Feldzug Rabenmark, Kapitel 6: Rommilys bis Gallys

Rommilys bis Gallys

Entlang des Ochsenwassers

Die Region des Ochsenwassers war wohl mit am unbeschadesten durch all die Wirren seit der Rückkehr des Bethaniers gekommen. Während nach der Auflösung des Fürstentums Darpatiens in der Wildermark viele Strukturen zusammenbrachen, blieb die Ordnung in der Traviamark stets erhalten und der dort ansässige Adel blieb beinahe unberührt an der Macht.
Die mit der Gründung der Rommilyser Mark einhergehende Rückbesinnung auf alte Tradition fand entlang des Ochsenwassers am raschesten Unterstützer und auch großen Anklang in der Bevölkerung. Der Wohlstand und Reichtum, der sich hier bewahrt hatte, führte jedoch immer wieder auch zu neidischen und mitunter missgünstigen Blicken aus dem Wehrheimer Land und dem Sichelhag. Von dort wurde eine stärkere Beteiligung am Wiederaufbau eingefordert und so mancher Adliger wollte alte Untertanen, die in den unruhigen Jahren in die Region Ochsenwasser flüchteten, zurück in seinem Lehen sehen.
Die Markgräfin hatte ihre liebe Mühe, Leid und Missgunst durch starke Führung, aber auch beständiges Schlichten, sowie arrangierte Heiraten unter den Adelshäusern im Zaum zu halten.

Wie schon in Rommilys selbst, täuschten die Lande entlang des Ochsenwassers einen Frieden vor, den es in den vergangenen zwei Dekaden nicht gegeben hatte. Erstaunlich vieles hatte er während ihrer Rast vor den Toren der Stadt von seinem Oheim erfahren. Einem engen Verwandten den er bis dahin noch nie gesehen hatte! Voll Tatendrang war Jorgast-Jost unmittelbar nach Abschluss seiner Ausbildung gen Rahja aufgebrochen, denn dort, so hatte er gehört, wurde jeder Mann im Kampf wider die Schwarzen Horden benötigt. Seitdem hatte er dieser Region nicht den Rücken gekehrt und kannte sie inzwischen besser als seine Heimat die Nordmarken. Von ihm wusste Alrik Vom Schwarzen Quell, wie viel Gutes die Traviamark seinen Bewohnern gebracht hatte und wie sehr das Wehrheimer Land unter den Verheerungen der Wildermark noch heute zu leiden hatten. Streit und Missgunst kamen nicht von ungefähr, sie waren aus Not und Verzweiflung geboren und wurden dadurch befeuert, dass die Anrainer des Ochsenwassers lieber ihre Pfründe schützten und ihr Gewissen mit Spenden an die Kirchen reinwuschen.
Bis Rankaraliretena der Silberstraße folgend sah man eben jenen Reichtum, zumindest bis man die Tore der Stadt passierte und bemerkte, dass der Ort viel von seinem Reichtum eingebüßt hatte. Laut seinem Oheim hatte es vor dem ..., naja eben bevor alles den Bach runterging..., hier ganze acht Schmieden in der Stadt gegeben, von denen heute nur noch zwei in Betrieb waren. Dem Ratschlag Jorgasts folgend, hatte er sich in der Qualitätsschmiede Rumrox umgesehen und einen schönen Langdolch erworben. Optisch nichts besonderes, hatte Alrik jedoch befunden, dass er ausgezeichnet in der Hand lag und sich ebenso gut führen ließ. Abgesehen davon war seine Klinge unverschämt scharf.
Ab dann waren sie dem Niedermarschenpfad über Arlingen und Auweiler gefolgt. Dieser hatte vor allem durch die vielen Heeresbewegungen stark an Bedeutung gewonnen, schließlich war der Zoilernward, der östlich des Ochsenwassers verläuft, zu schwierig zu passieren und für große Verbände ungeeignet.

Seltsame Besucher

Eines Abends, die Männer und Frauen bauten gerade ihre Nachtlager auf, näherte sich ein Fuhrwerk dem Lager. Im dunkler werdenden Schein der untergehenden Sonne, waren zwei Gestalten auf dem Wagen zu erkennen.
Der größere, voluminösere von beiden saß leicht gebeugt auf dem breiten Bock. Sein Haaransatz war weit hinter seine Ohren gerutscht, wodurch seine fortgeschrittenes Alter schon vom weiten erkennbar war. Die jüngere, schlankere Silhouette neben ihm, hielt den Wagen in einiger Entfernung zum Lager an, lief geschmeidig um die Zugpferde herum und streckte dem Alten seine Hand entgegen, um ihm herunter zu helfen.
Es war der Trossmeister höchstselbst, der noch auf dem Rücken seines Pferdes sitzend eine Runde machte und den Aufbau des Lagers begutachtete, der das sich nähernde Fuhrwerk als erster erblickte.
Rasch trieb Wunnemar seinen Apfelschimmel an. Aureus und Brun saßen ebenfalls noch im Sattel, sie hatten Wachdienst, solange die der letzte Hornstoß des Tages die Nachtruhe verkündete. Danach würden Wachfeuer und Patrouillen um das Lager, deren Sicherung übernehmen. Sie waren sein Ziel.
Bald war der Baronet bei seinen Bundbrüdern angekommen. Schon beim Heranreiten streckte er den Arm in Richtung des Wagens aus. “Schaut euch das bitte einmal an und seid vorsichtig”, rief er ihnen entgegen.
“Gut”, Aureus nickte und seine Hand ging unwillkürlich zum Praiosamulett auf seiner Brust. Dann winkte er den Wasserthaler Knappen heran:”Palinor, behalte uns im Auge. Wenn sich einer von uns, oder denen dort, merkwürdig verhält, dann informiere die anderen. Reite uns nicht entgegen, hörst Du?”
Brun lockerte sein Schwert in der Scheide und setzte sein Reittier in Bewegung.
“Wie Ihr wünscht.” beeilte sich der Knappe zu versichern. Er brachte sein Reittier in eine Position, die es ihm ermöglichen würde schnell Distanz zwischen sich und den Neuankömmlingen aufzubauen. Dann begann er die sich entwickelnde Szene zu beobachten.
Die beiden Besucher näherten sich langsam dem Lager. Der alte Mann stützte sich auf einen Stock, über den er sich leicht gebeugt hielt. Beim Näherkommen konnte man auch seinen Begleiter erkennen. Der Jüngere war schlank und um einiges kleiner als der Alte. Seine karottenroten Haare glänzten im Fackelschein, ebenso wie die vielen Sommersprossen in seinem Gesicht. Beide trugen einfache, graue Reisekleidung. Und sie schauten sich suchend um, steuerten dann zielgerichtet auf die ihnen entgegenkommenden Reiter zu.
Aureus gab Brun ein Zeichen und sie beschleunigten die Pferde, um die Distanz schnell zu überwinden. Sie sollten nicht noch näher an das Lager heran kommen. Zudem ließ er sein Pferd so zum stehen kommen, dass ihnen die Sicht auf das Lager versperrt wurde.
Der Kranickteicher flankierte die beiden Männer, um ihnen eine mögliche Flucht abzuschneiden.
“Aves zum Gruße” rief der alte Mann mit dem dunklen, lockigen Haarkranz den beiden Jungrittern entgegen. Seine Stimme war tief und von überraschender Klarheit. Sein Alter mochte weit über 60 Götterläufen liegen, und zeichnete sich in tiefen Furchen, die über sein Geischt verliefen ab. Weiter sagte er nichts.
“Wir würden gerne die hohe Dame Ira von Plötzbogen sprechen. Sie ist über unser Kommen informiert.” ergänzte der jüngere Mann. “Könnt ihr uns vielleicht sagen, wo wir sie finden können?”
“Könntet IHR uns vielleicht sagen, wer Ihr überhaupt seid?”, entgegnete Brun kühl.
Der Altenweiner musterte die beiden eingehend und war auf der Hut. “Und was ihr von ihr wollt?”
“Ähm, sagte ich das nicht bereits, junger Mann?” entgegnete der ältere der Beiden verwirrt: “Ich bin Hesindiard von Rickenbach, Ira ist die Frau meines Großneffen, nein wartet, die Schwiegertochter meiner verstorbenen Nichte…., nein, Moment, die Mutter meines Urgroßneffen, nein wartet, die Frau des Enkelsohns meines Bruders.” Dann wedelte er mit der Hand: “Wie auch immer, sie ist eine Verwandte.”
Mit zusammengezogenen Augenbrauen, aber echtem Interesse versuchte Brun die Familienverhältnisse zu entwirren, wobei er die Finger zur Hand nahm. Schließlich hellte sich sein Blick auf: “Doch doch, das würde passen, Großneffe ist ja der Enkelsohn Eures Bruders. Und wenn der Enkelsohn...” Brun grübelte kurz und runzelte dann erneut die Stirn. “Müsstet Ihr dann nicht ein von Schellenberg sein?” Seine Hand legte sich auf seinen Schwertknauf. “...Und wer seid Ihr überhaupt?”, wandte sich Brun nun an den Jüngeren der beiden.
Der Ältere winkte ab. “Meine Familie hat ihn mir aufgenötigt. Sie sind doch tatsächlich der Meinung, ich sei zu alt, um meine Reisen alleine zu unternehmen. Er ist mein Begleiter.” Der junge Mann, er mochte gerade zwanzig Winter hinter sich haben, verbeugte sich kurz. Dann musterte er Brun mit zusammengekniffenen Augenbrauen und kam dabei sehr nahe an sein Pferd heran, was dieses erstaunlich ruhig ertrug. “Nein, ihr seht nicht aus, als wäret ihr einem inzestuösen Verhältnis entsprungen. Ich habe dazu erst kürzlich eine sehr interessante Abhandlung gelesen. Sie war recht neu, deswegen kennt ihr sie vielleicht noch nicht. Sie stammt aus dem Jahre 1028, wenn ich mich recht entsinne. Aber ich bin sicher, euer Kiefer würde weiter nach vorne stehen und euer Kinn wäre kürzer, wenn eure Eltern enge Verwandte wären.” er schüttelte den Kopf: “Nein, nein. Ihr wollt mich mit eurer Frage nur verschaukeln, nicht wahr? Ihr wisst sehr genau, dass Familien ihre Kinder zusammenführen und somit auch die Namen der verschiedenen Ahnenlinien variieren. Es ist nicht sehr höflich einen alten Mann auf den Arm nehmen zu wollen! Also nun, wo ist denn Ira, nun? Ich bin recht erschöpft und würde mich gerne alsbald zur Ruhe begeben.”
Der junge Kranickteicher blickte zu Aureus hinüber, wobei er mehrfach die Augen für kurze Zeit weit aufriss, um seinen Blick mit viel Bedeutung zu versehen. Dieses Vorhaben war jedoch angesichts der schlechten Lichtverhältnisse zum Scheitern verurteilt. Schließlich gab Brun auf und sprach seine Gedanken aus: “Kannst Du Ira herbeiholen? Dann bleibe ich solange hier.”, schlug er vor. An den Alten gewandt, fuhr er fort: “Herr...” - verdammt, er hatte den Namen vergessen! - “Hesinde...dings, dies ist ein Kriegslager, und Ihr könnt nicht ohne Weiteres hier hineinlaufen. Ich schicke nach Eurer…” Brun überlegte kurz - “Schwiegergroßneffin? Oder heißt das dann ‘Schwiegergroßnichte’? Das Wort ‘Neffin’ gibt es nämlich garnicht.” Er grübelte angestrengt. “Was haltet Ihr von ‘Eurer Großneffengattin’? Sie wird sicherlich für Euch bürgen.”
“Das will ich wohl tun, doch zunächst benötige ich auch den Namen des Jungen Mannes”, an den Rickenbacher gewandt fuhr er fort, “Ihr habt ihn uns noch nicht genannt. Er darf ihn mir aber auch selbst nennen.” Mit strengem Blick sah er den Rothaarigen an.
Der Angesprochene winkte erstaunt ab. “Ich bin ein einfacher Diener, hoher Herr. Doch wenn es euch zum Gefallen ist: Mein Name ist Alrik Schwarzforst.” Er verbeugte sich etwas unbeholfen.
“Nun, denn. Dann könnt ihr mich.. und Alrik natürlich… ja nun zu Ira führen, nicht wahr?” Der Alte machte Anstalten Aureus folgen zu wollen, doch die Hand seines Dieners hielt ihn zurück: “Ich denke, wir sollen hier warten, Herr.” sagte er höflich. “So, ist dem so?” Unerfreut sah der Glatzköpfige zu den beiden Rittern. “Keinerlei Respekt vor dem Alter haben diese jungen Burschen.” Murrte er leise. Blieb aber auf seinen Stock gestützt stehen. Und wartete.
“Verzeiht, dass wir so unhöflich sein müssen, doch dies hier ist ein Kriegslager, wie mein Bundbruder eben sagte, doch dürft Ihr Euch gerne setzen, während Ihr wartet.” Er öffnete die Fiebel seines Mantels und reichte diesen Alrik. “Hier, dann müsst Ihr nicht auf dem kalten, dreckigen Boden sitzen. Gebt ihn mir später wieder.” Dann wendete er Validus und ritt zurück zum Lager. Er bedeutet Palinor weiter Wacht zu halten und steuerte dann das Eisensteiner Lager an, in dem er Ira vermutete.
Brun hingegen saß auf seinem Pferd, als hätte das alles mit ihm zu tun. Sein abwesender Gesichtsausdruck ließ vermuten, dass er sich im Geiste weiter mit genealogischen Fragestellungen beschäftigte.

Aureus fand Ira mit ihrem Waffenknecht ein Schwätzchen haltend vor. Beide hockten im Gras und wie es aussah, hatten sie erst noch Schwertübungen gemacht, denn beide schwitzten, wirkten aber zufrieden.
“Ira, da ist Besuch für Dich. Erwartest Du jemanden?” Der Altenweiner kam direkt zur Sache.
“Hä? Nee. Wer ist es denn?” Schwerfällig erhob sich erst Darek und bot seiner Herrin eine Hand, um sie hochzuziehen.
“Er nennt sich Hesindiard von Rickenbach und wird begleitet von einem Alrik Schwarzforst. Sagt Dir das was? Sie wollen mit Dir sprechen und behaupten, Du wärst über ihr Kommen informiert. Sie sind dem Lager schon recht nahe gekommen, Brun behält sie gerade im Auge.”
“Brun?” Na, da sind sie ja in guten Händen, verkniff sie sich und dachte stattdessen nach. Ihr fiel dabei der gute Bosso ein. Aber sie bekam die Abstammung nicht richtig aufgestellt. “Hesindiard von Rickenbach sagst du? Also wenn er der ist, von dem ich denke, dass er so heißt, dann ist der Mann ein Vetter, nein, ich glaube Onkel von der Mutter von Lupius. Oder der Onkel von Bosso?” Ira schien genauso Probleme zu haben mit der Verwandschaftsgrad-Zuordnerei. Seufzend gab sie auf. “Egal. Ist das so ein altes Hutzelmännlein?”
“Er ist alt, ja. Und hat sich schon über die Warterei beschwert. Komm, steig auf”, er reichte ihr die Hand, um sie zu sich aufs Pferd zu ziehen.
“Darek, sei so lieb und pack die Schwerter weg, ja?” vergab sie rasch noch die Abweisung und erklomm dann das Reittier. “Dann bring mich mal zu dem Guten hin.” Wie selbstverständlich umfasste die Plötzbogen Aureus Oberkörper, um sich festzuhalten
Der Altenweiner ritt mit gemäßigtem Tempo zurück zu den beiden Besuchern, er wollte nicht unnötig für Unruhe sorgen, doch war er sich sicher, dass der ein oder die andere ihnen nachschauen würden. Er genoss die Nähe zu seiner Bosparanienblüte, auch wenn er wusste, dass es weiter nicht gehen würde. “Wusstest Du von ihrem Erscheinen?”, hakte er nochmal nach.
“Nein. Ich frag mich ehrlich gesagt, wie der Alte sich meinen Namen überhaupt gemerkt hat. Der Kerl, von dem ich denke, dass er es ist, wurde mir bisher immer als senil und verrückt beschrieben.” Sie überlegte, ob er Gast auf ihrer Hochzeit war. “Ich glaube, er war auch nicht auf der Hochzeit.”.
“Er wirkte schon ein wenig...durcheinander, aber senil? Ich hoffe, er sagt die Wahrheit. Wir sollten vorsichtig sein.”
“Warum denkst du das? Zweifelst du etwa an seiner Glaubwürdigkeit?”
“Ich finde es halt merkwürdig, dass Du nichts von seinem Besuch weißt, er aber, wo Du zu finden bist. Außerdem könnte es ja sein, dass da jemand steht, der nur behauptet Dein Verwandter zu sein.”
Auf einmal beunruhigte sie es jetzt selbst auch. Da war der Gedanke an Menschen, oder Wesenheiten, die sich nur als Menschen ausgaben, wieder präsent in ihr. Sie fasste sich an den Rock. Verdammt. “Scheiße, reit zurück, ich hab vorhin beim Fechten die Anhänger abgelegt! Die brauchen wir aber!”
Aureus fragte nicht weiter nach, sondern wendete Validus und ritt zurück zum Übungsplatz, wo er sie gefunden hatte. Er vertraute ihr, da brauchte es keine Fragen.
Zurück im Lager sprang Ira ab, noch bevor das Ross des Altenweiner zum Stehen kam und eilte in ihr Wohnzelt. Nur einen Augenblick später war sie zurück. Mit Schwert und ihrem Armreif voller kleiner Götteranhänger, das verheißungsvoll klirrte und klimperte, als sie sich die Kette einfach um den Hals hängte, um ihre Waffe mit beide Händen gürten zu können. Wieder auf dem Pferderücken hielt sie sich gut fest. Im Kopf spielten sich schon mögliche Szenarien ab.
Die beiden eilten wieder zu Brun und den merkwürdigen Besuchern. “Ich hoffe sehr, dass ich mich mit meinen Bedenken irre.”
Die Plötzbogen gab daraufhin erst ein trockenes “Jepp,” von sich. Was sollte sie auch sagen, sie hoffte das selbe. “Halt dich notfalls mit Brun bereit. Und denk dran, Vampire haben magische Dreckskräfte!”
Er nickte und griff sich kurz an die Brust. In Gareth hatte seine Schwester ihm ein Amulett des Herrn geschenkt, ihn zu beschützen. Allein dessen Anwesenheit gab ihm Hoffnung, aber auch Mut.
Mit einem ebenso flauen Gefühl in der Magengegend rutschte sie bei dem Wagen vom Pferd. Das durfte sie sich allerdings nicht anmerken lassen. Wahrscheinlich legte sie deswegen lieber etwas mehr Befehlsgewalt in ihre Worte. Das Gute war: dadurch, dass sie gerade keinen eindeutig zuordnenbaren Wappenrock trug, und es merklich dunkler geworden war, hatte sie zumindest das Überraschungsmoment “Hesindiard von Rickenbach, seid Ihr das? Ihr verlangtet die Ritterin von Rickenbach zu sprechen? In welchem Anliegen?”
“Seht Ihr? Da ist die Gattin Eures Großneffen bereits. Die Warterei ist doch jetzt wie im Fluge vergangen, nicht wahr?”, sprach Brun zufrieden in Richtung des alten Besuchers.
“Nun- offensichtlich ist sie da. Aber was sie redet verstehe ich nicht.” Dann wandte er sich an die Reiterin, die hinter der Rotznase abgestiegen war: “Natürlich bin ich das. Das siehst du doch Mädchen - Und da reden sie alle von meinem löchrigen Verstand.” grummelte er, “Ich habe dir doch einen Brief geschrieben, dass ich mich eurem Zug anschließen werde. Dein Antwortschreiben war zwar noch nicht bei mir eingetroffen, da es aber schon so spät geworden war, bin ich euch nachgereist. Also - wo dürfen wir denn unser Zelt aufstellen. Wie ich diesen Lausebengeln bereits sagte, ich bin ein müder, alter Mann.”
“Verzeiht,...Onkel?... aber zum einen habe ich keinen Brief bekommen. Zum anderen: guter Mann, das hier ist ein Kriegszug, wir reisen in die Schwarzen Lande! Habt Ihr denn entsprechende Schutzausrüstung bei Euch?” Nur langsam näherte sich Ira den Männern und dem Wagen und nahm dabei jedes Detail in Augenschein. Sie warf auch Brun und Aureus einen Blick zu und gürtete ihre Seitenwaffe.
“Schutzausrüstung? Natürlich nicht. Ich möchte mich schließlich nicht an euren Kriegsspielen beteiligen. Nur möchte ich in dieselbe Richtung reisen und da liegt es auf der Hand mich eurem Zug anzuschließen.” der Alte wirkte etwas ungehalten, “aber wenn das Rittertum mittlerweile nur aus Halbstarken besteht, denen der Schutz der Ungerüsteten nichts bedeutet, kampieren Alrik und ich auch gerne außerhalb eures Lagers. Das passt mir ohnehin gut, dann muss ich mich auch nicht an diese absonderlichen Regeln halten, die ihr Ritter euch so ausdenkt. Komm Alrik.” Damit drehte er sich um und stapfte auf sein Fuhrwerk zu. “Und sowas gibt vor Rondra zu ehren. Die heilige Göttin des SCHUTZES.” murrte er während er auf seinen Stock gestützt zu seinem Fuhrwerk zurück lief. Alrik sah etwas unglücklich von Brun über Aureus zu Ira und drehte sich dann auch zum Gehen um. “Reisenden das Traviagefällige Lagerfeuer zu verwehren. Sollte das nicht ein traviagefälliger Heerzug sein?” hörte man den Alten seinen Diener fragen, als der zu ihm aufgeschlossen hatte. “Weißt du Alrik, früher….”
Auch Ira warf erst Aureus, dann Brun einen Blick zu, den Aureus auffordernd erwiderte, dann seufzte sie und ging rasch dem seltsamen Kauz nach.
Der Ritter von Kranickteich lenkte sein Pferd in Richtung Lager, während er leise durch die Zähne pfiff und den Kopf schüttelte.
Der Altenweiner indess blieb wo er war und sah Ira hinterher.
Iras “Warte!” war auch an Brun gerichtet. Sie verließ sich darauf, dass ihre Bundbrüder ihr zur Hilfe kamen, falls wirklich etwas mit diesen Männern nicht stimmte.
Schnell hatte sie den Rickenbacher eingeholt und aufgehalten, dabei darauf geachtet, ihn nicht zu berühren. Iras Herz pochte. “Aber natürlich dürft Ihr im Lager lagern, Onkel. Ich nehme euch mit und...äh… weise euch ein schönes Plätzchen im Tross zu.” Sie wollte lieber nicht, dass der Mann die Nachbarschaft der Eisensteiner genoss. Sie hatte nämlich keine Lust auf Fragen. Und da war ja noch das andere: “Das mit dem Schutz nehmen wir sehr ernst. Seht ihr?“ Sie zog ihr Schwert zur Verdeutlichung etwas aus der Scheide heraus - ohne es anschließend gänzlich zurück zu stecken, denn so konnte sie die Waffe im Notfall schneller ziehen. Sie bemühte sich freundlich zu klingen. Innerlich war sie so abgespannt, wie selten. “Bitte versteht meine Kameraden nicht falsch. Es sind viele seltsame Dinge vorgefallen in letzter Zeit, und ein Hesindiard von Rickenbach kam ihnen einfach komisch vor. Hier, bitte haltet das mal, tut mir den Gefallen.” Dabei hielt Ira dem Alten ihr Sammelsurium an silbernen Göttersymbolanhängern hin. “Mit Schutzausrüstung meine ich sowas. Nehmt es nicht persönlich, Onkel, doch jeder, der ins Lager will, muss sich vor den Zwölfen prüfen lassen…. Einfach kurz in die Hand nehmen, bitte. Euer Begleiter dann auch…. Seid einfach so lieb.” Mir zuliebe, versuchte sie wortlos durch ein vorsichtiges Lächeln auszudrücken, während heißes Blut in ihren Ohren rauschte.
Der Alte nahm die Kette in die Hand, führte sie nah an seine Augen. “Interessant.” Der Rest seiner Rede war nur als dumpfes Murmeln zu verstehen. “Sieh es dir auch an Alrik, äußerst interessant. Wirklich interessant.” Und er drückte die Kette dem anderen in die Hände.
“Furcht ist kein guter Weggefährte, wenn man in den Osten will, Mädchen. Lasst die Angst und die Vorsicht nicht über eure Götterfürchtigkeit siegen. Seht euch nur an, was das mit den Menschen im Osten gemacht hat.”
Während er das sagte, strichen die Finger seines Dieners über die einzelnen Zeichen. Verharrten etwas länger bei einem von ihnen und glitten dann weiter: “Ein sehr schönes Stück.” sagte er und gab es an Ira zurück.
“Sie trägt es vermutlich, weil man sagt, die Symbole der Zwölfe würden Unkreaturen Schaden zuführen. Allerdings bleibt zu hoffen, dass solche nie so nahe an sie heran kommen, dass sie es nutzen müsste.” Dann stockte der Alte kurz: “Dachten du und deine Freunde etwa, wir seien solche Unkreaturen?” Ein herzhaftes, heisernes Glucksen drang aus der Kehle des alten Mannes. Dann kam er mit seinem Gesicht etwas näher an Ira heran: “Bu.” und setzte das glucksende Gekicher fort. “Ein Dämon… ich. Was eine amüsante Idee.” es folgte eine kurze Stille, nach der er fortfuhr: “Bei ihm allerdings bin ich mir nicht sicher.” und er deutete ernsthaft auf Alrik, der entsetzt die Augen aufriss, ehe der Alte wieder in sein Kichern einfiel.
Ira fand das alles leider gar nicht witzig, wie sowohl ihr Blick, als auch ihr Tonfall verriet. Erleichterung verschaffte zumindest die Tatsache, dass keine der Hände durch Berührung der Anhänger angefangen hatte zu kokeln. Aber nicht ernstgenommen zu werden im Falle von unheiligem Gezücht, war nicht erbauend. “Es mag euch vielleicht amüsieren, aber seht mich an! Sehe ich so aus als machte ich Witze? Ich und einige andere von uns haben erst kürzlich gegen unheiliges Gezücht gekämpft, das auch die Gestalt uns bekannter Menschen hatte. Habt ihr von den Vorkommnissen auf der Hochzeit von Hlutharswacht gehört?” Sie nahm an, dass sich die Kunde mittlerweile herum gesprochen haben musste. “Mitnichten müsst ihr ein Dämon sein. Es gibt leider, bei Praios, andere Kreaturen, die --” Ira hielt inne. Unbelehrbarkeit hatte die Angewohnheit, dass sie einen umbringen konnte. Außerdem gefiel es ihr ganz und gar nicht, wenn jemand Dämonen und andere Kreaturen des Bösen klein redete. Wer so etwas tat hatte noch nie einem axtschwingenden Golem, einer Schwarzamazone oder einem unverletzbaren Vampir gegenübergestanden. “Onkel Hesindiard” sprach sie jetzt in einem schärferen Ton. “im Namen der Zwölf, die Herrin Travia voran, und des Barons von Hlutharswacht, dessen Schwertmaid ich war, ersuche ich euch uns den Grund zu nennen, warum ihr mit uns in den Osten wollt. Dies ist ein Kriegszug! Ihr seid kein Krieger. Oder wollt ihr dem Baron Dienste als Heiler anbieten? Wohl kaum. Sofern ihr uns also keinen plausiblen Grund für euer Hiersein nennen könnt, muss ich euch nach Hause zurück schicken. Zu eurer eigenen Sicherheit. Für die Familie,...Onkel.” Sie hatte dabei den Spagat zwischen harter Autorität und familiärer Besorgnis versucht.
Der Alte verengte die Augen und fuhr in garstigem Ton fort: “Zwölffach geheiligte Schlange von Alveran!” stieß er aus: “Vielleicht solltet ihr euch zunächst selber prüfen? Denn die bedingungslosen Aspekte der Götter an Bedingungen zu knüpfen ist götteslästerlich. Ihr sagt, der Schutz Rondras, denen ihr als Ritter verhaftet seid, stellt ihr nur zur Verfügung, wenn ihr entschieden habt, dass der Weg des zu Schützenden nach euren Maßgaben zu rechtfertigen ist? Schämt euch, die heiligen Aufgaben der Herrin Rondra so in den Schmutz zu ziehen! Ihr wollt das Feuer eurer Lagerstätte nur mit dem teilen, dessen Weg nach euren Maßgaben gerechtfertigt ist? Schämt euch, die heiligen Aufgaben der Herrin Travia so zu missachten! Und wenn ihr die Arroganz der Jugend einen Moment ablegen würdet, würde euch in den Sinn kommen, dass zu jeder Zeit Gelehrte und der Herrin Hesinde zugewandte Menschen, Kriegszüge begleitet haben. Glaubt ihr Wissen sträucht umher und beisst jeden, der nicht schnell genug wegläuft? Nein!! Man sucht danach. An Orten, die manchmal auch gefährlich sein können. Wie sähe es wohl mit dem Wissen Deres aus, wenn wir uns zu jeder Zeit auf solche götterlästerlichen Ideen eingelassen hätten, wie du sie eben vorgetragen hast?” der aufbrausende, greise Mann, wirkte plötzlich viel weniger senil. Irgendwann stockte er aber und rang nach Atem. Dann fuhr er in etwas milderem Ton fort: “Ira, ich bin ein alter Mann. Ich bin das erste Mal außerhalb unserer Heimat gewesen, da war ich lange keine 20 Sommer, seitdem sind mehr als 50 weitere Sommer vergangen. Glaubt ihr, du und deine Freunde, ihr seid die einzigen, die etwas von der Welt gesehen haben? Solche Arroganz ist gefährlich! Das ist die wahre Gefahr, der diese Welt stets ausgeliefert ist! Die Götter in seinem Herzen zu halten, trotz all dem, was man weiß, das ist die wahre Herausforderung des Lebens. Denn sonst gewinnen die anderen. Denkt darüber nach. Heute Nacht werden Alrik und ich außerhalb eures Lagers nächtigen. Das gibt euch die Möglichkeit über die Gebote der Herrin Travia nachzudenken und ob ihr der Herrin des Herdfeuers nicht etwas zugetaner sein wollt.”
So angeraunzt zu werden hatte Ira beileibe nicht erwartet. Daher stand sie zornig da, nach Worten ringend. Aureus und Brun konnten sehen, wie es in ihr gärte und tobte, wie sich ihre Brauen mehr und mehr zusammen zogen, sich in ihr etwas aufstaute, was sich entladen wollte gleich jetzt und hier. Ihr Mund war bereits ein paar Mal schon aufgegangen. Er hatte sich allerdings immer wieder geschlossen. Denn bei all ihrem Zorn musste Ira an die Worte der Schwertweihe denken. Der Alte zumindest besaß in einem Recht, das musste sie grummelnd zugeben: der Herrin Travia gefiel dieser Zank gerade sicher überhand nicht!
Das mit der Bescheidenheit und Großzügigkeit war im täglichen Leben weniger schwer, Sittsamkeit bekam sie auch hin. Das mit der Treue - nun, dazu hatte sie sich eigentlich an der Hochzeit mit Lupius verpflichtet und da Travingo diesen Feldzug nicht begleitete, bestand auch keine Gefahr, dass sie ihren Schwur dahingehend brechen konnte. Für hilfsbereit hielt sie sich auch. Nur mit der Friedfertigkeit kam sie seit jeher in Nöte - und aktuell mit der Tugend der Gastfreundschaft auch. Konnte das denn so schwer sein? Ehrlich?
Seufzend warf sie Aureus und Brun einen Blick zu. Tja, wenn das Hutzelmännlein schon nicht nachgab,...dann musste sie eben die Klügere sein. Gleichzeitig zu ihrem versöhnlich klingenden “Onkel Hesindiard, jetzt wartet doch mal!” ließ sie ihr Schwert zurück in die Scheide gleiten und war mit wenigen schnellen Schritten zu dem Alten aufgeschlossen.
“Ich habe mich erklärt, ihr habt euch erklärt...und...dabei hatten wir keinen guten Start miteinander. Bitte, das soll so nicht bleiben. Wie ihr schon gesagt habt, sind wir ja nun um ein paar Ecken verwandt und…” Sie suchte nach Worten, setzte neu an: “Natürlich kommt ihr mit ins Lager. Jetzt, da wir ja wissen, dass ihr keine Dämonen und auch keine Vampire seid, seid ihr ja auch keine Gefahr mehr” versuchte sie es mit einem aufmunternden Scherz, der freilich auch überspielen sollte, dass sie sich seltsam fühlte, als habe sie nicht einen sondern gleich mehrere Fehler gemacht. “Ich kann euch zu Tsaja führen, einer wirklich sehr netten, umgänglichen Frau, sie ist die Leiterin des Hlutharswachter Trosses und auch Bierbrauerin. Sie mag außerdem Geschichten bei einem Krug Gebrautem sehr gerne….Ähm, wäre das nicht was für euch? Ein Platz bei Tsaja meine ich. Und ich persönlich werde dem Baron von eurer Ankunft berichten. Also… hm...was meint ihr?” Durchaus reuevoll sah die Ritterin den alten Mann an, während sie ihm die offene Hand entgegen streckte. “Es...tut mir leid, wenn ich Euch verärgert habe.”
Der Alte grummelte sie an, bevor er antwortete: “Immerhin hast du dich entschieden, deinen Fehler einzuräumen. Das wird die Herrin Travia dir sicherlich zugute halten.” dann zögerte er: “Weißt du, ich bin Eisensteiner, mir würde es ausnehmend besser gefallen, bei dir und dem kleinen Baron zu lagern. Aber wenn dort kein Platz ist, werden wir uns natürlich zu dieser Tsaja begeben. Alrik gestatte ich gerne ein kleines Bier. Ich selber verzichte darauf.” Er tippte gegen seine Stirn: “Weißt du, Alkohol stört das Denken.” Wieder zögerte er: “Nun, das Fühlen auch, daher ist es wichtig unter Soldaten, das verstehe ich. Auch wenn es viele nach dem Krieg nicht wieder einstellen können.” Er deutete auf den Wagen, “dann sage ich dem Jungen er soll hinter dir herfahren. Zu diesem Lagerplatz.” Er hob noch einmal grüßend die Hand und stapfte zu seinem Wagen, um Alrik zu informieren.
Brun saß etwas abseits zu Pferde, hatte jedoch die Unterhaltung mitbekommen. Er zog die Augenbraue hoch, als er zu Ira hinüberblickte: “Bist Du Dir sicher, dass das eine gute Idee ist?”
Während Ira erstmal mit einem Schulterzucken antwortete, fasste Aureus die Situation gut zusammen: “Vermutlich nicht, aber da wir im Namen Travias unterwegs sind, sollte uns die Gastfreundschaft im und am Herzen liegen. Auch, wenn es uns eine schwere Lektion sein mag, so hat der Alte doch recht, wir haben vor lauter Pflichtgefühl unser Mitgefühl vernachlässigt.”
“Wir behalten sie aber im Auge,” ergänzte Ira. “Sagt den anderen Bescheid.” ein ‘um sicher zu gehen’ behielt sie für sich.
Der Wagen fuhr bald in gemächlichem Tempo hinter Ira her, die ihn ins Hlutharswachter Lager führte.
Während der Alte sich dort interessiert umsah, stellte Alrik den Wagen an dem Ort ab, der ihm gewiesen wurde, und ein kleines Zelt daneben auf. Und Hesindiard verschwand unmittelbar, nachdem Alrik seinem Herrn das Lager bereitet hatte, in seiner kleinen Unterkunft und nur Wimpernschläge später war ein leises Schnarchen aus dem Zelt zu hören.
Alrik atmete tief aus, als er die zufriedenen Schlafgeräusche seines Herrn hörte und sah sich nach dem versprochenen Bier um.
Ira ging anschließend direkt zu Jost und berichtete ihm von der Ankunft des entfernten Onkels - und bat auch in dem Zusammenhang den Magus Rhys um Überprüfung der beiden Neuankömmlinge.
Der Hofmagus Josts war nicht glücklich über diese Aufgabe, versprach aber sich jene Gäste im Heerlager anzusehen, auf die Ira verwiesen hatte.
Das Unterfangen jedoch sollte ohne Ergebnis bleiben. Die später getätigte Aussage “Iras Onkel sei so magisch wie ein Nachttopf”, drückte den Ärger des Magus aus, Zeit in dieser Angelegenheit verschwendet zu haben.

Travias Funke

Da war sie endlich. Dort. Sein Herz klopfte. Seit Jahren wollte er heiraten. Sehnte sich nach einer Frau, die ihm allein gehörte. Sicher… die Prostituierten waren nicht gänzlich unbefriedigend. Aber die meisten waren zu weich und weinerlich für ihn. Das Geheule, wenn er sie mal etwas grober anfasste, störte ihn doch. Seine eigene Frau hingegen, sie würde sich nicht so anstellen. Und Travia hatte ihm einen Weg gewiesen. In ihrem Tempel. Ihrem allerhöchsten Tempel. Er sah Alana von Altenberg an, die auf ihn zulief. Sie war es. Seine zukünftige Frau. Er grinste ihr entgegen. Sie war kräftig und groß genug ihn auszuhalten. In jeder Hinsicht.
“Verzeiht, meine holde Dame.” sprach er sie unbeholfen an, als sie ihn passieren wollte.
Alana blieb stehen. Ein kritischer Blick wanderte über ihr Gesicht als sie diesen Klotz von Mann erblickte. ´Holde Dame?´ Fast war sie gewillt sich umzuschauen, ob er vielleicht jemand anderes meinte. “Eisensteiner. Richtig? Was kann ich für euch tun?”, fragte sie vorsichtig.
“Ich.” er zögerte. Seine Stimme fühlte sich kratzig an. “Ich wollte mich vorstellen. Mein Name ist Anselm von Eschengrund. Ihr seid mir im Traviatempel aufgefallen.” er hatte eine tiefe Stimme, die zu seinem mächtigen Körper passte.
“Na wenigsten einem.” stellte Alana kurz und knapp fest. “Seid gegrüßt Anshelm. Ich bin Alana von Altenberg. So … habt ihr die Base vom Baron gesehen? Mersea?” ,stellte sie ihm die Frage. Noch war ihr nicht klar, was dieser grobschlächtige Ritter von ihr wollte.
“Der Baron hat doch keine…” Dann machte er eine Pause: “Ach ihr meint DEN Baron.” Dann brüllte er vor Lachen auf. “Es gibt hier mehrere Barone im Tross” schob er immer noch lachend hinterher. “Ich diene einen von ihnen, nur nicht dem Hlutharswachter, sondern seinem Schwiegervater. Dem Vater seine Ehegattin.” Er versuchte sich an einem freundlichen Lächeln: “Ich kenne die Base seiner Hochgeboren nicht, aber ich kann Euch zu seinem Lager bringen, dort werdet ihr sie vermutlich finden.” Wieder dieses abstruse, fast surreal wirkende Lächeln auf den Lippen, verbeugte er sich galant und bot Alana seinen Arm zum einhaken an.
Alana setzte ein gekünsteltes Lächeln auf, um nicht genervt auszusehen. Den Arm des Ritters ignorierte sie. “Keine Mühe, Eschengrund. Ich werde sie schon finden. Aber schön eure Bekanntschaft zu machen. Wir können gerne ein anderes Mal ein Bier trinken. Ich muss jetzt … weiter.” Sie nickte ihm zu und machte sich auf den Weg.
Anselm schaute ihr lächelnd nach. “Ein Bier.” murmelte er und freute sich seine Zukünftige näher kennenzulernen.

Eine traviagefällige Aufgabe

“PLÖTZBOGEN!” schallte es an einem Morgen über den schon zur Morgenstunde in wuseliger Geschäftigkeit befüllten, kleinen Platz zwischen den Eisensteiner Zelten.
Mit einem Stöhnen erhob Ira sich. Sie war gerade wieder dabei, mehr über die Hunde zu lernen. Dafür sah sie der Pflegerin der Schar zu und suchte auf Anraten Linjes hin auch durch Streicheln und Füttern Körperkontakt zu ihnen. Scheiße, sie hatte ja gar nicht gewusst, wie viel diese Viecher verdrücken konnten!
“Ich muss.” verabschiedete sie sich von der Hundeführerin und einem ihrer neuen Schützlinge, dem sie gerade noch die Ohren gekrault hatte, und ging hinüber zum Zelt des Barons.
Sobald Ira sein Zelt betreten hatte, kam der Baron ohne Umschweife zur Sache: “Hat sich gestern etwas Außergewöhnliches zugetragen?”
“Was meint Ihr?”
“Nun. Empfindet ihr es als normal, wenn zwei Fremde einen Heerzug besuchen?” seine kalten, schwarzen Augen durchbohrten die junge Frau.
Zwei Fremde? Ah, jetzt verstand sie, was er meinte. “Ihr sprecht von der Ankunft Meister Hesindiards? Die war in der Tat…überraschend. Aber… auf was wollen Hochgeboren hinaus?” Die letzte Frage stellte sich sehr vorsichtig.
Dann richtete er sich zu seiner ganzen Größe auf, nachdem er genau vor ihr stehen blieb. Genau das Stückchen zu nah, dass es Ira unangenehm wurde: “Der hochgelehrte Herr von Rickenbach ist gebürtiger Eisensteiner. Und ihr habt ihn im Lager willkommen geheißen. Da stellt sich mir doch die Frage, weshalb Ihr den Mann bei den Hlutharswachtern untergebracht habt - und nicht hier bei uns? Weshalb ihr zuerst zu meinem Schwiegersohn gingt und nicht zu mir? Habt ihr vergessen, wem ihr bei diesem Zug dient?”
Ach scheiße, daran hatte sie wirklich nicht gedacht. Wie dumm von dir Plötze, drecksdumm, dreifach dumm. Ira ärgerte sich gerade sehr, mal wieder vergessen zu haben, dass der Keyserring über alles und jeden Dreck bescheid wissen wollte. Dabei hatte sie selbst bisher nicht die Notwendigkeit empfunden, den Baron einzuweihen, dass ein Onkel ihres Mannes… Egal. Jetzt war dieser ja schon sauer. Und nun galt es nur noch Schadensbegrenzung zu betreiben.
“Meister Hesindiard kam gestern sehr spät an und nach einer ersten Überprüfung unsererseits fand ich es notwendig, den wohlgelehrten Herrn Rhys zu einer zweiten Überprüfung auszusenden, denn über magische Mittel verfügt nur er. In dem Zusammenhang sagte ich gleich eurem Schwiegersohn bescheid. Und unterbringen tat ich Meister Hesindiard bei Meisterin Tsaja, weil ich dachte…”
“Ah…. ihr dachtet … Noch so ein Problem.” sagte er kalt: “Ihr dachtet also. Was genau dachtet ihr? Dass euer Onkel was sei? Eine Hexe, die sich als der alte Zausel ausgibt? Gäbe es da nicht… bessere, geeignetere Menschen, die sich so eine Hexe aussuchen könnte? Na? Ihr denkt doch so gerne?”
Rajodan der Menschenkenner wusste ganz genau, was seine Worte in der jungen Ritterin bewirkten. Er kannte das Spiel mit den Augen eines Gegenübers, wenn diese sich vor Trotz und Verärgerung, aber um Selbstbeherrschung bemüht, unrhythmisch zusammenzogen.
“Ich denke, Ihr verkennt womöglich die Situation. Ich kannte bis gestern den Onkel meines Mannes nicht, das heißt, natürlich musste ich im ersten Moment davon ausgehen, dass er nicht der sein könnte, der er ausgab zu sein. Wir dachten schließlich auch alle auf der Hochzeit eurer Tochter, dass das der Ritter von Finstertann und seine Familie sei.” Was dieser Irrtum bedeutete wollte Ira dem Baron nicht sagen müssen. Auf seine Beleidigung ging sie ebenfalls nicht ein.
“So. Verkenne ich sie? Die Situation?” unangenehm an diesen Tag erinnert zu werden, an dem seine Tanten starben, drehte sich der schwarzhaarige Baron um und schritt einige Meter zur Zeltwand, ehe er sich wieder umdrehte und Ira anblickte. Er musterte die junge Frau. Es war ein Jammer. So ein schöner Körper um einen so renitenten Geist. “Ich werde euch etwas über die Situation sagen, hohe Dame.” Und wieder klang die Anrede als wäre sie eine Herabstufung: “Ihr seid recht früh, noch dazu unmittelbar nach dem Heerzug in die schwarzen Lande, nachdem ihr Kontakt mit mächtiger Magie und diesem abscheulichen Dämonenpack hattet- zur Ritterin geschlagen worden.” Das Wort Ritterin hatte einen noch höhnischeren Beiklang als die zuvor genutzte Anrede: “Euch fehlt es womöglich an der richtigen Einschätzung von Gefahren ob eurem jungen Alter. Aber lassen wir das Thema, ich bin es allmählich Leid über all eure Unzulänglichkeiten zu sprechen” Er zog die Augen zusammen und trat noch einen Schritt auf Ira zu: “Da ihr euren Onkel nicht kennt, werde ich euch ein wenig über ihn erzählen. Er ist gebildet und klug. Und hält sich an so ziemlich keine Regel, die ihn irgendwie beschränken würde, in seinem Drang nach… Wissen. Das, hohe Dame, bedeutet, dass er überall wo er auftaucht Ärger macht. Und das ist mir gelinde gesagt unrecht.” Wieder drehte er sich um und schritt in seinem Zelt einige Schritte herum, ehe er wieder vor Ira stehen blieb: “Und da er nun einmal euer Onkel ist, wäre es doch eine wundervolle Aufgabe, wenn ihr ein Auge auf ihn haben würdet. Im Namen Travias, der ihr euch doch für diesen Heerzug verpflichtet habt, wie man hört.” Er deutete auf ihr Schwert. “Ihr haltet ihn davon ab Ärger zu produzieren und gleichzeitig ihn davon ab Ärger zu bekommen. Das ist doch sehr im Sinne der gütigen Mutter, meint ihr nicht auch?” Er lächelte sie an.
“Ja, Hochgeboren.” Sie zwang sich zur Freundlichkeit. Mehr wollte sie nicht sagen. Unzulänglichkeiten...fehlende Einschätzung… Konnte der Arsch nicht einmal etwas nicht-abwertendes sagen? Nein. Nun dann. Sie musste also nun Kindermädchen spielen. Wie schön. “Haben Hochgeboren noch etwas zu besprechen? Ansonsten führe ich jetzt dann mal Meister Hesindiard durchs Lager und zeige ihm alles.” Hoffnungsvoll wartete sie ihre Entlassung ab.
“Endlich mal eine vernünftige Idee”. und er winkte wischend mit der Hand, um sie zu entlassen, sagte dann aber noch etwas, als sie sich umgedreht hatte: “Und haltet ihn von mir fern.” Dann endlich ließ er sie gehen.