KNS Einsicht

Einsicht

Eine Briefspielgeschichte von RekkiThorkarson und StLinnart. ---

Einsicht

Ein verhältnismäßig kurzer Kampf war es gewesen, den der Sohn des Angrox gegen Andîlgarn von Gugelforst bestritten hatte. Am Ende waren es Kraft und Wendigkeit, die den Ausschlag gaben.
Der menschliche Teilnehmer des rondragefälligen Wettstreits war bereits im betagten Alter, hatte sechzig Sommer gesehen und vermochte es leider kaum seinen großen Erfahrungsschatz auszuspielen. Antharax, der auf der anderen Seite den Zweikampfes geführt hatte, war lediglich zehn Jahre vor seinem Kontrahenten geboren und damit in den Augen vieler seiner Brüder und Schwestern noch recht jung.
Athax, so wie der Angroscho aus dem Bergkönigreich Angoramtosch stammende Krieger von seinen Freunden gerufen wurde, ging auf ein Knie und stützte sich auf sein Runenschwert, dessen Spitze in den Boden des Kampfplatzes steckte.
Einige Herzschläge lang atmete er tief ein und aus, beruhigte seine Atmung und dankte dem Weltenerbauer für den Sieg. All die harten Gefechte, die er in den Stählernen Hallen von Lur absolviert hatte waren nicht umsonst gewesen. Er war ein besserer, ein ruhigerer Kämpfer geworden, der sich nicht mehr von seinen Gefühlen leiten ließ. Dwarosch, sein Freund und Vorgesetzter innerhalb des Isenhager Garderegimentes ‘Ingerimms Hammer’ hatte recht behalten und gut daran getan ihn so zu fordern.
Nachdem sich Antharax wieder erhoben hatte reichte der Angroscho dem alten Kämpen die Hand und die zwei packten sich kräftig an den Unterarmen, so wie es aufrechte Streiter taten, die ihre Kräfte ehrenvoll miteinander gemessen hatten.
“Ihr steht im Ruf einiges zu vertragen Hochgeboren. Ich würde mich sehr glücklich schätzen, wenn ich euch heute Abend das ein oder andere Bier ausgeben dürfte. Ich würde nur zu gerne euren Geschichten lauschen.”

Andîlgarn hatte sich recht schnell eingestehen müssen, dass gegen den Angroscho am heutigen Tage nichts zu gewinnen war. Schon wenige Herzschläge nachdem dem alternden Recken eben jene Erkenntnis in den Sinn gekommen war, hatte er die Sinnhaftigkeit seines Antretens bei diesem Turnier hinterfragt - und das bereits zum wiederholten Male. In Weiden galt das rondragefällige Kräftemessen als Notwendigkeit um im Saft zu bleiben und sich für den Kampf gegen den Erbfeind zu stählen.
Doch lange schon sind jene Zeiten vorbei, in welchen der Altbaron von Weidenhag gerüstet in den ersten Schlachtreihen zu finden war. Andîlgarn dachte zurück an die vielen Scharmützel im Schatten des Finsterkamms und auch an die Orkenstürme, die er als Landesvater miterleben musste. Hierbei war vor allem der dritte Orkensturm vor 30 Wintern zu nennen - jener Einfall der Schwarzpelze, bei dem sein Vater in einem Entsatzheer vor Lowangen fiel und ihn damit zum Baron Weidenhags machte. Baron eines damals durch den Schwarzpelz verheerten Landes, welches er während dieser schweren Zeit jedoch nie verlassen sollte. Mit seinen Getreuen führte er von der Ruine der Burg Welkensteyn aus einen unerbittlichen Kampf gegen die Invasoren und legte seine Rüstung erst wieder ab als der letzte Schwarzpelz von seinem Land vertrieben war.
Inzwischen hatte der Altbaron jedoch die Plattenrüstung gegen feinen Zwirn und seinen Streitkolben gegen eine Amtskette getauscht. Als Stimme Walpurgas von Löwenhaupt residierte er nun nicht mehr am wehrhaften Hag zu Weidenhag, sondern in einem kleinen Stadthaus in Greifenfurt. Keine harten Pritschen in Zelten auf Schlachtfeldern oder Turneien und keine zugigen Burgen mehr, die seine Nächte kurz und oft wenig erholsam hielten. Nun schlief er in einem weichen Bett, welches in einem Gemach stand, das die kalten Nächte hindurch geheizt wurde. Er war träge geworden, verweichlicht und ... ja ... auch alt. Dennoch freute er sich jedes Jahr auf das von seinem Neffen Ardo ausgerichtete Turnier. Es war eine Abwechslung zu seinem gemütlichen Alltagstrott und erinnerte ihn daran, wer er früher einmal war. Früher, als seine geliebte Frau Rodwiga noch lebte und als er seine Kinder noch täglich um sich hatte.
Andîlgarn war ein Familienmensch. Er liebte seine Kinder und es freute ihn stets wie gut sie sich entwickelt hatten. Gwidûhenna folgte ihm als Baronin Weidenhags nach. Sein Zweitgeborener Wilfred war ihr Waffenmeister und der starke Arm an ihrer Seite. Seine Jüngste Ullgrein war durch ihren Eheschluss Baronin von Beonspfort und selbst liebevolle Mutter von einer ganzen Schar Kinder. Der alternde Baron hatte in seinem Leben wohl sehr viel richtig gemacht, aber sich inzwischen auch mit seinem Platz als alternder Recke abgefunden. Deshalb fand sich auch in diesen Momenten, da er einem Streiter im ritterlichen Kräftemessen unterlag keinerlei Gram auf seiner Seele.
"Das ist ein Wort ...", lächelte der Gugelforster dem Angroscho zu, "... es wäre mir eine Freude und auch eine Ehre mit Euch zu trinken."

~*~ --- Kategorie: Briefspielgeschichte

-- Main.RekkiThorkarson - 02 Jun 2020