Maskenball Ueberraschung

Kapitel 14: Überraschung

Schnell eilte Doratrava ins Hauptgebäude, wo ihr Zimmer lag. Sie freute sich darauf, noch mehr zu tanzen, aber noch mehr freute sie sich darauf, was danach geschehen würde, also wollte sie ihr Programm schnell hinter sich bringen, was ganz untypisch für sie war. Zum ersten Mal in ihrem Leben war die Kunst nur noch das Zweitwichtigste. Wie von selbst fanden ihre Füße den Weg, während sie solchen Gedanken nachhing, sie hatte kaum Augen für das Fest und ihre Umgebung.

Schon recht bald, nachdem die Gauklerin in ihr schwach durch flackerndes Kerzenlicht beleuchtetes Zimmer trat, begann sie die Schnürung ihres Kleides zu öffnen. Das Fenster stand offen und sie konnte deutlich den Klang der Musik, das Lachen der Gäste und Klirren und Klimpern des Geschirrs vernehmen. Doch nicht nur das, ein leichter Luftzug signalisierte ihr, dass sich die Tür in ihr Gemach öffnete und ließ sie herumfahren. Ihr Blick fiel auf Rahjalind, die ihr allem Anschein nach gefolgt war.

Noch bevor die halbnackt in ihrem Zimmer stehenden Doratrava aus ihrer Schockstarre erwacht war, stand die junge Novizin direkt vor ihr, legte ihr sanft ihren Zeigefinger auf die Lippen und zischte; „…ssshhhhh…“ Nun war offensichtlich nicht die Zeit für Worte. Sie küsste sanft ihren Hals und half der Gauklerin mit geschickten Handgriffen aus ihrem Kleid.

Die sonst so biegsame und bewegliche Gauklerin war zu kaum einer Regung fähig. Heiß wallte die Erregung in ihr auf und strömte vom Bauch in alle Glieder, schnürte ihr vor Glück die Kehle zu. Doch warteten bestimmt die Musiker und zumindest einige der Gäste – und vielleicht auch die Gastgeber – auf sie. Der Widerstreit zwischen Pflichterfüllung und überbordender Leidenschaft lähmte sie, während jede Berührung Rahjalinds weitere heiße Wellen durch ihren Körper jagte. Offensichtlich war ihre Freundin nicht nur gekommen, um ihr beim Wechseln der Kleider zu helfen, stelle eine kleine, ironische Stimme in ihrem Kopf fest. Mühsam riss Doratrava sich zusammen und stammelte: „Rahjalind … ich kann nicht … ich muss doch ...“

„Gar nichts MUSST du…“, gurrte Rahjalind, und immer noch funkelten ihre Augen in jenem seltsamen Schimmer, den Doratrava zuvor auf dem Fest erstmalig hatte ausmachen können. Auch der Atem der jungen Adeligen wurde schneller und flacher – ihre Wangen glühten.

Die Novizin sah die mittlerweile völlig nackte Gauklerin, deren weißer Körper im schummrigen Kerzenlicht die aufregendsten Schatten warf, nur mit einem ganz seltsamen Blick an, dann strich sie mit beiden Zeigefingern ganz, ganz sanft über Doratravas steil aufgerichtete Brustwarzen, und jeglicher Widerstand der Gauklerin brach in sich zusammen. Mit einem wilden Knurren schüttelte sie die Lähmung ab und zog die Novizin zu sich heran, um ihren Gefühlen zunächst mit einem tiefen, süßen, unbeschreiblichen Kuss freien Lauf zu lassen. Dann hob sie die größere Frau auf die Arme, als würde sie gar nichts wiegen, und trug sie zum Bett, wo sie atemlos und mit zitternden, fliegenden Fingern begann, auch Rahjalind von ihrer lästigen Kleidung zu befreien.

Die Novizin jauchzte überrascht auf, als sie von der Gauklerin angehoben wurde. Ein Laut, der dann sogleich in ein vergnügtes Kichern überging. Als Doratrava sich dann an ihrem Kleid zu schaffen machte, ging sie ihr bereitwillig zur Hand. Auf dem Bett kniend schälte sie ihren Oberkörper aus dem Kleid und gab somit den Blick auf ihre wohlgeformten Brüste frei. Rahjalind war eine schlanke Frau, doch war sie auch mit der einen oder anderen weiblichen Rundung gesegnet. Dies zeigte sich auch, als sich sie sich kurz aus dem Bett erhob um gänzlich aus ihrem Kleid steigen zu können.

Doratrava konnte fast meinen, dass die junge Novizin sie neckte, als sie sich dann umwandte, ihr ihren wohlgeformten Hintern präsentierte und mit ein paar geschickten Handgriffen in ihrer hochgesteckten Frisur nestelte. Die Entfernung zwei, dreier Nadeln später fielen ihr die schweren honigblonden Locken auf den nackten Rücken. Kurz schüttelte sie ihre beckenlange Haarpracht, dann wandte sie sich frech lächelnd wieder der Schlafstatt zu, biss sich voller Verlangen in die Unterlippe und stieg dann wieder ins Bett.

Alle Gedanken an Konsequenzen begruben die beiden Frauen in der heißen Lava zärtlicher Leidenschaft.

Ein paar Stundengläser darauf lag die junge Novizin schwer atmend und mit roten Wangen auf ihrem Rücken. Die Haare ungebändigt und schweißnass, der Körper glitzernd vom Schweiß, aber mit einem entspannten, glücklichen Lächeln auf dem Gesicht. Ja, es war ohne Zweifel ein sehr beeindruckendes Erlebnis gewesen, mit der jungen Gauklerin das Lager zu teilen. Diese war ganz offensichtlich wie sie selbst in der elfischen Liebe erfahren und im Liebesspiel aktiv und dominant, sodass ihre Vereinigung oft etwas von einem zärtlichen Ringkampf hatte.

Ein halbes Dutzendmal hatte sie in Rahjas Armen geschwebt, und Rahjalind hoffte, dass es für ihre Freundin und nun Geliebte ähnlich erfüllend gewesen war. Lächelnd ging ihr Blick hin zum offenen Fenster. Die junge Adelige verlieh ihrer Lust immer sehr lautstark Ausdruck, weshalb es wohl nicht ausgeschlossen war, dass ihr liebevolles Miteinander zum Teil bis hinunter zur Gesellschaft gehört worden war.

Rahjalind wandte ihren Körper der jungen Gauklerin zu. Deren schneeweiße Haut war gerötet und von Zeichen ihrer Lust in Form von roten Kratzern bedeckt. Zärtlich streichelte sie über Doratravas Leib, dann bedachte sie ihre Lippen mit einem Kuss und kuschelte sich an sie.

Die Gauklerin umfing den Körper Rahjalinds mit beiden Armen und drückte ihn zärtlich an sich. Sie versuchte, nichts zu denken und nur immer weiter im aufgepeitschten Meer ihrer Hochgefühle zu schwimmen. Zwar war der Sturm vorbei, denn ein solcher war es gewesen, voll wilder, ungezügelter, hungriger Leidenschaft, in einer Intensität, dass sie manchmal dachte, sie müsse ersticken, und wäre nicht traurig darum gewesen, aber nun war das wilde Auf und Ab abgelöst worden durch eine ruhige, erfüllte Zufriedenheit und Doratrava wünschte, diese würde für immer anhalten. Sie begann, mit einem Finger sanfte Linien über Rahjalinds Körper zu zeichnen, vom Mund über den Hals und die Brüste bis zu ihrem Schoß und wieder zurück, und jedes Zucken ihrer Geliebten sandte einen weiteren wohligen Schauer durch ihren eigenen Körper, so dass sie ein wenig kichern musste.

Irgendwie wunderte sich Doratrava, dass die lustvollen Schreie der Novizin noch nicht zumindest ihre Eltern auf den Plan gerufen hatten, andererseits waren sie ja bestimmt nicht die einzigen gewesen, die sich lautstark in rahjagefälliger Weise betätigt hatten. Ob Adda diesem ganzen, von ihr selbst in die Wege geleiteten Treiben völlig keusch zugesehen hatte? Wohl kaum, nach allem, was ihre Tochter erzählt hatte. Außerdem war es egal. Diese letzten paar Stunden waren jeden Preis wert gewesen, den Doratrava sich vorstellen konnte. Ihr Finger stellte seine Tätigkeit ein, dafür begann die Gauklerin, mit ihrer Zunge Rahjalinds Brustwarzen zu liebkosen.

Eigentlich hatte sie die Novizin heute um Rat fragen wollen, um Rat in Liebesdingen, doch der nächtliche Orkan der liebevollen Leidenschaft hatte alles hinweggefegt. Auch wenn eine kleine Stimme im hintersten Winkel ihr zuflüsterte: ‚Was würde Jel wohl dazu sagen, wenn sie das wüsste?‘. Aber Doratrava wollte sich jetzt nicht damit auseinandersetzen, sie lebte den Moment. Und dieser Moment hieß Rahjalind. Ihre Zunge wanderte hinunter zum Schoß ihrer Geliebten.

Die beiden nimmersatten, jungen Frauen bereiteten sich diese Nacht noch schier unzählige Freuden, sodass es noch mehrere Stundengläser dauern sollte und der Himmel im Rahja bereits die orangene Farbe des Aufganges der Praiosscheibe annahm, bis sie erschöpft in den Armen der jeweils anderen darnieder sanken und gemeinsam von Rahjas in Borons Arme glitten.

*

Doratrava konnte nicht sagen, wie fortgeschritten der Tag bereits war, als sie die Strahlen des Praiosmales, sanft die Nase kitzelnd, weckten. Eine Tatsache, die sie jedoch sogleich bemerkte, war, dass sie alleine in ihrem Zimmer lag. Weg war Rahjalind und das Kleid, das die Novizin am Vorabend getragen hatte. Durch das geöffnete Fenster hörte sie den unverkennbaren Ruf eines Paradiesvogels, aber keine Feiernden, keine Musik und kein Gelächter.

Im ersten Moment dachte Doratrava mit einem Stich, sie hätte all die schönen Erlebnisse der letzten Nacht nur geträumt, doch dann roch sie Rahjalinds Parfüm und Schweiß und andere Flüssigkeiten, sah das feuchte, zerwühlte Bett mit ein paar honigblonden, langen Haaren und auch dem ein oder anderen kleinen Blutstropfen, und fiel erleichtert zurück in die Laken, nachdem sie zuerst erschreckt hochgefahren war.

Doch als Borons Umarmung langsam wich, setzte leider auch ihr Verstand wieder ein und begann, bohrende Fragen zu stellen. Wo war Rahjalind hin? Und was sollte sie jetzt machen? Sie brauchte dringend ein Bad, sonst roch jeder kleine Bedienstete, an dem sie vorbeikam, was sie heute Nacht getrieben hatte. Bei dem Gedanken wurde ihr heiß und kalt vor Scham. Mit so einer Situation umzugehen, war sie nicht gewöhnt. Ihre rahjanischen Erfahrungen bestanden in einigen Monaten mehr oder weniger unfreiwilligem, eher im Sinne Travias pflichtschuldigem Zusammensein mit einem Utulu-Krieger aus dem tiefen Süden, der aber wenigstens morgens nicht einfach verschwunden war, und dann diesem unglaublichen Zusammentreffen mit Jel auf der Anreise zur Jagd in Nilsitz. Bevor sie diese Frau getroffen hatte, war sie sich gar nicht bewusst gewesen, dass sie überhaupt etwas für andere Frauen empfinden konnte, das hatte sie wie ein Blitz aus heiterem Himmel getroffen, und zwar so gründlich und nachhaltig, dass ihr der Abschied von Jel fast das Herz zerrissen hatte. Doch mit Jel hatte sie sich ganze zweimal in Rahjas Arme begeben, in einem kleinen Dorf mitten im Wald, wo es nicht schwierig gewesen war, den wenigen Leuten, die dort lebten, auszuweichen.

Und jetzt Rahjalind. Ihr wurde schon wieder ganz anders, wenn sie nur an die Novizin dachte, ihr Bauch fing an zu kribbeln und die Sehnsucht nach ihrer Nähe schnürte ihr die Kehle zu. Aber Rahjalind war fort, und sie gefangen in ihrem Zimmer. Sie konnte sich hier nicht waschen, ein Blick zu der Waschschüssel zeigte ihr, dass diese noch nicht nachgefüllt worden war, wie denn auch. Und das hätte sowieso nicht gereicht, um alle Spuren des nächtlichen Rausches von ihrem Körper zu waschen. Also brauchte sie ein Bad, aber dazu müsste sie ja aufstehen, das Zimmer verlassen und jemanden danach fragen. Doch würde sie dann wieder auf das freche Hausmädchen von gestern treffen? Und hatte diese mitbekommen, was sie und Rahjalind getan hatten? Doratrava fühlte sich gerade nicht in der Lage, spöttische, herablassende, giftige oder empörte Blicke der Dienerschaft zu ertragen.

Und dann: wer sagte denn, dass sie nicht womöglich gleich Adda über den Weg lief? Eine Diskussion mit Rahjalinds Mutter durchzustehen, fühlte sie sich gerade erst recht nicht in der Lage. Das würde vermutlich nur mit ihrer Demütigung enden, da sie schon im Vollbesitz ihrer Kräfte nicht so geschliffen reden konnte wie diese ganzen Adligen.

All diese bangen Gedanken drohten ihre Freude und ihr Glück über die mit Rahjalind verbrachte Nacht zu überschatten und in den Hintergrund zu drängen. Da kam Wut in ihr auf, ihre Angst verwandelte sich in Zorn, über sich selbst und über die vermeintlich übelwollende Umwelt. Sie sprang mit einem Knurren aus dem Bett, wickelte eines der Laken notdürftig um ihren Körper und stürmte aus dem Zimmer. Sie würde doch in der Lage sein, eine einfache Frage nach einem Bad stellen zu können!

Trotzig bewegte sich die ins Laken gewickelte Gauklerin vor ihr Zimmer, nur um im ersten Moment erkennen zu müssen, dass sie in ihrem Aufzug wohl weniger auffallen würde als befürchtet. Alleine bis zur Stiege musste Doratrava über eine Handvoll schlafender Festbesucher steigen. Keiner von ihnen machte nach einer Nacht des Zechens und sonstiger Freuden einen adretten Eindruck, sodass ein weißhaariges, an Rücken und Armen zerkratztes Mädchen in einem Bettlaken wohl nur eine unter vielen war.

Trotz der Anzahl an Festgästen, die sich nun im Haupthaus befanden, sollte die junge Gauklerin auf die Schnelle niemanden finden, der für eine sinnvolle Unterhaltung ansprechbar war oder gar ihren Wunsch nach einem Bad erfüllen konnte.

Erst als sie ihre nackten Füße auf den kalten Rosenmarmor der Stiege setzte, sollte sie einer ansprechbaren Person begegnen. Dass es gerade die Hausherrin war, die sie am Fuß der Treppe erwartete, war in vielerlei Hinsicht unglücklich und versetzte Doratrava einen Schreck, doch war es nun zu spät, um noch davon zu laufen.