Feldzug Rabenmark, Kapitel 14: Die Schlacht von Rotenzenn

Die Schlacht von Rotenzenn

Die Schlacht von Rotenzenn

Tiefdunkle, ja fast schwarze Wolken zogen am Himmel auf, als das Heer der Nordmärker an jenem 20. Rondra die Grenze von Tälerort im Rahja nach Rotenzenn überschritt und ein jeder ahnte, dass dies Wetter keinen natürlichen Ursprung hatte. Der hellige Tag wurde selbst zur Mittagsstunde in düsteres Zwielicht getaucht. Ein schlechtes Omen, vermochte doch Praios Licht nicht zu ihnen, den vermeintlich aufrechten, göttergefälligen Streitern durchzudringen. Zu allem Überfluss setzte zur Traviastunde Regen ein, der die Stimmung im Heerzug noch einmal fallen ließ. Viele hatten Angst, waren gereizt oder in sich gekehrt.
Zur Stunde des Weißen Mannes vom Berg erreichte man die Burgruine, den Unterschlupf der Drachenritter und ihrer Mordbrennern inmitten einer kargen Fläche ohne größere Bewaldung. Zu sehen war von ihr jedoch nur die Spitze des halb eingestürzten Bergfrieds. Der Rest der alten Veste lag im dichten Nebel verborgen. Der Boden war aufgrund des beständigen Regens inzwischen teilweise morastig, vor allem abseits der Wege. Alles war ruhig, nichts schien sich zu regen, doch niemand traute diesem trügerischen Frieden. Die dichte Wolkendecke, der ungewöhnlich dichte Nebel, all dies war kein Zufall. Nein, die Nordmärker wurden erwartet und ihr Gegner war sich seiner Sache so sicher, dass er nicht geflohen war, sondern es auf eine Konfrontation in seinem Terrain ankommen ließ.
Langsam rückten einzelne Heeresteile vor, wobei man stets versuchte in Sichtweite zu bleiben, was bei den scheinbar wabernden Nebelbänken einem Glücksspiel glich. Der Reiterei wurde der vermeintlich befestigte Weg zur Burgruine freigehalten, Fußvolk und Söldner marschierten über die Wiesen und setzten zu einer Zangenbewegung an.
Die Burg besaß laut Informationen der Heermeisterin und des Führungsstabs über keine intakte Wehrmauer und so musste man wohl keine Sturmleitern oder schweres Gerät, welches die Nordmärker ohnehin nicht dabei hatten, ins Feld führen.
Und dann kehrte das Grauen, dass so viele der Mitglieder des Heerzuges seit der Schlacht um die Talbruck Nacht für Nacht plagte zurück. Untote Skelette erhoben sich zu vielen Dutzenden aus dem Boden, gruben sich frei und griffen die Nordmärker, die bereits auf die Burgruine vorgerückt waren von vorne, von hinten und sogar aus der Mitte ihren eigenen Reihen an. Zeitgleich begannen Sehnen zu knallen. Die Burginsassen brauchten sich keine Sorge machen eigene Leute zu töten, denn das waren sie ja bereits. Ohne ein wirkliches Ziel anvisieren zu können wegen dem Nebel, schossen sie dorthin, wo Kampfeslärm entstand und Schreckensrufe zu vernehmen waren. Und bei der schieren Masse der Schützen fanden einige der tödlichen Geschosse ihr Ziel.

Nun war die Zeit des Zögerns vorbei. Die Nordmärker ließen die Hörner zum Angriff blasen und die Reiterei setzte sich in bewegung, dicht gefolgt vom schweren Fußvolk, die nun auf dem Weg der Ruine entgegenstrebten. Auch um sie flogen alsbald Bolzen, waren die schweren Hufe doch als Donner, ebenso wie das Scheppern von Rüstungen, weit zu hören.
Der Angriff auf den Schlachtrössern kam jedoch alsbald ins stocken, den der Weg war etwa fünfzig Schritt vor den Mauern der Ruine plötzlich stark morastig. Die Beine der schweren Tiere sackten ein, fast wäre die erste Angriffsreihe, man ritt in einer Linie zu viert nebeneinander, ins straucheln geraten, doch die erfahrenen Reiter hielten ihre Rösser unter Kontrolle. Was aber nicht verhindert werden konnte war, dass die weiteren Reihen aufliefen. Alle wurden sie langsamen, man hatte mühe die Tiere in Bewegung zu halten.
Dann kamen die Dämonenfratzen. Gleich zwei Stück der fliegenden Abscheulichkeiten, die die Nordmärker schon von der Schlacht um die Talbruck kannten, flogen von den Seiten auf die Reiterei zu und versetzten die Pferde in Aufruhr oder gar in Panik. Kopflos verließen einige die Reihen und suchten ihr heil in der Flucht. Die überforderten Reiter konnten nur versuchen sich auf den Tieren zu halten. Und wäre dies alles nicht schon genug, hörten die Nordmärker nun von vorne ein Fauchen, dass nichts gutes verhieß. Auf ihren absonderlichen drei stämmigen Beinpaaren näherten sich die gefürchteten Tatzelwürmer. Auf ihnen saßen jeweils ein Drachenritter mit gesenkter Kriegslanze.
Die stinkenden Bestien mochten noch weit aus schwerer sein, als die Schlachtrösser, aber sie waren gleichzeitig auch bedeutend Stärker und verteilten ihr Gewicht auf mehr Füße. Und so setzten die gerade einmal vier Tatzelwürmer der durch die Bragu ohnehin schon dezimierte Ritterschaft der Angreifer stark zu.
Dies war die Stunde der Golgariten, die den Heerzug seit Altzoll begleiteten. Ihre Feder griff nun ins Schlachtgeschehen ein und attackierte gezielt die Dämonen aus der Domäne der Widersacherin ihres Gottes mit geweihten Rabenschnäbeln an, um sie unschädlich zu machen. Ihr agieren war es, dass dafür sorgte, dass der Angriff der nordmärkischen Reiter nicht vollständig zum erliegen kam. Es waren Ritter in der zumindest noch bescheidenen Stärke zweier Lanzen, weniger als die Hälfte der vormals aufgebrochenen, die den Weg zur Ruine fortsetzen konnten, nachdem die Tatzelwürmer unter starken Verlusten niedergerunden worden waren. Dies wiederum, der entgültige Vorstoß zur Burg, zwang den eigentlichen Feind nun endlich dazu das Schlachtfeld zu betreten. Die Drachengardisten stellten sich den Nordmärkern in fast identischer Kopfzahl hoch zu Ross.
Ein Bersten und ein Brechen war zu hören, als Kriegslanzen auf beiden Seiten ihr Ziel fanden und viele Zentner schwere, gepanzerte Pferdeleiber samt ihren gerüsteter Reitern aufeinanderprallen.

Unterdessen wogte die zweite, nun zahlenmäßig bedeutend größere Welle der Nordmärker über die Flanken auf die Burgruine zu, nachdem die ersten Einheiten durch die Untoten aufgehalten und wegen starker Verluste zurückbeordert worden waren.
Das Abtasten war vorbei. Man wusste, was einen erwartet. Begleitet von Fußtruppen mit Spießen und schweren Hiebwaffen, wie Streitkolben oder Hämmern, die vor allem die Zwerge ins Feld führten und bei den Untoten die beste Wirkung erzielten, griffen nahezu alle verbleibenden Lanzen der Ritterschaft an.
Der Albtraum erreichte die Nordmärker mitten auf den Wiesen vor der Burgruine- auf halben Weg, als gefallene Kameraden, teilweise mit großen, blutenden Wunden, grotesk verzerrten Mienen und zum Teil fehlenden Gliedmaßen sich ihnen entgegenstellten, um die Reihen der Lebenden und Untoten zu verstärkten, die sie zu überwinden hatten.
Zahlreich griffen nun auch Menschen auf der Seite der Drachengardisten ins Kampfgeschehen ein. Doch es waren keine Krieger oder gar Ritter. Mordbrenner und Menschenjäger, angetan in erbeutete Rüstungen und mit schartigen Waffen aller Gattungen erwehrten sie sich ihrer Haut. Es war ein wildes Gehaue und Gesteche.

Unter den Angreifern zu Pferd, die die vorrückenden Fusstruppen unterstützten, war auch die junge, nordmärkische Ritterin Leonora von Heiternacht. Aus zweiter Reihe beobachtete sie ebenso wie die anderen Mitglieder ihrer Lanze das Geschehen an der vor ihnen liegenden Kampflinie ihrer Flanke.
Die aus acht Gerüsteten bestehende Gruppe zu Ross war im Falle des Auftauchens von berittenen Verteidigern dazu abgestellt sofort einzugreifen. Bis dahin aber waren sie mehr oder minder stille Reserve, ein Luxus, den man sich nur dank der zahlenmäßigen Übermacht leisten konnte und wohl auch der Tatsache geschuldet war, dass der Gegner eine kaum nennenswerte Anzahl an berittenen Streiter besaß.
Die Ritterschaft weiter zurückzuhalten, sie nicht aufs Schlachtfeld zu schicken, hätte jedoch ein großes Risiko bedeutet, da man im dichten Nebel kaum hätte rechtzeitig auf Ausfälle der Verteidiger hätte reagieren können.
Vereinzelnd waren Untote durch die Linien gebrochen, oder hatten sie umlaufen, waren zu den Rittern durchgekommen, doch die vom Pferderücken geführten Reiterhämmer hatten ihre Nützlichkeit in diesen eher wenigen Fällen zur Genüge bewiesen. Leonora konnte sich jedenfalls nicht beschweren, bisher waren sie glimpflich davongekommen.
In Anbetracht des Umstandes, dass der Blick der Sturmherrin in diesen Stunden ohne Zweifel auf dem Schlachtfeld lag, wollte sich die Heiternachterin gerade innerlich selbst schelten, als zu ihrer Linken Schreie ertönten.
Im Schutze einer Nebelbank waren weitere Untote gekommen, die Linien der Verteidiger zu verstärken. Dies allein jedoch war nicht der ausschlaggebende Grund der zum Teil panischen Rufe. Es war dieses eine, kolossale Skelett mit einer großen Keule in Händen, die die Nordmärker in Angst und Schrecken versetzte. Es war ein untoter Oger.
Schnell war das Ungetüm mit großen Schritten heran und brachte die Linie der Angreifer mit zwei, drei gewaltigen Schwingern seiner Keule durcheinander. Knochen brachen, Leiber wurden zum Teil schrittweit weggeschleudert und blieben leblos liegen.
Die Reiter links und rechts von Leonora setzten sich derart alarmiert in Bewegung. Das riesige Skelett war ohne nennenswerten Widerstand durchgebrochen. Niemand stand mehr zwischen dem Oger und ihnen.
Im selben Moment, da die junge Ritterin ihr eigenen Pferd in Bewegung setzen wollte mähte das Ungetüm einen allzu verwegenen Nordmärker, der ihn alleine angriff um. Der erste Hieb hätte vermutlich schon gereicht den Fußsoldaten kampfunfähig zu machen, der zweite jedoch fegte den Streitkolben des des Mannes im hohen Bogen aus dessen Hand.
Reflexartig hob Leonora ihren Schild gerade noch rechtzeitig, denn keinen Herzschlag später hämmerte die Hiebwaffe gegen ihre Wehr. Die Wucht des Aufpralls war so groß, dass sie mühe hatte sich im Sattel zu halten. Ihr Pferd wurde unruhig und machte anstalten zu steigen. Leonora geriet in Rücklage und konnte sich dank eines wahren Kraftaktes nach vorn werfen, um auf dem Rücken ihres Reittieres zu bleiben. Ein Schmerz durchzuckte ihren Rücken, doch den nahm die Ritterin kaum war, denn das Ogerskelett war heran. Kalte Angst griff nach Leonora, denn sie stand dem Oger allein gegenüber, was sie zweifellos zum Ziel des nächsten Angriffs machte. Auch ihr Pferd hatte diesen Umstand erkannt und drehte ab, um sich möglichst weit vor der Gefahr zu entfernen - was wiederum mit dem Pflichtgefühl der jungen Ritterin kollidierte.
Kurzum, Leonora verhinderte mit Müh und Not, dass ihr Tier davonstob, ohne es aber recht unter Kontrolle zu bringen. In seiner Panik trat das Pferd nach hinten aus und traf den Oger derart wuchtig am Becken, dass die Knochen barsten. Die Heiternachterin wurde durch das unvermittelte Auskeilen ihres Reittieres nach vorne gegen den Pferdehals geworfen. Dies verhinderte, dass die Ritterin von der Ogerkeule zermalmt wurde - sie spürte nur den Luftzug im Nacken, als die Waffe knapp an ihr vorbei wuchtig auf den Pferderücken niederging. Elendig schreiend brach das Tier in den Hinterläufen ein. Leonora rutschte unversehens vom Pferd herunter und saß mit ihrem Hintern im Morast, während das Tier noch einen Satz nach vorne machte und dann zusammenbrach. Nach einem Moment des Schreckens drehte sich die junge Kriegerin zur Seite, um sich mit allen Vieren aufzurappeln. Da sah sie aus den Augenwinkeln einen Schatten auf sich zukommen und drückte sich bäuchlings in den Morast. Ein weiteres Mal spürte sie den Luftzug, aber nicht die Waffe selbst, die sie knapp verfehlte.
Als sie den Kopf wieder anhob, sah sie den Oger unmittelbar vor sich. Er war deutlich kürzer als vorher: sein geborstenes Becken steckte im schlammigen Untergrund, von den Beinen war nichts zu sehen. Der Untote hielt den Oberkörper mit einem Arm aufrecht, während der andere Arm noch immer wild, jedoch wenig zielgenau mit der Keule nach der Ritterin schlug. Dämonisch grinste sie der Ogerschädel an, als die Waffe knapp vor ihrem Gesicht in den Boden schlug. Einem Impuls folgend, spannte sie Arme und Beine an und rappelte sich auf, auf ihren Gegner zu. Sie warf sich gegen das Ellenbogelenk des stützenden Arms. Hart prallten die Schulterplatten ihrer Rüstung gegen den Ogerknochen, doch ohne etwas auszurichten zu können. Der Aufprall fuhr ihr durch Mark und Bein, ächzend sank sie an dem Arm herab. Ein drittes Mal sah sie die Keule heranfliegen, duckte sich weg - als das Ogerskelett die Keule gegen seinen eigenen Arm schlug! Das Gelenk barst. Seiner Stütze beraubt, landete der Oberkörper des Ogers schwer auf der Seite.
Diesmal gelang es Leonora aufzustehen. Sie atmete schwer, schob ihr Erstaunen über diese skurrile und für sie glückliche Abfolge von Zufällen zur Seite, die sie wundersamerweise am Leben gehalten hatten und warf ihren Schild fort. Stattdessen zog sie ihren Anderthalbhänder und schlug dem Ogerskelett mit einem Hieb, der kaum zu verfehlen war, den Schädel vom Leib. Das Gerippe fiel in sich zusammen.
Neben ihr brandete Jubel auf - zuerst aus einer Kehle, dann aus weiteren. Die Heiternachterin war sich nicht bewusst gewesen, dass ihr Kampf Zuschauer gehabt hatte - ihre Welt hatte sich auf den Oger und sie selbst reduziert.
Ein krachender Hieb war zu hören, gefolgt vom Bersten eines Knochens. Beflügelt davon, dass selbst das gigantische Ogerskelett zu besiegen war, gingen die Nordmärker in Leonoras Abschnitt beherzter gegen ihre Feinde - untot oder lebendig - vor. Ein weiteres Mal in diesem Feldzug unversehens zur Fußkämpferin geworden, gehörte die Ritterin zu jenen, welche zu einem späteren Zeitpunkt der Schlacht die Burgruine erstürmten und eroberten.

Es war an diesem Punkt der Schlacht, da noch keine der beiden Seiten eine eindeutige Übermacht hatte erringen können, da Isminara von Grangor, eine in ihrem früheren Leben begabte Illusionistin und Geisterbeschwörerin, mit der Invokation eines Oboraddon, eines Sechsgehörnten begann, um den Verlauf der Schlacht zu ihren Gunsten zu wenden.
Ihr ewiger Kontrahent in den eigenen Reihen jedoch Zolthan- genannt der ‘ewig Rastlose’, sah da bereits keine Chance mehr die Schlacht zu gewinnen, vielmehr aber die Gelegenheit sich endlich an Isminara zu Rächen, dafür, dass sie ihn stets unterdrückt und mit ihrer Magie beherrscht hatte, wannimmer er versuchte sie zu übertölpeln.
Inmitten der Schlacht stieg Zolthan erfüllt von Hass auf den Bergfried und rief durch die Gabe seines 'Gottes' nach seinem Reittier, einem Karakil, der wenig später auf der Spitze des Turmes landete und dabei einige Steine des halb eingestürzten Turmes mit lautem Getöse in die Tiefe beförderte.
Auf seinem Rücken stieß der Lolgramoth- Paktierer kurz darauf hinab auf den Burginnenhof, wo Isminara bereits dabei war das Ritual, die Anrufung Thargunitoths zu beenden. Schon waberte grünlicher Nebel innerhalb des Siebensterns, es zeigte sich die groteske Figur eines nur grob menschliches Scheusals mit massigem Buckel aus dem diverse Hörner ragten darin, als der Karakil unter den Ritualhelfern landete, schon beim Aufsetzen zwei von ihnen unter sich begrub und dann Isminara ohne Vorwarnung einfach den Kopf abbiss.
Die Nordmärker bekamen unterdessen von den Kämpfen in den Reihen ihrer Feinde nur am Rande etwas mit. Die Ankunft der wohlbekannten, geflügelten Schlange konnte bei untergehenden Sonne noch als Schemen wahrgenommen werden, ebenso das sie ins Innere der Burg herabstieß. Die schreckenserfüllten Schreie, die darauf folgten, gingen im allgemeinen Schlachtenchaos unter.

Am Ende war es neben dem Verrat in den Reihen des Feindes, von dem die Nordmärker indes nichts konkretes wussten, vor allem die schiere, zahlenmäßigen Übermacht der Angreifer, die die Waage zu ihren Gunsten ausschlagen ließ.
Bis zum Sieg, der vollständig war, denn kaum ein Burginsasse blieb am Leben, vergingen mehrere Kerzenlängen, so dass es bereits tiefste Nacht war, als die Nordmärker die feindliche Stellung eingenommen hatten und daran gehen konnten Verletzte zu bergen, die auf dem Schlachtfeld verteilt lagen, aber auch Blutwerk zu verrichten und die überlebenden Feinde zu richten. Ein Makel jedoch lag über der gewonnenen Schlacht. Der Karakil nebst seinem Reiter war geflohen.
Die eigenen Verluste der Nordmärker und ihrer Verbündeten waren ebenfalls groß, größer als man es bei der Gegenüberstellung der Truppenstärken hätte erwarten sollen. Die Drachengardisten und ihre verderbten Gefolgsleute aber hatten im eigenen Terrain gekämpft und den Angreifern so die Regeln des Kampfes diktiert, so dass es am Ende ein teuer erkaufter Sieg war.

Die ersten sich im Heerzug und Tross verbreiteten Berichte von den Heldentaten der heutigen Schlacht aber bereiteten den Boden für die bei den Überlebenden einsetzenden Freude über den zunächst bitter schmeckenden Sieg.
Unter den heroischen Geschichten war auch jede von einer jungen, unbekannten Ritterin, die sich alleine einem gigantischen Ogerskelett gestellt und ihn besiegt habe. Geschichten von einem angeblich tollkühnen Reit- und von mehreren waghalsigen Ausweichmanövern, von einem Ringkampf mit dem Oger, und wie dieser schließlich mit einem einzigen Streich enthauptet worden sei.
Leonora hingegen waren die Geschichten überaus unangenehm, fast mehr noch aber genierte sie sich für die ganzen Schulterklopfer und Zusprüche, die sie in der Folgezeit erhielt. Alle Versuche, die Geschichte richtigzustellen, wurden ihr als falsche Bescheidenheit ausgelegt. Doch sie wusste es besser, schließlich hatte sie es erlebt, hatte dabei das gefühlt, was sie gefühlt hatte, und hielt sich ganz und gar nicht für eine Heldin.

Ein zufriedener Beobachter

Etwa zur gleichen Zeit, da das Gemetzel sein Ende fand, lehnte sich ein hagerer, glatzköpfiger Mann in seinem Palast im fernen Yol’Ghurmak zufrieden lächelnd zurück auf seinem thronartigen Stuhl. Er entließ den Gotongi aus seinem Dienst. Durch sein Auge hatte er gesehen, was es zu sehen galt. Mit seinem verbliebenen Auge blickte Therengar di Dhargun auf die beiden Gestalten vor ihm. Ein ergrauter und kräftiger Mann trug die wohl gepflegte Plattenrüstung der Drachengarde. Neben ihm stand das Skelett einer Frau, die ebenso gerüstet war. Ihre Rangabzeichen offenbarten, dass sie einst Hauptfrau in der Garde gewesen sein musste.

“Wohl an, ich versprach es Dir und es ist geschehen. Isminaras Versagen hat Dich einst getötet, meine treue Dienerin. Die Schuld meiner einstigen Schülerin war auch die meine, nun ist sie getilgt.” Fast schien es, als würde das Skelett sich vor dem Magier verbeugen. Dieser deutete mit seiner skelettierten Rechten auf den Lebenden. “Du hast es gut gemacht, Sturmfels. Deine alten Gefährten haben so gehandelt, wie sie es sollten. Es konnte geborgen werden, was wohl verborgen war.” Er winkte eine Leichnam in einem äußert eleganten Livree herbei, der ein Tablett mit einer Flasche aus Kristalll trug. “Dies ist ein kleines Zeichen meiner Wertschätzung.” Der Drachengardist nahm die kristallene Flasche dankbar entgegen. Theriak bester Güter, sein Herr war wahrhaft großzügig. Diese würde den Verfall und die Sieche weiter aufhalten.

“Eines noch, ehe ich Euch für heute entlasse. Dieser Zolthan hat Diener der Präzentora der Heulenden Finsternis hintergangen. Berechnbar, äußerst berechnbar, kennen diese rastlosen doch keine Treue. Auch wenn Isminara es verdiente, wir können nicht dulden, dass so ein verhalten ungesühnt bleibt. Setzt ein Kopfgeld auf ihn aus.”