Maskenball Vorfreude

Kapitel 10: Vorfreude

Die restliche Zeit bis zum frühen Abend verging schnell. Zu schnell wie die Gauklerin meinte, doch sollte sie nicht die einzige sein, der es jetzt, so kurz vor dem Fest, so ging. Auch Rahjalind vom Traurigen Stein stand nun schon ein geschlagenes Stundenglas in ihrem geräumigen Zimmer und war dabei, sich anzukleiden, oder besser, sich ankleiden zu lassen. Ihr Kleid war jenes aufregende in Schwarz und Gold gehaltene Stück, das sie am gestrigen Abend noch Doratrava vorgeführt hatte. Um es anzulegen benötigte sie die Hilfe von zwei Personen, eine dritte war damit beschäftigt gewesen, sie zu frisieren.

Es sollte noch etwas dauern, bis die junge Novizin mit dem Ergebnis zufrieden war und sie die Gehilfen zum nächsten Gast entließ. Sie hatten bei weitem nicht genug Personal, um jedem Gast eine Hilfe zur Seite zu stellen, die man, gekleidet in diese Art von Garderobe, auf jeden Fall braucht. ´Außer vielleicht Doratrava´, sie dachte an ihre Freundin und das leichte Kleid, das sie heute tragen wollte. Rahjalind musste unwillkürlich lächeln. Sie hoffte jedoch nur, dass das Fest und alles, was hier heute passieren würde, die junge Gauklerin nicht verschrecken würde. Je weiter die Zeit auch fortschritt, desto weniger war sie davon überzeugt gewesen, ihre Freundin ausreichend darauf vorbereitet zu haben.

Sie seufzte schwer und blickte sich dann noch einmal im Spiegel an. Vor allem die modellierte Frisur gefiel der jungen Novizin besonders gut und ließ sie in weiterer Folge dann doch strahlen. Es war auch der Teil ihrer Aufmachung gewesen, der am meisten Aufwand war. Ihre Haare waren zu einer kunstvollen Hochsteckfrisur modelliert, die sehr schön ihre Locken zur Geltung brachte und auch die darin eingesteckte schwarze Rose war ein Blickfang gewesen.

Die junge Adelige setzte sich ihre Maske aufs Gesicht und schritt aus ihrem Zimmer. Das nächste Mal, wenn sie durch die Tür trat, sollte bereits alles hinter ihr liegen. Rahjalind konnte sich nicht einmal selbst einreden, dass sie sich auf dieses Fest freute, doch Doratrava sollte es zumindest interessant machen. Deshalb fühlte sie doch einen kleinen Funken Vorfreude in sich, als sie sich in Richtung des Zimmers der Gauklerin aufmachte, um sie für das Fest abzuholen.

„Rahjalind!“ rief Doratrava begeistert, als diese ihr Zimmer betrat, natürlich nicht, ohne vorher geklopft und das ‚Herein‘ abgewartet zu haben. Die Gauklerin war gerade damit fertig geworden, Addas schwarzes Kleid anzulegen und schnürte sich gerade die goldenen Sandalen. Doch als ihre Freundin in der Tür stand, sprang sie auf und fiel dieser um den Hals, einfach so, weil sie sich freute, Rahjalind nach Stunden endlich wieder zu Gesicht zu bekommen. Doch schnell ließ sie wieder von ihr ab und trat einen Schritt zurück. „Oh … ich wollte nicht … ich hoffe, dein tolles Kleid und die Frisur haben nichts abbekommen“, stotterte sie etwas verlegen, um dann einen bewundernden Blick auf den Turm zu werfen, zu welchem Rahjalinds Haare geworden waren. Sie selbst besaß nur einen einfachen Kamm und keine Dienerschaft, die ihr stundenlang die Haare machen konnte, so dass ihre eigene weiße Mähne ungebändigt um ihren Kopf und über das schwarze Kleid floss.

Rahjalind lächelte breit und herzlich. Kurz fühlte Sie ob denn ihre Frisur und das Kleid noch richtig saßen, als sie dies für sich bestätigt hatte, machte sie eine wegwerfende Handbewegung. „Und selbst wenn …“, meinte sie mit gespielter Gleichgültigkeit, „… es ist ein Anlass, zu dem ein perfektes Äußeres wohl nur zu Entwicklungen führen würde, die ich sowieso nicht haben will.“

„Toll siehst du aus ...“, lächelte Doratrava ehrlich beeindruckt und wollte eigentlich noch hinzufügen, wie damit wohl ihre Wirkung auf Männer war, doch dann fielen ihr Rahjalinds Sorgen wieder ein und all die seltsamen Andeutungen, deshalb unterließ sie das lieber.

Die Gauklerin drehte sich einmal im Kreis. „Wie findest du das Kleid? Steht es mir? Sitzt es richtig? Die Schnürungen am Rücken sind ein wenig schwierig ...“

„Du siehst wunderschön aus…“, bemerkte die Novizin immer noch lächelnd. „Ich weiß nicht, wie oft du so eine Garderobe trägst, aber es steht dir.“

Ursprünglich hatte sich Doratrava überlegt, dass sie dem Beginn des Festes fernbleiben wollte, damit sie das magische Lied des Barden nicht über sich ergehen lassen musste, aber dann hatte sie sich gesagt, dass das wohl mindestens unhöflich war und sie dann außerdem ihr Versprechen, Rahjalind zu beschützen, nicht halten konnte, sollte ausgerechnet dann schon passieren, was die Novizin wohl befürchtete. Immer noch haderte die Gauklerin damit, dass niemand ihr hatte sagen wollen, worauf sie sich nun eigentlich genau einstellen musste. Sie zuckte sie Schultern. Nun ja, die Ungewissheit würde in kurzer Zeit ein Ende haben. „Was meinst du, welche der beiden Masken würde mir besser stehen?“ Sie deutete auf das Bett, wo die beiden Masken, welche Adda ihr geschickt hatte, nebeneinander lagen, die smaragdgrün glitzernde und die schwarze mit der bunten Vogelfeder. „Vermutlich die schwarze zum schwarzen Kleid, wenn mich mein ‚modisches Gespür‘ nicht trügt?“ Lachend sah sie ihre Freundin an, der die ironische Betonung nicht entgangen war.

„Nimm die schwarze. Sie passt zum Kleid …“, meinte sie knapp, dann sah sie zum Fenster hinaus. Draußen schien die Gesellschaft sich langsam aber sicher zu versammeln. Rahjalind wirkte auf Doratrava seit ihrer Ankunft etwas hibbeliger, als sie sie sonst kannte – nervös, mochte man fast meinen. Leise seufzte die junge Adelsdame, dann wandte sie sich wieder der Gauklerin zu. „Was auch immer heute Abend passiert – ich möchte mich schon jetzt dafür entschuldigen. Und ich hoffe, dass es unsere Freundschaft nicht negativ beeinflusse wird.“ Kurz schien es, als ließe die Novizin ihre Schultern hängen, doch straffte sie sich sogleich wieder in ihrer Haltung und reckte ihr Kinn. „Wir sollten los.“ Dann nahm sie Doratrava bei der Hand und schritt mit ihr aus dem Zimmer hinaus in Richtung des Festgeländes.

Schon wieder diese Andeutungen. Es würde wohl auch jetzt nichts bringen, nachzufragen, also ließ Doratrava es sein und folgte stattdessen bereitwillig der Führung ihrer Freundin.

-- Main.BioraTagan - 06 Nov 2019