NKK2021/Die Krönung der Gräfin von Albenhus

Die unvollendete Krönung

In Elenvina wart es gewesen, da Wunnemar sein Knie beugte vor dem Herzog der Nordmarken- vor jenem Edelmann, der ihm einst den Ritterschlag gab und zu dem er immer aufgeblickt hatte, auch wenn sein Lehnseid ihn nun einem anderen- dem alten Mersiner zum Gefolgsmann machte. Zu Hagrobald vom Großen Fluss empfand der Baron von Tälerort dennoch Treue, denn man hatte in Mendena- im Roten Haus gemeinsam gefochten und geblutet. Zudem würde er sich an seine Pagen- und Knappenzeit in Galebquell- im gratenfelsischen, seiner zweite Heimat immer gern erinnern. Ja, die Nordmarken würde Wunnemar immer im Herzen tragen. Die Krönung der Gräfin von Albenhus aber, zu der der Galebfurtener mit seinem Vater, ihren Knappen und einigen Waffenknechten angereist war, sollte anders verlaufen, als es sich der Adel der Nordmarken erhofft hatte.

Es war ein schöner Abend, der 1. Praios des Jahres 1044 BF, da Elfgyva von Hardenfels vor dem Herzog auf die Knie ging, ihre Hände in die seinigen legte und die heiligen Worte des Lehnseides von beiden gesprochen wurden. Dann jedoch, noch bevor die Krone das Haupt der neuen Gräfin berührte, geschah das unfassbare- der Frevel. Die unter Praios Augen durchgeführte Zeremonie wurde gestört- durch niemand anderen als Nahema, jener alterslose Magierin, die schon Unfrieden an den Kaiserhof brachte und Galotta den Scharlachkappentanz aufführen ließ- welcher seinen Hass auf das Raulsche Reich wohl so leidenschaftlich entfachte, zumindest aber mitbegründete. Nachdem Nahema die Wache am Eingang des Saals in Starre versetzt hatte, durch welche unheilige Zauberei auch immer, war Wunnemar schon aufgesprungen und hatte sein Schwert gezogen, als die verhüllte Meisterin der arkanen Mächte die gesamte Festgesellschaft- alle Anwesenden verzauberte und jedermann die Möglichkeit nahm, aus eigenem, freien Willen auch nur einen Finger zu rühren oder ein Wort des Protestes vorzubringen. Der Selbstkontrolle beraubt, mussten alle- Herzog, zukünftige Gräfin, ebenso wie der Hochgeweihte des Götterfürsten mit ansehen, wie Nahema die Krone der Grafen von Albenhus stahl und dabei noch abfällige, beleidigende Dinge vorbrachte. Ja, sogar arkane Symbole zeichnete sie mit in Öl getränkter Asche auf die Häupter der drei genannten Vertreter von Hochadel und Kirchen. Oh welch eine Schande. Dann schlenderte sie in aller Seelenruhe, einer Beleidigung für die Festgesellschaft gleich, aus dem festlich geschmückten Saal. Welch eine Schmach, welch ein Frevel.

Nachdem die Verzauberung, die Starre von allen gefallen war und sich das Chaos gelegt hatte, errang auch der Herzog seine Fassung wieder. Sogleich bellte er Befehle. Einer davon galt ihm- dem Galebfurtener und das ehrte Wunnemar, denn das hieß, dass Hagrobald ihn unter den anderen Adligen des Reiches als seinen treuen Vasall wahrgenommen hatte. Die Anweisung, die der Baron von Tälerort vom Herzog erhielt war indes unmissverständlich. Wunnemar und weitere Adlige, die ihm im Folgenden zugewiesen wurden, sollten klären, welches Interesse Nahema an der Grafenkrone hatte- eine Frage, die sich nur in Albenhus würde klären lassen, denn dort lag ersten Nachforschungen zur Folge ihr Ursprung. Ohne nennenswerte Verzögerung machte man sich auf den Weg gen Rahja. Unter den Begleitern Wunnemars waren die Vögtin der Grafschaft Albenhus Witta Gunild von Dürenwald, der Baron von Widdernhall aus der Markgrafschaft Windhag, der Angroscho Gringulf, Sohn des Gromosch, der Ritter und Barde Corwyn Odumir von Dürenwald, sowie die Hofdame Lucilla von Gernebruch.

Die Tafel der Tugenden

Einige Tage und hunderte Meilen später, welche die Freunde des Hauses vom Großen Fluss auf einem Flusssegler gen Rahja, der Strömung entgegen gereist waren, kamen sie am später Abend des 9. Praios in Albenhus an. Zeit gab es keine zu verlieren und so machte man sich bereits in der gräflichen Residenz, welche man sich dank der Vögtin von Albenhus zur Unterkunft auserkoren hatte, auf die Suche nach Hinweisen auf die Herkunft der Krone. Rasch verdichteten sich die gefundenen Quellen dahingehend, dass die Insignium einst einem Hochkönig der Angroschim gehört hatte, einem Zwergen aus dem Ambossgebirge, welcher Swerka geheißen hatte und dessen Name mit dem Krieg der kleinen Rasse gegen die Elfen verbunden wurde.

Trotz der Tatsache, dass die Ermittler mit Gringulf ein angesehenes Mitglied der Angroschim von Xorlosch und zudem Teil des Hochadels des Raulschen Reiches in ihren Reihen hatten, stießen sie bei ihren weiteren Nachforschungen auf Granit bei den Zwergensippen von Albenhus. Erst ein Zufall sollte es Fügen, dass sie das Vertrauen der Zwerge erwarben. Es war die Rettung eines junges Zwergenkindes, die das Blatt wenden sollte. Nach dem Sturz in den Zufluss zum Großen Fluss, welcher den Stadtteil Alben, wo die Angroschim angesiedelt sind, durchzieht, wäre jener kleiner Junge dem Tode geweiht gewesen, hätten ihn die Menschen nicht aus dem Wasser gezogen. Wunnemar war es gewesen, der sich hastig des Kettenhemdes entledigte und in den kalten und reißenden Fluss sprang. Fast wäre er selbst in Bedrängnis geraten, denn die Strömung war eine Herausforderung und so vermochte er es nicht, sich selbst an Land zu retten, nachdem er des Jungen habhaft geworden war. Erst das Gitter der Wehr, welche den Stadtteil der Zwerge von Seiten des Großen Flusses schützt, stoppte die rasante Wellenfahrt, bei der der Baron reichlich Wasser schlucken musste. Nachdem Wunnemar schmerzhafte Bekanntschaft mit dem Gitter der Wehr gemacht hatte und sich am Gusseisen festzuhalten und damit über Wasser zu halten vermochte, schmiss man ihm ein Seil zu, welches schließlich dabei half Zwergenkind und Baron aus dem Nass zu ziehen.

Nach dieser beinahe Tragödie und der erfolgreichen Rettung waren die Angroschim zugänglicher für die Belange der Menschen und man kam ihnen zumindest so weit entgegen ihnen einige Fragen zu beantworten. So ergaben die weiteren Nachforschungen, dass Swerka vom Amboss in den Elfenkriegen drei Heerführer ernannte, je einer aus dem Volk der Erz-, der Amboß- und der Hügelzwerge. Bedeutender noch aber war, dass die Sippen dieser drei Auserkorenen immer noch in Albenhus vertreten waren. Die Gespräche mit den Sippenältesten brachten wiederum hervor, dass jede Sippe ein Geschenk von Swerka erhalten hatte, nachdem die Heerführerin der Elfen durch die Hand der Angroschim gefallen war. Die Amboßzwerge hatten den Schädel jener Elfe erhalten, die Erzzwerge die Tafel der neun Tugenden des Swerka und die Hügelzwerge die Krone des Hochkönigs. Letzte musste aber veräußert werden, da die Sippe der Hügelzwerge in finanzielle Bedrängnis geriet, allein dies war eine große Schande für die Angroschim. Jedenfalls kam sie so in Menschenhand und wurde die Krone der Grafschaft Albenhus. Das größte zu knackende Rätsel jedoch barg die Tafel der Tugenden, auf der alte Angram- Runen richtig zugeordnet werden mussten. Bei der Lösung dieses Rätsels sollte sich vor allem die Vögtin, ebenso aber die Hofdame als äußerst Geschickt anstellen. Wofür sie die letztlich erhaltene Lösung nun verwenden konnten, wussten sie indes noch nicht. Jedoch war mehrfach die Rede von einem Unterschlupf der Elfen- Heerführerin gewesen, welcher im Rahja- also Flussaufwärts auf einer Insel in einem See liegen sollte. Vielleicht würde dies ihr nächstes Ziel sein.

Noch bevor man jedoch eigene, weitere Pläne schmieden konnte, erreichte die Mitglieder der Gruppe eine Nachricht, dass sie vor der gräflichen Residenz erwartet würden. Eine weitere durch den Herzog eingesetzte Ermittlergruppe hatte Albenhus erreicht und so nahmen die Ereignisse ihren Lauf...