Haffax Feldzug Dunkle Mätresse1

Die dunkle Mätresse: Was bisher geschah

(Zusammenfassung des Tischspiel-Abenteuers)

Inhalt: 

  • Weil die beiden Werwolf-Ritter, die Loriann nach Tobrien an ihren neuen Bestimmungsort bringen sollten, das Schlachten von Mendena nicht überlebt haben, wird eine kleine Gruppe Nordmärker auserwählt, sie nach Transysilien zu bringen. Es sind natürlich die gleichen Leute, die schon bei der Tesralschlaufe mit Loriann zusammengearbeitet haben.
  • Aufbruch ins Ungewisse
    Getrennt von den anderen macht sich Loriann zuerst auf den Weg und verlässt heimlich das Heerlager in Mendena, um sich mit den anderen in dem Örtchen Boronwein zu treffen. Doch auch die Häscher der Dunklen Herzogin haben ihre Fährte aufgenommen. Es kommt zum Kampf.
  • Am Abend findet man Unterschlupf in einem alten Turm, wo sich der neue Turmbewohner als reichstreuer Sume Sildroyan vorstellt. Dank seiner und Sumus Hilfe werden die Schwerverletzten versorgt.
  • Die Legende von Arika
    Der Rondrageweihte Hagrian von Schellenberg fühlt sich auch im schwarzfaulen Tobrien immer noch zu der halb so alten Jungritterin Ira von Plötzbogen hingezogen und erzählt ihr in einem seltenen Moment der Zuneigung von Arika der Drachentöterin. Aber auch Iras Kampfweise und ihr vergangener Ritterschlag sind Thema.
  • Eine weitere Aufgabe
    Der Sume bittet die Gruppe um einen Freundschaftsdienst. Verfolgt von Weißen Hetzern besuchen alle ein uraltes Hügelgrab, an dem noch Sumus Kraft die Verderbtheit fernhält. Besonders die mitreisende Maga Caya von der Aue ist von den Kraftlinien dieses Ortes überwältigt.
  • Auf einsamen Pfaden
    Die Gruppe erreicht das Herz Transysiliens, das nahe Yol-Ghurmak ist spür- und hörbar
  • Die neue Baronin und der alte Hofgeweihte
    Endlich in der tobrischen Baronie, dem Bestimmungsort Lorianns, angekommen, erwartet die Gruppe der alte Hofgeweihte, der in dem Rondrianer Hagrian ein nettes Opfer sieht, das er von seiner neuen Herrin (Loriann) für die jenseitige Familie verlangt. Es kommt zum Zweikampf der Geweihten, der wieder einmal Hagrian alles an Kraft abverlangt, psychisch wie physisch. Aber auch den anderen gehen die verrohten Sitten am Baronshof nahe. Für viele in der Gruppe ist es das erste Mal, dass sie ein solches Verhalten erleben, bei dem das Recht des Stärkeren scheinbar alles dominiert.

...weiter geht es in Teil 2, dem Briefspiel zum Thema

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Die Helden:

  • Junkerin Loriann von Reussenstein (Tanja)
  • Baron Lucrann von Rabenstein (Tina)
  • Baron Jost Verian zu Hlûtharswacht (Chris)
  • Baronin Biora Tagan von Rickenbach (Jürgen)
  • Maga Caya von der Aue (Arvid)
  • Magus Brendan ui Brealgan (Chris)

Was bisher geschah

Praios, 1040 BF.

Während dem mittelreichischen Feldzug gegen Haffax marschierte das Heer der Kaiserin sehend und wissend in einen Hinterhalt des Fürstkomthurs. An der Tesralschlaufe war eine Sperre aus Nah- und Fernkampfgolems errichtet, welche blutige Ernte unter den Mittelreichern halten sollte. Diese Golems wurden aus einem vom Feind eroberten Draconiterheiligtum gelenkt. Um den Hort zurückzuerobern, stellte der Herzog der Nordmarken, welcher die Sperre durchbrechen musste, eine kleine Spezialeinheit zusammen. Ein Mitglied war unter anderem die Junkerin Loriann Varaldyn von Reussenstein, eine Witwe und Mutter, die ihren Ehemann im Alberniakrieg verloren hatte. Eingefädelt durch Abgesandte des „Dunklen Herzogs“, Arngrimm von Ehrenstein, und des Kaiserinnengemahls, Rondrigan Paligan, kam es zu einer Begegnung zwischen der Spezialeinheit und Herzog Arngrimm. Ziel war, einen gegenseitigen Nichtangriffspakt zu schließen. Paligan wollte den Vormarsch der Mittelreicher sichern, während Arngrimm daran gelegen war, auf die offizielle Anerkennung als „Herzog von Tobrien“ durch Ihre Kaiserliche Hoheit hinzuwirken. Rohaja würde nie auf einen solchen Handel eingehen, daher hatte ihr Gemahl dies selbst in die Wege geleitet, ohne die offiziellen Kanäle zu bemühen.

Während dieser Begegnung entflammte Begehren in Herzog Arngrimm für die Junkerin Loriann, und er machte sie – angeregt von einer Idee Baron Lucranns – zu einem Teil der „Verhandlungsmasse“. Mittlerweile enttäuscht vom eigenen Sohn Brandon, der in dessen Augen mehrmals drastisch versagte (zuletzt sollte er seinem Vater den Kopf seines Onkels, Herzog Bernfried von Ehrenstein bringen), erhofft er sich durch Loriann einen weiteren Erben.

Loriann, der von Rondrigan Paligan eine sorgenfreie Zukunft ihrer Tochter sowie nach deren abgeschlossener Ausbildung zur Gildenmagierin ein Hofamt am Kaiserhof versprochen wurde, stimmte schließlich schweren Herzens zu.

Die Verzweiflung einer baldigen Verräterin

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Geschafft, die letzte Schlacht war geschlagen und das Banner des Reiches wehte endlich wieder über den Zinnen Mendenas. Endlich nachdem die Stadt für zwei Dekaden aus dem Schoß der zwölfgöttlichen Kirche gerissen wurde. Die Dämonenbuhler des verderbten Herzens der Fürstkomturei hatten dem Ansturm des kaiserlichen Heerbanns nicht standhalten können, dennoch hatten sie ihm einen hohen Blutzoll abverlangt. Viele tapfere Streiter würden nie mehr in ihre Heimat zurückkehren, während die glücklichen Überlebenden ihres Triumpfes beraubt wurden. Wie ein Lauffeuer verbreite sich die Nachricht das Helme Haffax, der größte Stratege der jüngsten Geschichte, erneut einen großen Coup gelandet hatte. In verschiedensten, grausam angereicherten Ausführungen wurde vom Angriff auf Perricum erzählt. Nur einige wenige hohe Würdenträger wussten durch die Diener der Leuin um das wahre Ausmaß. Das Herz der Rondra-Kirche wurde von Dämonenarchen angegriffen, während das Schwert der Schwerter von Haffax mit dem Marschallsstab niedergestochen wurde. Sicher wussten die erschöpften Kämpfer jedoch nur dass ihre kaiserliche Majestät, Rohaja von Gareth, sofort Teile ihre Gardetruppen einschiffte und in See stach. Ihr Gemahl, der Markgraf von Perricum folgte am nächsten Morgen mit den verbleibenden Garden auf dem Landweg. Die Provinztruppen hingegen würden sich die Namenlosen Tage über auf der Wiese vor dem goldenen Haus ausruhen und anschließend einen Sperrgürtel vor dem zuletzt sooft geschundenen Gareth errichten.

Doch nicht alle Nordmärker würden sich diesem Zug anschließen. Denn die Wachhunde der firnholzer Edlen Loriann von Reussenstein hatten den letzten Sturm nicht überlebt und so war es an dieser ausgesuchten Gruppe sie nach Viereichen zu geleiten. Von der Schlacht gezeichnet, war Hagrobald erschöpft an sein Krankenlager gefesselt. Erneut wollte er ihnen sein Vertrauen schenken, nachdem sie sich bereits an der Tesralschlaufe bewährt hatten. Dem rabensteiner Baron sah man noch deutlich die Nachwirkungen dieser Mission an, das Haupt geschoren nachdem er vor zehn Praiosläufen in eine Brandfalle getappt war. Dabei wurde die Gruppe um die ehemalige Knappin des hlûtharswachter Barons und seine Ehrwürden Hagrian von Schellenberg ergänzt, während der albernische Magier sie nicht begleiten würde. Bis zu ihrem Aufbruch im Morgengrauen des 01. Praios konnte sich die Reussensteinerin ihren Sorgen hingeben. Gepeinigt von der Sorge um ihre Liebsten und deren Zukunft, die Vorstellung Abschied nehmen zu müssen und welche Konsequenzen ihr Handeln für sie haben würde. Letztlich vertraute sie sich Cousin 2. Grades an – nicht nur die entfernte Blutsverwandtschaft, sondern auch eine Freundschaft verband sich mit Basin von Richtwald. Unfähig ihre Gefühle und Absichten in Worte zu fassen, fragte sie ihn ob er weiterhin zu seinem Angebot stünde und auf ihre Tochter Maire aufpassen würde. Hätte Basin nicht um die Hintergründe gewusst, so wäre er Angesicht ihrer Worte verwirrt – dank eines Berichts seines Trossmeisters, Otgar von Salmfang, war er im Bilde verschwieg dies jedoch – genauso wie er es auch künftig tun würde.

Aufbruch ins Ungewisse

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Getrennt von den anderen Aufbrechend, machte die Reussensteinerin sich als erstes auf den Weg. Kein Tadel sollte auf die Namen ihrer Begleiter fallen, wenn ihr Verrat an die Öffentlichkeit gelangte. Erst in Boronwein, dem nächsten Ort auf ihrem Weg, würde sie sich mit ihnen wieder treffen und die gemeinsame Reise beginnen. Bereits vor Sonnenaufgang aufbrechend zeigte sich welche Gefahren sie auf dieser Reise begleiten würden. Noch während sie im schwachen Schein des Himmelszeltes aufbrach, beschlich sie das Gefühl beobachtet zu werden. Als sie die letzten Häuser der zerstörten Vorstadt passierte erklang ein kaltes Heulen, beantwortet aus der Ferne. Trotz aller Dunkelheit gab Loriann ihrem Ross die Sporen und begann einen halsbrecherischen Ritt, getrieben von ihrem unheimlichen Verfolger. Boronwein war bereits in Sicht als sie kurze Zeit einen Hoffnungsschimmer ausmachte, fünf Reiter in den Farben Arngrimms die in ihre Richtung ritten. Erst schwenkte sie auf sie zu, erkannte jedoch ihren Fehler in letzter Sekunde und preschte in die nahe Ortschaft. Die Hauptstraße entlang hielt sie direkt auf ein großes Praiosfeuer auf dem Marktplatz zu, der von ihr alarmierte, schläfrige Büttel schaute ihr dabei noch träge, auf seine Hellebarde gestützt, nach als er auch schon von Lorianns Verfolgern niedergeritten wurde. Eine Runde um das Feuer drehend, ritt Loriann nun ihren Begleitern entgegen. Die Instinkte seiner Ehrwürden Hagrian von Schellenberg hatte die Gruppe früh in Alarmbereitschaft versetzt, während der Blick ins astrale Gefüge durch Caya von der Aue letzte Gewissheit verschafft hatte.

Ein Stück hinter dem Ortsausgang passierte Loriann bereits das Spalier ihrer Begleiter, die kurz darauf die drei ihr nachsetzenden Reiter angingen. Einen fällte Otgar als sich ihre Pferde passierten. Als sie ebenfalls das Feuer umrunden wollten kam es zum Tumult. Ein weißer Hetzer stürzte sich vom Dach eines Hauses auf den noch immer vom Sturm auf Mendena geschwächten Geweihten der Rondra, seine Mäuler in die Schulter Hagrians verbissen, während der Schwung in vom Rücken seines Pferdes riss. Die Kuppel des Gardianums der Magierin, trennte schließlich den Dämon äußerst unwillig von seiner Beute. Derweil machten sich bereits zwei der verbliebenen Kämpfer und einer der Hetzer aus dem Staub. Die Barone, Jost-Verian von Sturmfels-Maurenbrecher zu Hlûthars Wacht und Lucrann von Rabenstein, und Otgar von Salmfang mussten sich jetzt nur noch der letzten Reiter annehmen. Auf sie zu galoppierend scheuten Überraschend die Pferde der Gegner, sodass die Hufe ihrer Rösser kurzen Prozess machten. Erneut wieder im Dorf hatte sich die Firnholzerin in eine Seitengasse geflüchtet, war jedoch samt Pferd von einem der Hetzer durch die Front einer einfachen Holzhütte gerammt wurden. Durch einen glücklichen Treffer verging der Dämon prompt, doch ihr treuer Begleiter hatte diesen Angriff nicht überlebt. Zudem fand sie sich auch bereits in einer neuen Zwickmühle, die Bewohner des Hauses versuchten die Ritterin mit ‚Waffengewalt‘ aus ihrem bescheidenen Heim zu drängen, während vor dem Loch in der Wand bereits der letzte verbliebene Hetzer auf sie lauerte. Auch wenn Loriann dabei eine üble Verletzung am Hals erlitt und von Otgar versorgt werden musst, gelang es ihr mit Unterstützung dem letzten Dämon seine derische Existenz auszutreiben. Der Baron von Rabenstein hatte sich zur gleichen Zeit um die Verletzungen Hagrians angenommen. Zum einen untypisch, zum anderen auch von wenig Erfolg gekrönt flößte er ihm abschließend nach einer eher schlechten, als rechten Behandlung seinen letzten Heiltrank ein.

Die Verwundeten waren versorgt und eben sammelten einige Begleiter die verstreuten Pferde ein, als die Bewohner des kleinen Ortes sich aus ihren Häusern trauten und begannen die Leichen gen Tobimora zu zerren – denn seit der Besetzung war es üblich diese der tiefen Schwester zu Opfern, um so ihrem Zorn zu entfliehen. Ein Umstand den seine Ehrwürden nicht dulden konnte. Mit Worten versuchte er die Bevölkerung vom Fehl ihrer Tat zu überzeugen, doch drangen diese letztlich nicht durch. Erst eine Flammenlanze der Magierin brachte das Treiben zum Erliegen, allerdings nur weil man sie direkt für eine Priesterin des flammenden Vaters hielt die dieses Opfer für ihren Gott beanspruchte. Als Hagrian den Grabsegen über die im sumpfigen Boden begrabenen Männer sprach kam es erneut zum Tumult. Worte waren vergebens und am Ende floh die Gruppe, ohne Ruhm, hinter sich das halbe Dorf niedergestreckt im Dreck liegend zurücklassend.

Gegen Abend fanden sie in einem tobrischen Turm, etwas abseits der Straße, Unterschlupf. Zuvor mussten sie jedoch dem sichtbaren Gräuel ein Ende bereiten. An der Brüstung des Turms aufgeknöpft hingen ein Mann, eine Frau und ein Kind. Vermutlich hatten sie sich abgesetzt und das einst verlorene Lehen wieder in Anspruch genommen. Blutig hatten sie die neuen Bewohner im Inneren überwältigt und waren dann selbst Opfer eines unbekannten Angreifers geworden. Bekannt für seine Nähe zum Boronkult nahm sich der Rabensteiner dieses Missstandes an um diesen armen Seelen eine würdige Ruhe zu verschaffen. Während die Leichen abgehangen und zur letzten Ruhe gebettet wurden, ritzte Caya mit viel Mühe einen Schutzkreis gegen weiße Hetzer in die Palisade, denn noch immer waren diese ihnen auf den Fersen. Im Turminneren kämpfte seine Ehrwürden derweil mit dem aufkeimenden Wundfieber. Ruhe war eingekehrt und die meisten Mitglieder saßen im Erdgeschoss und aßen, als ein Unbekannter vor der Palisade auftauchte. An einem Speer trug ein barfüßiger Mann seine Habseligkeiten über die Schulter gelegt und erfragte die Gesinnung der Turmbewohner. Dem Reich treu und in der Absicht den Turm bald wieder zu verlassen, stellte er sich als Sume Sildroyan vor. Travias Geboten folgend, lud man ihn anschließend an ihr Feuer. Ein Glücksfall wie sich herausstellte, denn er war in der Lage die Verletzungen Lorianns und Hagrians zu kurieren. Nicht jedoch ohne Gegenleistung, das Versprechen ihm bei einer magischen Begebenheit beizustehen, machte er sich sogleich ans Werk. Nackt wurden die zwei in flachen Erdlöchern an Hand und Fuß geschnitten und anschließend mit Erde bedeckt. Ebenfalls nackt ließ der Druide anschließend die Kraft Sumus in ihre geschwächten Leiber fahren.

Die Legende von Arika

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Ira und Hagrian in Tobrien

Es war ein seltsames Gefühl, fand Ira, gemeinsam Seite an Seite zu kämpfen und zu reiten, ohne ein persönliches Wort miteinander zu wechseln. Nicht, nach allem was gewesen war. Gut, sie mussten einen gefährlichen Auftrag erfüllen, der sie tief ins Herz der Schattenlande bringen würde und von dem sie wusste, dass vor allem Hagrian als Diener der guten Zwölf es nicht leicht haben würde, weil alles in diesen trostlosen, verderbten Weiten das Credo der niederhöllischen Zwölf schrie und selbiges lautete: Vernichtet den Geweihten.

Unleugbar waren Ängste in ihr, was dies anging. Dunkle quälende Sorgen, die so groß waren, weil sie diesem Mann gernhatte. Ira ging so vieles durch den Kopf, wenn sie an das dachte, was sie mit Hagrian schon erlebt hatte. Die Erinnerung an seine Küsse – fordernd, mächtig, gebietend und doch voller sinnlicher hilfloser Hingabe – entflammte oft ein Feuer in ihrem Unterleib, wenn sie nur daran dachte. Von anderen Dingen, die ähnliches in ihr bewirkten, ganz zu schweigen. Dort im verfluchten Tempel, als sie gemeinsam gegen die Mactaleänata gekämpft und bestanden hatten, hatte sie zum ersten Mal auch die Schattenseite jener Glücksgefühle wahrgenommen: Die Angst, ihn durch den Tod zu verlieren. Drum hatte sie gegenüber der Schwarzamazone auch nicht gelogen, als sie dieser Schlampe entgegenschleuderte, dass diese ihre dreckigen Finger von Hagrian lassen solle, weil er ihr, Ira, gehöre. Aber tat er das denn? Gehörte der Mann in Hagrian von Schellenberg tatsächlich ihr? Oder wünschte sich Ira das nur tief in sich drin? Jedenfalls empfand sie dieses Schweigen, das seit ihres Aufbruchs nach Viereichen bestand, ebenso quälend, wie die Angst ihn vielleicht hier sterben zu sehen. Jost mochte es nicht gefallen, dass sie etwas für Hagrian übrighätte und jetzt, da sie Josts Grund dazu besser kannte als sonst jemand, fühlte sie sich dennoch getrieben, das Schweigen zu durchbrechen. Götterverdammt, es gab so vieles, was sie besprechen mussten! Hagrian hatte bisher nicht einmal etwas dazu gesagt, dass sie jetzt Ritterin war und keine Knappin mehr! Nur über den Auftrag hatten sie Worte gewechselt. Ira wurmte das. Warum war er so?

Und nun lag er da draußen in einer Erdgrube, mal wieder halbtot, und schlief. Von ihrem Standpunkt auf der Ballustrade aus gesehen wirkten die beiden Erdlöcher, in denen er und die Junkerin vom Reussenstein lag, tatsächlich wie…Gräber. War es der tobrische Nachtwind, oder der schmerzhafte Ausblick, der Ira frösteln ließ? Sie nahm sich vor, während ihrer ganzen Wache nicht mehr nach unten zu sehen. Am nächsten Tag hatte sie diesen Vorsatz um etliche Male gebrochen. Doch das Erwachen beider Leiber – gesundet und geheilt! – bestärkte sie in ihrem Vorhaben, bei der nächsten günstigen Gelegenheit mit Hagrian zu sprechen. Sie sollte am Abend nach den Erfahrungen um den druidischen Ritualplatz endlich Zeit dazu finden. Wache schoben andere, als Ira sich bei Jost entschuldigte, um sich zu Hagrian zu begeben, der eben erst von einem Gespräch mit der Junkerin Loriann wiedergekommen war, welches beide unter vier Augen etwas abseits geführt hatte.

Ira schenkte dem Rondraritter ein Lächeln, während sie verfolgte, wie sich die Junkerin nun wieder still zu den anderen ans Feuer setzte und wie immer schweigend in die Flammen starrte. Ira glaubte zu wissen, worüber Hagrian und sie miteinander sprachen. Ira beneidete die Junkerin nicht. Ihre eigenen Sorgen schienen verhältnismäßig klein und nichtig angesichts denen, die die Junkerin mit sich herum schleppen musste. Doch besaß Ira tiefsten Respekt vor dem, für was sich diese Frau bereit erklärt hatte.

„Wie… geht es ihr?“ wollte sie von dem Geweihten wissen, der Iras Blick und der Junkerin ans Feuer nachgefolgt war.

Aus der Nähe betrachtet strahlte er eine ungewöhnliche Gesundheit aus. Das Grau war aus seinen Gesichtszügen verschwunden und seine von den Strapazen des Krieges eingefallenen Wangen strahlten in zartem Rosa. Doch Sorge und Last lagen weiterhin in seinen Augen und erinnerten sie dumpf an all die grässlichen Stunden seit ihrem Aufbruch aus Mendena. „Gut wäre wohl nicht unbedingt die passende Beschreibung. Aber ihr Körper ist stark. Das hilft.“ Erklärte er kurz angebunden. Fast fürchtete Ira, das wäre schon das Ende des Gesprächs, doch er fuhr fort: „Du kennst meine Schwester, sagtest du? Weißt du, dass sie geradezu besessen von Sagen und Legenden ist? Und von Märchen und Heldengeschichten? Eine ihrer Lieblingsgeschichten als sie klein war, ist die Legende von Arika gewesen. Kennst du die Geschichte?“

„Arika?“ Nein da klingelte nichts bei ihr. Ira schüttelte den Kopf, war aber froh, dass Hagrian den Moment nutzte, überhaupt mit ihr zu sprechen. Eigentlich hatte sie sich nach dieser Eingangsfrage nach seinem eigenen Befinden erkundigen wollen, doch hörte sie gerne zu, auch wenn es nur eine Geschichte war, die er ihr erzählen wollte.

„Ich erzähle sie dir, wollen wir uns dafür ans Feuer setzen?“ Er wählte einen Platz etwas Abseits der anderen, wo sie ungestört reden konnten, aber nicht von Jost unterbrochen wurden, weil der sie ja beobachten konnte.

„Es tut mir übrigens leid. Ich bin kein besonders begnadeter Geschichtenerzähler. “ Und obwohl Hagrians Stimme eine Spur zu tief und dunkel war, seinen Sätzen die melodische Kontur fehlte und er die Geschichte viel kürzer hielt als nötig, genoss Ira den Klang seiner Stimme.

„Vor etwa hundert Generationen peinigte die Drachin Glowasil die Menschen im Regengebirge. Der Emir von Mirham war verzweifelt. Denn er hatte schon viele Männer in den Kampf geschickt und keiner war lebend zurückgekehrt. Niemand wollte sich dem feuerspuckenden Purpurwurm entgegenstellen. Einzig die Tochter eines Kaufmanns namens Arika hatte noch genug Mut. Der Emir stellte ihr ein Halbbanner als Bedeckung und sie brach ins Regengebirge auf. Und tatsächlich fand sie Glowasils Höhle. Dort grub sie ein Loch. Sie legte sich hinein und die Soldaten des Emirs bedeckten sie mit Dreck und Palmblättern. Die Soldaten verließen die Höhle und fielen schließlich der Drachin zum Opfer. Und als sie sich an den Männern sattgefressen hatte, kletterte Glowasil zurück in ihre Höhle. Arika hatte die ganze Zeit in ihrem Loch ausgeharrt. Und als der Purpurwurm genau darüber stand, rammte sie ihre Klinge in den Unterleib der Drachin und schlitzte ihr die Innereien auf, so dass sie verblutete.“

Hagrian hatte die ganze Zeit über ins Feuer gestarrt und mehr zu sich selbst als zu Ira gesprochen. Jetzt blickte er ihr in die Augen und es lag ein sorgenvoller, fast verlorener Ausdruck darin. Seine Hand wollte nach ihrer greifen, doch im letzten Moment, ließ er seinen Arm wieder zwischen seine Beine sinken, doch wenigstens seine Augen wendete er nicht von Ira ab.

Ira erkannte, dass auch einen Hauch Zuneigung in seinem Blick lag. Oder war es nur der Flackerschein des Lagerfeuers, der seinen Augen einen funkelnden Glanz gab?

„Arika ist einer der berühmtesten Drachentöter der aventurischen Geschichte, merkwürdig, dass du ihren Namen nicht kennst. – Andererseits – warum sollte man sowas auch wissen?“ Dann schwieg er eine Weile und blickte Ira in die Augen. Es lag tatsächlich und eindeutig Zuneigung darin. Mehr, als es vielleicht gut war – oder mehr, als es ihm bewusst war.

Wärme durchströmte Ira, die direkt aus seinen Augen zu kommen schien. Zu einer anderen Zeit an einem anderen Ort hätte sie Hagrian wahrscheinlich jetzt einfach geküsst, doch hielt die Nähe der anderen und die Gefahren ringsum sie davon ab. Und vor allem auch der beobachtende Blick des Hlutharswachter Barons. Vermutlich hatte deswegen auch er gezögert. Sie nahm es ihm nicht krumm – auch wenn sie liebend gerne von seiner Hand hätte berühren lassen.

Seine Frage freilich war ihr längst nicht mehr im Sinn. Diese war untergegangen in der Wohligkeit des Augenblicks, denn sie genoss es neben dem Geweihten zu sitzen. Und seine Aufmerksamkeit.

„Du meinst also die Herrin Loriann ist eine neue Arika? Das könnte sein. Wenn sie so lange in ihrem Erdloch ausharren kann, bis der Drache über ihr steht.“ Ira sah für den Moment noch einmal zu der Junkerin hinüber. „Aber wer sind dann wir in dieser Geschichte? Doch hoffentlich nicht die Männer des Emirs!“ Ihre sinnige Frage enthielt durchaus unterschwellig Angst, die sie mit einem leise Auflachen kaschierte, doch auch Tatendrang und eine reife Erkenntnis, die sie äußerte, während sie immer noch hinüberschaute: „Ich glaube, die Männer des Emirs wussten, dass sie sich möglicherweise für den Sieg opfern müssen. Wir tun im Grunde nichts anderes. Wir dienen ebenfalls der guten Sache.“ Sache. Ja. Ihr ursprüngliches Vorhaben fiel ihr wieder ein: „– Hör mal …!“ Ganz unvermittelt änderte sich ihr Tonfall und Ira drehte den Oberkörper zu ihm. „…warum haben wir bisher noch kein Wort miteinander gewechselt? Es ist doch so viel passiert! Mendena, unser Kampf im Rondratempel, Jost hat mich zum Ritter geschlagen, jetzt sind wir auch schon wieder einige Tage zusammen unterwegs und kämpfen miteinander, du warst im Schoß der Erde… Hat Gereon dir eigentlich ausgerichtet, für was ich kämpfe? …Du, du bist so still seitdem. Ich weiß nicht mal, wie es dir geht.“

Hagrian seufzte. „Ich sollte jetzt in Perricum sein. Mit meinen Glaubensbrüdern. Stattdessen bin ich hier… Und weiß nicht einmal mehr warum…. Inmitten der schwarzen Lande, wo niemand unsere Götter ehrt…“ er seufzte erneut. Jetzt nahm er doch ihre Hand und sein Blick wurde tiefer. Kein Verlangen, sondern die reine Zuneigung blitzte aus seinen Augen und Ira war es, als würde seine harte Stimme einen kurzen Moment weicher: „Ich bin froh, dass du die Hölle von Mendena überlebt hast. Wirklich. Das bin ich. Nichts habe ich mir mehr gewünscht.“ Er machte eine kurze Pause: „Aber ich, ich hätte dort sterben sollen.“

Er spürte, wie sie sich verkrampfte, wie in ihre Augen bei seinen Worten Panik aufblitzte.

Seine Hand drückte ihre, weder zart noch hart, sondern einfach so, als wäre die ihre schon ein Teil der seinen. Sein Blick glitt wieder zu den Flammen und Ira wusste nicht, ob er noch zu ihr sprach oder eher zu sich selbst: „Doch meine Herrin Rondra hat mir das Leben gelassen. Hält sie mich für unwürdig oder hat sie mir einen anderen Weg bestimmt?“

Verschiedene Antworten gingen Ira durch den Kopf. Spontan warf sie, sehr egoistisch, einen stummen Dank an die Leuin in den Himmel.

„Warum solltest du unwürdig sein? Du hast ihren Tempel befreit!! Ich war dabei, ich hab gesehen, wie du dich und dein Leben gegeben hättest, aber wir haben es auch so geschafft. Bevor diese verdammten scheiß Drecksweib--.“ Huch, da hatte sie sich wohl gerade gehen lassen. Sich bewusst, dass sie eben laut geworden war und dass ihr Schimpfwort auch andere am Feuer gehört hatten, die jetzt zu ihr hinsahen, senkte sie die Stimme wieder und fuhr gemäßigt und leiser fort. „…Bevor die Gefallenen aus dir ein Opfer für die dunkle Widersacherin machen konnten! Ich hätte das nicht zugelassen. Und Jost ebenso wenig, auch wenn --.“ Wieder biss sie sich auf die Lippen und ihr Blick huschte kurz zu dem jungen Baron hinüber. Verdammt, sie musste wirklich aufpassen, was sie da von sich gab, fiel es ihr auf. „…Auch wenn er dir damit vielleicht das Schlachtfeld streitig gemacht hätte, ich meine, Tempelboden fällt schließlich in die Zuständigkeit von euch Priestern, nicht von uns Rittern.“ Uns Rittern. Das klang seltsam.

„Ich weiß, warum du hier bist. Und warum ich es bin, und Jost und der Baron von Rabenstein und die Magistra und die anderen.“

Fragend sah er sie an.

„Wir erfüllen einen Auftrag. Und zwar den, dass wir dafür sorgen, dass die Junkerin Loriann dort ankommt, wo sie ankommen soll. Wir geben ihr Geleit. Freundschaftliches. – Zwölfgöttliches, wenn du’s so sehen willst.“ Fügte sie noch hinzu, um es ihm deutlicher zu machen. „Damit sie ihrerseits ihren Auftrag erfüllen kann, den sie für das Reich und die Befreiung Tobriens tut, und damit auch für die, naja,…die göttliche Ordnung!“ Ira seufzte, suchte in seinem Gesicht nach Zustimmung.

Doch war es weiterhin Unverständnis, das aus seinen Zügen sprach.

Sie wandte dann erneut den Blick ab von ihm und dorthin, wo die Gratenfelser Junkerin sich zum Schlafen in ihre Decke gehüllt hatte. Wie ein Häufchen Elend lag die Frau dort, die Beine angewinkelt, die Decke bis zum Kinn hochgezogen, die Augen aber starrten in die Flammen. „Darum beneide ich sie wirklich nicht. Und ich weiß nicht, ob ICH es tun könnte.“ Murmelte sie, während sie hinübersah. Sie blickte dann wieder auf, entschlossen, dem Geweihten zurück zur Sinnhaftigkeit zu verhelfen. „Ich wüsste ehrlich gesagt niemanden, den ich mir für diese Reise besser vorstellen könnte, als dich. Also nicht, weil wir…naja, du weißt schon.“ Im Feuerschein röteten sich bei diesen Worten ihre Wangen. „Sondern weil die Herrin Loriann Leute mit HERZ an ihrer Seite braucht. WIR kehren schließlich wieder zurück in die Nordmarken, SIE aber muss hierbleiben, und wer weiß, wie lange. Würdest du dann bei diesem, naja, schweren Gang nicht auch lieber Kameraden an deiner Seite haben, die etwas wehrhafter sind als die Diener des Praios, ein bisschen weniger nervig als die Diener Peraines oder Hesindes und allemal gesprächiger sind als die Diener Borons?“ Ira schenkte Hagrian ein Lächeln und griff nun ihrerseits nach seiner Hand, die ihre hielt.

„Ira.“ Strenge klang aus seiner Stimme, wenngleich weiterhin vertrauliche Nähe daraus sprach: „Deine Wortwahl.“

„Entschuldige.“

Hagrians Daumen strich einmal sanft über ihre Knöchel. „Ich bin nicht mitgekommen, weil ich ein brauchbarer Reisebegleiter bin.“ Ihr Schwertvater hatte ihr scheinbar völlig unzureichend Rondras Tugenden vermittelt. „Du weißt sicher, dass für meine Kirche der Kampf stets im Mittelpunkt steht. Unsere Ehre!?“

„Ich kenne die heiligen Gebote Rondras!“ erwiderte ihm Ira und zog ein wenig die Stirn kraus, weil sie sich durch seine Bemerkung ungerecht behandelt fühlte.

„Sie zu kennen, bedeutet nicht sie zu verstehen! Denn nicht jeder Kampf, ist ein Kampf mit Waffen. Mitunter, Ira, tragen wir die schwierigsten Kämpfe gänzlich ohne Waffen aus. Herausforderungen für unsere Haltung, unsere Fähigkeiten oder – unseren Glauben, können“ und erneut seufzte er, „mehr an uns zerren als es mancher Klingenkampf vermag. Daher bin ich hier. Ich sehe diese Reise als Herausforderung. Eine, die ich nicht mit meiner Waffe austragen kann.“

Ihre Stirn blieb faltig.

„Du hast von deinem Schwertvater gelernt, in Formation zu kämpfen. Ich selbst habe erlebt, wie effektiv euer Kampf sein kann. Doch du weißt auch, ich sehe diese Fokussierung deines Schwertvaters kritisch. Weißt du auch, warum ich das tue?“

„Du meinst bestimmt: ‚Du sollst nicht fechten zu zweit noch zu dritt noch zu mehreren gegen einen einzelnen‘, weil das unehrenhaft ist? Das wissen wir! Und wir würden so normalerweise ja auch nicht gegen Einzelne vorgehen, weil wir wissen, dass das gegen die Gebote ist – Ich dachte, das weißt du.“

Er schüttelte langsam den Kopf: „Nein, Ira, das meinte ich nicht. Ich meinte, dass deine Ehre, deine Würde als Mensch auf so viel mehr fußt als auf dem Kampf mit Schwertern. Und dass du nicht vergessen solltest, dass du, auch wenn du im Kampf Teil einer Einheit bist, dennoch allein für deine Ehre verantwortlich bleibst. Denn nur du allein, Ira, du allein -wenn du tief in dich hörst- weißt, wie es um deine Ehre steht. Wie es darum steht, wie achtenswürdig du als Mensch bist. Denn das, was du nach außen trägst ist nur eine winzige Facette deines Seins. Das, was du in dir trägst, deine Gedanken, deine Gefühle. All die Gründe, die dich antreiben etwas zu tun. Nicht die Gründe, die du vorgibst. Die Gründe, die du tief in dir verbirgst, sie sind es, die deine Ehre ausmachen. Die deine Würde ausmachen – und den Wert deiner unsterblichen Seele. Und die nur du ALLEIN ergründen kannst.“ Dann starrte er wieder ins Feuer. Gedankenverloren.

Hagrians Worte hatten mehr Fragen in Ira aufgeworfen, denn geholfen, die bisherigen zu klären, hatten sie nicht. Ira besaß auch das Gefühl, dass der Geweihte gar nicht mehr über die Junkerin Loriann sprach, sondern dass er seine Predigt Ira widmete. Warum auch immer. Die Jungritterin verstand das nicht ganz und so blickte sie entsprechend verwirrt. Hatte er denn nicht verstanden, dass sie ihn aufbauen wollte, weil er gerade so niedergeschlagen gewesen war? Offensichtlich… nein. Oder wenn ja, dann besaß er die Gabe, es entweder bewusst zu übersehen oder ihr nicht zu zeigen, dass ihr Vorhaben Erfolg gehabt hatte. Bevor sie wieder etwas sagen wollte, atmete Ira zuerst durch, denn das letzte, was sie wollte, war Streit. Und seinen Ärger. Trotzdem musste sie ihm das eine noch sagen und dazu senkte sie ganz bewusst die Stimme, riss sich beim Riemen, konnte trotzdem nicht ganz sachlich bleiben:

„Du hast mich gefragt, was du hier tust. Ich sagte dir, wir erfüllen einen Auftrag. Egal, was du denkst, es ist einer! Und auch für uns anderen ist dieser eine Herausforderung! Du brauchst nicht glauben, dass jemand von uns gern hier in den Schwarzen Landen ist.“ Sie zog ihre Hand langsam unter seiner hervor, um ihm Zeit zu geben, ihr Vorhaben zu unterbinden. Sie wünschte sich, dass er das täte, während sie fortfuhr: „Ja, schön, wir sind freiwillig hier, naja, das heißt, wenn der Befehl des Herzogs ein Nein überhaupt akzeptiert hätte. Doch wie ich das mitbekommen habe, stehen Jost, der Baron von Rabenstein, die Magistra Caya und Otgar in der Schuld der Junkerin Loriann. Und als Männer und Frauen von Ehre haben sie sich bereiterklärt, die Junkerin nach Viereichen zu bringen, trotz der großen Gefahren hierzulande für Götterfürchtige wie uns. Da mich Jost gefragt hat, ob ich mitkomme und ich zusagte, gilt das auch für mich. Also ich verstehe nicht, was du meinst, wenn du mich auf meine Ehre ansprichst.“ Oder auch diese ganzen anderen Sachen. Warum? Weil sie es war, kamen ihre Worte nun auch etwas angefressen aus ihr heraus. In ihren Augen blitzte Widerstand und Trotz auf, aber nach wie vor die Suche nach Verständnis in ihm, und auch nach etwas mehr Harmonie.

Ihre Reaktion verwirrte ihn ein wenig. Er hatte versucht, ihr klar zu machen, was ihn bewogen hatte mit hierherzukommen. Ihr ein wenig klar zu machen, welcher innere Aufruhr ihn quälte. Weil er gehofft hatte, es interessiere sie, wie er sich fühlte. Wie verloren. Wie fehl am Platze. Wie sehr er sich zurücksehnte in die Nordmarken. Zurück an einen Ort, wo jeder seine Göttin kannte und respektierte.

Vermutlich hatte er wie so oft denselben Ton getroffen, in dem er predigte und daher hatte sie sich als Adressat seiner Worte empfunden. Und vermutlich war sie zu jung, um zu wissen, wann Menschen von sich selber sprachen. Oder - sie kannte ihn einfach nicht gut genug, um das alles aus seinen Worten herauszuhören.

Erneut seufzte er - Niemand kannte ihn gut. Die es getan hatten, waren tot. Gerade daher wollte er so sehr, dass sie verstand, dass er von SEINER Ehre gesprochen hatte. Von SEINER Seele und SEINER Würde.

Er schüttelte den Kopf und schaute ihr enttäuscht in die Augen, hob an zu sprechen, schüttelte aber nur erneut den Kopf. Er sollte ehrlich sein. Ehrlich mit ihr. Ehrlich mit sich selbst: „Ira. Ich habe doch nicht von DEINER Ehre gesprochen.“ Seine Hand lag auf seinem Bein. Bereit sich wieder mit der ihren zu vereinen. Wenn sie das wollte.

Eigentlich wollte sie weiterhin trotzköpfig sein und sich seine Rüge – denn als solches empfand sie seine Rede – nicht gefallen lassen. Sie wusste sehr gut, dass sie das nicht musste, denn sie hatte sich nichts zu schulden kommen lassen und fand sich deswegen so ungerecht behandelt. Im Gegenteil, sie hatte es ja nur gut gemeint mit IHM, ihm helfen wollen.

Hagrians Seufzen und der etwas hilflose Ausdruck in seinem Gesicht brachten etwas in ihr zum Schwingen, trotz des Ärgers, den sie im Moment empfand. Vielleicht war es die Art, wie er seine Verzweiflung trotz aller Stärke, die ihn ausmachte, sichtbar machte. Oder es war deswegen, weil sie ihn gern hatte. Irgendwie. Und trotzdem. Also fasste sie sich ein Herz und schob den Ärger von sich. „Aber es klang so.“ erwiderte sie ihm, während ihre Hand erneut nach der seinen griff. Sie wollte die Berührung als Zeichen, dass sie für ihn da sein wollte. Immer noch.

„Es tut mir leid, wenn ich dich falsch verstanden habe. Aber deine, hm, Predigt,… -- Egal.“ Ira wollte es gut sein lassen und drückte bestätigend seine Finger. Brauchte er eine Ablenkung? Sie wusste eine, doch diese war hier draußen keine Option. Ihre Sehnsucht stand ihr ins Gesicht geschrieben, als sie den Blick auf seine Lippen eine Weile zu lang hielt, bevor ihre Mundwinkel sich zu einem Schmunzeln formten.

„Weißt du, wo und wann mir Jost die Schwertleite gab? Auf dem Dach des Rondratempels! Du weißt ja, wie sehr ich diesen Moment gefürchtet habe, …aber dann war es ein erhabener Moment. Ich werde ihn nie mehr vergessen.“ Und vieles andere auch nicht. Sie sah lächelnd zu dem Baron von Hlutharswacht hinüber und nickte ihm zu, als sich ihre Blicke trafen und Josts ein fragender war. ‚Alles in Ordnung‘ sollte das heißen.

Die Junkerin ward mittlerweile eingeschlafen. Otgar kam mir Caya aus dem Dunkeln in den Feuerschein getreten. Er hielt mit Tar’anam Wache, und vor noch nicht langer Zeit hatte er die Maga geweckt, wohl, damit sie sich etwas ansehen konnte. Beide warfen nun einen prüfenden Blick in die Runde, aber es schien nichts von Wichtigkeit gewesen zu sein, denn die Magierin legte sich wieder hin und schloss die Augen. Der Baron von Rabenstein schnarchte leise im Schlaf. Auch die Pferde waren ruhig. Das Feuer prasselte still vor sich hin. Jost legte noch einmal etwas Holz nach und zog dann auch die Decke über sich und seinen Rücken. Er sah müde aus, aber auch so, als wolle er nicht schlafen solange Ira und Hagrian beieinandersaßen.

Dieser Idiot, dachte Ira still bei sich. Seine Kontrolle nervte sie. Sie hatte wirklich große Lust, etwas zu tun, nur, um ihm zu zeigen, dass sie es tun konnte. Und dass dabei nichts passierte, wovor er sich fürchten musste. Er glaubte doch wohl nicht ernsthaft, dass sie Hagrian von ihrem neuen Schmuckstück erzählte, oder? Ein wenig paranoid fand sie Jost ‚Kontrolle‘ schon.

Ira wandte sich wieder um und sah erst eine Weile auf das zärtliche Spiel ihrer Finger. "Ich… muss auch an andere Dinge sehr oft denken. ...Worte, die du gesagt hast. Über dich und Rondra, zum Beispiel!“ setzte sie schnell dazu, bevor er – wie sie selbst auch – an anderes dachte. „Du sagst zwar, dass du sie hier nicht spüren kannst. Der Witz ist aber…“ Sie musste schmunzeln, fand das aber selbst etwas unpassend, das merkte er. „…dass du für uns, die wir ja nur Gläubige sind, eine Art, hm, Halt bist, weil du eben ein Diener der Zwölf bist. Auch das ist ein Grund, warum du hier bist. Du lässt uns nicht verzweifeln. Ähm, verstehst du, was ich meine? Ich, ähm, naja kann das nicht so gut ausdrücken…“ Falls ihn das nicht wieder aufbaute, dann wusste Ira auch nicht mehr weiter. Obwohl…einen Grund hatte sie ihm noch nicht genannt. Aber vielleicht kam er ja selbst drauf.

Ja er verstand. Er zweifelte nicht nur daran, seiner Göttin Ansinnen richtig zu interpretieren. Nein, er musste gleichzeitig für die anderen der Priester sein, der fest im Glauben stand. Noch ein Dilemma. War er nämlich ehrlich, würde das die anderen unnötig entmutigen. Gab er vor, dem Glauben aufrecht zu folgen, ohne Zweifel, selbst in diesem dunklen Land, und würde ihre Moral stärken, war es eine Täuschung. Eine Unehrlichkeit.

Er schüttelte den Kopf. Alles reduzierte sich stets auf eine Frage. DIE Frage. Die ihn seit der Schlacht an der Tesralschlaufe umtrieb. Heiligte der Zweck die Mittel? Vor diesem Feldzug hätte er stets mit NEIN geantwortet. Mit NEIN, NIEMALS! Doch seitdem er sich nach der Schlacht an der Tesralschleife seine Göttin so nah gefühlt hatte, glaubte er nicht mehr, dass das ihr Wille war. Und in Mendena, wo er versucht hatte, sich dem neuen Weg zu öffnen, war er über das Ziel hinausgeschossen.

Dort hatte er erkannt, dass es ungleich schwieriger war, ein Leben unter diesem Leitspruch zu führen. Denn jede Entscheidung schloss stets ein, eine neue Grenze zu ziehen. Bis wohin man gehen wollte. Ab wann das Mittel nichts mehr heiligte. Wieviel man für einen Zweck opfern wollte. Und konnte.

Aber es war unfair, Ira mit in diese Überlegungen einzubeziehen. Das waren seine Zweifel - und sie hatte recht. ER war der Priester und ER musste stark sein, für die anderen. Er würde einfach schweigen, wenn die Zweifel an seinen Entscheidungen zu stark würden.

„Du hast Recht, meine Liebe, du hast recht.“ Und er führte kurz ihre Hand an seinen Mund und küsste ihre Fingerknöchelchen. Seine Körperspannung hatte sich abrupt geändert und er saß nun wieder etwas grader.

„Ich habe dir nicht von Arika erzählt, weil ich dir sagen wollte, dass die Junkerin von Reussenstein die neue Arika ist. Sondern weil ich dir sagen wollte, dass jeder von uns hier ein wenig von Arika in sich trägt. Sie, aber auch wir anderen. Wir alle sind hier in diesem schwarzen Land gelandet. So wie Arika einst in der Höhle des Purpurwurms. Wir alle müssen hier ausharren, obwohl um uns herum schreckliche Dinge passieren, die wir ansonsten niemals zulassen würden. Aber wir tun es. Weil wir alle wie Arika wissen, dass wir in unserem Erdloch bleiben müssen, bis wir unsere Waffe in den Wamst des Ungeheuers stoßen können. Und weil wir wissen, dass es dafür nur eine einzige Chance gibt.“ Seine Stimme war jetzt fest und hart, so wie Ira sie vor Mendena erlebt hatte. „Arika ist eine Heilige meiner Kirche, weil sie recht handelte. Und genau wie sie handeln wir auch recht. Und göttergefällig.“

Dann legte er seinen Arm um ihre Schultern und zog ihren Kopf an seine Brust. Wo sie ihn eingraben konnte, um seinen Geruch – ein wenig Schweiß, viel Erde und ein Hauch Lavendel – in sich aufzusaugen.

Die Jungritterin schloss nicht nur die Augen, sondern auch seine Umarmung, indem sie ihren eigenen Arm so weit um seinen breiten Oberkörper legte, wie es nur ging, und einfach die Nähe genoss, die er ihr anbot. Ein wenig war selbige wie eine Erlösung. Für andere gaben sie das untrügliche Bild zweier Menschen ab, die sich nahestanden, aber es störte Ira nicht. Sollten der Baron von Rabenstein, oder wie sie alle hießen, doch denken, was sie wollen.

Ihr Kinn sank sanft nach unten. Und schon bald merkte der Geweihte, dass sein Schützling eingeschlafen war.

Eine weitere Aufgabe

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Sildroyan hatte seinen Teil der Abmachung bereits eingehalten, so verlangten Ehre und Anstand dass die Gruppe um Loriann zu ihrem Wort stand. Einst, vor langer Zeit war es den Magiern der Al’Hani gelungen eine mächtige Wesenheit in einen Grabhügel einzusperren und das Land so vor ihrem Zorn zu beschützten. Fast ebenso lang haben die Druiden der Region einen zusätzlichen Bann auf den Hügel gelegt, der den Sterblichen den zufälligen Zugang verwehrte. Aus dieser Zeit stammte der Pakt der Beherrscher und Behüter mit dem Land. Sie die Behüter führten einmal im Götterlauf den Beherrscher zum Grabhügel, wo diese den Pakt mit dem Land erneuerten – wie wusste er jedoch nicht und mit den Toten war dieses Wissen begraben worden. Einen Tagesmarsch musste Otgar von Salmfang seine Gefährten an das gewiesene Ziel führen, einem Ort an dem der Druide bereits auf sie wartete. Dabei waren ihrer Verfolger vorerst vergessen, denn das Land schützte sie vor den Fähigkeiten ihrer niederhöllischen Häscher. Nachdem sie die Nacht an einem vom Druiden errichteten Lager verbracht hatten, führte Sildroyan sie am nächsten Morgen weiter ins Landesinnere, bis hin zu einer Art Schwelle. Sie zu passieren brachte dem Geweihten die Erkenntnis, dass hier etwas Böses weilte, während die Magierin deutlich nicht nur den Hass der Wesenheit, sondern auch die feindliche Einstellung der uralten Vegetation gegenüber den Menschen spürte. Ihre Rösser begannen glücklich und zufrieden zu grasen, als der Druide sie zum Portal im Hügel führte. Deutlich leistete das Gras widerstand, nur der Druide, Loriann und Hagrian waren nicht betroffen – denn Sumu war ihnen nahe. Caya von der Aue trat als erstes in das Hügelgrab ein. Ausfühlich studierte sie die Schriften auf dem Stein und fertigte sich eine Abschrift. Doch verstand sie als Kampfmagierin herzlich wenig von dem was sie sah, die Schrift war ihr unbekannt und selbst wenn sie frisch aus dem Schlaf gerissen einen Ignisphaero zu werfen vermochte, fühlte sie sich hier hilflos. Es blieb ihr nur die Hoffnung in der magischen Analyse ausreichend Erkenntnisse zu gewinnen. Ein enges Geflecht aus magischen Linien, gleich einem Netz und gespeist aus zwei Fäden die sich im Boden verloren – erdacht um Äonen zu halten, spannte sich über das Portal und trotzte mit letzter Kraft einer unermesslich mächtigen und hasserfüllen Wesenheit. Einige Zeit verging bis sie Verstand welch Wunderwerk hier mit Magie einst geschaffen wurde, dann konnte sie ergründen was zu tun war. Bevor sie allerdings erklärte was zu tun war, musste sie gemeinsam mit den anderen den Druiden davon überzeugen sich vorerst die Rolle des Beherrschers aufzubürden und an den nächsten Herrn des Turms zu übergeben. Dann wies sie ihm die sechs Punkte die er mit seinem Blut verbinden musste. Sofort erfüllte das Summen abertausender Bienen die kleine Höhle. Astral beobachtend sah Caya wie Kraft aus der unter ihnen liegenden Kraftlinie in das geschwächte Netz strömte, seine Waben Stück für Stück füllte und letztlich derart mächtig wurde das sich Caya geblendet abwenden musste. Zeit verging bis sie endlich wieder sehen konnte, Zeit in der ihre Häscher ein weiteres Mal angriffen. Neue Hetzer hatten sich gemeinsam mit einem Dutzend Reitern auf dem Kamm des sie umgebenden Tals versammelt. Im Galopp stürmten sie auf das Portal zu und würden niederreiten was ihnen in die Quere kam. Doch als auch sie die Schwelle überschritten passierte unglaubliches. Ruckartig blieben die Pferde stehen, sodass ihre Reiter nach vorn fliegend abstiegen und hart aufschlugen. Sofort griffen Ranken und Gras nach ihnen, zerrten an ihren Körpern und Augenblicke später gab es keine Spur mehr von ihnen. Den Dämonen erging es kaum besser, Eis kämpfte gegen Humus, und auch wenn anfänglich das Grün unter der Kälte verging war Sumu hier an diesem Ort stärker. Überwältig von der Macht des Humus vergingen die weißen Hetzer zu kühlem Nass.

Auch wenn sie zeitweilig geblendet wurde, war das Interesse der Magierin geweckt. Erstmals wollte sie jenseits ihrer bisherigen Grenzen etwas ergründen, so versprach sie dem Druiden anhand der Abschrift weitere Nachforschungen zu betreiben und diese mit ihm zu teilen. Anschließend machten sie sich wieder auf ihren Weg, eingedeckt mit den spärlichen Informationen die ihnen Sildroyan geben konnte – darunter ein mystischer Ort nahe Viereichen um dessen Zustand er gern wüsste.

Auf einsamen Pfaden

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Fast zwei Wochen hatte Otgar von Salmfang die Gruppe und ihre angewachsene Herde durch das Land geführt. Ein Land das teils menschenleer, urtümlich und wild vor ihnen lag, dabei hatte zu ihrer Freude die Pervertierung des Landes immer mehr nachgelassen. Dennoch musste sie mehrfach versprengten Truppen ausweichen, niemand sollte wissen das sie hier reisten. Um an diesem verlassenen Ort, so fern des Schoßes der zwölfgöttlichen Kirchen, ihnen allen ein wenig Sicherheit zu schenken, überzeugte Lucrann seine Ehrwürden davon zu jeder Rast und Pause eine kurze Messe zu halten. Es war fast Mitte Praios als sie die Grenze zum Reich des dunklen Herzogs erreichten. Ungehindert ließen die Grenzer sie passieren und stürzten Loriann noch tiefer in ihre Seelenpein. Als sie ihr Nachtlager aufschlugen wussten sie das Werwölfe außerhalb ihrer Sichtweite patrouillierten, ohne dass sie dieses Wissen beruhigte. Abseits der anderen ließ sich Loriann nieder, in ihre Gedanken vertieft und noch immer mit ihrer Entscheidung hadernd. Besorgt und mit dem guten Vorsatz Trost zu spenden versuchte sich Lucrann von Rabenstein vergebens bei der Ritterin.

Erstmals so tief im Feindesland wurden die nächtlichen Wachtposten Zeugen ungeahnter Erscheinungen. Als sie firunwärts von ihrer Position entferntes Rumpeln, Schwingungen im Boden und feine Lichtblitze wahrnahmen, Yol-Ghurmak lieferte ihnen einen ersten Vorgeschmack.

Die neue Baronin und der alte Hofgeweihte

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Dunkle tiefschwarze Wolken hingen am Himmel als sie am nächsten Morgen ihren Weg fortsetzten. Endlich wieder konnten sie auf der Straße reisen, deren Zustand für die Reisegruppe erstaunlich gut war. Als sie schließlich eine Hügelkuppe erklommen hatten, erhielten sie einen unvergesslichen Ausblick. Vor ihnen lag der Yslisee, sein einstiges blaues Funkeln war durch eine schwarze, Schwaden erzeugenden, Brühe getilgt. Ähnlich war es der einst strahlend weißen Stadt Ysila ergangen, als finstere Monstrosität von verödetem und totem Land umgeben war sie für das Leben auf immer verloren. Ebenfalls vor ihnen lag ihr Ziel Viereichen, unmittelbar in Sichtweite zu dieser Verderbtheit jedoch nicht von ihr befallen. Als Magierin konnte sich Caya die Gelegenheit nicht entgehen lassen und nutzte eine kurze Pause um einen magischen Blick auf das vor ihr liegende Land zu werfen. Mit entsetzten sah sie das der See aufs schwerste dämonisch verseucht wurde, während die Stadt selbst einer offenen Pforte in die Niederhöllen glich. Ähnlich, doch mächtiger, als eine Kraftlinie strömten unglaubliche Mengen an Kraft in die Stadt und den Grund auf dem sie errichtet wurde. Die Stadt selbst musste das Portal sein.

Nach ihrer Pause machten sie sich daran das letzte Wegstück, den Hügel hinunter, zurück zu legen. Sofort kam ihnen ein dreiköpfiges Begrüßungskomitee entgegen. Auf Hauptmann Blakhrik Befehl hin stiegen seine Begleiter ab und verneigten sich vor ihrer neuen Baronin, nur um sie gleich darauf in das Dorf zu eskortieren. Je näher sie dabei Viereichen kamen, desto deutlicher wurde das es sich um ein hübsches, kleines Dorf handelte – umringt von einer schützenden Mauer, mit einem gemauerten Sockel und einer aufgesetzten Palisade. Zügig eilten die Bewohner auf die Straßen um zugleich brav und neugierig ihrer neuen Herrin die Aufwartung zu machen, zumal ihr letzter Herr erst kürzlich bei einem Jagdausflug unglücklich ums Leben kam. Dann waren sie auch schon am neuen Heim der Reussensteinerin angelangt. Einem ausgebauten tobrischen Turm, mit dicken Mauern, Schmiede, Ställen, zusätzlichen Unterkünften und davor die versammelten Bediensteten. Auf den ersten Blick erkannte Lucrann die Haushofmeisterin Efferdane wieder, schon bei seinem letzten Besuch an diesem Hof – in einer Zeit vor Borbarad und seinen schwarzen Horden – hatte sie hier eine Anstellung gehabt. Dienstbeflissen sprang Blakhrik, kaum zu stehen gekommen, von seinem Pferd und bot seiner Herrin beim Absteigen Hilfe an. Streng beobachtet von Frenija von Ehrenstein, der Herzogengemahlin, stolz stand die blond gelockte Mitfünfzigerin mit Krallennarben im Gesicht auf dem Balkon und blickte auf die Ankömmlinge herab.

Persönlich übernahm Efferdane die Vorstellung der versammelten Burgbewohner, bis am Ende in eine rote Robe mit schwarzen Verzierungen und einem am oberen Ende brennenden Stab der Hofgeweihte begrüßte. Der Diener des feurigen Vaters, mit glühenden Kohlen anstelle von Augen, machte auch sogleich Anstalten seinen Segen zu spenden. Unwirsch lehnte Loriann dies ab und sorgte somit für erstes Getuschel.

Ihrer Pflicht als Haushofmeisterin nachkommend übernahm Efferdane eine erste Führung durch die Hallen, zeigte Loriann ihr neues Gemach und ihren Gästen die für sie gedachten Quartiere – außerhalb des dafür zu kleinen Turms. Anschließend kam die Reisegemeinschaft im großen Saal des Erdgeschoßes zusammen. In ihm eine große Tafel auf deren Stirnseite der Thron stand, Lorianns Thron. Für aufmerksame Beobachter war jedoch die Innenseite des Haupteingangs ein Quell der Hoffnung, von Innen eingelassen fand sich dort ein zweites hölzernes Portal aufwendig verziert mit Wolfsornamenten. Gut versteckt und dennoch präsent verbarg sich unter all diesen Wölfen auch die Gänseschar der gütigen Travia, wodurch ein Aufenthalt in diesen fremden Hallen vermutlich unter ihrem Segen stand. In diesem Ambiente wurde den Neuankömmlingen Brot und Salz gereicht, als Frenja von Ehrenstein von der Treppe herab ein vier Augen Gespräch mit Loriann einforderte. Das unentwegte Gestichel des Hofgeweihten brachte schließlich seine Ehrwürden dazu sich als Diener Rondras zu offenbaren, was der Paktierer prompt als mitgebrachtes Opfer auslegte. Während die Gäste eine stärkende Kraftbrühe und Loriann ein blutiges Steak verzehren, welches sie für den ersten Eindruck aufessen muss, kommt es auch weiterhin zu Stichellein des Hofgeweihten – bis Loriann diesem gewährte den Tisch verlassen zu dürfen. Nachdem sich die neue Baronin das ihr servierte Essen hinuntergezwungen hatte, erwartete sie bereits eine weitere Herausforderung. Im Gästezimmer ihres neuen Heims traf sie erstmals persönlich und unter vier Augen auf die Gattin ihres künftigen Liebhabers. Zu ihrer Überraschung möchte diese eine Zusammenarbeit. Die Zeichen der Zeit waren Frenja nicht entgangen, ihr war klar dass die Ansprüche ihres Gatten haltlos waren und so wollte sie ihr Heil in ersten Kontakten zu Herzog Bernfried suchen. Um diese Beziehung aufzubauen hatte sie auch sogleich einen Plan an der Hand, einen Plan bei dem ihr Loriann behilflich sein sollte. Eine Vereinbarung zwischen dem dunklen Herzog und Yol-Ghurmak nach werden sämtliche magischen Artefakte Transysiliens hier im Keller der Burg gesammelt und von einem Zug zu Balphemor von Punin gebracht. Diese Artefakte möchte die dunkle Herzogin lieber in den Händen Bernfrieds sehen und dafür sollen die Gefährten der neuen Baronin Sorge tragen. Doch die Zeit für ausgefeite Planungen ist knapp bemessen, da bereits in zwei Praiosläufen die Kisten abgeholt werden sollen.

Ihre neue Situation noch immer nicht gänzlich begreifend erscheint der Hofgeweihte des alten Barons nach dem Essen wieder im großen Saal. Angetan mit Säbel und Peitsche verlangte er nach seinem Opfer, den genauen Wortlaut nach ward ihm das versprochen. Die Sticheleien, ja die bloße Existenz dieses Frevlers nicht hinnehmen könnend stimmte Hagrian einen Duell vor der Tür zu. Ein Opfer wie der Diener des feurigen Vaters betonte. Kaum hatte der Geweihte die Türschwelle überschritten wickelte sich die Peitsche um seinen Hals und raubte ihm den Atem. Im engen Gedrängte konnte er seinen Rondrakamm nicht zum Einsatz bringen, durch zusätzliche Nähe sein Feind seine Waffe jedoch auch nicht. Sofort machten Lucrann von Rabenstein und Tar’anam das Gedränge an der Tür gänzlich unübersichtlich als sie versuchten dem Geweihten beizustehen. Ins Gewimmel stoßend verpasste der Rabensteiner sein Ziel knapp, während der Rickenhauser Edle gar seinen Verbündeten mit seinem Tuzakmesser Schaden zufügte. Irgendwie gelang es in der Enge dem Paktierer doch Wunden zu schlagen, sodass er im Todeskampf von seinem Herrn noch zusätzlich gestraft wurde. Immer mehr heizte sich sein Leib auf, bis seine Kleidung Feuer fing und Hagrian Verbrennungen zugefügt wurden. Erst jetzt konnte Caya ein Blick auf das Geschehen erhaschen. Sofort versuchte sie den sich erhitzenden Körper durch einen Cantus abzukühlen, doch die niederhöllische Macht war zu stark als das ihr Corpofrigo zu wirken vermochte. Nur wenige Augenblicke blieben bis Hagrian in den Tod und seine Seele mit in die Niederhöllen gerissen würde, da entfaltete ihr eilig auf den Geweihten nachgesetzter Paralysis starr wie Stein seine Wirkung. Unverwundbar für äußere Einflüsse überstand er die Explosion deren Hitze die Steine am Boden schmolz. Die Hitze des Bodes machte es unmöglich an den Rondra-Geweihten heran zu kommen, so nutzte Caya ihren zum Seil verwandelten Zauberstab und zog den noch immer versteinerten Schellenberg in den Saal.

Sofort wurde die Tafel freigemacht und frisches Wasser herbeigeschafft, während sich Caya von der Aue daran machte den sehr geschwächten Geweihten zu versorgen. Ihren Zauber fallen lassend trennte sie vorsichtig Rüstung und Kleidung vom verbrannten Fleisch. Sorgsam säuberte sie die Wunden, verband sie mit gebrachten Verbänden und nutzte abschließend noch einen Teil ihrer astralen Kraft um den Diener der Leuin bald möglichst wieder auf den Beinen zu sehen.

Von ihrem Wissen um die Kunst des Herrschens zehrend, gab sie während ihrer Behandlung Loriann zwei Ratschläge: Als Erstes müsste sie verkünden lassen, dass der ehemalige Hofgeweihte sich ungebührlich verhalten hatte und seiner gerechten Strafe zugeführt wurde. Was auch durch Blakhrik umgesetzt wurde, die Sorgen der Bewohner jedoch nicht gänzlich tilgen konnte. Als Zweites riet sie ihr dazu, sofort ihre Suche nach einem neuen Hofgeweihten bekannt zu geben – ein Diener der Zwölfe wäre für ihr Seelenheil sicherlich die bevorzugte Wahl, doch sollte sie sich den lokalen Gepflogenheiten folgend nach einem geeigneten Erdpriester umhören.