Junges Opfer

Ein viel zu junges Opfer

Auch Lioba ließ sich von dem schmucken Burschen die kleine Treppe wieder hinabgeleiten, auch wenn das natürlich nicht nötig gewesen wäre. So war das Lächeln, das sie Semjo schenkte auch weniger dankbar als vielmehr ein wenig kokett. Imma antwortete Lioba dann: „Ihr habt vollkommen recht. Machen wir uns auf den Rückweg.“ (Lioba)

Die zwei Damen verließen, unter den neugierigen Blicken hunderter Rekruten die Garnison. Auf dem Weg zurück zur Burg gelangten sie am Marktplatz mit der Handelshalles vorbei. Um diese Tageszeit waren viele Menschen auf den Straßen, die emsig ihren Geschäften nachgingen. Dennoch konnten sie hören, wie eine bitterlich weinende Frau einem Stadtgardisten schwere Vorwürfe machte. Sie schrie ihn an, so dass der ganze Marktplatz mithören konnte: „Was ist denn jetzt mit meinem Sohn, wollt ihr denn gar nichts tun außer den ganzen Vormittag hier nur herumstehen? Er hat von einer komischen Flüssigkeit getrunken und ihr tut gar nichts? Mein Kind ist tot ihr verdammten Hurensöhne, tut doch etwas!“ Die blonde Frau, deren Bekleidung auf eine Herkunft aus einfachen Verhältnissen schließen ließ, fing an mit bloßen Fäusten auf das Kettenhemd des Stadtgardisten ein zu schlagen. Dieser stieß sie einfach nur von sich, worauf sie schluchzend auf dem Boden zusammenbrach. Die Menschen auf dem Platz machten einen Bogen um sie herum.

Imma und Lioba konnten in der Hand der Frau eine gläserne Phiole erkennen, die sie krampfhaft festhielt.

Imma hielt Lioba sanft am Arm fest. "Hört ihr, ein merkwürdiger Zufall, eine Giftphiole? Lasst uns doch kurz mit der Frau sprechen, vielleicht sind wir hier durch Zufall auf etwas gestoßen." Flüsterte sie der jungen Malerin zu. (Imma)

Auch Lioba blieb stehen – sie hatte ganz ähnliche Gedanken wie Imma und nickte so auf deren Vorschlag hin sofort. „Das denke ich auch, meine Liebe. Kommt.“ Zielstrebig setzte sie sich in Richtung der am Boden liegenden Frau in Bewegung. Als Lioba sie erreicht hatte, sprach sie sie sogleich freundlich und mit durchaus echter Besorgnis in der Stimme an: „Gute Frau, was ist geschehen. Können wir Euch irgendwie helfen?“ Die Frau wirkte sehr verzweifelt – was ja auch nur zu verständlich war, wenn sie gerade ihren Sohn verloren hatte. (Lioba)

Die am Boden liegende, herzzerreißend weinende Frau trug einfache, braune derbe Kleidung. Von ihr ging kein größerer Gestank aus als ihn die Massen der einfachen Leute aus den ärmeren Viertel der Stadt verbreiteten. Die Hände, insbesondere die Fingerkuppen, waren stark verhornt und um das linke Handgelenk konnten die Damen ein Lederarmband sehen, in dem verschiedene Nähutensilien steckten. Das Gesicht der Frau war faltig, insbesondere um die Augen herum, und die Wangenknochen zeichneten sich überdeutlich ab, wie auch der Körper selbst eher schmächtig, fast schon dürr zu bezeichnen war. Auf die freundliche Ansprache durch Lioba hin warf sie sich dieser in die Arme, um sich ganz ihrem Schmerz zu ergeben. Mehr als Weinen und Schluchzen war in den nächsten Momenten nicht aus ihr heraus zu bekommen. Nach einer kleinen Weile hatte sie sich dann beruhigt, um zu versuchen, die Fragen der edlen Dame zu beantworten: „Ich… ich… wir waren heut früh zum Markt gegangen, um Kittel zu verkaufen. Ich mach die doch immer für den Markttag, und hier kaufen sie die Leute dann. Ich war also beim Stand vom alten Gerholt. Da drüben isser noch. Und hab um die Silber und Kupfer gefeilscht, das war ja so ein Ritual bei uns, müssen die Damen wissen. Ja, und Hartu hat derweil zwischen den Kisten da drüben, in der Gasse neben dem Laden von Bäckerin Sigislind, gespielt. Ich sah noch, wie er was aufhob, dachte noch bei mir, ihr Götter, was hat er jetzt wiedergefunden, und dann hat er was an den Mund gesetzt. Ich hatt da schon kein gutes Gefühl und bin zu ihm rüber gewetzt, da isser schon zusammengeklappt, hat fürchterlich geschrien und gezuckt, ich konnt fast nicht hinsehn. Hab ihn dann ganz festgehalten und um Hilfe gerufen, s ist aber keiner gekommen. Dann lag er still, still in meinen Armen und die Augen waren leer.“ Das Erzählte war durch Schniefen und Schluchzen unterbrochen und schwer zu verstehen, zum Ende hin brach sie wieder in Tränen aus und warf sich wieder in Liobas Arme.

Ein wenig überfordert davon, dass sich ihr diese fremde Frau einfach in die Arme warf, schwieg Lioba zunächst und tätschelte ihr behutsam den Rücken. Welchen Trost konnte man jemandem spenden, der soeben sein Kind verloren hatte? Und mochte sie auch am Rande der Armut stehen, so war es doch nicht recht, dass sich niemand des offenbar nicht natürlichen Todes ihres Sohnes annehmen wollte. Sie warf dem Gardisten einen scharfen Seitenblick zu. „Er hat diese Phiole also gefunden, sagt Ihr? Darf ich sie einmal sehen?“, erkundigte Lioba sich möglichst behutsam. (Lioba)

Während die Frau in Liobas Armen Trost fand, streckte sich Imma, trat vor den Gardisten: „Gibt es einen Grund, warum ihr euch dieser Angelegenheit nicht annehmt?“ (Imma)

Der dickliche Gardist blickte mit Unbehagen und deutlichen Unwohlsein unter seinem Helm hervor. Rote Wangen und sein Schnaufen zeugten davon, dass er in diesem Moment wohl lieber in Al´Anfa denn hier wäre. Also hielt er sich an seiner Hellebarde fest, wechselte sein Standbein von links nach rechts, was ihn aussehen ließ als ob er an der Stange seiner Waffe herumhampelte. „Ähm, nun, ja, ädla Doam, i be ja dahanna olloi ufm Blatz, da ka i fei et weg ond mir irgandwelche verreckede Lompabälga oguga. Mir sänd jetzt so wenig, dr jong Herzog hot ja fascht älles, was au blos a Messerle halda ka, mit inda Oschta gnomma.“ Der Arme seuftze schwer über sein Schicksal. „Ond jetzt missa mir baar Hansela dobbelschichta halta, des isch fai echt hard kah ih enne saga. Ja, so isch halt.“ endete er, als ob damit nun alles gesagt sei. Imma blickte ihn verständnisvoll an und erwiderte kurz angebunden: „Wir werden uns um die arme Frau kümmern. Aber falls nötig, werden wir noch einmal auf euch zukommen.“ Kündigte sie dem Gardisten an, der ja scheinbar nicht mal ein Messerle halten konnte, und wendete sich ohne weitere Ausführungen ob seines gebeutelten Schicksals anzuhören Lioba und der weinenden Mutter zu. „Wir helfen euch, gute Frau. Wo ist euer Sohn, wollt ihr uns zu ihm bringen?“ (Imma)

Lioba unterstützte Immas gutes Zureden durch einen bestätigenden Blick und ein ermutigendes Lächeln. (Lioba)

Die Frau hob mit zitterndem Arm ihre Hand, um die gläserne Phiole Lioba zu reichen. Diese war vielleicht eine handlang hoch, am oberen, offenen Rand leicht abgerundet und aus durchsichtigem Glas gefertigt. Ganz unten in der Wölbung war noch ein minimaler Rest Flüssigkeit zu sehen. Mit schluchzender, weinerlicher Stimme sagte sie: „Mein Sohn, ich hab ihn erst mal Heim gebracht. Er, er schläft jetzt in seinem Bettchen, ja, in seinem Bett. Da liegt er und sieht so süß aus, wie früher. Ja und dann bin ich hier her, um das zu melden, muss man doch, sagt auch der Pfaff am Praiostag immer, also wollt ich das dem da sagen, aber der wollt nichts wissen. Hab ichs richtig gemacht?“ Hoffnungsvolle, aber tränenunterlaufene funkelhellblaue Augen blickten den zwei edlen Damen entgegen.

„Ihr habt ganz richtig gehandelt, sagt uns, lag irgendwo ein Korken als ihr euren Sohn fandet? Und könntet ihr zu dieser Bäckerei führen, wo ihr euren Kleinen gefunden habt?“ (Imma)

Lioba nahm vorsichtig die Phiole entgegen. ‚Wer weiß? Vielleicht kann jemand anhand dieses Restes das Gift identifizieren…‘ Dann nickte auch sie auf die Frage der Unglücklichen hin bekräftigend. „Auf jeden Fall. Es ist wichtig, dass sich jemand dessen annimmt.“ ‚Zwar bringt ihr das den geliebten Sohn auch nicht wieder, aber irgendwie muss dieses Gebräu ja dort hingekommen sein. Und wenn es davon noch mehr gibt, kommen womöglich noch mehr Menschen zu Schaden – eventuell eben sogar die Herzoginmutter…‘(Lioba)

„Ein Korken? Ne, hab ich nicht gesehen, tut mir Leid.“ Sie wischte die rotzende Nase mit dem Ärmel ab, bevor sie zur Ecke des Marktplatzes zeigte, die der großen Allee am nächsten lag. „Da, das ist die Backstube von der Sigislind, und die Gasse rechts neben dem Haus, da sind Kisten gestapelt, da hat mein Hartu gespielt.“ Sie rappelte sich auf, klopfte den Staub aus ihrem Rock und lief, mit langsamen, fast träumerisch-abwesenden Schritten in die besagte Richtung. Gemächlich wie immer folgte Imma der weinenden Frau zur Bäckerei, dabei schossen ihr die Worte ihrer Familie durch den Kopf. ‚Eines Tages, Kleines, wird dich jemand in eine Gasse locken… und….‘ Allein in theoretischen Gedankenkonstrukten, in Folianten und auf Pergamenten, ließ die junge Frau all das Schlechte und Niederträchtige zu, das ihre Brüder und ihre Onkel überall sahen. Wenn sie aber echten Menschen begegnete, waren es stets freundliche, mitfühlende, wenn auch mitunter leidgeplagte Wesen. Und so folgte sie nun einer einfachen, unglücklichen Frau in eine Gasse. (Imma)

Auch Lioba begleitete die Mutter des Opfers zu der Gasse, ohne sie zu hetzen. ‚Wir können uns freuen, dass die Arme so kooperativ ist. Sie scheint einem Zusammenbruch ziemlich nahe. Und wer will ihr das auch verdenken?‘ „Wir sehen uns einmal dort um. Vielleicht können wir ja einen Hinweis entdecken, wie es dazu kommen konnte“, sprach sie der Frau in gut zu. (Lioba)

Die Damen gelangten an den Eingang zu einer Gasse. Zwischen zwei hohen, mehrstöckigen Fachwerkhäusern war vielleicht eine drei Schritt breite Lücke. In dieser standen allerlei alte Kisten, so wie sie für den Transport großer Warenmengen verwendet wurden. Unrat hatte sich angesammelt, weiter hinten huschte etwas Kleines über den Boden. Muffiger Geruch strömte mit einem Windzug, der durch die Gasse zog, den Damen entgegen und vermischte sich mit dem Duft nach frischem Brot, der aus der angrenzenden Bäckerei vermengte.

„Da, vor der Kiste da habe ich ihn gefunden. Er, er hat nur noch kurz geweint, als ich bei ihm war.“ Sie verbarg ihr Gesicht in den Händen, haltlos zitternd und schluchzend. Mit erstickter und dumpfer Stimme sprach sie in Ihre Hände hinein. „Ich war nur kurz am Stand, um meine Sachen abzugeben und hab ihn zum Spielen geschickt. Er hat nur gespielt.“

Lioba verharrte am Eingang der Gasse und konnte nicht umhin, angeekelt den Mund zu verziehen. Das Geruchsgemisch, der Unrat und vor allem das Huschen, das unzweifelhaft von einer Ratte herrührte, ließen sie schlucken. Aber sie waren schließlich aus einem bestimmten Grund hier und hatten auch nicht ewig Zeit. Also fasste sie sich ein Herz und trat zu der Kiste, vor der der Junge gespielt hatte, während sie der Frau leise mit der rhetorischen Frage antwortete: „Wie hättet Ihr so etwas ahnen können?“ Dann begann Lioba, sich aufmerksam bei der Kiste umzusehen. Vielleicht lag dort noch etwas Aufschlussreiches. War sie gar irgendwo offen, so dass man hineinsehen konnte? (Lioba)

Während es Imma im Wald, auf Feld und Flur -zumindest mit großer Mühe- verstand Pferdespuren zu folgen, sah sie in einer Stadt meist nichts weiter als Mauern, Fenstern und Türen. Daher war sie froh, dass Lioba sich den Kisten zugewandt hatte, wahrscheinlich besaß diese als Malerin ein gutes Auge fürs Detail. Immerhin konnte sie selbst sich mittlerweile in Elenvina die Wege durch die Stadt vorstellen, sobald sie eine Gasse betrat und selbst aus jeder unbekannten Gasse fand sie den Weg zu ihrem Ziel. (Imma)

Die Gasse führte zwischen zwei langgestreckten Gebäuden hindurch. Von den Ladenbetreibern und Anwohnern wurde sie zur Entsorgung und Lagerung diverser ‚Dinge‘ verwendet. Durch sie konnte man, wenn auf der großen Allee am Fluss mal wieder nichts voranging, weil Ochsenkarren alles blockierten, parallel zu dieser zügig vorankommen. In den Kisten, wo der Junge die Phiole gefunden hatte, befanden sich alte Leinentücher aus sehr grobem Stoff, Rattenkot und ein wenig Stroh. An Lioba gewandt sagte Imma: „Ich werde mich einmal in der Bäckerei umhören, ob jemand etwas gesehen hat!“ (Imma)

Lioba nickte abwesend als Antwort auf Immas Ankündigung und brachte nur ein etwas matt klingendes „Gute Idee…“, heraus, während sie voller Ekel in die Kiste starrte. (Lioba)

Die Backstube hatte eine zur Allee offene Verkaufstheke, in der frisches Brot und allerlei Süßwaren auslagen. Dahinter konnte Imma rege Betriebsamkeit von mindestens 8 Personen sehen; allesamt in die weißen Schürzen der Bäckerszunft gekleidet und emsig schwitzend leckere Backwaren herstellend. Sie konnte die Hitze spüren, die von den großen Öfen ausging und die Luft in der Backstube flirren sehn. Auf die Fragen nach seltsamen Vorkommnissen wurde Imma an den Lehrling Abbo verwiesen. Dieser, ein kleiner, dicklicher Junge von vielleicht 14 Götterläufen kam, kaum, dass er von der Verkäuferin gerufen wurde, schon nach vorne gewatschelt. Dabei klopfte er sich das Mehl an der Schütze ab, dass es nur so stäubte und er in einer Wolke aus Mehlstaub verschwand. Hustend blieb er vor Imma stehen und grüßte artig, wobei er die Mütze von seinem Kopf nahm und in Händen hielt: „Die gütige Travia zum Gruße, werte Damen. Meisterin Sigislind meinte, ihr wollt was von mir wissen?“ Imma lächelte den Jungen freundlich an: „Sagt, mein Junge, habt ihr vorhin ein kleines Kind an einer Kiste gesehen?“ Und sie deutete in Richtung der Kisten, die Lioba untersuchte. „Wisst ihr zufällig, wem die Kisten gehören oder wer sie abgestellt hat? Oder wann?“ Der Geruch der Backwaren ließen ihren Magen knurren und sie sah sich nach einer kleinen Zwischenmahlzeit um. Lioba hatte sicher auch nichts dagegen einzuwenden. „Und könntet ihr mir drei dieser köstlichen Pasteten einpacken, während ihr nachdenkt?“ (Imma)

„Nein, edle Dame, ich hab wohl gehört, dass da was passiert ist, aber nicht, was. Wollt ja nich so neugierig sein und hinlaufen, das gibt sonst immer Dresche von der Meisterin, wenn ich abhau.“ Er schien leicht verlegen, wurde rot im Gesicht, zumindest soweit man das unter der Mehlschicht sagen konnte. „Aber heut früh, da war was Komisches. Ich wollt zum bronz… äh, enschtuldigt, austreten in die Gass, da sah ich vom Hafen her ne Frau herkommen. Es war noch dämmrig, so um die 5 Stunde rum, da ist eigentlich kaum jemand unterwegs. Ich verhobs mir also und hab geguckt, also um die Ecke gelinst. Wollt irgendwie nich, dass die mich sieht, musst ja so doll pissen, da stand ich ganz schön verkniffen da, tschuldigt nochmals, Herrin. Öhm, die sah schon komisch aus, eigentlich wie ne Dirne, hatte irgendwas langes bei sich. Und dann passierte es! Von der anderen Seite kam der Kalver mitm Yendan, die hatten heut früh Dienst, also da sind die angelaufen gekommen und da ist die Frau schnell zur Gasse gehuscht. Hab mich dann auch noch mehr gegen die Ecke gedrückt und hab gewartet was passiert.“ Die Stimme des Jungen wurde euphorisch, die Augen leuchteten vor Begeisterung über die spannende Geschichte, die er erlebt hatte. „Hab also gewartet, und als die zwei Wachen vorbei waren, ist auch die Frau wieder aus der Gasse gekommen. Im Weglaufen hat es dann so ein komisches Geräusch gegeben, so ein Klopfen, wusst gar nichts damit anzufangen. Auch hatte die andere Sachen an als zuerst! So ne Robe, wie sie die Priester tragen, konnts nur nicht genau sehn, es war ja noch dunkel. Ich also in die Gasse rein, und da lag dann so ein Teil, halb aus der Kiste raus. Frauen ziehen so was an um ihre Möps…“ Er erstarrte, scharrte mit den Füßen als ihm bewusstwurde, dass auch die Frau ihm Gegenüber ‚Möpse‘ hatte. Jetzt konnte Imma deutlich sehen, dass er rot wurde „..e zu zeigen, sagt meine Mutter immer.“ Zum Schluss wurde er sehr, sehr leise. Hab mir das Ding rausgezogen und angeguckt.“ Er schwieg verlegen. Die junge Frau wurde selbst ein wenig rot, als der Bube von der Unterwäsche sprach und als sein Redeschwall endete stellte sie schnell einige Fragen: „Hm, Kalver und Yendan sind sicher Gardisten?“ Eifriges Nicken durch Abbo „Von wo kam denn die Frau und in welche Richtung ist sie später weggegangen?“ Na, hab ich doch gesagt, vom Hafen und sie ging danach in die Stadt rein, zur Markthalle. Weiter sah ich sie ja nicht. „War das Ding was sie dabei hatte etwa so hoch und so breit?“ Und sie deutete die Höhe und Breite eines Magierstabs an. „Und hörte sich das Geräusch an wie Tock Tock Tock?“ Und sie versuchte dabei das Geräusch eines Stocks auf Pflaster nachzuahmen, was ihr leidlich gut gelang. Erneut eifriges Nicken: „JA, genau, das war das komische Geräusch. Und auch die Länge stimmt. „Sie hat sich also in der Gasse umgezogen. Vorher sah sie aus wie eine -äh- Dirne,“ und Imma wurde erneut Rot: „und später trug sie eine Robe?“ Dümmliches Grinsen bis über beide Ohren, die nun auch Rot anlaufen „Sag, hast du schon einmal einen Magier gesehen? Sah die Robe vielleicht aus wie die Kutte eines Magiers?“ „Könnte sein, die sehen für mich doch alle gleich aus und unterscheiden sich eh nur durch die Farben.“ „Hast du die Kleider, die sie ausgezogen hat, behalten, nachdem du sie angeschaut hast?“ Wenn er könnte, würde er jetzt vor Scham im Erdboden versinken. Er druckste herum, tapste von einem Bein auf das Andere. „Ja, ich hab sie schon noch, ähm, aber, die kann ich euch nicht zeigen, nein, das geht jetzt nicht. Sie sind, äh, hm, dreckig, ja, dreckig. Ich muss sie erst waschen lassen.“ Imma überlegte kurz, warum der Junge so reinlich sein könnte, aber ihr fiel beim besten Willen kein Grund ein: „Ach, das macht nichts, gib sie mir nur. Ein paar Flecken machen wirklich nichts aus. Hast du die Frau denn erkennen können? Wie groß sie war, oder welche Haarfarbe sie hatte? War sie sehr schlank?“ „Ich hab nicht wirklich auf ihr Gesicht geschaut, es war ja dunkel. Aber groß, ja, und auch schlank. Aber auch an den richtigen Stellen gut gepolstert wie mein Papa immer sagt, hehe.“ Imma wurde erneut eine Nuance roter: „Nun, mein Junge, du hast mir sehr geholfen, nun hole rasch die Kleidung und gebe mir meine drei Pasteten!" (Imma)

Der Junge rannte wieder in die Backstube, wo er in den hinteren Bereichen verschwand. Kurz darauf tauchte er wieder auf, ging mit langsamen, watschelnden Schritten auf Imma zu. Er hatte ein Bündel Kleidung im Arm, welche sehr bunt und knapp geschnitten war. Er ließ sich Zeit, wollte wohl nie bei der jungen Adligen ankommen. Ohne ihr ins Gesicht zu schauen streckte er schließlich das rote Mieder, einen kurzen, ebenfalls roten Rock und ein Tuch entgegen. Am Mieder und Rock waren weißliche Flecken zu sehen. Als Imma diese entgegengenommen hatte, ging er zur Auslage und reichte ihr drei noch dampfende Pasteten entgegen. „Die sind mit Fleisch und Pilzen gefüllt, unsere besten Pasteten. Das macht dann 7 Heller, bitteschön.“

‚Das… ist widerlich…‘, konnte Lioba unterdessen nur denken, während sie in die Kiste starrte. Keinesfalls würde sie in Kot und Lumpen herumwühlen, um zu sehen, ob sich darunter etwas verbarg. Es ging einfach nicht. Sie schluckte schwer, blickte sich noch einmal auf dem Boden in der Nähe der Kiste um und trat dann – sofern ihr nichts Verdächtiges ins Auge fiel – wieder zu der trauernden Mutter. „Gute Frau“, sprach sie sie erneut an, „Dürften wir die Phiole mitnehmen? Vielleicht können wir herausfinden lassen, was es war, das Euer Sohn getrunken hat. Und mögt Ihr mir Euren Namen sagen und wo wir Euch finden können, wenn wir Euch etwas dazu sagen können?“ (Lioba)

Diese blickte mit müden, rot geschwollenen Augen zu Lioba, presste die Lippen aufeinander und nickte dann. „Nehmt dieses verdammte Ding mit, diese Pho.. Phiol…. Phiobe. Ich bin die Odrud und wohne hinten, bei der Weberbleiche. Könnt gern vorbeikommen, s’ist halt nich so vornehm wie die Damen das sonst gewohnt sein werden dürften. Ich kann aber Tee anbieten, komm übern Bodar immer wieder an ein paar gute Kräuter. Was soll ich jetzt machen?“

Lioba nickte bei der Erklärung der Frau. Das war eine Gegend der Stadt, die sie nicht näher kannte. Aber immerhin hatten sie so ein paar Anhaltspunkte, anhand derer sie diese Odrud würden wiederfinden könnten, wenn es erforderlich war. „Wendet Euch an die Boron-Kirche, Odrud. Sie werden Euch helfen“, sagte Lioba ernst, aber nicht ganz ohne Mitgefühl. Denn damit meinte sie sowohl das weitere Vorgehen, als auch die Seelsorge, die sie ihr zuteilwerden lassen konnten. Dann verabschiedete sie sich von der Frau und machte sich mit Imma, die inzwischen in der Bäckerei fertig war, auf den Weg zurück. (Lioba)

-- Main.CatrinGrunewald - 06 Mar 2019