratenfels durch den erbosten Landgraf hatte zur Folge, dass die Burg Gisbingen geschleift wurde. Seitdem blieb die Rüstung bis zu ihrer Reparatur in Gratenfels. Und wurde nun ein weiteres Mal entwendet.” Dann blickte Xorgolosch die Frau und den jungen Mann an. “Und ich vermute, dass ihr also auch aus der Sippe derer von Gisbingen stammt, richtig?”

Dieses Mal nickten beide stumm.

Irminella stand nun einfach nur noch da und sagte nichts mehr. Sie blickte starr vor sich auf den Boden. Jeder, der sich ein wenig auf die Kunst des Lesens menschlicher Gefühlsregungen verstand, konnte eindeutig sehen, wie wütend und gleichsam todtraurig sie war.

Fulco hörte sich die Geschichte aufmerksam an. Er runzelte die Stirn ob der vertrakten Situation. Nach kurzem Überlegen wandte er sich den beiden Mitglieder des (beinahe) untergegangenen Hauses zu “Die Geschichte eures Hauses ist erschreckend und tut mir leid. Ich gehe davon aus - das ist aus der Zeit der Priesterkaiser ja leider auch bekannt -  dass die damals getroffenen Anschuldigungen gegen eure Familie eher auf wackeligen Füßen standen und die getroffene Kollektivstrafe überzogen war. Nun sei es wie es sei. Die Rüstung dem aktuellen Landgrafen zu entwenden war und bleibt eine Straftat. Da beisst die Maus keine Faden ab. Ich bin kein Gelehrter der Rechtskunde, mein Wissen reicht zum Verwalten meines Lehens. Aber ich denke, dass man die Ehre eurer Familie und eure Ansprüche in einem Verfahren vor dem Reichsgericht behandeln und in Teilen bestimmt wiederherstellen könnte. Trotz allem müsstet ihr euch der begangenen Straftat stellen!“ Hier nickte er zu sich selbst und holte tief Luft, man konnte meinen, der Edle spräche sich gerade selbst Mut zu.“ Ich kann nur für mich selbst und nicht für meine Gefährten sprechen, aber ich würde ein gutes Wort in der aktuellen Sache für euch einlegen und mich für eine rechtmäßige Auseinandersetzung mit der Geschichte eurer Familie einsetzen. Mein Einfluß mag begrenzt sein, aber ein paar Ohren finden sich immer.” Hier nickte er nochmals und schaute in die Runde seiner Gefährten sowie zu den von Gisbingens. 

Die beiden standen betroffen, stumm und mit gesenktem Kopf vor den Gefährten. Ihre Geschichte war ausgesprochen, sie waren der Tat überführt. Jetzt konnten sie sich - wie ihre Ahnen zuvor - wieder der Greifaxschen Gerichtsbarkeit stellen.

Irminella ging zu Fulco herüber und flüsterte ihm mit zittriger Stimme zu: "Fragt nach diesem Meister." Sie musste sich mehrfach räuspern, um diesen Satz auszusprechen.

Fulco nickte der Vögtin zu und wandte sich an die beiden “Wer ist Meister Baars, erzählt uns etwas über ihn. In welchem Zusammenhang steht er zu der Sache? ”

“Meister … Baars?” stammelte die Frau. “Der wollte uns die Rüstung abkaufen. So schön die Rüstung auch sein mag, aber man kann sie nicht essen …”

“Wie kommt ihr an diesen windigen Händler? Weiß er, um welche Rüstung es sich handelt?”

“Wir haben uns umgehört, wer an alten Rüstungen interessiert ist”, kam es nun von dem Mann. “Und er weiß, dass die Rüstung sehr, sehr alt ist.” “Aber nicht, dass es die Rüstung des Heiligen ist”, warf seine Schwester ein.

Wolfmar überlegte lange. Dann sprach er: “Wir haben nicht nur den Auftrag, die Rüstung wieder zu beschaffen, sondern außerdem dafür zu sorgen, dass von dem Diebstahl niemand erfährt. Was mich angeht, wenn die beiden im Namen Praios schwören, dass sie von ihren Taten und weiteren Vorhaben niemandem erzählen; egal in welcher Form, ignorieren wir diesen Baars und bringen die Rüstung zu ihrem angestammten Platz und die Diebe zu unserem Auftraggeber.” Wolfmar runzelte seine Stirn. "Andererseits wäre es interessant dabei zu sein, wenn der Baars die Hlûtarrüstung als solche erkennt. Dann aber haben wir einen Wissenden mehr. Vielleicht sollte einer unserer Fachkundigen sich die Rüstung hier einmal genau anschauen. Nicht, dass wir auf eine Fälschung hereinfallen.”

Fulco hörte Wolfmar aufmerksam zu und nickte. “Ihr habt Recht, wir sollten den Kreis der Mitwisser so klein wie möglich halten.” Er schaute die beiden jungen Leute nochmal an und seufzte, bevor er sich an sie wandte. “Warum seid ihr nur auf diese Idee der Rache gekommen? Ich kann eure Intention sehr gut verstehen, für meine Familie würde ich auch mit allen Mitteln kämpfen. Aber irgendwann muss man die Vergangenheit auch hinter sich lassen. Warum habt ihr nicht auf juristischem Weg probiert, eure Familie wieder rein zu waschen und eure Privilegien zurückzuerlangen? So gerne ich es sehen würde, wenn ihr euch der Gerichtsbarkeit eurer Erzfeinde nicht zu stellen bräuchtet, sehe ich aufgrund eures Handelns keine andere Möglichkeit, bei den Göttern.”   Fulco runzelte dabei die Stirn und schaute seine  Gefährten an. 

Xorgolosch meinte zu der Diskussion nur lapidar: “Es sind Gigrim, dafür seid ihr zuständig, nicht wir. Wichtig ist, dass wir die Rüstung haben, das war unser Auftrag.”

Die Frau schüttelte traurig den Kopf. “Unser Familienzweig hat Lehen und Namen verloren - und das Reichsgericht hat den Fall eingestellt, als der letzte Gisbingen starb.“

„Und ihr seid also keine wirkliche Familie, sondern nur - Nachahmer?“, grollte Herrat. „Wenn Ihr wirklich den Namen Eurer Familie reinwaschen wollt, dann bringt Euer Anliegen dem Herzog zu Gehör, anstatt hier in einem Kellerloch zu winseln!“ Für diese Form der Feigheit hatte die Rondrianerin kein Verständnis. „Mit Eurem Verhalten habt Ihr Eurem Anliegen mehr als nur geschadet! Wie soll der Herzog Euch für aufrecht und guten Willens erachten, wenn Ihr Schandtaten an der Rüstung eines Heiligen begeht. Eines HEILIGEN! Ist Euch denn überhaupt nicht bewusst, dass Ihr vor den Augen der Herrin RONdra gefrevelt habt?!“ Die Leuinnenritterin wurde zusehends wütender. Der Griff ihres Schwertes quietschte unter dem Leder ihrer Handschuhe. „Gute Lust hätte ich, Euch direkt der Gerechtigkeit des Schwerts zuzuführen. Ein Gericht ist zu gut für dieses Pack.“

Fulco trat an die hochgewachsene Frau heran und legte ihr beruhigend eine Hand auf den Arm. “ Euer Gnaden, ich bitte Euch. Ein jeder hat das Recht auf eine Gerichtsverhandlung in diesem Land. Ja, es liegt ein Frevel vor, aber dies soll die Göttin richten, meint ihr nicht auch? Ich finde diesen Weg der Rache auch nicht richtig. “ Dann wandte er sich an die junge Frau ”Was meint ihr mit, als der letzte Gisbingen starb. Ich hatte euch so verstanden, dass ihr und euer Bruder die letzten Angehörigen der Familie seid. Was stimmt denn nun? Ein Gerichtsverfahren kann auch wieder eröffnet werden.”  Wieder runzelte Fulco seine Stirn. Das Lächeln war ihm erst mal vergangen. 

“Der letzte Träger des Namens Gisbingen … uns wurde er aberkannt.” seufzte die Frau. “Wir waren eine Nebenlinie.” „Und das nehmt Ihr einfach so hin? Wo bleibt Euer Ehrgefühl? Euer Kampfgeist? Peinlich! So etwas hat in Adelskreisen nichts verloren.“ Jetzt musste Fulco doch kurz lächeln. 'Gut, dass die Frau keine diplomatische Laufbahn eingeschlagen hat, bei allen Göttern. Diese ungestüme Gemüt ist auf Dauer recht anstrengend.‘ Er richtete das Wort wieder an die beiden jungen Leute. “Ich verstehe eure Bedenken und eure Angst vor erneuter Schmach, muss ihrer Gnaden allerdings zu Teilen zustimmen. Kämpft um den Namen und den Ruf eurer Familie. Rollt die Ungerechtigkeit auf und vertretet eure Meinung. Wer nicht kämpft, kann nur verlieren. Und das Schlimmste, was euch widerfahren kann, ist, dass sich nichts ändert.” Er hob bei diesen Worten kurz die Schultern. Die beiden taten ihm leid.     

“Was machen wir nun mit den beiden traurigen Gestalten?” fragte der Angroscho und wandte sich ohne eine Antwort abzuwarten der Rüstung zu und unterzog sie einer eingehenden Untersuchung. Nach einer Weile meinte er: “Sie sieht in Ordnung aus, da hat Meister Ferrombarosch gute Arbeit geleistet. Ein wenig polieren und alles ist gut.”

Wolfmar atmete hörbar aus. Dann sprach er laut: “Wir bringen die Rüstung und die beiden Diebe zu unserem Auftraggeber nach Neukrashof. Dort können sie sich ausweinen und Oldebor ihr Anliegen vortragen und wir können ihm berichten, was wir erfahren haben und das Diebesgut übergeben. Mich persönlich würde nur interessieren, woher unsere Diebe wussten, wo sie zu genau diesem Zeitpunkt die Rüstung des heiligen Hlûtar finden würden.” An die Diebe gerichet, fragte der Söldner: “Würdet ihr uns diese Frage beantworten?”

Lysander betrachtete die Anwesenden: “So machen wir es! Ich bin gespannt, was Oldebor dazu zu sagen hat!” Dann begutachtete er die angesprochenen Diebe.

“Es war reiner Zufall”, antwortete die Frau. “Wir hatten gerade Rast in der Höhe gemacht, da hörten wir die Schmiede am Nachbartisch über eine besondere Rüstung reden, die ihr Meister repariert hatte. Also sind wir zur Schmiede gegangen und haben die Rüstung erkannt. Der Rest war recht einfach, die Umgebung auskundschaften, als die Rüstung fertig war, ein Ablenkungsmanöver angezettelt und weg mit der Rüstung.” Ein wenig Stolz über den gelungenen Coup schwang jetzt in der Stimme der Frau mit.

Fulco schüttelte den Kopf “ Ihr macht es nicht besser” sagte er in die Richtung der Frau.

“Und es war Euch nicht klar, um welche Rüstung es sich handelte? Im Ernst? Schwer zu glauben, für mein Dafürhalten! Ihr solltet mit Eurem Stolz nicht allzu sehr hausieren gehen, will ich meinen!”, bemerkte Lysander mit zweifelnder Miene den mitklingenden Stolz in der Stimme der Diebin. “Oder habe ich da etwas missverstanden?"

“Aber natürlich haben wir die Rüstung Hlûtars erkannt. Sie war doch schon einmal im Besitz unserer Familie und die Beschreibung wurde über die Generationen weiter gereicht.”

„Sie haben sich für den Karzer mehr als nur qualifiziert!“, bestätigte Herrat.

Ohne Herrat anzuschauen, beobachtete Lysander Quintin die Reaktion der Diebe auf die Bemerkung, was den Karzer betraf. “Wenn es mal nur beim Karzer bleibt!”, diese Ergänzung konnte und wollte sich der junge von Eisenfels nicht verkneifen.

Irminella, die bis jetzt stumm im Gewölbe gestanden und zu Boden geblickt hatte, räusperte sich erneut und schien dann die Fassung wieder erlangt zu haben - für alle erkennbar, denen überhaupt gewahr geworden war, dass sie mit dieser gerungen hatte. Mit fester Stimme sagte sie:

"Genug. Die beiden haben aus einer Gelegenheit und einer schrecklichen Vergangenheit heraus eine unglaublich dumme Entscheidung getroffen, ja. Zornigen Kindern gleich. Sicher wissen sie längst, was ihnen blüht. Kein Grund also, ihnen ständig damit zu drohen. Eingeschüchtert sind sie ebenfalls, was soll das also!?" Ihre Stimme war hart geworden, nun versuchte sie sich augenscheinlich wieder ein wenig zu entspannen, ihre Stimme wurde wieder sanfter, weniger aufgebracht.

"Ich stimme Fulco hier zu. Sie haben ein Verbrechen begangen, wofür sie gerade stehen werden, bei allem Verständnis, das ich für Euch beide aufbringen kann. Wenn also keiner mehr Drohungen oder Einschüchterungen mehr von sich geben will, lasst sie uns binden und gehen."

“Dann soll es so sein, binden wir sie, und machen uns auf den Weg, Pferde haben die beiden ja, hoffentlich!" Mit der Ansage von Irminella konnte Lysander durchaus leben, so die beiden Diebe einer gerechten Strafe zugeführt würden!    “Wer will die Beiden fesseln, fühlt sich jemand berufen?” 

Voll in seinem Element und im Befehlston eines Söldners erklärt Wolfmar: “Wir fesseln die Diebe am Knauf ihrer Sättel, wenn sie mit uns mitreiten. Vorher geben sie uns ihre Waffen. Für die Dauer dazwischen, schwören Sie im Namen ihrer Familie und wem sonst noch, dass sie nicht fliehen werden. So ist es doch Frau äh… Gispingen? Außerdem brennt gleich der Rotpüschel an, wenn wir ihn nicht drehen oder als Wegzehrung mitnehmen.”

“Ratzenstein”, antwortete die Frau, “Zarpada Ratzenstein. Und das ist mein Bruder Sidech Sirra.” Dann löste sie langsam ihren Waffengurt und gab ihrem Bruder ein Zeichen, es ihr gleich zu tun.

Nachdem man die Waffengurte abgenommen hatte, nahm Lysander diese an sich und übergab Gurte und  Waffen an Peranna, seine gelehrige Knappin. Ohne eine Miene zu verziehen, wandte er sich an seine Mitstreiter. “ Also dann, was mich betrifft, können wir los!”

Fulco schluckte und schloss kurz die Augen. Als er sie wieder öffnete, wirkte er müde und bedrückt.  “Dann soll es so sein.” Er wandte sich wieder an die Frau. “Bedenkt eure Aussagen und eure Mimik, wenn ihr dem Junker gegenüber steht, euer Schicksal liegt nun in euren Händen. Für die Tat müsst ihr nun mal gerade stehen.” Dann sprach er in den Raum zu seinen Gefährten: “Irminella hat Recht, wir sollten uns mit unseren Aussagen zurückhalten.”  Er drehte sich weg und schaute Irminella kurz in die Augen. Hier nickte er leicht und murmelte leise für sich hin “ Hoffentlich wird Unrecht gesühnt werden.”

Die beiden Geschwister ließen sich von den Gefährten ohne Widerstand auf den Burghof führen. “Unsere Pferde stehen unten im Dorf. Hier auf die Burg konnten wir sie kaum mitnehmen.”

Auf dem Burghof passte Irminella einen Moment ab, in dem sie Fulco kurz alleine beiseite nahm. "Ihr sagtet den beiden zu, Euch für einen rechtmäßigen Prozess einzusetzen. Wie kann ich helfen?"

Fulco nickte unbewusst “Ich bin mir nur begrenzt sicher, ich bin kein Rechtskundiger. Aber aus meinem Rechtsverständnis kann man jedes geschlossene Verfahren, wenn ein berechtigter Zweifel besteht, wieder aufnehmen. Natürlich wäre es gut, wenn wir als Fürsprecher gemeinsam oder mit noch weiteren unserer Gefährten auftreten würden. Mehr Stimmen aus adeligen Kreisen geben der Sache natürlich ein größeres Gewicht und würden eventuell die Schnelligkeit eines entsprechenden Verfahrens beschleunigen. Wir alle wissen, dass die Mühlen der Reichsgerichtsbarkeit nicht immer schnell mahlen. Welche Schritte wir genau anstreben müssen, würde ich gerne mit meinem Bruder absprechen, wenn wir diese Angelegenheit hier abgeschlossen haben. Er ist Rechtsgelehrter und arbeite in der Reichskanzlei zu Elenvina.”

"Gut." Sie nickte. "Ihr wisst ja, wo Ihr oder ein Bote mich findet, solltet Ihr eine Verwendung für mich haben in dieser Sache. Doch bin auch ich keine Rechtsgelehrte." Sie seufzte und endete dann: "Bringen wir es zu Ende, meine Familie wartet." Sie lächelte Fulco an und schob nach. "Es freut mich, Euch kennengelernt zu haben!"

Fulco lächelte die Frau offen an. “Ich freue mich ebenfalls, euch kennengelernt zu haben. Ich werde in dieser Sache mit Sicherheit auf euch zukommen, wie gesagt, mehr Stimmen wiegen immer schwerer als eine. Stärke erwächst in der Regel in Gemeinschaft. Aber ihr habt Recht, auch ich möchte meine Familie wieder sehen, also bringen wir diese Angelegenheit hier erst mal zu Ende.”

Als Antwort erhielt er ein Nicken - und ein freundliches Lächeln.

Lysander bekam zwar mit, dass Irminella Fulco beiseite nahm, er wollte sich aber mehr auf die gefassten Diebe, mit dem dann doch recht harten Schicksal konzentrieren. Er war froh, dass die fleißige Gruppe die Rüstung gefunden hatte, und er war sich außerdem sicher, dass man die beiden einer gerechten Strafe zuführen würde. Einfach aufhängen, das wäre auf keinen Fall DIE Lösung gewesen! “Dann auf zu den Pferden!”, sagte er in Richtung der Anwesenden. Nicht auszudenken, wären diese nicht mehr dort, wo man sie zurückgelassen hatte.

“Lasst uns durch das Haupttor gehen, ich denke, unsere weiteren Gefährten werden wir am ehesten dort treffen” sprach Fulco und wandte sich in die von ihm genannte Richtung. Dabei ließ er die Mitglieder der Familie von Gisbingen nicht aus den Augen, immer bereit, eine Flucht zu verhindern.

Die Rondrianerin hatte den bisherigen Worten grummelnd gelauscht. Ob das gut ginge? Ob der Gerechtigkeit hier genüge getan würde? Die Gerechtigkeit des Schlachtfelds hielt die kriegsgezeichnete Frau für aufrechter: Leben oder Sterben. Scheitern oder Siegen. Sich absolut ergeben oder mit wehenden Fahnen untergehen. Aber dies war nicht ihr Recht - sie war hier, um die Rüstung zu finden und zu bewachen. Zurück Kaum hatte sich Eblaus durch das Fallgatter gezwängt, da sah er auch schon, wie sich seiner Position eine größere Gruppe Gestalten im Dämmerlicht der Burgruine näherte.

“Euer Gnaden, seht!”, zischte Ulfried dem Praiosgeweihten von der anderen Seite des Fallgatters eben so leise zu, wie möglich. Dann reckte er seine Laterne nach oben, um sehen zu können, wer sich auf sie zubewegt. Die Knöchel der Hand, die sich um den Streitkolben krampfte, traten weiß hervor und er begann leicht zu zittern.

Es waren mehr als nur ihre Gefährten, die vorhin in die Ruine aufgebrochen waren. Sie hatten in ihrer Mitte noch zwei Unbekannte, die anscheinend gefesselt waren.

„Huch, juhe! Sie haben die Diebe dingfest gemacht! Ein voller Erfolg!“, freute sich der junge Praiot ersichtlich. Auch seine Gesichtsfarbe nahm wieder gesunde normale Züge an.

Fulco rief dem Praioten zu “Ihr habt Recht euer Gnaden, wir haben die Rüstung sowie die Personen, welche sie entwendeten dingfest gemacht und können sie unserem Auftraggeber zurückbringen. Insoweit kann man von eine Erfolg sprechen.” Fulco wirkte bei seinen Worten nicht so zufrieden, wie man es Angesicht des Ergebnis erwarten könnte.

Eblaus musterte die zusammengewürfelte Mannschaft von Fern und wartete, bis sie zu Ulfried und ihm gestoßen waren. Irgendwie vermittelten alle bis auf Herrat und Lysander das Gefühl, mit dem Ergebnis der Jagd nicht wirklich zufrieden zu sein. Was trieb sie um? Die Rondrianerin schien allerdings auch etwas anderes zu beschäftigen. „Warum habe ich nur den Eindruck, dass Ihr das nicht so seht?“, frug er Fulco direkt.

Vorerst schaltete sich Lysander nicht ein, aufmerksam zuhören, das tat er jedoch.

Fulco schaute den jungen Mann direkt an “Nun, die Geschichte scheint verzwickter als sie auf den ersten Blick scheint. Natürlich liegt hier der Diebstahl vor und dass muss geahndet werden, ohne Zweifel. Allerdings sind die Hintergründe auf Ereignisse, die in der Vergangenheit zurückliegen, zurückzuführen. Es scheint, das hier Unrecht begangen worden ist, welche die heutigen Taten erst möglich gemacht haben. Dies erscheint mir nicht im Sinne der Götter und gibt dem heutigen Erfolg einen zumindest schalen Beigeschmack.” Man konnte deutlich in Fulco ansonsten eher freundlichem Gesicht eine gewisse Unzufriedenheit und Nachdenklichkeit entdecken.

„Faszinierend!“, erwiderte Eblaus mit leuchtenden Augen. „Können wir diese Ungerechtigkeit der Vergangenheit beseitigen, was meint Ihr? Zwei Fliegen mit nur einer Klappe?“

Fulco wiegte den Kopf hin und her. “Das hoffe ich, Euer Gnaden. Allerdings wird dies nach dieser Queste geschehen müssen. Ich denke, dass wir dafür noch ein paar Nachforschungen anstellen müssen und - so befürchte ich - wird das Ganze ein Geduldsspiel. Aber einen Schritt nach dem anderen. Lasst uns dies hier erstmal abschließen.”   

„Aber eines müssen wir noch klären!“, statuierte Herrat, kaum, dass die Gruppe wieder vereint war und ohne auf die Gespräche ihrer Gefährten Rücksicht zu nehmen. „Wir haben über die letzten Tage anschaulich gesehen, dass der Landgraf und erst recht Oldebor Greifax nicht in der Lage sind, für die Sicherheit der Hlûtharsrüstung zu sorgen. Es handelt sich bei diesem Brustpanzer um die Rüstung eines Heiligen meiner Kirche. Wir können sie nicht einfach in die Hände derjenigen zurückgeben, die nicht garantieren können, dass sie nicht wieder in falsche Hände gerät! Ich bestehe darauf: Wir müssen diese Rüstung der Kirche der Leuin überantworten!“ Das wrang dem aus den Schatten auftauchenden Herrenfels nur ein leises Schmunzeln ab, während er sich den Staub der Jahrhunderte von seinem edlen Wams klopfte.

Fulco runzelte die Stirn ob der Rede der Geweihten. “Nun, hier muss ich euch leider widersprechen Euer Gnaden. Die Rüstung ist der Familie des Landgrafen anvertraut und mitnichten in Händen eurer Kirche. Recht muss Recht bleiben. Und mein Lehnsherr, dem die Rüstung anvertraut ist, hat sich auf seine Verwandten verlassen. Die Rüstung ist schon lange in Händen der Familie Greifax und war bis jetzt nicht gestohlen. Für die Torheit der Schmiedegesellen, die sich im Gasthaus über die  Rüstung unterhalten haben, kann Oldebor hingegen nichts, er dachte sie beim zwergischen Schmied ebenfalls in guten Händen und sicher. Wie er mit den Gesellen des Schmiedes verfährt, wird der Junker selber wissen. Die Rüstung muss der Familie Greifax übergeben werden. “ 

“Aber wenn ihr meint, dass sie dort nicht sicher ist”, mischte sich nun auch Xorogolosch ein. “Ich denke, dass meine Garoschim aus Rugoschrom die Rüstung auch wieder unter ihre Fittiche nehmen würden. Dort wäre sie sicher!”

Fulcos Geduld neigte sich dem Ende entgegen und er sprach mit etwas festerer Stimme “Was ist daran nicht zu verstehen, dass die Rüstung rechtlich in die Hände der Familie des Landgrafen gehört? Bei den Göttern, das muss wahrlich nicht diskutiert werden!!”  

Lysander konnte Fulco nur Recht geben! “Die Rüstung geht zurück in die Hände des Landgrafen, soll er entscheiden, wie weiter verfahren wird! Jetzt irgendwelche Ansprüche stellen, nun ja, das erscheint mir etwas unpassend, gerade!”

Rhodan lächelte und blickte von einem zum anderen. “Da könnte ja jeder kommen. Ich finde das Stück auch richtig nett”, scherzte er in seinem freundlichen Bass. Das allerdings ließ die Ritterin der Göttin aus der Haut fahren. “Ich bin nicht ‘jeder’!”, empörte sie sich. “Ich bin eine Gesandte der Leuin auf Deren und spreche für ihre Kirche. Dieses Stück hier”, sie deutete wiederholt auf den Harnisch, “ist ein Artefakt meiner Kirche! Es ist nur recht und billig, dieses in ihren Schoß zurückzuführen! Was meint Ihr denn, was ich sonst damit will? Deshalb ist es auch nicht wichtig, ob sie gerade dem Landgrafen oder Herrn Oldebor gehört! Als Weihestück eines Heiligen kann der Harnisch nur in einem Tempel ruhen!” 

“Es war kein Weihestück für den Heiligen”, brummte nun der Angroscho ebenfalls aufgebracht, “denn es wurde erst fertiggestellt, als er bereits tot war.  Daher könntet wir Angroschim ein mindestens genauso großes Anrecht auf die Rüstung haben wie ihr!”

Erneut holte Wolfmar tief Luft und sprach dann: “Euer Gnaden Herrat. Fulco hat recht. Leider. Die Rüstung ist weder eine Reliquie, noch ein Weihestück. Nur eine Rüstung mit einem Namen. Mehr nicht. Wir sollten sie dem Vorbesitzer zurückgeben; mit der Auflage, dass die Kirche der Leuin von nun an nicht mehr für die Sicherheit oder Wiederbeschaffung der Rüstung zuständig ist. Außer vielleicht, der Landgraf überlässt die Rüstung der Rondrakirche.”

Jetzt wurde es Fulco ein wenig zu bunt und er sprach mit leicht erhobener Stimme und etwas schneidenem Tonfall “Euer Gnaden, bei allem Respekt vor eurer Stellung. Unser Auftrag, den auch ihr angenommen habt, ist wohl eindeutig und wir werden ihn genauso erfüllen, wie wir es alle vor Aufbruch mit dem Junker besprochen haben.” Nun hob er leicht spöttisch die Augenbrauen (auch wenn dies für ihn sehr ungewöhnlich war) “Wenn  ihr Euch den Ansprüchen der Kirche so sicher seid, bringt sie vor den Landgrafen, das wäre der richtige Weg.” Dann drehte er sich süffisant lächelnd in Richtung Eblaus „Oder seht Ihr die rechtliche Grundlage anders, als dass sich das Stück in den Händer der Familie Greifax zu Recht befindet, euer Gnaden. In diesen Fragen seid Ihr ja nun mal der Fachmann aus unserer Gemeinschaft.” Fulco war der Diskussion überdrüssig und müde, das konnte man an seinem für ihn ungewöhnlichen Verhalten deutlich merken.

Der junge Geweihte zuckte die Schultern und breitete entschuldigend die Arme aus. „Ja, nun…Euer Gnaden Herrat müssen entschuldigen, aber der hohe Herr Fulco behält in dieser Sache Recht. Die Eigentumsverhältnisse sind eindeutig. Die Rüstung muss in die Obhut des Landgrafen zurückgebracht werden. Dessen Entscheidung wird es sein, welches weitere Schicksal den Brustpanzer ereilen wird. Ungeachtet dessen hat Eure Kirche sicherlich ein berechtigtes Interesse am Erhalt dieses Stücks - nicht mehr und nicht weniger. Wir sollten die Anregung des Herrn Wolfmar dem Landgrafen vortragen. Vielleicht findet sich eine für alle sachdienliche Lösung - vielleicht kann die Hlûtharsrüstung im Eigentum des Grafen bleiben und dennoch in einem Tempel der Leuin aufbewahrt oder gar als Reliquiar ausgestellt werden?“

Fulco hörte aufmerksam zu,nickte und sprach wieder deutlich ruhiger  “ Dann wäre das ja erst mal geklärt und wir können zurück nach Neukrapol. Alles weitere können wir dann ja mit dem Junker besprechen, es steht jedem frei, seine Meinung dort an zu bringen” Mit diesen Worten machte sich Fulco an, den ungastlichen Ort zu verlassen.

Eblaus lächelte und machte sich ebenfalls abreisebereit. Herrat hatte für die Vorgänge dementgegen nur ein motziges Grummeln übrig. Der dritte im Bunde, Rhodan Herrenfels, kam offenbar aus dem Grinsen nicht mehr raus. „Dass ich mal einem Geweihten des Strahlenden unumwunden zustimmen kann…“, konnte er sich nicht verkneifen. Auch Lysander was der Diskussion überdrüssig, und machte sich deshalb bereit, die Abreise anzugehen. Irminella, die mit Fulco zur nun wieder vereinten Gruppe zurückkehrte, blickte sich um. "Es hat nicht zufällig einer der hier draußen Verbliebenen einen Mann hier in der Nähe gesehen?" Die Frage Irminellas wurde von den Anwesenden mit Kopfschütteln verneint. Sie zuckte mir den Achseln. "Wenn es stimmt, was die beiden sagen, dann wusste er ohnehin nichts von der Brisanz der Ware, die er erwerben wollte." Fulco nickte der Vögtin bestätigend zu. “ Ich denke auch, dass wir den Händler ignorieren können und sollten. Diese Geschichte hat schon zu viele Unwissende und wahrscheinlich Unschuldige mit sich gerissen oder zu dummen Taten verleitet” 

“Genug jetzt, wir sollten uns auf den Weg machen, je schneller wir beim Landgrafen vorstellig werden, umso eher wird er eine Entscheidung fällen, wie weiter vorgegangen wird … aber das sagte ich ja schon! Auf geht ‘s, machen wir Nägel mit Köpfen”, sagte Lysander ohne Hektik zu verbreiten. “Wo stehen die Pferde nochmal?”, blickte er zu Peranna.

Ulfried stand noch auf der anderen Seite des Fallgatters und hörte gespannt zu, wagte es aber nicht, sich an der Diskussion über den Verbleib der Rüstung zu beteiligen. Ein, zwei Mal hatte es den Anschein, als wolle er zu sprechen beginnen, aber er schwieg. Erst als die Vögtin von Bösalbentrutz nach einem Mann fragte, meldete er sich zu Wort: “Ja also … einen Mann haben wir nicht gesehen. Aber … also ähm…”, sein Blick ging hilfesuchend zu dem jungen Praiosgeweihten auf der anderen Seite des Gatters, “aber … ähm… wie soll ich sagen. Irgendetwas war hier. Deswegen ist euer Gnaden Eblaus auch mit mir zu euch aufgebrochen. Dem ist doch so, oder?” Er nickte dem Geweihten auffordernd zu.

Eblaus nickte stumm. “Ein mythischer Nebel. Düstere Schemen stiegen vom Boden auf”, setzte er theatralisch nach einem Moment des Schweigens hinterher.

Irminella legte die Stirn in Falten und blickte fragend zwischen Eblaus und Ulfried hin und her. "Was macht Nebel denn 'mythisch?", fragte sie, ohne Arroganz oder Hochmut in der Stimme. Sie schien ehrlich interessiert. "Ist er wieder verschwunden?"

Fulco hörte aufmerksam zu und beobachtete die Reaktion von Ulfried. Wie er den jungen Mann kannte, übertrieb dieser in solchen Situationen nicht.

Eblaus blickte sich instinktiv um. „Ja, ich glaube schon. Als Ihr die Burgruine verlassen habt.“

Ulfried blickte verunsichert zwischen Irmenella und Fulco hin und her. “Also ja, irgendwie mystisch trifft es wohl ganz gut, hmmm…”. Der junge Edle neigte den Kopf nach links und rechts und schien seine Worte genau abzuwägen. “Es war zunächst ein dichter Nebel und als ich meine Laterne entzünden wollte, züngelte der Schemen an der Flamme, sodass diese sich blau färbte und sogar erlosch. Ja…”, er nickte sich selbst bestätigend zu, “...und dann bewegte sich der neblige Schemen hinauf zur Burg. Wir wollten euch warnen und zu Hilfe kommen. Aber seither konnten wir ihn nicht wieder erblicken.” Er blickte zu Boden. “Ich habe leider keine Idee, was das hätte gewesen sein können.”

Noch einmal schaltet sich Lysander ein, “Wir sollten abreisen und die Rüstung dorthin bringen, wo sie hingehört!”

Fulco zuckte mit den Schultern “Nun, wenn es weg ist, können wir ehe nichts mehr machen.“ Er wandte sich an Lysander. “Ich muss euch recht geben, lasst uns aufbrechen und die Angelegenheit abschließen.”  

Der junge Eisenfels nickte bestätigend in Richtung von Fulco, froh darüber, dass dieser es genauso sah, wie er selbst. Schließlich blickte er abwartend in die Runde, gab es denn sonst noch etwas zu klären, oder eine weitere Wortmeldung? Dann erklärte er recht salopp: “Ab durch die Mitte, würde ich mal sagen!”

Die beiden Ratzensteiner führten dann die Gefährten in das ebenfalls schon seit Jahrhunderten in Trümmern liegende Dorf, wo sie in einem halb eingestürzten Haus ihre beiden Pferde angebunden hatten. Somit stand einem Aufbruch zurück nach Neukrasdorf zu Junker Oldebor nur noch die hereinbrechende Nacht entgegen.

Fulco bemerkte die fortgeschrittene Zeit erst jetzt richtig. Er war wohl so sehr in Gedanken gewesen, dass ihm diese entgangen war. “Vielleicht sollten wir nicht in der Nacht reisen, sondern erst am Morgen aufbrechen. Im Dunklen zu reiten sollte insbesondere für euch”, er deutete auf die Gefangenen, “so gut wie unmöglich sein. Lasst uns den Anbruch des Tages abwarten und dann zügig voran reiten.”

Krispinian von Tsafelden unterbrach sein Schweigen. “Ihr sprecht wahr. Lasst uns die Nacht hier verbringen und uns morgen reiten. Ich meinerseits bin heilfroh ob der Aussicht, meine Familie bald wieder in die Arme schließen zu können, Travia sei’s gedankt.”

Fulco nickte seinem Nachbarn zu “ Ich freue mich auch darauf, meine Familie wieder zu sehen. Wir sollten uns auch zeitnah treffen und über die Hochzeitsfeierlichkeiten unserer Geschwister sprechen. Da gibt es ja dann auch einige Vorbereitungen zu treffen”  

"Wahr gesprochen, werter Nachbar. Ich freue mich bereits auf die Vorbereitungen! Lasst uns diese Angelegenheit rasch zu Ende bringen. Ich bin gelinde gesagt überrascht, dass für solch einen leicht aufzuklärenden Diebstahl zig Adlige und Würdenträger eingespannt wurden. Nun denn, beim ollen Oldebor etwas gut zu haben, das passt mir ganz hervorragend. " Der hochgewachsene Edle lächelte, und er schien mit seinen Gedanken schon ganz woanders zu sein. 

Fulci grinste dem Mann zu “ Da habt ihr recht. Einen Gefallen bei den Greifax in Petto zu haben ist nicht das schlechteste, was einem passieren kann. “ Dann schaute er nochmal in die Runde und ging seinen Gedanken nach ‘Stimmt das hat Krispinian recht, die Auswahl der Gruppe ist für eine Art dieses Auftrages ungewöhnlich ‘ In einer unbeobachteten Minute winkte Fulco Ulfried zu sich und sprach so leise, das nur Ulfried ihn hören konnte “ Wenn du nach dieser Angelegenheit noch ein wenig Zeit hast, würd es mich freuen wenn du Sabea und mich bei dem Prozess um Winna unterstützen könntest? Dann könnten wir ihr auch schon mal erzählen, dass dein  Bruder, wenn er denn möchte, seine Pagen,- und Knappenzeit in unserer Familie verbringen wird. Wie gesagt, sie wird sich freuen”

Ulfrieds Augen weiteten sich, als er Fulco anblickte. “Ja, natürlich, sehr gerne!” Ein Lächeln zeigte sich auf seinem Gesicht. “Rudhard wird sich freuen, dann muss er nicht mehr mit seinem Holzschwert auf die Jagd nach Unholden in der Wutzenau gehen.” Fulco nickte dem jungen Mann zu “ Das freut mich, habt Dank für eure Unterstützung in dieser Angelegenheit. Dann machen wir das so. “Er schlug Ulfried freundschaftlich auf die Schulter . “ Dann lasst uns diese Angelegenheit zu Ende bringen und Oldebor seine Rüstung wieder bringen”  Auch Lysander und dementsprechend seine Knappin Peranna, die nach wie vor die Waffengürtel der Gefangenen verwahrte, waren mit dem Vorschlag, erst am nächsten Morgen weiterzureiten, einverstanden. 

Irminella schaltete sich kurz ein. "Entschuldigt die Unterbrechung, ich wollte Euch nur kurz Eure Waffe zurückgeben. Glücklicherweise musste damit kein Blut vergossen werden. Dennoch danke ich Euch nochmals und aufs Herzlichste für die Leihe!" Sie lächelte, nickte dann einmal knapp in die Runde und überließ die Herren wieder sich und ihren Gesprächen. Auf direktem Wege suchte sie sich einen kleinen Rückzugsort, möglichst weit weg und in ruhiger Abgeschiedenheit - soweit dies hier möglich war.

Die Ruinen der Gebäude im Dorf boten den Gefährten, den Gefangenen und ihren Reittieren genügend Möglichkeiten, sich für den Rest der Nacht vor den Unbilden des Wetters zu schützen und noch ein wenig auszuruhen.

Peranna war erstaunlich einsilbig an diesem Abend, Lysander kümmerte sich aber nicht weiter darum, nachdem er einen Blick auf sein Pferd geworfen hatte, überließ er der heute so wortkargen Knappin die Arbeit mit den Tieren. Ähnlich wie Irminella zog er sich etwas zurück, die Gefangenen ließ er jedoch nicht aus den Augen, was auch auf die Rüstung zutraf. Noch war es für ihn nicht soweit, sich abzulegen, ausserdem sollten noch Wachen eingeteilt werden, dass sollte noch angesprochen werden!

Wolfmar begab sich zu Fulco und wies auf den zweihändigen Kriegshammer, den der Edle von Kranickteich sich vom Söldner ausgeliehen hatte. Ein wenig verschmitzt lächelnd sagte Wolfmar zu ihm: “Danke mein Herr, dass ihr noch nicht in Versuchung ward, irgendjemanden damit den Kopf einzuschlagen. Ihr könnt ihn so lange behalten, bis wir in Neukrashof angekommen sind. Dann braucht Halunke ihn nicht tragen. Gefällt euch die Waffe? Ich habe gesehen, wie ihr kurz mit ihr geübt habt.”

Fulco nickte dem kräftigen Mann freundlich zu “ Habt Dank, es ist eine schöne Waffe, sie liegt gut in der Hand. Auch wenn ich zugeben muss, dass ich in ihr nur begrenzt bewandert bin. Ich sollte mein Repertoire erweitern. Ich denke, mit ihr“ hier hob Fulco die große Waffe kurz an “ kann man wahrlich beeindruckende Ergebnisse erzielen. Aber ich denke, die klassische Waffe der Ritters wird wohl das Schwert bleiben. Wir müssen uns, wenn wir den Auftrag hinter uns haben, nochmal genau über eure Idee mit dieser Bürgerwehr unterhalten! “ Hier nickte er dem Mann nochmal freundlich zu.

“Ich freue mich auf unser gemeinsames Gespräch, edler Herr von Kranickteich.” sagte Wolfmar und verbeugte sich respektvoll. 

Wolfmar begab sich zu Thimorn von Hauerberg und Jorik Aldenweyn. “Ich muss sagen, ihr habt euch beide bisher gut gehalten. Sowohl auf den Pferden, wie auch den Menschen gegenüber, die wir begegnet sind. Das macht immer einen guten Eindruck bei oder mit denen ihr mitreist. Ich bin der Meinung, dass hier nichts großes oder Überraschendes mehr passieren wird, bis wir in Neukrashof angekommen sind. Aber man kann nie wissen, welche Hindernisse die Götter uns auf dem Rückweg vor die Füße werfen. Hat euch unser kleines gemeinsames Abenteuer gefallen? Und… würdet ihr wieder eine solche Queste bestreiten wollen? Selbst wenn ihr andere Verpflichtungen hättet?” Der letzte Satz sollte nach Wolfmars Ermessen ein wenig dramatisch klingen. Neugierig beobachtete der alte Söldner den jungen Alchemisten und den Knappen, wie sie auf seine Fragen antworteten.

Neukrashof

Der Rest der Nacht verging ohne weitere Ereignisse. Meister Baars ließ sich in der Nacht nicht sehen, entweder er hatte das Interesse am Ankauf der Rüstung verloren oder mitbekommen, dass sich nicht nur seine vermeintlichen Kunden in der Ruine aufgehalten haben und daher das Weite gesucht hatte. Der Morgen zeigte sich im fahlen Licht des Praiosmals und gemahnte die Gefährten, dass sie nur noch drei Tage Zeit hatten, die Rüstung zurückzubringen. Denn am 1. PERaine wollte Landgraf Alrik mit der Rüstung vor das Volk treten.

Erfreulich ereignislos präsentierte sich die Rückreise nach Neukrashof, zu dem bereits vertrauten Gutshof des Junkers Oldebor Greifax.

"Ich weiß, ich wiederhole mich, aber: Bringen wir es zu Ende.", sprach die Burgvögtin, als sie, in Neukrashof angekommen, von Tamas Rücken stieg. Ein Lächeln lag auf ihren Lippen. Sie blickte zur gut verschnürten Rüstung, die an einem der Pferde festgemacht worden war. Dann lachte sie gelöst, wie sie es auf der gemeinsamen Queste nur selten getan hatte. "Kann es kaum erwarten, niemandem davon zu erzählen!"

Fulco fühlte auch eine gewisse Erleichterung vor Ort zu sein und stieg von seinem Tier ab “ Nun wollen wir Junker Oldebor die frohe Kundschaft überbringen und schauen, was wir für die beiden machen können” Er schritt frohgemutes auf den Eingang des Gutes zu.

Irminella hielt mit Fulco Schritt “ Wollt ihr die Angelegenheit vor allen auf den Tisch bringen?” 

Fulco drosselte seinen Schritt und schaute die Vögtin ernst an “ Haltet ihr dies für ungünstig?” 

"Die Meinungen innerhalb unserer Gruppe gehen bereits auseinander. Wir können nicht mit Gewissheit sagen, wie Oldebor der Sache gegenübersteht. Aber sind wir ehrlich, er muss die Geschichte eigentlich kennen! Und wenn wir ihn vor aller Augen damit konfrontieren, ihn zwingen, Stellung zu beziehen ist das, glaube ich, nicht…  zielführend. Ich halte ein vertrauliches Gespräch für angebracht. Seht Ihr dies anders? Ich lasse mich gern überzeugen."

Fulco dachte kurz nach und schaute kurz in Richtung Herrat. "Nein, ihr habt wahrscheinlich Recht. Das ganze könnte deutlich nach hinten losgehen, wir müssen das ganze diskret angehen. Wir sollten Ulfried und Krispinian ansprechen, ob sie uns unterstützen wollen. Ich könnte mir vorstellen, dass sie unsere Einstellung teilen. Was meint ihr dazu?”

"Ulfried habe ich in den vergangenen Tagen als sehr aufrechten Mann kennengelernt, in dem weit mehr steckt, als er sich vielleicht derzeit noch zutraut. Bitte sagt ihm nicht, dass ich das gesagt habe.", lächelte sie. "Ich glaube, dass wir bei ihm offene Türen einrennen … der Hohe Herr von Tsawalden ist in den letzten Tagen sehr still gewesen. Ich kann nicht einschätzen, wie er dazu steht. Aber Ihr könnt das sicherlich viel besser, immerhin seid ihr beiden demnächst verwandt." Wieder lächelt sie aufrichtig. Spätestens im Gespräch spürte Fulco ganz deutlich, wie der Burgvögtin durch ein vorhersehbar baldiges Ende der Queste anscheinend eine große Last von den Schultern genommen wurde. Fulco nickte “ Ja, man musste ihn fragen. Ich könnte mir allerdings vorstellen, dass er unser Anliegen unterstützen würde. Lasst uns die Rüstung zurückgeben und dann unter 6 bis 10 Augen mit Oldebor sprechen. Ich kann es auch kaum erwarten, wieder zu Hause zu sein.” Fulco wirkte aufgrund der nahenden Endes der Queste ebenfalls erleichtert. “Kommt, lasst es uns zum Abschluß bringen”, sagt er lächelnd zu Irminella.  "Gut, aber seid vorsichtig. Geht voran."

Wie schon vor einem halben Mond empfing Junker Oldebor die Adligen wieder in seiner Halle. Er hatte einen Begrüßungstrunk austeilen lassen, dann aber die Dienerschaft des Raumes verwiesen, ehe er am Kopf des Tisches Platz nahm und seine getreuen Adligen musterte. Kurz schweifte sein Blick über das Bündel in der Hand der Edlen.

Wolfmar war dabei, als Oldebor das Bündel mit der Rüstung übergeben wurde. “Willkommen zurück. Ihr wart also erfolgreich?” mutmaßte er mit tiefer Stimme.  “Habt Ihr daran jemals gezweifelt?”, protestierte die Ritterin der Göttin empört. “Keinesfalls.” Die Augen des Junkers strichen über die versammelten Adelsleute in seiner Halle. “Erzählt mir von eurer Queste.” Fulco nickte Oldebor Greifax freundlich zu “Nun Euer Wohlgeboren, die Queste hat uns etwas in die Vergangenheit geführt, denn dort liegt die Ursache für die aktuelle Straftat.” Hier hielt Fulco kurz inne und wählte seine nächsten Worte mit Bedacht. “Ist Euch die Geschichte der Familie von Gisbingen und der Verflechtung dieser Familie mit Eurer Familie geläufig?”  

“Die Gisbingens waren Niederadlige aus der Baronie Tommelsbeuge - und wurden irgendwann um die Rohalszeit herum wegen Ketzerei und Rütteln an den Grundfesten von Dere und Alveran ihrer Güter und Titel enthoben. Seitdem ist die Familie erloschen. Warum fragt Ihr?” Neugierig richtete der Junker seinen Blick auf Fulco.

Irminella schaltete sich ein und kam Fulcos möglicher Antwort zuvor: "Wir fanden die Rüstung in der Ruine Gisbingen. Die Familiengeschichte entbehrt durchaus nicht einer gewissen Tragik, doch soll diese am heutigen Tag der Rückkehr der Rüstung nicht von Belang sein." Rhodan schmunzelte. Dieser Versuch, das Schicksal der in der Vergangenheit lebenden Pechvögel vom Tapet zu nehmen, erschien dem Händler doch ein wenig zu - direkt. Erwartungsgemäß kochte Herrat. Ihr Kopf nahm ein ungesundes Rot an.

Krispinian von Tsawalden lächelte in sich hinein. Diese Irminella war voller Ehre, ganz ohne Zweifel und vor den Göttern gelobt. Aber dem Edlen zu Dunkelstein war das Schicksal der Diebe ziemlich gleich. ‘Hilf Dir selbst, dann hilft Dir Phex”, dachte sich der hochgewachsene Mann. Er fasste seinen Gedanken noch einmal kurz für sich innerlich zusammen. “Oh Ewig Flinker, diese aufgebauschte Sache passt perfekt in unsere Vorstellungen. Wieder hast Du mich auf den richtigen Pfad geführt.”  Krispinian beendete seine Gedankengänge und überließ den eifrigen Rednern unter seinen Gefährten, die sich fast allesamt kaum zurückhalten konnten, ihre Heldentat darzulegen. Er hörte aufmerksam zu und wartete auf den richtigen Moment, um für seine Pläne die richtigen Worte fallen zu lassen. Dabei versprach er dem Fuchs eine angemessene Opfergabe: Sobald er wieder zurück in Dünnwald war, würde er den dortigen Phex-Tempel aufsuchen.

Fulco nickte ob der Aussage von Irminella in Richtung Oldebors “So ist es. Das gute Stück ist auf jeden Fall wieder hier” 

Wolfmar von Wildklamm nickte deutlich sichtbar nach den Worten von Fulco. Der Söldner fügte nur ein schlichtes “So ist es mein Herr Oldebor.” hinzu. Für Wolfmar war der Auftrag im Grunde erfolgreich erledigt. In der Sache der Gisbingens wollte er sich nur noch zu Wort melden, wenn er danach gefragt würde oder er meinte, seine Meinung dazu kundtun zu müssen. Ansonsten lauschte Wolfmar den Gesprächen. Er erwartete nicht minder, dass die Edlen & Geweihten Damen- und Herrschaften sich gegenseitig, zumindest verbal, auf die Schulter klopfen würden. Neugierig beobachtete Wolfmar den Junker Oldebor, wie er auf die Wortmeldungen reagierte.

“Aber das ist doch nicht alles!”, beschwerte sich Herrat und erntete dafür einen bitterbösen Blick des Händlers.

Fulco holte tief Luft und schaute in Richtung der Geweihten. 'Auch wenn die Frau eine Dienerin der Götter ist, sie ist schon sehr anstrengend.' Er schloss die Augen und dachte kurz nach. Dann drehte er sich zu Oldebor um und sagte lächelnd “Stimmt, eine Sache habe ich vergessen”, er lächelte kurz kalt in Richtung Herrat. “ Ich danke euch, euer Gnaden, dass ihr mich daran erinnert. Ihre Ganden hat Bedenken bezüglich der Sicherheit der Rüstung in der Obhut eure Familie angemerkt und hat im Laufe unserer Queste Ansprüche der Kirche der Leuin angemeldet.” Er trat einen Schritt zurück und sendete eine kurze Entschuldigung an Rondra für diesen etwas ungeraden Schachzug.  

“Genauso wie ich die Ansprüche der Angroschim als Erbauer der Rüstung angemeldet habe!” fuhr nun Xorgolosch dazwischen.

Krispinian von Tsawalden hörte aufmerksam zu. Die Ansprüche einzelner Mitglieder der Delegation brachten Unstimmigkeit und brachten Oldebor in Bedrängnis. Bei Phex, das klang nach diplomatischem Wirbel! Er räusperte sich und sprach laut und vernehmlich: “Nun, es ist wohl nicht der richtige Zeitpunkt, um solche Ansprüche zu klären. Vielmehr geht es jetzt darum, die Details unserer erfolgreich abgeschlossenen Mission darzulegen, so wie es unsere Aufgabe war.”

„Aber Herr Fulco hat Recht. Euer Wohlgeboren haben nun leidvoll erfahren müssen, was es bedeutet, wenn die Rüstung des Heiligen in falsche Hände gerät! Nur in einer Ordensburg der Rondra oder einem Tempel der Alveranskriegerin ist der Brustharnisch sicher. Überlasst ihn mir! Ich bringe dieses wertvolle Stück in Sicherheit!“, warf die Ritterin der Göttin ihr Anliegen in den Ring. Ihr fiel gar nicht auf, wie geschickt der Kranickteicher weitere Beschwer rund um die Gisbinger abgebügelt hatte - zu verlockend war diese Steilvorlage.

‘So ein Blödsinn!’ dachte Xorgolosch innerlich vor Wut schnaubend. ‘Die Rüstung war die längste Zeit in unseren Hallen sicher. Aber das wird diese Kurzlebige nicht begreifen!’

Der Junker hatte den Schlagabtausch und die Forderung seiner Gäste mit zunehmend schmaler werdenden Augen beobachtet. Als sich Krispinian einmischte, erntete er für seine Aussagen ein knappes Nicken. “Vordringlichste Aufgabe ist es, die Rüstung in die Hände des Landgrafen zurückzuführen.”  Er betrachtete die Versammelten. “Und ihr habt gut daran  getan, sie zu mir zurückzubringen. Ich werde für ihre Sicherheit und die Rückgabe in die Hände seiner Hochwohlgeboren Sorge tragen. Dies ist gewiss auch in Eurem Sinne, Euer Gnaden Herrat?” Sein Blick besaß eine Schärfe, die es mit Herrats Schwert hätte aufnehmen können. 

Dass sie diese Antwort nicht befriedigte, konnte man nicht nur an ihren weißen, zusammengepressten Lippen erkennen. Eblaus schien sich dementgegen zu freuen. Scheins fand alles seine gute Ordnung; und das ganz ohne Zorn und Ärger.

“Alles andere mögen wir in der Tat später klären. Von Tsawalden, ich habe eure Nachricht erhalten - ihr spendet mir später ein halbes Wassermaß Eurer Zeit? Und Ihr,  von Eberbach und von Kranickteich, seid mir gerne ebenfalls noch auf ein Gespräch willkommen. Doch für nun: ihr werdet gewiss mehr erlebt haben, als eine Ruine zu finden und dort auf die Rüstung zu stoßen. Was hat euch bewogen, bis Tommelsbeuge zu reisen?”

Fulco dachte nach und wählte seine nächsten Worte mit Bedacht. 'Hoffentlich gelingt es mir, so neutral wie Möglich zu berichten' Er wandte sich an Oldebor und berichtete:

"Während unserer Nachforschungen in Erzenschöffer stießen wir auf eine etwas zwielichtige Händlerin. Diese floh vor uns, wir verfolgten sie bis in mein Gut, konnten sie dort stellen. Sie hat die Rüstung allerdings nicht mit sich geführt, konnte uns allerdings mitteilen, dass einer ihrer Kontaktleute von einer Rüstung gesprochen hat und dafür nach Giesbingen muss. Wo dies ist, wusste - den Göttern sei Dank - ihre Wohlgeboren Irminella. Also sind wir zur Ruine und haben dort in den Kellerräumen die Diebe dingfest gemacht und die Rüstung sichergestellt. Die Täter hörten in der Schenke in Erzenhöfer, wie die Gesellen des Schmiedes über die Rüstung sprachen und witterten wohl ein gutes Geschäft." Hier hob Fulco kurz die Schultern und wandte sich wieder an Oldebor. "Vielleicht solltet ihr mit dem Schmied nochmals über Diskretion und Verschwiegenheit sprechen. Ohne die geschwätzigen Gesellen wäre der Aufenthaltsort der Rüstung wohl nicht nach außen gedrungen." Er nickte, und dachte kurz nach. "So hat sich unsere Queste entwickelt." Dann nahm er einen guten Schluck von seinem Ferdocker Hellen und schaute in die Runde.  

Der Junker nickte, auch wenn seine gerunzelte Stirn zeigte, dass er ihn der Bericht in dieser Form nicht vollkommen zufriedenstellte. “Haben die Diebe euch erzählt, was sie mit der Rüstung planten?” Selbstverständlich würde er das Diebespack später noch ausführlich selbst befragen, dennoch … .

Fulco nickte “Sie wollten sie veräußern, wir sind dem wohl zuvorgekommen. Die Diebe sprachen von einem Meister Baars, wer dies ist, wissen wir nicht. Er ist nicht dort aufgetaucht und wir wollten aufgrund der zeitlichen Eile die Rüstung so schnell wie möglich wieder zu Euch bringen.“

‘Von wegen gegenseitiges Schulterklopfen’, dachte sich Wolfmar. ‘Ich hatte meine Reisegesellschaft völlig falsch eingeschätzt. Die fangen doch tatsächlich an zu schachern, wem die Rüstung zusteht. Und der mutmaßliche Käufer könnte doch noch wichtig sein. Oldebor wird nicht ohne sehr gute Gründe die Rüstung herausrücken.’ Aber noch ein anderer Gedanke schoss dem Söldner durch den Kopf und diesen sprach er sofort aus. “Euer Wohlgeboren, da die Rüstung nun wieder in eurem Besitz ist, gilt unser Auftrag doch als erledigt und abgeschlossen. Seid ihr vielleicht auch an die Umstände und Motive der Diebe interessiert? Damit meine ich, wollt ihr die Diebe persönlich anhören?”

Fulco schaute den Mann ungläubig an. 'Hat der Mann denn gar nichts mitbekommen?' Er schloss kurz die Augen und holte tief Luft. Dann wandte er sich wieder zu Oldebor um. “Vielleicht sollten wir erst einmal auf die erfolgreiche Queste anstoßen. Dann würden, glaube ich, dass Ihre Wohlgeboren von Eberbach und ich noch gerne kurz mit Euch unter 4 Augen sprechen euer Wohlgeboren. Im Algemeinen wollen wir alle, so glaube ich”, hier schloß seine Handbewegung alle Anwesenden ein, “nach erfolgreich getaner Queste wieder in unseren Alltag zurück. Dann habt ihr ja immer noch Zeit, die Diebe anzuhören.” Hier nickte er dem Junker nochmals freundlich zu.     

“Um die Diebe werde ich mich kümmern.” bekräftigte der Junker sowohl den Gedankengang des Edlen als auch die Frage des Söldners. “Meine Wachen nehmen sie euch ab.” Er trank einen Schluck aus seinem Bierhumpen - ein gutes Dunkles aus Gratenfels, ganz sicher kein Zwergenbräu - und setzte hinzu. “Ihr habt Eure Aufgabe wahrlich wacker und rasch erledigt, dafür danke ich euch. Und an eure künftige Verschwiegenheit bezüglich dieser Vorkommnisse brauche ich euch gewiss nicht zu erinnern.” Oldebor setzte seinen Humpen auf dem Tisch ab und betrachtete abermals zufrieden die Menschen - und Zwerge, die das in sie gesetzte Vertrauen in diesem Fall wohl erfüllt hatten. “Gibt es darüber hinaus Erkenntnisse aus Eurer Arbeit, die ich wissen sollte?”

Ulfried saß die ganze Zeit nur schweigend daneben, als die hohen Herrschaften sich austauschten. Als die Forderungen der Rondrageweihten sowie der Zwerge vorgetragen wurden, zog er sogar reflexartig den Kopf ein. Nervös knetete er seine Hände und blickte von einem Gesicht zum nächsten, während sein Kopf immer mehr die Farbe einer reifen Tomate annahm. Mehrfach räusperte er sich, als er es schließlich doch wagte, mit belegter Stimme zu sprechen, wobei er es vermied, Oldebor Greifax in die Augen zu blicken. “Ähm…also…die Diebe…ähm…sie sind geständig. Aber…ähm…”, hilfesuchend blickte er zu Fulco, ehe er wieder Oldebor Greifax’ Kinn fixierte, “sie sagen, sie seien von Stand. Das…ähm…macht die Angelegenheit nicht ganz so…einfach.” Kurz wurde der junge Edle von einem Husten geplagt, währenddessen sein Kopf noch röter wurde. “Also müsste man sie dem Hochgericht überstellen, in…ähm…Elenvina.” Mit dem Handrücken wischte er sich den Schweiß von der Stirn. “Außer natürlich…ähm…man könnte berechtigte Zweifel an der…ähm…Behauptung der beiden geltend machen.” Sein Blick hing nun an einem fixen Punkt an der Wand gegenüber und er nickte wie zur Bestätigung seiner Worte mit dem Kopf.

Wolfmar holte tief Luft und sprach zu Oldebor: “Euer Wohlgeboren. Was der Edle von Kaltenklamm soeben sagte, meinte ich mit meiner Äußerung, ohne euch belehren zu wollen. Vor diesem Gericht würden zweifelshaft Dinge angesprochen werden, die der gesamte Adelstand und das gemeine Volk  in und um die Nordmarken erfahren würden. Darum bitte ich euch nochmals zu überlegen, ob ihr mit den Dieben nicht doch vorher sprechen möchtet. Möglicherweise könnt ihr dadurch genau diesen möglichen Skandal vermeiden.” Wolfmar räusperte sich und der Söldner in ihm nahm wieder militärische Haltung an, in der Hoffnung, die kommende Schimpftirade des Junkers, würde an seiner Rüstung, die er Lebens- und Kamferfahrung nannte, abprallen. Dabei hatte Wolfmar anfangs gar nicht vor, sich ungefragt zu äußern oder gar Partei anzunehmen. Ein kurzer Blick und nicken, der Respekt und Anerkennung zeigen sollte, traf Ulfried, für dessen wagemutige Worte.

Irminella hatte bereits bei Ulfrieds Worten die Augen geschlossen, als Wolfmar dann noch weiter ins Detail ging, atmete sie tief durch und seufzte.

Die Knappin Peranna, die hinter ihrem Hohen Herren Lysander Quintin von Eisenfels Haltung bewahrte, konnte sich nicht dagegen erwehren, dass ihre bosparanienbraunen Augen ein Ballspiel mit ihr spielten. Von links nach rechts, von rechts nach links, folgten sie dem Schlagabtausch der Hohen Herrschaften untereinander, die konversierten, und saugten mit einer Naseweisheit auf, was gesagt und abgeschlagen wurde: ‘So so. Endlich war die Rüstung des Heiligen Hlûthars wieder zurück und die Queste ward gut ausgegangen’. Das Graupenmädchen schien stolz und erleichtert. Die junge, strohblonde Löwin beobachtete aber sehr wohl wie die anderen Wohlgeborenen und Hohen Herrschaften noch kein Ende fanden und hätte Euer Wohlgeboren von Eberbach nicht schon geseufzt, Peranna hätte es am liebsten getan. Aber das schickte sich natürlich nicht. Peranna dachte daran wie zufrieden Großvater Fradrik I. wohl mit ihr gewesen wäre. Und ob die Götter wohl mit ihnen zufrieden waren! Stellvertretend konnte sie nur Eblaus und Herrat ansehen. Der eine schien zutiefst zufrieden und die andere unzufriedener denn je. Das brachte ihr irgendwie auch keine Gewissheit. Aber wie es unter Geschwistern nun einmal war, waren auch die Zwölfe sich manches Mal uneinig. ‘Die Rüstung ward zurück. Hier sollte sie sein.’

Fulco runzelte die Stirn und seufzte ebenfalls leise vor sich hin . ’Nun gut, dann eben vor den anderen. Dass er einmal in einer Runde mit Edlen einer der Diplomatischen sein würde ...’ Hier musste er kurz über seinen eigenen Gedankengang lächeln und den Kopf schütteln. Er schaute Irminella nochmal kurz an, holte nochmals tief Luft und schaute Oldebor an.  

Kaum merklich schürzte sie die Lippen, hob eine Braue und die Schultern leicht an, als sich die Blicke trafen. “ Nun gut, Euer Wohlgeboren. Ihr habt ja gerade nochmals auf die Verschwiegenheit aller Anwesenden in dieser gesamten Angelegenheit hingewiesen. Die Geschichte geht im Hintergrund etwas tiefer als bisher berichtet. Dies ist der eigentliche Grund, weshalb Ihre Wohlgeboren Irminella und ich euch unter sechs Augen sprechen wollten. Wenn  Ihr darauf besteht, werden wir es euch auch gerne im Beisein eurer anderen Gäste erläutern.”  Er schaute nochmals in Richtung Irminella und deutete ein eher hilfloses Schulterzucken an.

Der Junker lauschte dem Austausch mit einem ordentlichen Stirnrunzeln.  “Ich werde das mit den beiden Gefangenen selbst klären, habt keine Sorge, von Kaltenklamm. Danke für eure Warnung, von Wildklamm.” Er musterte den ziemlich zerflossen aussehenden Edlen von Argenklamm. “Sollten sie tatsächlich von Stand sein, werde ich entsprechend agieren.” Doch Praios gnade den Dieben und Hochstaplern, wenn sich ihre Wappen und Häuser nicht in der Wappenrolle der Nordmarken fanden! “Wir werden alles weitere im kleinen Kreis besprechen. Doch habt ihr alle für eure rasche und zielgerichtete Hilfe euch meinen Dank verdient.” Was bedeutete, dass die eine oder andere Gefälligkeit beglichen oder abgemildert worden war.    Fulco nickte dem Junker zu und hob seinen Humpen. “Dann lasst uns auf euer Haus trinken sowie auf das erfolgreiche Ende dieser Queste.” 

“Auf eure erfolgreiche Queste!” hob der Junker seinen Krug und prostete seinen Gästen zu.

Fulco sortierte seine Gedanken kurz. Dann wandte er sich an Ulfried und Krispinian. “Ulfried, du wolltest mich ja ehe zum Prozess begleiten.“ An Krispinian gewandt. “Wollen wir den ein Stück zusammen reisen, wir haben ja annähernd den gleichen Weg vor uns.” 

Dann wandte er sich nochmals unter vier Augen an Irminella. “Euer Wohlgeboren, es war mir eine Freude diese Queste mit euch begehen zu dürfen. Ich habe allerdings noch ein anderes Anliegen an Euch. Meine beiden Jüngsten, es handelt sich um Zwillinge, sind im richtigen Alter, in die Pagen- und anschließende Knappenschaftschaft zu gehen. Da euch, wie mich, keiner begleitet hat, wage ich zu hoffen , dass ihr aktuell keinen Pagen oder Knappen habt? Wenn dies so ist, würde ich die Möglichkeit, einen meiner Jungen in eure Obhut zu geben, gerne mit euch besprechen. “ Eines dieser mütterlichen Lächeln, die bislang nur Peranna zu Gesicht bekommen hatte, umspielte die Lippen der Burgvögtin. Dann nickte sie knapp. "Natürlich. Kommt, wann immer Ihr Zeit findet, nach Burg Bösalbentrutz. Kostet vom Bösalbentrutzer Apfelwein und stellt mir Euren Sohn vor. Es wäre mir eine Ehre. Doch lasst mir ein wenig Vorsprung, zuerst will ich die meinen in den Arm nehmen."

Dann wandte er sich an Wolfmar “Wenn ihr in meinem Lehen seit, würde ich euch gerne einladen. Wir sollte eure Idee bei einem guten Hopfen erläutern und schauen, was möglich ist.”   Wolfmar nickte Fulco zu. “Herr von Kranickteich, ich nehme Eure Einladung sehr gerne an. Wir können gerne zusammen reisen. Ich werde mich dann bei meinem Herrn Emmeran von Plötzbogen nach unserem Treffen melden.”

Ulfried wirkte erleichtert und gelöst. Ein schmales Lächeln umspielte seine Lippen, als er, nachdem Ritter Wolfmar ausgesprochen hatte, sein Wort an Fulco richtete. “Ja, sehr gerne! Ich überlege ohnehin, ob ich nicht den Weg durch Kranickteich nehme. Dann könnte ich dein Pferd mit mir führen.” Als er sah, dass sich die Vögtin von Bösalbentrutz zum gehen wandte, stieß er gegenüber Fulco noch ein: “Wartet kurz!”, hervor und wandte sich um. Mit hastigen Bewegungen humpelte er zu Irmenella, wobei sein Gehstock in schnellem Rhythmus “tock, tock, tock” auf die Holzdielen pochte. “Edle von Eberbach, auf ein Wort!”. Trotz der nur wenigen Schritt musste er schneller Atmen, als er bei der Vögtin angelangt war. “Ich…ich möchte euch noch danken. Für eure Hilfe, für eure Entbehrungen, die ihr meinetwegen auf euch nehmen musstet. Und vor allem für euren Zuspruch und eure Anwesenheit.”. Etwas verlegen blickte der Junge von Argenklamm auf den Boden.

"Es war mir Ehre und Freude zu gleichen Teilen Euch kennengelernt zu haben und mit Euch geritten zu sein. Und eine Last wart Ihr mehr für Tama, als für mich - aber sie verzeiht Euch sicher." Bei den Worten lag ein breites Lächeln auf Irminellas Lippen. Dann blickte sie über Ulfrieds Schulter zu Fulco hinüber. "Auf Grund Eurer familiären Verquickung mit dem Edlen von Kranickteich, steht Ihr sicher in gutem Kontakt mit ihm. Er wird in naher Zukunft nach Bösalbentrutz reisen. Wenn Ihr mögt, kommt gern ebenfalls. Trinkt vom Bösalbentrutzer Apfelwein und lasst Euch von den Bewohnern erzählen, was man alles nicht tun darf, weil einen sonst die Schwarzfeen holen." Beim letzten Satz musste sie lachen, wurde aber wieder schnell ernst. "Ich würde mich freuen, Euch begrüßen zu dürfen. Es wäre schön zu wissen, dass man sich wiedersieht."

“Es wäre mir eine Freude!”, mit einem Lächeln im Gesicht verneigte sich der junge Edle knapp vor der Vögtin und schritt dann zurück zu Fulco, um gemeinsam mit diesem die Rückreise anzutreten.


“Als Dank für eure Dienste werde ich euch bei nächster Gelegenheit am Grafenhof vorstellen. Ich werde euch eine Nachricht zukommen lassen, wann wir dort erscheinen werden. Ich bin sicher, der Graf wird, wie ich, tapfere und treue Vasallen zu schätzen wissen.” Damit beschloss der Junker den offiziellen Teil des Empfangs - auch wenn der eine oder andere der Adligen gewiss noch einige Tage zu Gast in Neukrashof bleiben würde. Oldebor jedenfalls hatte sich die Leistung der jungen Leute vermerkt - und wusste, auf wen er zurückgreifen würde, so es wieder einmal die Notwendigkeit für getreue Recken geben würde.

~ finis ~