Musik Beginn

Die Musik beginnt

Maeve ist immer noch mitgenommen als der Gong die Musik ankündigt. Mit Hilfe von Rozen und Mikael hat sie sich aber soweit erholt, dass sie sich das Konzert anhören möchte.

Ein Gongschlag ertönte und rief die Gäste zum Konzertplatz. Während dieser derische Klang verhallte war Mikail noch immer in sich gekehrt. Still lauschte er in sich hinein und forschte den Worten nach, die er vorhin gesprochen hatte. Wo waren die Worte hergekommen, wer hatte sie ihm, warum eingegeben?

Fremde, aber hilfsbereite Menschen hatten Maeve und ihn in einen Pavillon im Rhajagarten gebracht, wo sie sich aufwärmen und erholen konnten. Mikail war, wenn auch sonst zu nur wenig fähig, nicht von der Seite der jungen, hübschen und seltsam ‚klingenden‘ Frau gewichen. Etwas Besonderes war geschehen, dessen war er sich sicher.

Der Tränenstrom und das Schluchzen Maeves waren zwar mittlerweile abgeebbt, doch Rozen war verbal nicht in der Lage gewesen, zu ihrer Novizin durchzudringen, da die Jüngere bislang nicht geantwortet hatte. Rozen konnte allerdings spüren, dass alleine ihre Anwesenheit, die vertraute körperliche Nähe, ihre Novizin etwas beruhigt hatte.

Ihr Zustand wirkte wie ein Schock, während dem eigenartigen Ifirndiener noch immer die Verzückung anzusehen war. Und so wehten der Gongschlag, die aufgeregten tuschelnden Gespräche und die folgende Ansprache an ihm vorüber, als er in eine andere Welt lauschte. Lauschte, ob SIE wieder sprechen würde?

Maeve zuckte indes auf den Gongschlag hin zusammen. Sein Klang erinnerte auch Rozen daran, dass es auch noch eine Welt „da draußen“ gab. Nichts wäre ihr lieber gewesen, als hier in diesem Pavillon zu bleiben. Doch die Entscheidung lag bei Maeve: „Meinst du, du magst dir die Musik anhören, Maeve?“ fragte Rozen sanft.

„Oder willst du lieber hierbleiben?“

Unmerklich schüttelte ihre Novizin den Kopf und begann dann leise eine Melodie zu summen. Krächzend und unvollkommen, dass ein langer Moment verstrich bis Rozen die Melodie erkannte: es war das Lied der Winde.

Die Gäste sammeln sich auf dem Konzertplatz und jeder nimmt die Musik anders auf. Baldos sorgt sich um seine Base und Rozen weiterhin um Maeve.

Auf dem Konzertplatz füllten sich die Sitzstufen rasch und man bettete sich bequem auf den Kissen, den Blick auf die hölzerne Bühne gerichtet, im Hintergrund die weiten Wälder der Baronie umrahmt von der blühenden Pracht des Gartens. Die schmallippige Praiotin hatte sich in der vordersten Reihe niedergelassen, neben ihr die fünf Töchter des Barons, die ihm so sehr glichen, dass man sie ohne jeden Zweifeln als solche identifizieren konnte. Mit etwas Abstand folgte seine Ehefrau, die blass in die Nachmittagssonne blinzelte.

„Eure Tante sieht sehr blass aus Ritter Baldos, ist alles mit ihr in Ordnung?“ Fragte Tassilo seinen Begleiter so, dass ihn sonst niemand hören konnte. Doch dieser zuckte nur unschlüssig mit den Schultern, selbst nicht sicher wie er die Situation Ansualdas einschätzen sollte.

Die rüstige Vögtin von Oberrodasch gesellte sich in Begleitung der hübschen Junkerin zu Cres zu den anderen Zuhörern. Sie nickte grüßend in Richtung der Zwerge, warf dabei ihrem bisherigen Belgleiter, dem Nilsitzer, ein zufriedenes Lächeln zu.

Dieser hob seinen Becher in ihre Richtung und nickte ihr lächelnd zu. Borax wirkte ausgesprochen zufrieden mit sich und dem bisherigen Verlauf des Besuches in Obena.

Mit dem Gongschlag nahm auch Lares auf den Stufen der Bühne Platz. Wie lange würde es dauern, bis ihm die ersten bohrenden Fragen gestellt würden? Wie lange würde er noch vom Klatsch der Leute verschont bleiben? Plötzlich sah er die Schuhe der jungen Novizin, verwaist und einsam auf den Stufen stehen. Bevor die Musik zu spielen begann, erhob er sich erneut von seinem Platz und griff sich das Schuhwerk. Natürlich nur, um es in Sicherheit zu bringen. Während die anderen Maeve in warme Decken gepackt und sich um die junge Frau gesorgt hatten, hatte er dem ganzen Treiben einfach nur zugesehen. Sein Blick ruhte dabei die gesamte Zeit auf ihr. Nachdem er sich abgetrocknet und angekleidet hatte, war er den Anwesenden aus dem Weg gegangen. Der Klang des Gongs war tatsächlich Erlösung und Konfrontation zugleich. Er drehte sich um, blickte auf seinen vorherigen Sitzplatz zurück und schüttelte den Kopf. Zum Teufel mit der Meinung der Leute. Demonstrativ setzte er sich neben den nächsten Gast.

Rechtzeitig bevor die Musik begann, kamen auch Borix und Murla an. Die beiden Zwerge setzten sich auf ein paar Kissen am hinteren Rand des Platzes. Sie wollten sich ja nicht vor all die hohen Herrschaften drängen.

Vier Musiker hatten sich bereits niedergelassen und blickten gespannt wartend den Gastgeber an, der sich nun zufrieden lächelnd vor seinen Gästen aufbaute und zunächst den ersten musikalischen Beitrag ankündigte.

Zum Auftakt der Veranstaltung, wurde immer – traditionsgerecht – das Stück eines jungen, noch unbekannten Komponisten gespielt. Der Baron bot jedes Jahr einem Nachwuchskünstler diese Ehre an und einige hatten durch diese Möglichkeit Aufträge und Anstellung gefunden. Daher wirkte auch der blasse, kleingewachsene, aber gut beleibte junge Mann mit den wirren flachsblonden Haaren nervös und sah sich immer wieder errötend um, nachdem der Baron ihn in seiner Vorstellung gelobt und als Ausnahmetalent hervorgehoben hatte.

Doch die Sorge des Künstlers war unbegründet. Denn als die ersten zarten Töne seiner Musik erklangen, war es tatsächlich so als entfesselten sie leise und sacht eine alte, archaische Beziehung von Schall und Bewegung. Und das taten sie mit einer Unmittelbarkeit, die manchem Zuhörer bis dato völlig unbekannt war. Die Rhythmik, welche von den Musikern aus ihren Instrumenten gezaubert wurde, pulsierte zunächst sanft und dann zunehmend intensiver durch die Blutbahnen der Gäste, bis sich deren Innerstes so in Schwingung befand, dass die Zartmütigsten unter ihnen das Gefühl hatten, den Boden Deres zu verlassen und ihren Körper und Geist gänzlich Herrn und Herrin der Winde zu überlassen, um sich wolkengleich am Himmel treiben zu lassen.

Nur schwer konnte sich Ritter Baldos auf die Musik einlassen, zu vieles ging ihm durch den Kopf und beschäftigte ihn. Immer wieder wirbelten seine Gedanken durcheinander und verhinderte so, dass er von der Musik mitgerissen wurde.
Ein Problem was der Rahja-Diener ganz offensichtlich nicht hatte. Sichtlich verzückt und entrückt saß er im Garten und ließ seinen Geist gänzlich von der Musik hinfort tragen.

Die Musik führte Lares, den sonst so harschen Mersinger, zurück zu dem eiskalten Moment, der kaum ein halbes Stundenglas vergangen war. Plötzlich packte ihn die Kälte erneut und ihr eisiger Griff ließ ihn zittern. Wie machte dieser Musiker das?

„Da sind zu wenig Sackpfeifen und Pauken drin!“ raunte Borix seiner Frau nach dem Beginn dieser absolut unzwergischen Musik zu. Er erntete von seiner Gemahlin nicht nur einen grimmigen Blick, sondern auch einen Rippenstoß der nicht von schlechten Eltern war. Aber nach einigen Takten verzog sich auch dieser und beide lauschten den ungewohnten Tönen.

Kein ganzes Stundenglas waren die bezaubernden Kompositionen aus der Feder des Jünglings durch den Garten geklungen und als die Töne des Quartetts verhallten, war der Garten in eine entrückte Stille getaucht. Scheu sah der Jungkünstler auf, ängstlich ob der Reaktion der Gäste.

Der Vogt von Nilsitz war zunächst unsicher, was die richtige Reaktion auf das Enden der Musik sei, schließlich war dies die erste Veranstaltung dieser Art, welche er besuchte. Dabei war die Musik für ihn zugleich gänzlich fremd als auch ausgesprochen faszinierend, fesselnd.

Als die ersten zu klatschen begangen nahm er sich ein Beispiel und tat es ihnen gleich. Borax wirkte dabei jedoch leicht abwesend, als wenn ihn die Musik weit weggetragen hätte.

Als Geist und Körper sich wieder vereint hatten, kannte Tassilo wenig Scheu, angesichts der Göttin, der er diente, war Scheu wohl auch etwas, was man nicht unbedingt von ihm erwarten sollte. Vernehmlich in die Hände klatschend lobte er im Namen seiner Göttin den Rausch, den die Musik hervorgerufen hatte.

Utsinde wusste, was sich gehörte. Mit lautem „Sehr gut,“ zollte sie den Künstlern ihren Respekt und klatschte beherzt in die Hände. Ihr selbst war die Musik nicht so wichtig. Sie war hier, um sich am Aufmarsch der Eitelkeiten zu amüsieren – wobei sie dabei zweifelsohne an erster Stelle an den Hausherrn dachte. Doch gutes Werk nicht zu honorieren, würde Utsinde nicht im Traum einfallen. Jeder brauchte schließlich Anerkennung, egal ob Ritter, Kaufmann, Musikus. Also klatschte sie und gab ihr Bestes, diesen jungen Menschen im Steinerund etwas zu schenken, von dem sie zehren würden.

Auch die almadanische Junkerin klatschte brav und artig. Anscheinend hatte ihr die Darbietung gefallen. Zudem hatte sie, so gut es ging, die anderen beäugt. Ein junger Mann schien ihr bekannt, sicher war sie sich aber nicht, sie hatte in letzter Zeit zu viele neue Gesichter gesehen und konnte ihn nicht recht einordnen. Danach war sie, so schien es, stillgesessen, fast meditativ in die Musik versunken.

Sanft und sacht war Musik, getragen von frühlingsgleichen Winden, an Mikails Ohren gedrungen. Nie hatte er vorher vergleichbares gehört, und so mischten sich die Melodien des Konzerts mit seiner inneren Suche, seinem Sehnen nach dem Göttlichen, dass er kurz vorher hatte spüren dürfen.

Er ging über eine winterliche Lichtung, umgeben von schlafenden Wäldern und vor Schnee ächzenden Bergen am Horizont. Es war die Zeit des grimmen Herrn, alles Stand still, harrte und hoffte auf die ersten Zeichen des Frühlings. Die Hasen in ihren Höhlen, die Vögel in den Nestern und der Fuchs in seinem Bau, sie alle warteten und hofften. Doch dann setzte die Musik ein, leise, sacht, zart wie ein Hauch der über die Lippen eines Liebenden streicht. Langsam drang die Musik in Mikails Lichtung, erfüllte sie mit Leben und Hoffnung. Die Hasen hoben ihre Köpfe, die Vögel stimmten mit ihrem lieblichen Gesang in die Melodie mit ein und auch der Fuchs schnupperte neugierig nach draußen. Dann reckte, angelockt vom Klang des Konzerts, eine einzelne, schneeweiße Blume ihr Köpfchen durch den Schnee. Sie trug den Schlüssel zum Frühling in ihren Blüten, sie war das Zeichen des endenden Winters, des nahenden Frühlings. Und während die Musiker spielten, taute der Schnee auf der Wiese, reckten immer mehr Blumen ihre Köpfchen nach draußen und hoppelten die Hasen nach frischem Grün auf die Lichtung.

Als die Musik endete, war auch in Mikail der Frühling da, er öffnete die Augen und sein Blick fiel auf das tränenüberströmte Gesicht von Maeve. Die junge Frau saß noch immer geborgen – wie ein Kind – an der Seite der älteren Rozen und war wieder vollkommen aufgelöst.

Rozen war es schwergefallen, sich nicht gänzlich von der wundervollen Musik davon tragen zu lassen. Musik war, zugleich mit dem Tanz, ihre liebste Form der Segnungen ihrer Göttin und unter anderen Umständen hätte sie sich ganz der Melodie hingegeben. Doch war Maeve noch immer nicht über das Geschehene hinweg und Rozen beschlich das Gefühl, dass ihre Schülerin heute eine Pforte in sich aufgestoßen hatte, durch die sie nun schreiten musste. Egal, was auf der anderen Seite lag.

Alles, was sie tun konnte, war für sie da zu sein, ihr die Wärme und Liebe zu geben, die sie jetzt brauchte. Und wenn es am Ende bedeuten würde, sie loszulassen, sie ihren eigenen Weg gehen zu lassen, dann würde Rozen auch das tun. Denn dies war die Bedeutung der Liebe.

So hielt sie Maeve einfach nur geborgen in ihren Armen und wartete ab.

Erstaunt, da s s es doch viel besser war als er am Anfang vermutet hatte, klatschte Borix so laut Applaus, dass es Murla neben ihm schon fast peinlich wurde. Wenn sich jetzt alle umdrehen würden …

In der Spielpause flanieren die Gäste durch den Garten. Mikael verwirrt Verema mit den Versuchen das Geschehene zu erklären.

Während die Musiker ihre Instrumente zur Seite legten und sich dann unter die Gäste mischten, wanderten Bedienstete zwischen den Zuhörern herum, boten Wein und kleine Gaumenfreuden an. Eine einzelne Musikerin platzierte derweil einen Stuhl in der Mitte des Podestes und begann ihre Geige zu stimmen.

Auch der Baron flanierte zwischen seinen Gästen umher, sprach hier mit einem ein paar Worte, dort einige Sätze. Als er sich schließlich an Maeve und Rozen wandte. „Geht es euch gut? Wer hätte gedacht, dass ihr hier solch ein Abenteuer finden würdet.“ Er lächelte auf die Götterdienerinnen hinab, die immer noch seitlich der großen Steintreppe saßen. „Ich sehe, ihr seid von meinen Dienern gut mit Decken und warmen Strümpfen versorgt worden. Kann ich sonst etwas für euch tun?“, jovial legte er seine Hand auf die Schulter des Mädchens.

Die Novizin zuckte bei der Berührung unwillkürlich zurück und für einen Lidschlag entstand ein peinlicher Moment, den der Hausherr allerdings einfach ignorierte.

Praiotrud hatte sich ihrem Neffen angeschlossen, als dieser über die Wiese spaziert war. In diesen rahjanischen Genusszuständen war es nie verkehrt, den Gästen klar zu machen, dass auch in solchen Momenten, die Präsenz des Herren Praios über allem erhaben war. Der Blick auf das kleine Mädchen, eine zukünftige Götterdienerin an der Schwester ihres Herren, tat ihr wohl. Gut, wenn sie früh lernte, dass auch Weitsicht und Vorsicht ein Wegweiser des Lebens zu sein hatten. Als sie des komischen, fedrigen Nachbarn des Kindes gewahr wurde, wisch sie einen Schritt zurück. Mochte er sonst noch auf die Idee kommen, sie erneut an seinen dünnen Körper zu pressen und alle Regeln des Anstands und der Etikette zu brechen.

Doch dieser blickte durch Praiotrud hindurch. Zu sehr war er in der Musik, die in ihm nachhallte, und dem Anblick Maeves gefangen. Sie lief also keine Gefahr, erneut umarmt zu werden. Zumindest jetzt nicht.

In der Pause schlenderte Verema kurz herum, um dann den seltsamen Geweihten zu treffen. „Firun zum Gruße, oder liege ich da falsch? Ich bin leider nicht so firm bei den unterschiedlichen Glaubensrichtungen.“ Sie lächelte freundlich und musterte ihr Gegenüber interessiert. „Hübsches Gewand. Ich bin Domna Verema aus Almada, ich kenne hier kaum einen und kaum einer kennt mich. Wenn ich mir die Frage erlauben darf, irgendwas war hier doch los? Der Kerl, Knappe glaube ich, schaut so düster und das hübsche Mädchen ist in Decken eingewickelt und weint. Irgendwie scheint jeder mehr zu wissen, als ich“, sie seufzte. „Wollt Ihr mich aufklären, werter Geweihter? Ihr scheint mir sympathisch.“

„Oh Hallo Domna.“ Begrüßte der entrückte Geweihte sein Gegenüber. Kurz fragte er sich, woher sie so plötzlich gekommen sein mochte. Für ihn war sie von einem Moment auf den anderen vor ihm aufgetaucht, ohne sich mit Schritten aufzuhalten. Auch war ihm nicht völlig klar, welches jetzt ihr Name war, also nahm er einfach das erste Wort das sie erwähnte. „Dir gefällt mein Gewand? Ja? Oh das freut mich, ich habe es selber zu meiner Weihe geschneidert.“ Dann lachte er, ein sanftes, tiefes Lachen und blickte sie mit einem seltsam abwesenden Blick an. „Du fragst, was hier passiert? Das tue ich auch. Ich weiß es nicht. Ich hörte Stimmen, nicht von dieser Welt, sah Bilder, spürte Gefühle. Ich glaube die Schwanengleiche war hier. Und ist jetzt weg. Oder war es Rahja? Ich weiß es nicht. Weißt Du es? Wer war hier? Wen fühlst Du hier?“ Mikail legte Verema seine rechte Hand auf die Brust, dort wo ihr Herz schlug „Was empfindest Du in deinem Herzen? Wer der milden Göttin n en hat uns besucht?“ Doch Verema schien die Antwort des Ifirndieners mehr zu verwirren als zu erhellen und so antwortete sie ihm mit einer weiteren Frage und sie gaben sich in einem kurzen Austausch verschiedenster Fragen und weniger Antworten einem erquickenden Gespräch hin, das andauerte bis ein weiterer Gongschlag das Ende der kurzen Pause verhiess.

Lares immer noch in Gedanken beim Geschehenen lernt die jüngste Tochter des Gastgebers kennen und macht sich seine eigenen Gedanken zu dem gefährlich aufgeschlossenen Mädchen.

"Du bist ja ganz nass.“ Ein kleines, blondes Mädchen mit dunklen, stechenden Augen- unverkennbar die Tochter des Gastgebers- hatte sich neben Lares gesetzt. „Warum denn? Meine Tante hat gesagt, du hättest ein – kurz überlegte sie- ein Taschenmärchen gemacht. Sie war sehr enttäuscht von dir. Sie hat, glaube ich, was gegen Taschenmärchen.“ Sie nickt ihm ernst zu.

Lares starrte das Mädchen einen Moment überrascht an. Woher kam sie? Ach, nein, er war schlicht in Gedanken verloren gewesen. „Ja, nass bin ich, da hast du Recht“, lachte der Mersinger. „Und ich bin mir ganz sicher, dass deine Tante nicht die Einzige ist, die enttäuscht von mir ist.“ Er bedeutete dem Mädchen, sich auf die Bank zu setzen, indem er auf den freien Platz neben sich klopfte. „Allerdings hat deine Tante Unrecht. Was auch immer ein Taschenmärchen ist, das habe ich nicht gemacht. Ich habe eine junge Dame vor dem sicheren Tod gerettet – auf etwas unübliche Art, aber dennoch! Sie hatte sich in den eiskalten Wasserfall gestellt. Und…“ Für einen Moment hielt er inne, dann blickte er das Mädchen direkt an. „Naja, da ist es ziemlich kalt und nass…“

„Bist du ein Ritter?“ fragte sie ihn: „Wenn du Menschen in Nöten hilfst, musst du ein Ritter sein. Hast du gar kein Schwert?“ fragte das Kind weiter.

„Ich bin noch kein Ritter“, schmunzelte Lares. „Aber bald. Mein Ritterschlag steht bevor – aber noch bin ich ein Knappe. Mein Schwert habe ich heute allerdings zuhause gelassen, weil ich nicht dachte, heute jemanden retten zu müssen. Darum habe ich, naja, auch andere Methoden zurückgegriffen. Weißt du, manchmal rettet ein Schwert nicht, sondern ein Umhang, ein nettes Wort oder ein Stück Brot. Aber jetzt haben wir ja ziemlich viel über mich geredet junges Fräulein. Erzählst du mir etwas von dir? Wer du bist und was du hier unter den Gästen suchst?“

Sie zuckte mit den Achseln. „Na, ich wohne doch hier.“ Sagte sie mit der Entrüstung, die Kindern mitunter zu eigen ist, wenn sie noch nicht begriffen, dass ihre eigene Weltensphäre sich von der anderer Menschen unterschied. „Ich will auch mal Ritter werden, aber mein Vater gestattet es nicht. Ich soll eine Hofdame werden und dann mal einen Baron heiraten. Wie meine Schwester.“ Das schien der Kleinen nicht besonders zu gefallen. „Dann würde ich wie du Menschen in Nöten helfen. Mit meinem Schwert. Und … meinem Umhang auch.“

Oha, dachte Lares, gefährliches Terrain. „Du bist also die Tochter des Barons?“, fragte der Knappe. „Weißt du, dein Vater, der hat den Weitblick, den man braucht, um die richtigen Entscheidungen im Leben zu treffen. Ich kann verstehen, wenn du eine Ritterin werden möchtest und auf große Abenteuerfahrt gehen willst. Aber glaube mir: Das ist nicht immer so toll, wie man meint! Wie oft bin ich in den vergangenen Götterläufen von meinem Schwertvater mit langweiligen Aufgaben betraut worden? Bring die Schriftrolle hierhin, hole den Gast von dort ab und wenn du schon mal dabei bist, dann kannst du den Grafen sowieso an seine Abgabenpflichten erinnern… Es ist wirklich nicht immer so spannend, wie man meinen könnte. Am Hofe dagegen, da gibt es jeden Tag Neues, so viele verschiedene Menschen und auf alle muss man Acht geben. Und jetzt stell dir mal vor, du kommst an den Kaiserhof: Dann lernst du die Kaiserin Rohaja kennen, wirst ihre Vertraute und erfährst die großen Geheimnisse des Reiches. Das ist auch ein Abenteuer – ganz ohne Schwert und Umhang, dafür mit ganz vielen wunderschönen Kleidern. Weißt du: Der Herr PRAios hat für uns alle einen Platz auf dieser Welt vorbestimmt. Selbst wissen wir nicht immer, wo dieser Platz ist. Deshalb müssen wir auf die weiseren Menschen hören – auf unsere Eltern, unsere Lehensherren und die Geweihten der Zwölfgötter. Aber das hat dir deine Tante sicher auch schon gesagt“, schmunzelte er. [Lares]

„Ich will lieber Abenteuer mit Schwert und Umhang erleben.“ Sagte sie leise und mit mehr als einem Hauch Trotz. Dann sah sie Lares an: „Du meinst also, dass, wenn ich einen weiseren Menschen als meinen Vater finde, der ihm sagt, dass ich Ritterin werden soll, dass mein Vater auf ihn hören muss?“ Ihre Augen leuchteten ob dieser wirklich einleuchtenden Idee des Knappen.

Lares grinste und rieb sich den Nacken. „Also ich glaube immer noch, dass du nicht mit dem Schwert fechten sollst. So gerissen wie du bist, würdest du dich vorzüglich auf der politischen Bühne machen – meinen Respekt! Auf den Mund gefallen bist du nicht und du hast einen scharfsinnigen Verstand. Darüber hinaus scheinst du ein Talent dafür zu haben, Regeln solange anzupassen, bis sie dir genehm sind. Einige Kollegen der Wehrhalle in Elenvina wären hin und weg von dir.“ So jung und schon so gerissen! Diese junge Dame musste er im Auge behalten.

Pff.“ Machte die Baroness nur. „Bücher und Pergamente.“ Und ihre Miene verriet ihre Abneigung. Eigensinnig sah sie zu Lares hinüber. „Das ist aber alles langweilig.“ Ihre Unterlippe schob sich vor. Der Eisensteiner Starrsinn leuchtete ihm entgegen. „Glaubt ihr es gibt einen Ritter in den Nordmarken, der mutig genug ist, mich zur Pagin zu nehmen? Oder glaubt ihr, ALLE haben Angst vor meinem Vater?“ Sie würde schon einen Weg finden, ein Schwert zu führen.

„Junges Fräulein, es muss doch nicht immer Angst sein. Meinst du nicht auch, dass manche Leute deinem Vater Respekt schulden oder in Freundschaft verbunden sind? Diese Leute würden sich nicht bewusst gegen den Entschluss deines Vaters stellen.“ Allerdings beschlich Lares in diesem Moment ein wirrer Gedanke. Er selbst würde bald zum Ritter geschlagen werden und bräuchte dann einen Pagen. Oder eben eine Pagin. Nein, bist du des Wahnsinns? Hat dich der kalte Bach komplett um den Verstand gebracht, Mann? Er schüttelte sich. Aber warum denn nicht? So würde er ihr vielleicht den Vorzug von Papier und Feder beibringen und ein Auge darauf halten können, dass sie nicht allzu sehr dem Wunsch ihres Vaters fremd wurde. Bei Gelegenheit sollte er diese Idee mit dem Eisensteiner erörtern.

Die Kleine zuckte mit den Achseln. Ihr Vater hatte keine Freunde. Zumindest sagte ihre älteste Schwester das. Und wenn sie es sagte, klang es so, als sei es etwas unschönes, keine Freunde zu haben. Also vermied sie es jetzt, einen Kommentar abzugeben. „Du wirst sehen, dass ich es schaffen werde. Eines Tages werde ich ein Ritter sein.“ Dann grinste sie Lares noch einmal an. „Du wirst schon sehen. Ich muss jetzt leider gehen.“ Sie winkte ihm noch einmal zu, dann hüpfte sie die Treppe hinuntern zu einem etwas älteren, ebenfalls blonden Mädchen, das die Jüngere scheinbar zu sich gewunken hatte und lief tuschelnd mit ihr in Richtung der großen Wiese.

"Du bist ja ganz nass.“ Ein kleines, blondes Mädchen mit dunklen, stechenden Augen- unverkennbar die Tochter des Gastgebers- hatte sich neben Lares gesetzt. „Warum denn? Meine Tante hat gesagt, du hättest ein – kurz überlegte sie- ein Taschenmärchen gemacht. Sie war sehr enttäuscht von dir. Sie hat, glaube ich, was gegen Taschenmärchen.“ Sie nickt ihm ernst zu.

Lares starrte das Mädchen einen Moment überrascht an. Woher kam sie? Ach, nein, er war schlicht in Gedanken verloren gewesen. „Ja, nass bin ich, da hast du Recht“, lachte der Mersinger. „Und ich bin mir ganz sicher, dass deine Tante nicht die Einzige ist, die enttäuscht von mir ist.“ Er bedeutete dem Mädchen, sich auf die Bank zu setzen, indem er auf den freien Platz neben sich klopfte. „Allerdings hat deine Tante Unrecht. Was auch immer ein Taschenmärchen ist, das habe ich nicht gemacht. Ich habe eine junge Dame vor dem sicheren Tod gerettet – auf etwas unübliche Art, aber dennoch! Sie hatte sich in den eiskalten Wasserfall gestellt. Und…“ Für einen Moment hielt er inne, dann blickte er das Mädchen direkt an. „Naja, da ist es ziemlich kalt und nass…“

„Bist du ein Ritter?“ fragte sie ihn: „Wenn du Menschen in Nöten hilfst, musst du ein Ritter sein. Hast du gar kein Schwert?“ fragte das Kind weiter.

„Ich bin noch kein Ritter“, schmunzelte Lares. „Aber bald. Mein Ritterschlag steht bevor – aber noch bin ich ein Knappe. Mein Schwert habe ich heute allerdings zuhause gelassen, weil ich nicht dachte, heute jemanden retten zu müssen. Darum habe ich, naja, auch andere Methoden zurückgegriffen. Weißt du, manchmal rettet ein Schwert nicht, sondern ein Umhang, ein nettes Wort oder ein Stück Brot. Aber jetzt haben wir ja ziemlich viel über mich geredet junges Fräulein. Erzählst du mir etwas von dir? Wer du bist und was du hier unter den Gästen suchst?“

Sie zuckte mit den Achseln. „Na, ich wohne doch hier.“ Sagte sie mit der Entrüstung, die Kindern mitunter zu eigen ist, wenn sie noch nicht begriffen, dass ihre eigene Weltensphäre sich von der anderer Menschen unterschied. „Ich will auch mal Ritter werden, aber mein Vater gestattet es nicht. Ich soll eine Hofdame werden und dann mal einen Baron heiraten. Wie meine Schwester.“ Das schien der Kleinen nicht besonders zu gefallen. „Dann würde ich wie du Menschen in Nöten helfen. Mit meinem Schwert. Und … meinem Umhang auch.“

Oha, dachte Lares, gefährliches Terrain. „Du bist also die Tochter des Barons?“, fragte der Knappe. „Weißt du, dein Vater, der hat den Weitblick, den man braucht, um die richtigen Entscheidungen im Leben zu treffen. Ich kann verstehen, wenn du eine Ritterin werden möchtest und auf große Abenteuerfahrt gehen willst. Aber glaube mir: Das ist nicht immer so toll, wie man meint! Wie oft bin ich in den vergangenen Götterläufen von meinem Schwertvater mit langweiligen Aufgaben betraut worden? Bring die Schriftrolle hierhin, hole den Gast von dort ab und wenn du schon mal dabei bist, dann kannst du den Grafen sowieso an seine Abgabenpflichten erinnern… Es ist wirklich nicht immer so spannend, wie man meinen könnte. Am Hofe dagegen, da gibt es jeden Tag Neues, so viele verschiedene Menschen und auf alle muss man Acht geben. Und jetzt stell dir mal vor, du kommst an den Kaiserhof: Dann lernst du die Kaiserin Rohaja kennen, wirst ihre Vertraute und erfährst die großen Geheimnisse des Reiches. Das ist auch ein Abenteuer – ganz ohne Schwert und Umhang, dafür mit ganz vielen wunderschönen Kleidern. Weißt du: Der Herr PRAios hat für uns alle einen Platz auf dieser Welt vorbestimmt. Selbst wissen wir nicht immer, wo dieser Platz ist. Deshalb müssen wir auf die weiseren Menschen hören – auf unsere Eltern, unsere Lehensherren und die Geweihten der Zwölfgötter. Aber das hat dir deine Tante sicher auch schon gesagt“, schmunzelte er.

„Ich will lieber Abenteuer mit Schwert und Umhang erleben.“ Sagte sie leise und mit mehr als einem Hauch Trotz. Dann sah sie Lares an: „Du meinst also, dass, wenn ich einen weiseren Menschen als meinen Vater finde, der ihm sagt, dass ich Ritterin werden soll, dass mein Vater auf ihn hören muss?“ Ihre Augen leuchteten ob dieser wirklich einleuchtenden Idee des Knappen.

Lares grinste und rieb sich den Nacken. „Also ich glaube immer noch, dass du nicht mit dem Schwert fechten sollst. So gerissen wie du bist, würdest du dich vorzüglich auf der politischen Bühne machen – meinen Respekt! Auf den Mund gefallen bist du nicht und du hast einen scharfsinnigen Verstand. Darüber hinaus scheinst du ein Talent dafür zu haben, Regeln solange anzupassen, bis sie dir genehm sind. Einige Kollegen der Wehrhalle in Elenvina wären hin und weg von dir.“ So jung und schon so gerissen! Diese junge Dame musste er im Auge behalten.

Pff.“ Machte die Baroness nur. „Bücher und Pergamente.“ Und ihre Miene verriet ihre Abneigung. Eigensinnig sah sie zu Lares hinüber. „Das ist aber alles langweilig.“ Ihre Unterlippe schob sich vor. Der Eisensteiner Starrsinn leuchtete ihm entgegen. „Glaubt ihr es gibt einen Ritter in den Nordmarken, der mutig genug ist, mich zur Pagin zu nehmen? Oder glaubt ihr, ALLE haben Angst vor meinem Vater?“ Sie würde schon einen Weg finden, ein Schwert zu führen.

„Junges Fräulein, es muss doch nicht immer Angst sein. Meinst du nicht auch, dass manche Leute deinem Vater Respekt schulden oder in Freundschaft verbunden sind? Diese Leute würden sich nicht bewusst gegen den Entschluss deines Vaters stellen.“ Allerdings beschlich Lares in diesem Moment ein wirrer Gedanke. Er selbst würde bald zum Ritter geschlagen werden und bräuchte dann einen Pagen. Oder eben eine Pagin. Nein, bist du des Wahnsinns? Hat dich der kalte Bach komplett um den Verstand gebracht, Mann? Er schüttelte sich. Aber warum denn nicht? So würde er ihr vielleicht den Vorzug von Papier und Feder beibringen und ein Auge darauf halten können, dass sie nicht allzu sehr dem Wunsch ihres Vaters fremd wurde. Bei Gelegenheit sollte er diese Idee mit dem Eisensteiner erörtern.

Die Kleine zuckte mit den Achseln. Ihr Vater hatte keine Freunde. Zumindest sagte ihre älteste Schwester das. Und wenn sie es sagte, klang es so, als sei es etwas unschönes, keine Freunde zu haben. Also vermied sie es jetzt, einen Kommentar abzugeben. „Du wirst sehen, dass ich es schaffen werde. Eines Tages werde ich ein Ritter sein.“ Dann grinste sie Lares noch einmal an. „Du wirst schon sehen. Ich muss jetzt leider gehen.“ Sie winkte ihm noch einmal zu, dann hüpfte sie die Treppe hinuntern zu einem etwas älteren, ebenfalls blonden Mädchen, das die Jüngere scheinbar zu sich gewunken hatte und lief tuschelnd mit ihr in Richtung der großen Wiese.

Während der Pause ruft Rahjan die Gäste dazu auf, Eppos Schnapsvorräte zu plündern. Die Gäste erfreuen sich an dem ungewöhnlichen Gaumengenuss.

Rahjan indes nutzte die Gunst der Stunde und hatte von zwei Dienern einen großen Tisch aufbauen und kleine Trinkbecherchen bringen lassen. „Kommt alle hierher. Mein werter Freund Eppo von Rieden hat euch etwas ganz Besonderes mitgebracht.“ Er winkte den Zwergen zu. „Auch du Tassilo, du musst seine Kreationen unbedingt probieren. Und bring gleich deinen Freund mit, er darf diesen Gaumenschmaus nicht versäumen.“ Bereits nach kurzer Zeit hatten sich einige der anderen Besucher um Eppo versammelt, neugierig, was es wohl mit diesem besonderen Gebräu auf sich hatte. „Zwei Flaschen habe ich gefunden. Diese hier ist meiner Herrin Rahja kredenzt worden. Diese ihrer Schwester Tsa.“ Erklärte der Rahjani. „Aber Eppo hat auch den anderen zehnen je eine Flasche gewidmet. Vielleicht habt ihr sie schon entdeckt? Oder werdet sie noch entdecken, wenn ihr später am Nachmittag durch den Garten streift. Diese beiden Flaschen mögen euch Anregung sein, nach ihnen Ausschau zu halten.“ Und dann schenkte er großzügig aus den beiden Flaschen aus.

Gebrannter gehörte nicht zu seinen Lieblingen, dennoch war er gewillt dieser Kreation eine gebührende Chance zu geben. Baldos hingegen war nur zur gern bereit diesen Gaumenschmaus zu probieren, immerhin musste er seine Pflicht den Diener der schönen Göttin zu schützen hier hoffentlich nicht weiter nachkommen. Genüsslich sog er dessen Duft ein, bevor er sich einen ersten Schluck gönnte. Nur um sich gleich darauf, sichtlich zufrieden, einen zweiten Schluck zu gönnen.

Borax zählte sich selbst zu den wahren Kennern von solcherlei Gaumenfreuden und konnte somit gar nicht nein sagen, auch wenn der menschliche Geschmack sich zum Teil deutlich von dem seines Volkes unterschied. Positiv überrascht hob er eine Augenbraue und ließ sich nachschenken. Dies Gebräu erforderte eine eingehendere Probe

Als Borix hörte, dass es etwas Gebranntes zu trinken gäbe, stand er fast sofort auf und zog au ch Murla mit sich zu dem Tisch. Die ersten Becher waren schnell geleert und Zwerg und Zwergin machten sich daran einen weiteren Becher zu verkosten.

‚Warum sind die nur so klein, da muss man doch so oft zugreifen!‘ dachte Borix dann bei der dritten Runde. Murla hob nach dem dritten dann abwehrend die Hand, was sollen denn die Menschen von den beiden denken. Der Brand mundete ihr zwar und schmeckte nach mehr, aber sie wollte den anderen ja auch was übriglassen.

Borix war schon beim nächsten Becher und prostet nun auch dem Vogt zu. „Ein leckeres Stöffchen, nicht wahr!“

Und eine heitere Runde bunter Coleur begab sich auf die Suche nach den anderen Flaschen und an den unterschiedlichsten Orten des Gartens hörte man entzücktes Jauchzen, wenn wieder jemand eine der besonderen Sorten des Riedeners gefunden hatte. Doch da die Gäste weniger als ein halbes Stundenglas Zeit hatten, sich ein wenig die Beine zu vertreten, die köstlichen Kanapees zu genießen und sich der exquisiten Getränke zu erfreuen bis erneut der Gong ertönte, blieben etliche Flaschen noch ungeöffnet und die Gäste freuten sich darauf später noch mehr von den köstlichkeiten des Riedeners zu probieren.

Der kleine Umtrunk mit dem Hochprozentigen hatte Baldos etwas gelockert und so ging er entspannter, ja grade zu aufnahmefähiger in die nächste Runde.

Das letzte Stück des Konzerts sollte etwas besonderes werden. Die Gäste waren angehalten mitzusingen und mitzumusizieren, während eine Violinistin die Melodie anstimmt. Emotionsgeladen zeigte sich, dass Kunst vermag Wunden zu heilen, die sich tief im Innern verbergen. Und alte Feinde zu versöhnen.

Als dann alle Gäste wieder auf den Kissen saßen, begann die Violinistin mit ihrer Solovorstellung. Sie war schon etwas älter, eine bekannte Musikerin, die schon vor der Kaiserin aufgetreten sein sollte. Vielleicht war das aber auch nur ein Gerücht. Ihr Spiel allerdings ließ durchaus den Gedanken zu, dass sie wirklich vor kaiserlichen Ohren ihre Kunst dargeboten haben könnte.

Sie spielte keine so herausragenden Stücke, wie der junge Mann eben sie zu komponieren verstand. Es waren einfache, klassische Weisen aus der Region. Einigen – vor allem den alten Isenhagern- seit der Kindheit bekannt. Aber ihr Spiel war fehlerfrei und die Töne von solcher ungebrochenen Klarheit, dass man sich in ihrem Klang verlieren konnte, als würde sich eine Tür zur Vergangenheit öffnen, und man fand sich wieder beschützt und umfangen in den ersten Jahren seines eigenen Lebens. Sie spielte sich quer durch die nordmärkische Volksmusik und endete mit einer Melodie, die man in Eisenstein für die Toten zu singen gewohnt war.

Als der erste Applaus abgeebbt war, erhob sich die Musikerin und sprach mit dunkler, melodischer Stimme ihre Einladung aus: „Dieser Abend soll ehren, was wir in Kriegen verloren haben. Mein letztes Stück an diesem Abend, möchte ich daher mit euch gemeinsam darbieten. Singt mit, wenn ihr möchtet, oder fühlt euch eingeladen, euch hier zu mir auf die Bühne zu gesellen.“ Sie wartete kurz ab, ob jemand ihrer Einladung folgte. Doch niemand erhob sich, so dass sie fortfuhr: „Und nun lasst uns gemeinsam all der geliebten Menschen gedenken, die wir im Kriege verloren haben - indem wir uns an die schönen Zeiten mit ihnen erinnern.“

Dann hob sie ihr Instrument an ihren Hals und begann erneut zu spielen. Eine Melodie, die gleichsam Trauer, Verlust und Tod besang als auch das Leben ehrte. Eine Weise, die Leben und Tod gleichsam belobte, indem sie die beiden Pole des Lebens in gemeinsame Töne presste und so zu dem vereinte, was sie immer schon waren und immer sein würden: nichts ohne den anderen.

Eigentlich sein ganzes Leben hatte er im Isenhag verbracht, hatte hier gelebt, gelernt, gefochten und gelitten. Der Alkohol hatte ihn etwas enthemmt, doch noch immer war er ganz Herr seiner Sinne als er die frisch geölte Stimme erhob. Überraschend sanft klang seine raue Stimme als er in den Trauergesang einstimmte und zugleich das Leben pries.

Lange hielt sich der Vogt von Nilsitz zurück, spürte der Melodie nach und versuchte sich auf sie einzulassen. Als die Stimmung nach einiger Zeit auf ihn übergesprungen war und auf eine Phase in der nur das Instrument die Musik getragen hatte, wieder Gesang einsetzte, stimmte auch er mit ein.

Er war ein Kind des Isenhag, in Senalosch geboren und aufgewachsen. Dort, in der Stadt, die zu gleichen Teilen aus Menschen und Zwergen bestand, verliefen die Grenzen und das Brauchtum des jeweils anderen Volkes wurde zu großen Teilen gern und bereitwillig auf- und angenommen. Borax kannte die Texte und nun, nachdem die Angroschim im vergangenen Feldzug so viele ihrer minder zahlreichen Söhne und Töchter verloren hatten, spürte er ihren bedeutungsschweren Inhalt fast körperlich durch einen imaginären Schmerz in der Leibesmitte. Melancholie ergriff sein Herz.

Seine von Bariton bis tief in den Bass reichende Stimmlage war ein leichter Kontrast zu den Stimmen der Menschen und doch fügte sie sich übergangslos in das Gesamtklangbild mit ein.

Bei dem letzten Lied hatte sich dann auch Borix von seinem Stuhl erhoben und mit seinem tiefen brummenden Bass in das Lied eingestimmt. Es waren viele seiner Soldaten in der fremden Erde geblieben und in ihrem Gedenken rann die eine oder andere Träne durch den roten Bart hinab.

Als Murla seine Ergriffenheit bemerkte nahm sie seine Hand und drückte sie liebevoll.

Die Ereignisse des Tages und die Musik hatten ihr die Tür zum Scheideweg geöffnet. Und doch musste der erste Schritt nun der schwierigste sein, da er ein ganzes Leben bedeutete: ein Leben, dass sie lange vergessen hatte , dessen Last sie jedoch immer noch spürte.

Seit ihrer Ankunft in Orbatal trug sie die Bürde. Still im Kerker ihres Herzens verschlossen. Auch ihre Rettung durch die Schöne Göttin hatte nichts daran ändern können, auch Rozens Liebe und Zuneigung nicht.

Es war, als hätte ihr Herz auf diesen Tag gewartet, auf diese unvorhersehbare Abfolge von Zufällen, die sie in die Mitte von Feinden geführt hatte.

Sie spürte tief in sich wie eine Saite zum Klingen gebracht, das Grauen ihrer Erinnerung an die Oberfläche ihres gleichzeitig erschütterten und verzückten Geistes sickerte. Ihre Kehle war wie zugeschnürt als die verfluchte Waise erklang, das blutige Totenlied ihrer Familie und ihrer Unschuld.

Als sich eine rauhe Stimme erhob, dachte Maeve zuerst, er würde wieder singen, wie damals als sie wie beiläufig ihren Vater erschlagen hatten. Hass stürmte heiß durch ihre Adern, erfüllte sie für einen langen Augenblick und ließ sie – obwohl noch immer von Rozen geborgen – plötzlich zittern. Alle Muskeln spannten sich an, ihre kurzen Fingernägel gruben sich in die Handflächen und ihre Zähne in das Fleisch ihres Armes, als sie versuchte, den Schrei von Wut und Hass zu ersticken

Doch durch das Brausen ihres Blutes drang die Ode von Tod und Leben an ihr Ohr...

Wie eine Welle schlug der Hass über auf Rozen, so nah waren Schülerin und Lehrerin sich an diesem schicksalsträchtigen Tag. Was auch immer mit Maeve geschehen war, es hatte mit Krieg und Tod zu tun, dessen war Rozen sich nun sicher. Sie war genug kriegsgebeutelten Frauen in den letzten Jahren begegnet, um diese Reaktion zu erkennen.

Immer waren es die gleichen Geschichten. Soldaten, die aus Spaß mordeten. Sich an den Frauen vergingen. An den Mädchen. Wie viel Hass war nur in den Menschen, dass sie anderen so etwas antaten.... Konnte das nicht aufhören? Immer die gleichen Wunden an Körpern und Seelen, die doch oft nie ganz zu heilen waren. Sie war es so leid! Sie ...

Ein Rosenblatt, vielleicht vom Winde aus dem Garten hergetragen, fiel auf Rozens Schoß. Ihr Blick fiel darauf. Wie ein Kartenhaus fiel der Hass, all das Negative in sich zusammen.

Tränen strömten nun auch über Rozens Gesicht, doch ihre Stimme war fest und ruhig, als sie mit einem sich verklärenden Blick sagte: "Die Liebe ist langmütig, die Liebe ist gütig. Sie ereifert sich nicht, sie prahlt nicht, sie bläht sich nicht auf. Die Liebe handelt nicht ungehörig, sucht nicht ihren Vorteil, lässt sich nicht zum Zorn reizen. Die Liebe trägt das Böse nicht nach. Sie freut sich nicht über das Unrecht, sondern freut sich an der Wahrheit. Sie erträgt alles, glaubt alles, hofft alles, hält allem stand. Die Liebe hört niemals auf."

Mit festem Griff löste Rozen Maeves schockstarren Körper, legte ihr eine Hand auf die Wange und drehte den Kopf so, dass Maeve sie ansehen musste. Rozens Blick leuchtete in einem inneren Feuer, so intensiv, dass Maeve für einen Augenblick alles um sich herum vergaß. Es gab nur noch Rozens Blick, ihren Duft, ihre Wärme und ihre Stimme: "Die Liebe hört niemals auf. Sie ist Rahjas Geschenk an alle Menschen. Suche sie in dir, Maeve. Ich weiß, dass du sie finden wirst. Es ist deine Entscheidung, ob du sie annimmst, und dir vergibst. Es ist deine Entscheidung, ob du sie missachtest und dich für das Leid entscheidest, das andere über dich gebracht haben. Die Göttin legt nur den Funken in uns. Das Feuer dürfen wir selbst entfachen. Ich sehe einen starken Funken in dir. Doch es ist deine Entscheidung."

"Ich weiß“, brach es mit befreiendem Lachen aus Maeve hervor und Rozen bemerkte, dass

die Macht der Göttin umgekehrt auch von ihr auf ihre Novizin übergegangen war.

Gedankenverloren strich diese mit der Hand über die eigenen Bissspuren auf dem Unterarm – dann verschwamm Maeves Blick, als sich ihre großen Augen wieder mit Tränen füllten: „Ihre Liebe hat mich durch dich bis hierher geleitet...“

Sie brach instinktiv ab, als der Gesang für einen langen Moment inne hielt und der Musikerin wieder mehr Raum gab. Vorsichtig, als wage sie es nicht, in Konkurrenz zur Melodie zu treten, fuhr das Mädchen leise fort: „… doch dem Schatten der Vergangenheit habe ich mich nicht nur durch die Ewigschöne stellen können, ich spürte auch etwas anderes, Machtvolles, Gütiges. Die Herrin trat aus den eisigen Wasser, aus einem Vorhang aus tsa-buntem Licht, schenkte mir einen Kuss und das erste Mal wahre Ekstase. Sie sprach zu mir vom Weg...“ Maeves Stimme war nur noch ein Flüstern, als der Gesang erneut einsetzte und tiefe Bassstimmen sie übertönten.

Lauter und bestimmter fuhr sie deshalb fort: „...doch später hörte ich eine zweite Stimme, die mir verhieß, dass ich in meinem Innersten auch der Silberweißen Schwänin folgen wolle. Und nun da mich die eisigen Wasser geläutert und den alten Bann gebrochen haben, finde ich Wahrheit darin. Das erste Mal spüre ich Vergebung und reine Güte...“, sie blickte sich um, inmitten der ergriffenen Nordmärker – Männer, Frauen und Kinder, die sie eben noch im letzten Aufbäumen des alten Hasses als Feinde begriffen hatte, waren nun auch nur noch vom Leben Gezeichnete wie sie selbst. Langsam richtete sich Maeve auf, löste sich sachte von Rozen und schloss die Augen, um die letzten Klänge, die letzten Strophen zu genießen.

Doch ihre Hand glitt wie von selbst zur kleinen Holzflöte, die über ihrem Herzen baumelte. Es war so leicht sie an die Lippen zu führen und in die Melodie der Streicherin einzustimmen. Und während ihr einhändiges Spiel albernische Töne in die Eisensteiner Weise flocht, streckte Maeve die Linke aus und ergriff fest Rozens Hand.

Und die Melodien beider Instrumente strömten ineinander und tanzten in harmonischer Mühelosigkeit umeinander herum. Sie liessen sich gegenseitig Raum, die eigene Schönheit zu preisen und doch verstanden sie es, die andere in der ihren zu stärken. Die liebreizenden, sich allmählich verflechtenden Töne ergossen sich heilend in Wunden, die dereinst bei vielen der Anwesenden in Herzen und Seelen gerissen worden waren und nie zur Gänze heilen konnten. Leise Tränen rannen aus so manchem Auge, erweckt durch längst vergessen geglaubte Erinnerungen. Und jeder spürte deutlich: Dort wo Peraines Segen die großen Wunden am Fleisch zu heilen versteht und Borons Vergessen seelische Qualen zu mildern weiss, dort sind es am Ende allein die liebesschweren Klänge der Liebholden, welche in die kleinsten und feinsten Risse der Seele dringen und den letzten, bitteren Hauch des Krieges aus den Herzen spülen.

Als die letzten Töne verklungen waren, lag Stille über dem Garten.

Es gab keinen Applaus, obgleich die Musikerin sich steif verbeugte. Sie hatte mehr erreicht als mit Applaus auszudrücken war. Sie hatte erhabene Stille erzeugt.

Einige Gäste blieben noch einige Momente sitzen. Andere wischten sich Tränen aus den Augenwinkeln. Kaum jemand hatte sich dem entziehen können, was dargeboten worden war, weil jeder auf seine Art daran hatte teilhaben können.

-- Main.CatrinGrunewald - 14 Dec 2018