Feldzug Rabenmark, Kapitel 2: Das Heerlager vor Gareth

Das Heerlager vor Gareth

Vor den Toren der Kaiserstadt, auf einer grünen, ungenutzten Wiese im Rahja der Metropole, fanden sich schon während des alljährlichen Kaiserturnieres nach und nach Streiter ein, die gedachten, mit dem Baron von Hlutharswacht in die Ostmarken zu ziehen. Nachdem das Turnier entschieden und der Sieger feierlich durch Kaiserin Rohaja gekürt sein würde, sollte es zu einer kleinen Heerschau durch die versammelten Adligen kommen. Stolz wehten die Banner der vertretenen Häuser und Einheiten am Gedenktag der Ogerschlacht im milden Wind eines sonnigen Tages. Alle waren sie dem Aufruf des Barons von Hlutharswacht gefolgt, der mit seinem Ansinnen, das zukünftige Lehen eines seiner Dienstritter zu befrieden, etwas losgetreten hatte, von dessen Größe Jost Verian von Sturmfels-Maurenbrecher, Initiator und Oberbefehlshaber dieser doch recht groß angewachsenen Schar Streiter, selbst überrascht war.

Die Galebfurtener
Nie hätte Jolenta von Galebfurten, Junkerin zweier Güter im fruchtbaren gratenfelser Becken und Erbvögin der Baronie Galebquell, sich ein Bündnis mit einem solch starkem Haus erträumen lassen. Das Oberhaupt des nordmärkischen Zweiges des noch jungen Adelsgeschlechtes hatte auf die Initiative des Hlûtharswachters hin selbst versucht, Dinge in Bewegung zu bringen, und war bei ihrem Lehnsherrn, dem Baron Roklan von Leihenhof, auf offene Ohren gestoßen. Die Götter schienen die Unternehmung mit Wohlwollen zu betrachten. Zwei ganze Haufen Schützen, in Summe zwanzig Mann mit Bogen, wurden unter das Kommando Jolentas gestellt. Borontrud von und zu Hornisberg, ebenfalls eine geborene Galebfurten und Ehefrau des Junkers von Hornisberg, diente als Führerin dieser Einheit. Sechs weitere Waffenknechte in leichten Rüstungen und nordmärker Mordäxten folgten dem Aufgebot. Der nordmärkische Zweig der Familie Galebfurten war aber auch persönlich stark vertreten. Nicht nur die Junkerin war anwesend, sondern auch die Edle Dame Hildegund, Leibärztin des Barons von Galebquell, sowie die Hüterin der Saat und ihres Zeichens Geweihte der Peraine Valeria Isolde von Galebfurten. Zudem befand sich Wunnemar Thankmar von Galebfurten, Dienstritter des Barons von Hlûtharswacht, in dessen Gefolge. Nicht zuletzt um seine Zukunft würde es die kommenden Götternamen gehen. Tälerort, das Ziel des Zuges, war sein Erbe.

Der Große Schröter
Aus der Rabenmark selbst hatte sich Wunnemars Vater nach Gareth begeben. Thankmar von Nadoret, Edler und Mitglied des einflussreichen koscher Geschlechts, hatte am Turnier teilgenommen und ließ es sich nun nicht nehmen, den Zug selbst in seine Wahlheimat zu geleiten. Der ‘Große Schröter’, wie Thankmar weithin genannt wurde, hatte Jost Verian im vergangenen Jahr im Umfeld des Turnieres kennen und schätzen gelernt. Die beiden Ritter hatten schnell Freundschaft geschlossen und man munkelte, dass die ganze Idee des sogenannten ‘kleinen Feldzuges’ aus einer Bierlaune einer jener Nächte auf dem Kaiserturnier entsprungen war.
Begleitet wurde er von seiner Frau Madalbirga von Galebfurten, der Mutter Wunnemars. Wenn auch selbst Ritterin, hatte sie nich am Turnier teilgenommen und nur selten zugesehen. Manche behaupteten, dass die düsterne Tristheit der Rabenmark auf ihr Gemüt abgefärbt hatte, sie selbst nannte es die Konzentration auf das Wesentliche. Tatsächlich hatten die Ideale und das Verhalten der Golgariten sie in einigen Dingen neu geprägt und ihre Ruhe und Überlegtheit, wie ein Saltarez von Jurios sie an den Tag legte, hatten ihr imponiert und einen neuen Weg zur inneren Ruhe aufgezeigt. So war sie von dem Plan des kleinen Feldzuges überrascht worden, da sie selbst nicht an der Feierlichkeit teilgenommen hatte, war jedoch aus der Rabenmark angereist, um den Feldzug in ihre Heimat zu begleiten. Es lag noch so viel im Argen in den östlichen Provinzen, schön, dass so viele dem rondra- und sicherlich auch borongefälligen Ruf zu den Waffen gefolgt waren.
Wie üblich nutzte sie die letzte Stunde der Dämmerung, bevor das Praiosschild sich erhob, für eine stille Andacht an Boron. Mit den ersten Strahlen der Sonne erhob sie sich vom noch taunassen Boden und seufzte. Ob es ihr letzter Schwertzug werden würde? Es gab noch so viel zu tun im Osten und ihre verbliebene Zeit wurde kürzer, Boron wusste es. Sie ließ ihren Blick über das Lager schweifen und bemerkte erfreut, dass viele früh auf den Beinen waren und beileibe nicht alle lange gefeiert hatten, auch wenn noch Schnarchen aus einigen Zelten drang...

Der Kranickteicher
Mit Mühen schlug Brun von Kranickteich die Augen auf - um dies sehr rasch zu bereuen, und ebenso schnell zu revidieren. Das Drehen in seinem Kopf ließ nur ein wenig nach. Brun verspürte die Sehnsucht, der Welt sein Leid zu klagen, und befahl seinem Körper einen Schmerzlaut von sich zu geben. Seine Kehle vermochte allerdings nur ein trockenes Krächzen zu vollbringen. Allmählich gelang es dem jungen Mann, sich zu orientieren: er lag wohl auf Stroh, und dieses roch nach Pferd, allerdings nach den weniger herrlichen Aspekten von Rahjas schutzbefohlenen Tieren. Mühsam rollte er sich auf die Seite, öffnete erneut die Augen, und sah einem schmutzigen Gassenmädchen ins Gesicht, das ihn unverwandt anstarrte, während sie tief in ihrer Nase bohrte.
“Husch!”, krächzte Brun, wedelte mit seiner Hand vage in die Richtung des Mädchens. Das Gör dachte nicht daran fortzugehen, sondern steckte sich einen saftigen Popel in den Mund. Der nächste Handgriff des jungen Manns galt seiner Geldkatze - die natürlich fehlte. Erneut ächzte er auf. Nicht, dass es ein großer Verlust gewesen wäre: er hatte extra Blechstücke und kleine Kiesel hineingefüllt, damit sie voller aussah. Na, da würde sich der Dieb aber ärgern.
Wackelig kam er auf die Beine, setzte mühsam und unter Kopfschmerzen einen Fuß vor den anderen. Bald musste er sich an einer nahen Fachwerkmauer abstützen. Das gemalte Schild eines gelben Krugs, das vor ihm am Fachwerk hing, rief Erinnerungen herbei: an einen durchzechten Abend mit sehr amüsanten Jungrittern aus Garetien, hier in dieser Absteige. An ein Fräulein mit einer entzückenden Nase, das ihn ein ums andere Mal abblitzen hatte lassen - außer bei dem Duell im Armdrücken, das er allerdings schmählich verloren hatte.
Brun fuhr sich durch sein Haar. Vor zwei Tagen hatte er es von einem Barbier zurechtstutzen lassen, denn er wollte nicht mehr für einen Knappen gehalten werden - jetzt, da der Herzog selbst ihn zum Ritter geschlagen hatte. Außerdem hatte ihm der Barbier eine Tinktur in die Haare geschmiert, um sie heller zu färben. “Garether Mode”, hatte der Mann gemeint, und Brun damit sofort überzeugt.
Der junge Adelige blickte missmutig die Gasse hinunter, die sich, leicht gebogen, in der Ferne verlor. Von seiner Position konnte er nicht sicher sagen, ob er in Alt-Gareth oder in der Südstadt war, geschweige denn in welche Richtung er sich orientieren müsste, um zum Heerlager zu kommen. Ab heute war das Lotterleben in Gareth vorbei und die Strapazen des Kriegszugs würden beginnen. Sein zweiter Zug in den Osten! Brun fühlte sich jetzt gerade überhaupt nicht wie der heldenhafte Veteran, der zu sein er gerne vorgab. Was hatte ihn nur in dieses Schlamassel mit dem Rabenmark-Feldzug geführt! Sein loses Mundwerk, natürlich, seine Vorliebe für leckeres Bier und große Worte. Wohlan. “Haltung bewahren!”, befahl sich Brun von Kranickteich, neuerdings ein Ritter, während er wackeligen Schrittes die Gasse in die falsche Richtung hinablief. (Kranickteich/Niklas 05.02.2020)

Der Eisensteiner
Die Sonne war noch nicht ganz aufgegangen, als ein knapp 90 Finger großer, drahtiger Mann mit einer ledernen Peitsche, die deutliche Gebrauchsspuren aufwies, vor seinem Zelt stand. Die Farben seines Hauses, seiner Baronie schmückten die trainierte Brust und er sah sich auffallend unzufrieden um. Aus Augen, die schwarz wie die Nacht anmuteten, und aus denen keine Wärme ausstrahlte.
Der Mann, der die erste Lebenshälfte schon einige Jahre hinter sich gebracht hatte, beobachtete sehr aufmerksam, wie seine Gefolgsleute sich am Morgen benahmen. Die Götterläufe, die er bereits auf Dere verweilte, hatten ihn gelehrt, dass sich faules Gesocks am häufigsten am Morgen absonderte. Am leichtesten erkennbar war diese Spezies, wenn die klaren, hellen Strahlen des Herrn Praios noch nicht ganz so offensichtlich enthüllten, wer sich vor Arbeit drücken wollte und wer seine von der zwölfgöttlichen Ordnung auferlegten Aufgaben ohne Murren und zu seiner Zufriedenheit ableistete.
Daher war es ihm eine liebgewonnene Gewohnheit, morgens sobald er wach war, vor dem Zelt Stellung zu beziehen und zu beobachteten. Nebenbei war seine Anwesenheit einschüchternd und unangenehm für die anderen. Ein zusätzlicher Genuss. Im Kopf führte er während dieser morgendlichen Routine eine Liste mit den Verfehlungen jedes Einzelnen, die er stets erweiterte und auf die er im Augenblick, der am wenigsten erwartet wurde, zugriff. Niemand sollte sich sicher fühlen. Sie sollten nicht glauben, mit Dummheiten, Faulheit, Frechheit, Unachtsamkeit oder Inkompetenz durch zu kommen. Er duldete so etwas nicht. Weder bei seinen Untertanen, noch bei seinen Soldaten, weder bei seinen Rittern, noch bei seiner Familie. Er beobachtete und strafte. Rigoros und ohne Mitleid.
Ein Lächeln huschte über seine Züge. Stolz machte es ihn, dass seine Gruppe stets die erste am Morgen war, die vollständig, sauber und diszipliniert antrat. Seine Männer waren daher auch die ersten, die am Abend zu Bett gingen, und so waren sie vor den üblen Gefahren der Trunk- und Spielsucht gefeit. Die einzigen Begehrlichkeiten, die er zuließ, waren Musik und Hurerei.
‘Sehr schön’ er atmete tief ein. Die Luft der Freiheit. Luft des Krieges. Er mochte den Krieg. Also - an sich mochte er den Krieg. Den Kampf. Das Gefühl, einen Gegner zu dominieren, und ihn am Ende zu töten. Oder zumindest kampfunfähig zu machen. Die Kraft zu sparen, die es erforderte den Unterlegenen zu Boron zu befördern, könnte den nächsten Kampf entscheiden. Also hatte er es immer unterlassen zu töten, wenn es nicht unbedingt nötig war. Dennoch hatte er es getan. Mehr als einmal in all den Jahren. Im Krieg und im Frieden. Aber im Krieg fühlte es sich richtiger an. Der Nachteil am Krieg allerdings war es, dass er ihn nicht alleine führen konnte. Er hätte das bevorzugt. Nur er und seine Männer. Niemandem, dem er sich unterordnen musste. Er sah mit gerunzelter Stirn zu den anderen Zelteinheiten hinüber.
Dass Jost, sein Schwiegersohn, der der Initiator dieses kleinen, feinen Zeitvertreibs war, sich als Oberbefehlshaber präsentierte, gut und schön. Ein Baron. Einer auf seiner Ebene. - Und einer musste ja diese unliebsame Aufgabe übernehmen. Aber, dass er diesen weißhaarigen Grünschnabel zum Trossmeister gemacht hatte, das passte Rajodan ganz und gar nicht. Er hatte Jost davon abgeraten. Diese Aufgabe sollte in seinen Augen ein erfahrenerer Krieger übernehmen. Das hatte er auch Jost mitgeteilt. Er hatte zugesagt, dem kleinen Heerzug zu folgen. Er hatte zugesagt, sich bei den Lagebesprechungen zu beteiligen. Auch dass er sich in die Heeresordnung, die es eben geben musste, einfinden würde. Aber er hatte auch gesagt, dass, wenn dieser kleine Hosenscheißer Entscheidungen träfe, die er für untragbar hielt, den Trupp verlassen würde. Er hatte Verantwortung zu tragen, für Menschen und Leben. Manchmal war der Tod zwar der einzige Weg diese Leben zu schützen, doch in diesem Fall, verantwortete er allein die Entscheidung. Denn der kleine Baronet, war nicht sein Graf oder Herzog. Er war eigentlich ein Nichts- nur ein Witwer, ohne Dynastie, jemand der seine Erblinie noch vor dem Ritterschlag aufgegeben hatte, für ein lächerliches Versprechen an Travia.
Er hatte seinem Schwiegersohn geraten, seine Loyalität lieber auf Menschen zu verteilen, deren dynastische Linien nicht gebrochen waren. Aber, der Kleine war eben noch sehr anhänglich. Das Leben würde ihm die gebotene Härte wohl noch lehren und ihm diese Flausen austreiben. Und er selbst hatte womöglich auch nicht den richtigen Weg eingeschlagen. Erst eine seiner Töchter war verheiratet, nur eine weitere versprochen. Für die drei anderen fehlten ihm die Ideen, die Angebote und die Möglichkeiten. Aber womöglich fand er ja hier in diesem Tross ein wenig Inspiration. (Catrin/Rajodan 05.02.20)

Die Baldurstolz
Er lächelte, als er eine Hand auf seiner Schulter spürte und labte sich kurz an diesem Gefühl von Stolz, den er gerade empfand. “Herr? Seid Ihr wach? Es ist Zeit.”, hörte er seinen Knappen und Neffen zweiten Grades sagen. Natürlich war er wach. Schon eine ganze Weile. Doch wollte er wissen, ob sein Knappe den Tagesablauf bereits verinnerlicht hatte. Schließlich war er auf Geheiß seines Barons unterwegs. Schlimmer noch: der Baron war persönlich bei diesem Feldzug anwesend. Das hieß, dass er sich keinen Fehltritt erlauben durfte und erst recht nicht sein Knappe. Sollte es doch dazu kommen, so wäre er gezwungen seinen Knappen in Gegenwart des Barons hart körperlich zu züchtigen. Ein Gedanke, der ihm missfiel, doch er würde notfalls diese Pflicht tun. Umso mehr freute es ihn, dass sein Knappe nun ihn zu wecken versuchte.
Vitold stand auf, wusch sich kurz das Gesicht, blickte seinen Knappen an und sagte: “Auf geht´s.” Sie traten vor das Zelt, nahmen ein paar tiefe Atemzüge der frischen Morgenluft und fingen an noch vor dem Morgengrauen ein paar Runden zu laufen. Vitold legte wert auf einen gut trainierten Körper, weshalb die Ausbildung des Jungen diverse Körperübungen enthielt, zusätzlich zu den üblichen Übungen einer Ritterausbildung. Der Tag begann mit einem drei Meilen Lauf, nur mit einer Unterhose bekleidet. Lediglich im Winter erlaubte er sich und seinem Knappen leichte Stiefel und eine Tunika gegen die Kälte. Danach erfolgten einige Übungen zum Muskelaufbau, bevor es zum Schwerttraining ging. Danach wurden die Pferde versorgt, sich gewaschen und erst dann erfolgte das Frühstück. Pünktlich zum Morgenappell konnten sie dann, frisch gestriegelt und gebügelt, vor dem Zelt des Barons antreten und seine Tagesbefehle entgegennehmen. (Vitold und Folcrad von Baldurstolz, Hendrik 06.02.2020)

Die Plötzbogen

Seit dem Auszug aus Hlutharswacht wirkte Ira stets etwas nachdenklich, denn es waren viele Dinge, die die junge Rittsfrau beschäftigten. Es waren genau genommen zu viele und es waren zu wenige, mit denen sie ihre Gedanken teilen konnte. Also fraß Josts erste und bisher einzige Knappin, später Dienstritterin und nun enge Freundin alles in sich hinein, was sie stets launisch und zornig sein ließ. Nicht, dass Zorn etwas Neues an Ira war. Doch der Zorn, der seit Anfang RAHja in ihr tobte, war genährt von Angst und vielen Fragen, von Gefühlen und Sehnsüchten und großem Bedauern. Ein Götterlauf, das sie hier war, auf dem Turnier der Kaiserin, und gestritten hatte vor den Augen des Mittelreichs. Ein Götterlauf, da sie Travingo getroffen hatte. Die junge Knappin, die damals grüßend die Plötze unter dem Bogen vor die Kaiserin getragen hatte, gab es allerdings nicht mehr. Alles hatte sich verändert. Sie selbst. Ebenso wie die Umstände. Selbst das schillernde, prunkvolle Gareth kam Ira nicht mehr so glänzend vor. Vielleicht lag es daran, dass die schrecklichen Ereignisse auf Josts Hochzeit einen dunklen Schatten über diese Reise, auf die sie sich schon das ganze Jahr über gefreut hatte, warfen, und die Erinnerung vom Versagen des Schwarms wie ein Giftstachel in ihr steckte. Sie verstand immer noch nicht so genau, wie dieses … Ding… ihre Mauer brechen konnte. Ihre eingeübte Rotation. Die starke Legio! Einfach zerstört! Es war zu ihrem Leidwesen niemand hier, mit dem sie ihre Fragen und ihren Ärger und ja, auch ihre Zweifel teilen konnte. Zandor nicht, Sigiswolf auch nicht. Nur Jost. Aber der hatte keine Zeit. Wegen Odelia und der Hochzeitsreise. Wobei Ira sich wirklich fragte, ob den beiden nach dieser desaströsen Hochzeit überhaupt der Sinn nach rahjanischen Zweisamkeiten stand. Doch genau genommen war ihr Josts Liebesleben egal. Sie hatte schließlich ganz andere Sorgen. Wie konnte sie sicher sein, dass nicht Vampire an jeder Ecke lauerten? Selbst hier in Gareth? Dass sie unter dem Volk, unter dem Adel herumliefen und ihre Intrigen strickten, um aus dem Nichts aufzutauchen und die Welt ins Chaos zu stürzen, wie sie es auf Josts Hochzeit getan hatten. Wie sollte sie sich sicher fühlen, wenn selbst ihre eingespielte Formation keine Wirkung gezeigt hatte. In Momenten wie diesen, da Ira über das Vergangene nachsann und mal wieder wie ein Igel mit ausgefahrenen Stacheln wirkte, überwog das Zweifeln und die Angst. Zu allem Überfluss hatte ihr Lupius auch noch diesen dämlichen Brief geschrieben, über den sie sich immer nur aufregte, wenn sie nur daran dachte. Für wen hielt der Schellenberg sich eigentlich, ihr solche Sachen zu schreiben? Und Travingo, ja, den verstand sie auch nicht. In ganz düsteren Momenten kam ihr der forsche Gedanke, ein Vampir würde auch Verema hinwegraffen… ganz zu schweigen von dem Scheusal, mit dem sie sich auch noch herumschlagen musste, zusätzlich zu den Monstern in ihrem Kopf. Der Eisensteiner Baron war jedoch sehr real und außerdem ließ dieser keine Möglichkeit aus, Ira daran zu erinnern, wie real er war. Verdammte Scheiße, warum nur war keiner der Ambrustbolzen Rajodan in den Kopf geflogen…

Der Schwarzen Queller
Es war noch gar nicht lange her, da hatte er seinen Pflichten als herzoglicher Knappe nachkommen müssen. Frühes Aufstehen. Exerzieren an der Waffe und zur Kräftigung des Leibes, sowie zahlreiche Stunden in denen man ihn in höfischen Belangen unterwiesen hatte. All dies gehörte auf einen Schlag der Vergangenheit an, denn nun war er endlich selbst ein Ritter. Nicht irgendein Ritter, sondern ein Ritter der Nordmarken! Und es erfüllte ihn mit Stolz dies sagen zu können, selbst wenn er als Nordmärker nicht überall wohlgelitten war. Dennoch würde er die alten Gewohnheiten wohl nur langsam ablegen können, sofern es überhaupt dazu kam.
Bereits früh auf den Beinen, schlenderte er nun ziellos durch das kleine Heerlager und verschaffte sich einen besseren Überblick. Studierte die Ordnung, den Aufbau und versuchte erste Abläufe zu erkennen. Immerhin hatte ihm dieses Vorgehen bereits im Heerzug wider die Schattenlande gute Dienste geleistet. Damals hatte er noch unter seinem ersten Schwertvater gedient. Doch Marcorion war beim Sturm auf die Stadt gefallen und so hatte sich Seine Hoheit der Herzog der verwaisten Knappen angenommen. Auch seiner und die Entscheidung hatte er keinen Augenblick bereut. Es war für ihn die Möglichkeit gewesen in eine andere Welt einzutauchen. Der Hof des Herzogs war so viel voller, lebendiger, lauter und reich an Erfahrungen, dass er überhaupt keinen Vergleich zur ruhigen Vairnburg zuließ - wobei sich zugegeben der Hof von Vairningen unter der jungen Baronin sehr gewandelt haben soll.
In Punkto Komfort hatte der herzogliche Tross nach Gareth wenig mit einem Heerzug gemein. Natürlich gab es Bewaffnete, doch vor allem gab es Hofschranzen und Bedienstete die unentwegt herumscharwenzelten. Somit war das kleine Heerlager das seine in seinem Leben. Das Aufgebot des Mittelreiches, war – wie nicht anders zu erwarten – erheblich größer ausgefallen und dennoch konnte sich dieser Tross durchaus blicken lassen. Überraschend viele Streiter hatte Wunnemar für den Kampf um das Erbe seiner Familie gewinnen können. Doch zugleich war sich Alrik nicht sicher ob es auch ausreichen würde. Kämpfer, ob mit Schwert, Lanze oder Bogen, waren das Eine, aber waren sie die Lösung für die ihnen bevorstehenden Probleme? Seit der Befreiung von Mendena gab es offiziell keine feindlichen Truppen mehr, doch war klar dass sie sich lediglich versprengt haben und nun Land besetzt hielten. Land das sie mit diesem Zug zurückerobern wollten. Sorgen bereiteten ihm jedoch nicht diese Kämpfe, sondern Widerstand ganz anderer Natur. In den Götterläufen der Besetzung hatten die Dämonenbuhler das Land verdorben und die Menschen nach ihrem Irrglauben erzogen, was jedoch sollten sie dagegen unternehmen? Wie sollten sie eines Landes Herr werden, dass von nichtderischen Kräften beeinflusst wird? Konnten sie das überhaupt? Von den Menschen ganz zu schweigen, wie lang würde es dauern bis sie und die Geweihten die sie begleiteten die Bewohner von der Rechtschaffenheit Alverans und der Falschheit der sogenannten himmlischen Familie überzeugt hatten? Sorgen und Gedanken die ihn plagten, doch hatte er gelobt seinen Brüdern und Schwester vom Orgilsbund zur Seite zu stehen und so stand er bei diesem Unterfangen Wunnemar bei.

Der Trossmeister und sein Knappe
Der vorher so trefflich als Grünschnabel Betitelte, war indes einer der ersten gewesen, der am Morgen auf dem Platz des Heerlagers erschienen war. Vielleicht ärgerte dies den Eisensteiner ganz besonders.
Wie er es noch im Dunkeln aus der Capitale geschafft hatte, dessen Tore dann für gewöhnlich noch geschlossen waren, blieb sein Geheimnis. Der junge Trossmeister hatte wie stets im Tempel der Travia genächtigt, eine Tradition die Wunnemar von Galebfurten seit dem Tod seiner großen Liebe stets pflegte, wenn er sich in der Nähe einer Stadt befand. Am Sterbebett seiner angebeteten, war er mit ihr den Traviabund und darüber hinaus ein Keuschheitsgelübde eingegangen.
Hoch aufgerichtet ritt der Sohn Thankmar von Nadorets nun auf seinem Apfelschimmel Hesindigo durch das Heerlager, ermahnte an mancher Stelle zur Ordnung, begrüßte Neuankömmlinge und teilte ihnen Plätze zu.
Wunnemar hatte die letzten Götternamen viel Zeit darauf aufgewandt den Weg des Zuges zu planen, hatte unzählige Korrespondenzen geführt, um Platz für Lagerstätten zu erlangen, aber auch, um fremdes Land durchreisende zu dürfen. Die Auflistung der Heeresteilnehmer, der Einkauf des Proviantes, die Organisation des Nachschubs, all dies waren weitere seiner Aufgaben gewesen, die er mit leidenschaftlicher Akribie nachgekommen war. Doch nun war alles so gefügt, wie es sein sollte. Es ging um sein Erbe, nicht weniger. Tälerort musste eine Zukunft erlangen, die Rabenmark musste es, um irgendwann wieder das zu sein, was es musste, Teil eines wiedervereinten Darpatien unter dem Haus Rabenmund.

Der junge, hochgewachsene Knappe an der Seite des Trossmeisters war in jenen Tagen emsig damit beschäftigt Botengänge für seinen Schwertvater zu tätigen. Der Baronet von Tälerort nutzte die Dienste Quendans oft in dieser Weise, denn der Spross des Hauses Hornisberg hatte sich als gelehrig bewiesen und besaß darüber hinaus weitere Eigenschaften, die Wunnemar schätzte und die ihn befähigten früh eigenständig Aufgaben zu erfüllen. Er war verschwiegen und hatte ein Gespür für gesellschaftliche Normen und Gegebenheiten, etwas was selten war in solch jungen Jahren. Wunnemar erinnerte sich nur zu gut und zudem überaus ungern an Gelegenheiten, wo er selbst Adlige hatte falsch oder unpassend tituliert. Von seiner damaligen etwas vorlauten Art ganz zu schweigen. Sein Schwertvater, der Baron von Galebquell, Roklan von Leihenhof hatte es vermutlich nicht ganz so leicht gehabt mit ihm, wie er mit Quendan. Dennoch benötigte der Bursche Anleitung, denn das Götterbild, das er besaß, wich von den üblichen Lehren der Zwölfgötterkirchen ab, auch im Falle Travias. Ein Umstand, der Wunnemar nicht gefiel und den er nicht akzeptieren konnte.

Der Orgilsbund
Das auffällige Haar seines Bundesbruders zwischen den Zelten erblickend, wechselte Alrik die Richtung und wählte eine Route um diesen abzufangen. „Guten Morgen, Herr Trossmeister.“ Begrüßte er ihn, wobei nicht sicher war mit welcher Ernsthaftigkeit er diesen Titel im jetzigen Augenblick betrachtete. „Verläuft alles wie geplant, sodass wir ohne Verzögerungen unser Ziel erreichen werden?“ Fuhr Alrik wesentlich ernster fort, auch um seinem Bruder wenn nötig seine Hilfe anbieten zu können. Zudem hatte die Frage für ihn tatsächlich einen ernstgemeinten Hintergrund, beabsichtigte er doch in Rommilys seinen Oheim zu treffen. Einen Mann den er eigentlich nur aus den Erzählungen seines Vaters und gelegentlichen Briefen kannte, jedoch noch nie getroffen hatte. Jorgast-Jost vom Schwarzen Quell hatte bereits vor Alriks Geburt die Nordmarken verlassen und seither für die Freiheit Darpatiens gestritten. Zuletzt, so hatte Alrik erfahren, an der Seite eines Vetters der Baronin, der in der Mark Altzoll, nicht fern der Grenze zu Tälerort, über ein Edlengut gebot. Vielleicht, so hoffte Alrik, würde er von seinem Oheim Informationen erhalten, die ihm während des Feldzuges noch nützlich werden könnten.
Erfreut grinste der junge Galebfurtener, als er aufgrund des Ausrufes den Kopf drehte und seinen Bundesbruder erblickte.
“Die Zwölfe zum Gruße Alrik”, erwiderte der seit einem Zusammenprall mit einem Karakil in Mendena nahezu komplett grauhaarige Rittersmann, während er seinen kräftigen Apfelschimmel zum stehen brachte und in einer fließenden Bewegung vom Pferderücken kam. Für seine robuste Statur war der nicht sonderlich groß geratene Wunnemar immer noch recht gewand.
“Es sind noch nicht alle eingetroffen”, antwortete der Trossmeister. “So fehlen zum Beispiel noch zwei Haufen Söldner, die das Haus Nadoret, die Familie meines Vaters diesem unterstellt hat. Aber ich bin guter Hoffnung, dass wir wie geplant aufbrechen können. Wir werden aber auch nicht auf alle warten. Da wir vor Rommilys einige Tage lagern werden ist noch genug Zeit Strecke gutzumachen und zum Heer dazustoßen. Wir werden Reiter zurücklassen, die entsprechende Anweisungen geben werden.” Der Trossmeister nickte. “Du siehst also, es ist alles bestellt.”
Da hatte Wunnemar wohl Recht. Bereits auf dem Feldzug der Kaiserin hatte Alrik erlebt wie langsam ein größeres Aufgebot vorankam. Im Vergleich zu damals waren sie jetzt ein lächerlich kleiner Haufen, doch es würde genügen, um sie langsam zu machen. Folglich würden es die kleineren und leichteren Nachzügler sicherlich nicht schwer haben zu ihnen aufzuschließen, zumal sie, wie Wunnemar nochmals herausgestellt hatte, einige Tage in Rommilys verbleiben würden. "Es freut mich das bisher alles wie vorgesehen verläuft!" Stellte er dabei nüchtern fest. "Sollte sich daran etwas ändern oder du Hilfe brauchen, kannst du mir jederzeit bescheid geben."
“Gern”, meinte der Baronet verschmitzt. “Halt mir ganz einfach den Eisensteiner vom Leib. Der ist mit meiner Berufung anscheinend etwas ‘unglücklich’.” Wunnemar seufzte und schüttelte den Kopf, als wolle er eine lästige Schmeißfliege vertreiben.
“Im Ernst. Ich komme gern darauf zurück, wenn wir erst einmal in Bewegung sind. Ich wollte die Mitglieder des Orgilsbunds ohnehin fragen, ob sie diejenigen seien möchten, die dafür sorgen, dass das Heer nicht zu sehr auseinanderreißt. Auf der Reichsstraße wird das wahrscheinlich noch nicht geschehen, aber entlang des Ochsenwassers wird es schon anders aussehen, geschweige denn, wenn wir den Todeswall durchquert haben. Die Straßen auf der anderen Seite sind kaum noch als solche zu bezeichnen. Der Tross darf den Anschluss nicht verlieren. Ein paar flinke Reiter, die sich entlang des Zuges bewegen wären von Vorteil und ich lasse das lieber Leute machen, die ich persönlich kenne und vertraue.”
Dadurch, dass er im Gefolge des Herzogs nach Gareth gereist war, hatte er bisher den Eisensteiner kaum erlebt. Nun jedoch, hier in ihrem kleinen Lager, hatte Alrik sehr schnell festgestellt, dass der Baron in ihm vor allem Missfallen erregte. Eine straffe Führung war gut und vermochte wahrlich Wunder zu bewirken, doch die Art des Barons ging weit darüber hinaus. Er gängelte seine Untergebenen, kannte nur die Knute und herrschte durch Furcht und Unterdrückung über seine Untergebenen. Das dieser, unzufrieden mit seiner Rolle auf diesem Feldzug, unangenehm werden konnte, da war auch Alrik Recht sicher.
"Ich hoffe, dass wir in Rommilys zuverlässige Informationen erhalten um die weitere Route zu planen, aber ich bin mir recht zuversichtlich von meinem Oheim aus erster Hand zu erfahren wie es um unseren Weg bestellt ist. Und vermutlich haben die anderen nichts dagegen ihren Pferden etwas Bewegung zu gönnen, während sie die Herde zusammenzuhalten." Dabei zwinkerte er aufmunternd.
Der Baronet lächelte auf die Worte seines Freundes hin und Alrik meinte eine Spur Erleichterung in der Miene seines Gegenübers zu lesen. Die Rolle des Trossmeisters war sicher eine große Ehre, aber sie war zudem mit einigen Fallstricken verbunden, so dass sie für Wunnemar sicher gleichzeitig eine gewisse Belastung war.
"Ich hatte gehofft, dass du das sagst. Ich glaube Ira wird diese Aufgabe auch ein wenig Ablenkung verschaffen. Sie wirkt dieser Tage noch verkniffener und gereizter als üblich.
Ich bin ohnehin durch mit meinem Ritt durch das Feldlager. Lass uns ihr mal einen Besuch abstatten.
Madalbirga sah ihren Sohn hoch zu Ross durch das Lager reiten und blickte ihm nach. Er würde Tälerort einst erben, auch wenn sie die Erbbaroness war, ihre Mutter wollte es so. Ihr sollte es recht sein. Sie war sicher, dass Wunnemar ein guter Herr sein würde, nur, was würde nach ihm kommen? Sie wusste sehr wohl um sein Keuschheitsgelübde und ihr zweiter Sohn Koradin war verschwunden. Sie seufzte leise. Boron würde einen Weg finden...

Wenig später standen die Bundesbrüder vor dem Zelt der Plötzbogen-Ritterin.
Wunnemar führte Hesindigo an den Zügel.
"Ist die Löwin von Elenvina in ihrem Zelt?” Fragte der Baronet laut und zwinkerte Alrik dabei frech zu. “Hier sind zwei deiner Bundesbrüder, die hoffen nicht verspeist zu werden. Wir wollen nur mit dir reden.”
Iras dunkelbraune Eisensteiner Stute Gise hob bei der Ankunft des trossmeisterlichen Apfelschimmels Hesindigo überaus erfreut den Kopf und wieherte ihrem alten Bekannten zur Begrüßung zu. Breitbeinig hob sie den Schweif und flehmte in die Richtung des stattlichen Hengstes. Pirmin, Iras Fuchswallach, auf dem sie für gewöhnlich reiste, interessierte sich hingegen nicht die Bohne für die Besucher sondern mümmelte akribisch auch noch die letzten Körnchen aus dem alten Holzeimer, als wolle er die Situation nutzen, den Rest zu ergattern. Der Warunker ihres Knechts spielte auch nur mit den Ohren, er war ebenfalls seiner Männlichkeit beraubt und verstand das Getöse wohl ebensowenig, das die Stute machte.
“Und ich dachte schon, ihr kommt, um mir beim Mähnenflechten zur Hand zu gehen,” ertönte die Stimme der Plötzbogen von außerhalb. Nur einen Moment später schob sich die Gestalt Iras zwischen den Pferden hindurch, wobei sie die Stute regelrecht verdrängen musste. “Mach Platz, Dicke, und nein, mit Hesindigo paarst du dich nicht! Vergiss es.” Erst dann wandte sie sich den beiden Freunden zu: “Scheiße, sie ist gerade rossig. Und wiiie!” Beim letzten Wort drückte sie die breite Brust Gises, mit welcher die Stute ihre Ritterin wieder in Richtung Wunnemars Reittier geschubst hatte, mit vollem Körpereinsatz zurück. “Schluss jetzt! Sonst macht die Löwin von Elenvina Schnitzel aus dir, statt dich hübsch für die Heerschau. - Ist der Altenwein eigentlich mittlerweile da?”
Wunnemar grinste über beide Ohren, als die Plötzbognerin geendet hatte. Er schien sich zusammenreißen zu müssen, um nicht gleich loszuprusten. Irgendetwas amüsierte ihn sehr.
"Warum nur", begann der Baronet mit sichtlicher Mühe eine Erwiderung, "erinnert mich deine Stute ein wenig an dich auf dem Kaiserturnier des letzten Jahres?"
Aus Iras Augen flogen ihm böse Blitze zu. “Ha ha. Soll ich das etwa witzig finden?” Wütend stemmte sie sich weiterhin gegen das rossige Ross, was angesichts der konträren Motivationen und Massen der beiden Ringenden nicht auf Dauer erfolgsversprechend schien. Und lustig aussah.
Alrik hatte sich zumindest soweit unter Kontrolle, das er sich zum einem dennoch deutlich sichtbaren Schmunzeln zwingen konnte.
Da war plötzlich alle Selbstbeherrschung dahin. Wunnemar lachte und musste sich sogar mit dem Handrücken eine Träne aus dem Augenwinkel wischen, als er sich kurz darauf wieder eingekriegt hatte.
"Verzeih mir Ira, aber daran kam ich irgendwie nicht vorbei, wenn du das so breittrittst.”
Wunnemar schüttelte immer noch amüsiert den Kopf, wechselte dann aber das Thema. "Aureus ist noch nicht im Heerlager angekommen, Ira, aber er hat mir in seiner Antwort auf meinen Brief versichert, dass sie zur Heerschau da sein werden.”
Der Galebfurtener klopfte Alrik neben sich auf die Schulter. "Unser Bundesbruder hier wird meiner Bitte folgen und sich zu Pferde darum kümmern, dass Heer und Tross beisammen bleiben. Ich hätte dich und die anderen des Bundes ebenfalls gerne dabei."
“Ja, schön, dann gehst du am besten gleich mal zu meinem Herrn und Meister und fragst ihn ganz lieb.” erwiderte sie spitz, wissend, dass er das nicht machen würde, und dass diese Frage auch gänzlich umsonst war, während sie zu den Zelten des Eisensteiner Barons hinüber deutete, immer noch bemüht die Stute zurück zu halten. “Im Ernst, das ist ne - oh mann Gise, gleich hol ich die Axt! - ist ne echt schöne Idee, und ihr wisst, dass ich das liebend gerne machen würde, aber, naja… Komm in 4 Jahren nochmal, wenn ich mein eigener Herr bin. Tut mir leid, das wird wohl nichts.” Dann trat sie stöhnend zur Seite, woraufhin die Stute gleich die volle Länge des Stricks ausnutzte, um sich Wunnemars Hengst mit zärtlichem Schnauben, aufmunterndem Ohrenspiel und devoten Liebkosungen mit den weichen Lippen anzubiedern. Ira verzog angewidert das Gesicht. “Urgh, Gise, das ist...widerlich. Also ich kann das nicht mit ansehen.” Sie schüttelte sich und trat mit gezücktem Zeigefinger auf Wunnemar zu. “Wehe du vergleichst mich noch mal mit…das da.” Die Konsequenz ließ sie offen.
Schuldbewusst hob der Baronet beide Hände, um Ira zu signalisieren, dass er verstanden hatte. Das freche Grinsen indes konnte ignorierte sie.
Dann fiel Ira etwas ein. Ihr sprunghaftes Wesen schien sie trotz des Verlusts ihrer guten Laune noch zu besitzen. “Oh, da fällt mir ein, ich muss euch was zeigen! Muss es nur kurz holen. Passt ihr mal auf Tarvun und Sulva auf.”
Welche Konsequenzen weitere Vergleiche nach sich ziehen würden, interessierte Alrik schon - nachfragen wollte er jedoch irgendwie auch nicht. Zu seinem Glück wurde seine Neugierde jedoch von einem anderen Geheimnis abgelenkt, sodass er gespannt erwartete, was Ira ihnen unbedingt zeigen musste. Einen fragenden Blick zu Wunnemar werfend, streichelte er derweil den deutlich ruhigeren Wallach, schließlich hatte er kein Interesse der rossigen Stute im Wege zu stehen.
Ira kam aus dem Zelt, ein längliches Bündel aus Wachstuch auf den Armen. Sie warf dem Strick, der ihr Pferd angepflockt hielt, einen prüfenden Blick zu: er war gespannt, aber würde halten; hoffte sie zumindest. Dann schlug sie das Bündel auf und präsentierte mit nicht wenig Stolz, der ihre schlechte Laune dann doch zurück zu drängen vermochte, den Inhalt: ein Langschwert mit anmutiger schmaler Klinge, die sich zum Ort hin nur schwach verjüngte und schelmisch glänzte, als das Sonnenlicht darauf fiel. Die Parierstange war bescheiden zierlos und bestand aus zwei sanften Bögen, die sich quer zum das Heft war mit schwarzem Leder bespannt, der Knauf erinnerte hingegen an eine Scheibe mit einer angedeuteten Blüte darauf. Mittig in der Parierstange war oberhalb des Spiegels ein kleines P in den graviert, und wer etwas von Schmiedekunst verstand, identifizierte das Stück an dieser Gravur als ein Stück aus den Werkstätten des Garether Meisterschmieds, dem Schmied der Tausend Helden.
“Ich war bei Eisinger. Ihr wisst schon. Thorn Eisinger. DIE Schmiedewerkstatt in Gareth.” erklärte Ira und warf Wunnemar das Wachstuch zu, damit sie den schlanken Anderthalbhänder in die Hand nehmen und ein paar Huten damit stellen konnte. “Und da hing es in der Auslage. Lachte mich an. Ich kann ja schlecht ohne Waffe los.” Unweigerlich rief ihre Aussage Erinnerungen an den Zerfallzauber hervor, mit dem das Vampirmonster ihre Kleidung und Waffen eben mal so inmitten der Kämpfe hatte zu Staub werden lassen.
Gleichwohl staunend wie beunruhigt bei dem Gedanken an jene grauenvolle Momente der Roten Hochzeit, war der Baronet zunächst etwas sprachlos beim Anblick des Schwertes.
“Eine schöne Waffe”, sagte Wunnemar schließlich. “Aber, warum hast du sie nicht gleich gegürtet und was bezahlen müssen für dieses Prachtstück?”
Der Galebfurtener hatte seinerseits ein Schwert verloren, jedoch auf gänzlich anderem Wege. Die grünlich schimmernde Klinge, die er in Mendena erbeutet hatte, war ihm des Nachts von einem Dieb abgenommen worden, der ihn in Elenvina hinterhältig niedergeschlagen hatte. Seither hing nun jenes Schwert an seiner Seite, welches Wunnemar vom Herzog bei seinem Ritterschlag erhalten hatte und welches das Wappen der Nordmarken trug.
Zuerst deutete seine Bundschwester noch ein paar Haue an, dann hob sie die Klinge und betrachtete seufzend die Reflexionen auf der noch kratzerfreien Oberfläche der Schneide. “Ich werd sie zur Heerschau das erste Mal anlegen. Vorher...hm...will ich sie noch schonen. Kommt schließlich noch früh genug was auf sie zu.” Ja, sie, die schon mal in den Schattenlanden gewesen waren, besaßen zumindest eine Ahnung von dem, was diesen Heerzug erwarten konnte. Erwarten würde. Kurz betrachtete die Eisensteiner Ritterin fast verliebt das schöne Stück Stahl. “Leider darf ich nicht sagen, was sie gekostet hat.” Wollen war eher der Fall. “Ich kann euch aber beruhigen, sie ist nicht von IHM, Eisinger, sondern von einem seiner Gesellen. Sooo viel Geld hat mir meine Tante dann nun auch wieder nicht mitgegeben. Ich bin froh, dass sie mir überhaupt etwas gab…” Das letzte sagte sie mehr zu sich. Wieder etwas lauter: “Jetzt braucht sie noch einen Namen. Gute Klingen tragen doch immer einen, nicht wahr?” Sie wirbelte die Klinge gekonnt herum, über das Hangetort durch den Oberhau Zwerch in den Alber. Die Klinge schien ihr gut in der Hand zu liegen. “Alrik!” Ira warf dem Schwarzen Queller einen Kinndeut zu. “Wie heißt deine eigentlich?”
Die Klinge des frisch gebackenen Ritters, war ihm vom Herzog verliehen worden. Ein edles nordmärker Langschwert, wie es bei unzähligen Heldentaten zum Einsatz kam. Dem klassischen Stil der Ritter folgend wies es zwei Schneiden entlang einer geraden Klinge auf, die in einer feinen Spitze endete und über eine Hohlkerbe verfügte. Knauf und Parierstange waren praiosgefällig ausgestaltet und dennoch hatte der Schmied nicht versäumt das Wappen der Nordmarken in den Griff einzugravieren. Die perfekte Waffe also, um leichte Rüstungen zu durchdringen.
Etwas abwesend, legte er die Linke auf den Knauf. “al'Shabra” Gab er dann etwas unsicher von sich. Immerhin war es das erste Mal, dass er es vor jemanden anderen aussprach. “Die Glänzende.” Als er die Klinge ein Stück weit aus ihrer Scheide zog, offenbarte ihr blanker Stahl auch gleich welchen Ursprung ihr Name hatte.
“Ehrlich? Das wäre ja, als würde ich Gise ‘brünstiges Pferdeweibchen’ nennen,” sie zwinkerte ihrem Bundbruder scherzhaft zu, merkte aber gleich, dass ihr Scherz schlecht gewesen war. “Tschuldigung, Alrik. Tulamidisch. Ja, warum auch nicht. Die Glänzende klingt doch hübsch.” schob sie daher schnell hinterher. “Außerdem, jedem das Seine, was?”
Auch wenn Ira es nicht böse gemeint haben mochte, so war ihm die Wahl des Namens nicht leicht gefallen. Sie war etwas Persönliches und darüber Witze zu reißen geziemte sich einfach nicht, dennoch ließ sich Alrik nichts davon anmerken. Erst wenn sich Waffe und Träger beweisen mussten, würde sich zeigen ob die Wahl trefflich gewesen war.
Iras Blick fiel indes auf die Klinge an der Hüfte des Galebfurteners, sie wollte gerade nach dem Namen seines Schwerts fragen, als der Strick, an dem Iras Stute festgezurrt war, der Zugkraft nicht mehr gewachsen war und mit einem SCHNATZ zersprang. Gise, soeben befreit, tappte sogleich mit federndem Schritt ganz nah an Wunnemars Hengst Hesindigo heran, um diesem nach Pferdemanier mit den Zähnen die Kruppe zu kraulen - und ihm dabei ihr mit Menschennasen nicht wahrnehmbar gut duftendes Hinterteil zu präsentieren. Ihr hochaufgerichteter Schweif, ihr breiter Stand auf der Hinterhand und die blähenden Nüstern signalisierten jedem, dass sie mehr als willig war.
“Lass ihn ja nicht los, Wunnemar, hörst du, sonst schuldest du mir Futter für ein Fohlen und züchten ist wirklich das letzte, was ich in nächster Zeit will.” brummte die Plötzbogen mürrisch, weil sie jetzt erst ihr Schwert wegräumen musste, bevor sie sich um den rossigen Gaul kümmern konnte.
“Nein nein, keine Sorge”, erwiderte der Baronet nun erneut lachend und auch ein wenig froh, dass das Thema Waffennamen ein vorzeitiges Ende nahm. Der Verlust seiner ‘Smaragdnatter’ schmerzte ihn sehr. So sehr, dass er für das Geschenk des Herzogs zur Schwertleite noch keine treffende Bezeichnung gefunden hatte, auch wenn diese es Wert gewesen wäre einen eigenen Namen zu tragen. Aber im Moment verband er nur die Sauhatz mit dem Schwert und dieser Name war dann doch eher ungeeignet.
“Ein schönes Stück”, merkte anerkennend eine tiefe Stimme an. Ira kam sie bekannt vor und in ihrem Hinterkopf schlug leise eine Alarmglocke an. Ein muskulöser Mann mit sehr kurzem schwarzem Haar und blauen Augen trat in die Runde. Gekleidet war er in den Farben der Baronie Eisenstein. An seiner Brust prangte eine Nadel in Form einer dreiflämmigen Fackel. “Darf man fragen welcher Geselle es war?”
Ach nee, was will denn der jetzt, dachte Ira bei sich, als sie die Anwesenheit des Baldurstolz vernahm. Was heißt Anwesenheit. Seinen Worten nach hatte der Wohlgeboren Vitold schon länger zugehört. Kurz rollte sie mit den Augen. Wohlgeboren Arsch - das traf es besser. Er mochte vielleicht, ganz entfernt und in gutem Lichte, ein guter Kerl sein, aber er gehörte zum Dunstkreis des Eisensteiners und das machte ihn zum einen unausstehlich, zum anderen zu alles andere als einem Freund. Nein, wer über die verachtungswürdigen Witze des Eschengrunders lauthals lachte, und der Rajodan nach dem Maul redete, der war nicht sympathisch. Sie behielt ihren Unmut jedoch für sich. Aber Alrik und Wunnemar spürten sofort, dass eine unangenehme Spannung in der Luft lag, kaum, da der Kerl hinzugetreten war. Eine Antwort auf die Frage Vitolds wusste sie nicht, doch das wollte sie sich nicht anmerken lassen, also sagte sie stattdessen: “Das ist doch egal.” Bestimmt würde er ihr Schwert sehen wollen. Weil sie aber keine Lust hatte, es von dem Baldurstolz befingern zu lassen, griff sie nach dem Wachstuch in Wunnemars Hand und schlug die Klinge rasch wieder darin ein.
Der Trossmeister indes nickte dem Neuankömmling in ihrer Runde freundlich zu, auch wenn er Iras unterschwellige Ablehnung wahrnahm. “Rondra zum Gruße Wohlgeboren.”
“Rondra zum Gruße, Euer Wohlgeboren. Zu Euch beziehungsweise zum Orgilsbund wollte ich gerade. Hättet Ihr einen Augenblick Eurer Zeit übrig?”
Stutzig gemacht hörte Ira auf das Schwert einzupacken. Was echt, der Baldurstolz wusste über ihren Bund bescheid? Die Sache gefiel ihr nicht. Irgendetwas war ganz sicher faul.
Wunnemar blickte kurz in die Runde seiner Freunde, dann wieder zu Vitold. “Natürlich, worum geht es?”
“Ich wollte den Bund darum bitten während des Feldzuges ein Auge auf meinen Knappen Folcrad zu haben, um am Ende darüber zu entscheiden, ob er es wert ist in den Bund aufgenommen zu werden. Um sein Handeln nicht zu beeinflussen werde ich ihm von dieser Unterhaltung nichts erzählen. Er soll sich durch sein eigenes Handeln beweisen.”
Ja, an dieser Anfrage war definitiv etwas faul, denn sie roch geradezu nach List und Tücke. Die anderen beiden kannten den vordergründig edelmütigen, aber hintergründig gemeinen Ritter nicht. Sie schon. Die Gängelungen auf dem Weg nach Gareth hatten ihr gereicht, um herauszufinden, dass Vitold gerne in dieselben Wunden stach wie der Eschengrund und der Keyserring. Daher fand Ira sich in der Pflicht, zu antworten, auch, wenn es etwas patzig klang: “Das ist ja schön. Aber der Orgilsbund ist erstens kein Kindermädchen, zweitens muss ein Interesse von Eurem Knappen ausgehen, nicht von Euch! Also wenn er Ambitionen hat, dann soll er selbst kommen!”
Er hatte bisher nichts Gutes über die Plötze gehört und die Beleidigung, die sie gerade zwischen den Zeilen ausgesprochen hatte, schien das Gehörte nur noch zu bestätigen. Das Kätzchen will also spielen, dachte er bei sich. Kann sie haben, aber jetzt habe ich Wichtigeres zu tun. “Ist das wahr?”, fragte er daher die beiden anderen in sachlichem Tonfall und ignorierte Iras schnippische Antwort.
Auch wenn Wunnemar Iras Ton nicht gefiel, so traf sie mit ihrer Entgegnung den Kern dessen, was auch er vorgebracht hätte zu erwidern, daher nickte er bedächtig.
"Was meine Bundesschwester sagt ist wahr. Zudem besitzt der Orgilsbund noch keine feste Hierarchie oder genauer einen Ordensmeister, der über ein solches Ansinnen entscheiden könnte. Eurem Knappen steht es jedoch frei zu uns zu kommen. Wir werden ihn anhören und dann eine Mehrheitsentscheidung fällen."
“Gut. So sei es.” Er nickte knapp. “Verzeiht die Störung.” Dann drehte er sich zu Ira um und sagte kalt: “Auf ein Wort, Plötzbogen!”
Die stutzte überrascht, doch ihr Blick hielt dem Vitolds trotzig Stand, während sie ihrerseits versuchte, sich von dem Kommandoton des Baldurstolz nicht ärgern zu lassen. Sie fragte sich, für wen der Kerl sich bloß hielt. “Ich habe keine Geheimnisse vor meinen Bundbrüdern.” entgegnete Ira ebenfalls kühl, “sagt, was ihr auf dem Herzen habt, Baldurstolz.”...oder verpiss dich.
Der Rtrossmeister warf Ira unterdessen einen ernsten Blick zu, der da sagen wollte sie solle die angespannte Situation nicht noch weiter mutwillig eskalieren. Sie wusste, er würde dazwischengehen, wenn es zu einer klaren Anfeindung kam.
Irgendwie war dem Schwarzen Quellen die Situation plötzlich suspekt geworden. Das unvermittelte auftauchen des eisensteiner Ritters, die Spannung die zwischen ihm und Ira zu herrschen schien und dazu auch noch die von ihm vorgetragene Bitte. Wieso, wenn ihn so viel daran liegt, hatte er sich nicht vorher über den Orgilsbund und die Aufnahme in seine Reihen erkundigt? Wobei, wie er sich dann wiederum eingestehen musste, dies vermutlich nicht wirklich möglich gewesen sein dürfte. Seit der Gründung vor den Toren Elenvinas hatte es nur eine einzige Aufnahme gegeben, die wiederum bereits beschlossene Sache und nur von der Genesung des Anwärters anhängig gewesen war. Wie es schien würde dieser Feldzug also nicht nur ihre erste Bewährungsprobe sein, sondern auch eine Zeit, in der sich der Orden weiter festigen und finden musste. Bisher gab es nur ihre Vorsätze, doch würden sie - sollte der Bund weiter wachsen und länger überdauern sollen - diese in Statuten verschriften müssen. Notwendige Ämter mussten identifiziert und besetzt werden und vermutlich wäre es auch nicht verkehrt einen Sitz, der nicht in einem Travia-Tempel, festzulegen.
“Nun, wie ihr wünscht”, sagte der Ritter knapp und ohne eine Miene zu verziehen. “Zunächst einmal möchte ich Euch raten mich und meine Fähigkeiten kein weiteres mal in aller Öffentlichkeit anzuzweifeln. Des Weiteren sei Euch gesagt: sollte ich ein `Mädchen` für meinen Knappen benötigen, so würde ich sicherlich nicht Euch fragen. Und zu guter Letzt wünscht seine Hochgeboren Rajodan Euch zu sprechen. Es geht wohl um Euer Pferd. Und Ihr wisst ja, er wartet nicht gern.” Auch wenn sie es erwartete, das fiese Grinsen blieb aus. Baldurstolz wirkte eher wie ein teilnahmsloser Soldat, der seine Pflicht tat, ob sie ihm gefiel oder nicht.
Wunnemar verzog das Gesicht. Zwar hatte er eine solch bissige Antwort erwartet, seine Bundesschwester war ja nicht gerade einfühlsam gewesen in ihrem Ton, die Worte des Eisensteiners waren aber so präzise gesetzt, dass sie wohl jenen Nerv trafen, der Iras temperamentvolle Art nur noch befeuern würde, so befürchtete der Baronet. Dennoch war es nicht an ihm sich einzumischen, daß würde Ira eh nur noch mehr aufstacheln, weil sie sich wie ein kleines Mädchen bevormundet sehen würde. Nein, die Plötzbogen musste diesen Kampf selbst ausfechten und lernen die Beherrschung zu wahren.
Natürlich lagen Ira schon entsprechende Widerworte auf der Zunge, doch dann fiel die Rede auf Gise, was die Plötzbogen kurz doch überraschte. “Um mein Pferd?? Und da schickt er--” Sie verschluckte den Rest. Arschlöcher. Warum nur waren alle, die der Baron um sich scharte, solche Arschlöcher. Dämliche, überhebliche, missgünstige. Eigentlich wusste sie wieso: wenn es nach Immas und Lupius’ Meinung ging, hielt es angeblich kein normaler Sterblicher unter dem Baron aus, und diese Meinung teilte sie bisher vollauf. Ja, vielleicht sahen ihre Bundbrüder jetzt mal, wie übel man ihr hier mitspielte. Ein schneller Blick zu der verliebten Stute, zu Alrik und Wunnemar, dann fokussierte sie den Eisensteiner, wägte die Risiken ab, und schluckte im Folgenden alles hinab, obwohl ihr gerade so vieles in den Sinn kam. Der Baron wartete wirklich nicht gerne, das stimmte. “Gut. Ich packe das hier,” sie hob das Wachstuchgebilde an, “noch schnell weg, dann können wir.” presste sie unwillig hervor. Aber sie würde sich fügen. Für den Moment.
“Schwarzen Quell, kannst du einen Moment auf die Pferde aufpassen, bis Darek, mein Knecht, zurück ist? Er müsste bald hier sein.” Welches Pferd sie dabei genau im Sinn hatte, war unschwer zu erkennen. Ira hoffte, dass Alrik ihr den Freundschaftsdienst tat. Von Wunnemar wollte sie das nicht erwarten, denn zum einen würde sie möglicherweise hinterher nur eine trächtige Stute besitzen und zum anderen hatte ihr Freund ja als Trossmeister ganz andere Dinge zu tun. Dabei konnte der Jungritter nicht umhin, den flehenden Blick seiner Bundschwester zu bemerken, mit dem sie ihn in ihrer “Not” hilfeersuchend ansah - freilich von dem Eisensteiner abgewandt.
"Ähm, klar doch." Stimmte dieser etwas überrascht von der Anfrage zu. Dann würde sein Frühstück eben noch etwas auf sich warten lassen, aber das war nicht weiter schlimm.
Dann verschwand sie kurz im Zelt, wo sie das Schwert zurück an seinen Platz unter die Liege legte, ehe sie unbemerkt von den Männern in einen Zipfel ihrer Decke biss, um wenigstens dem immensen Drang nachzugeben, etwas zu zerstören, wenn es schon nicht das Gesicht Vitolds sein konnte. Mit einem beherrscht-höflichen “Bitte nach euch,” trat sie anschließend dem Baldurstolz wieder entgegen, nicht ohne sich von Wunnemar und Alrik mit einem “Bis später dann,” zu verabschieden. Einfach nur, um zu zeigen, dass diese erneute Gängelung und diese inszenierte lachhafte Demütigung wegen eines rossigen Gauls keine Auswirkung auf ihre Freundschaft mit den beiden anderen besaß.
"Viel Erfolg." Wünschte Alrik der davonschreitenden Ira. Spaß war ihm als erstes in den Sinn gekommen, allerdings bezweifelte er dies derart, dass er es sich hatte verkneifen können. Tatsächlich empfand er Vitold überhaupt nicht so schlimm. Er hatte sich zu benehmen gewusst und war schließlich mit einer Aufrechten und durchaus hehren Anfrage zum Wohle seines Knappen zu ihnen gekommen. Dergleichen konnte Alrik ihm nicht negativ auslegen, welche Erfahrungen Ira hingegen gemacht haben musste um derart piecksig zu reagieren, wusste er nicht.
Auch der Baronet verabschiedete sich mit einem knappen, “bis später”, von seiner Bundesschwester. Das Nicken jedoch, welches er gleichzeitig in ihre Richtung tätigte sagte mehr, es sprach von einem anerkennenden ‘gut so’.
Vitold verabschiedete sich ebenfalls von den Orgilsbündern mit einem Rondragruß. Dazu ein Neigen des Kopfes gegenüber Wunnemar beziehungsweise einem kurzen Nicken gegenüber Alrik. Dann machte er auf dem Absatz kehrt und führte Ira in Richtung des Baronszeltes. Ein wenig ärgerte es ihn schon, dass sie ihn für ihre Eskorte hielt. Andererseits gab es ihm die Gelegenheit noch ein paar Worte loszuwerden. Um sie nicht weiter zu brüskieren, als ohnehin schon, achtete er auf fremde Ohren, bevor er sprach: ”Hört zu. Ich kenne Euch nicht, sondern nur, was bei Hofe über Euch gesagt wird.”
“Ja? Und was erzählt man sich so über mich? Am Hofe?” Wahrscheinlich nichts Gutes, schlussfolgerte Ira, der die Meinung über sie schon gut bekannt war. Einige Personen ließen ja keine Möglichkeit aus, sie damit zu konfrontieren. Dass man schlecht über sie redete, war nicht neu und wunderte Ira nicht weiter, denn sie musste lernen mit diesem Hass umzugehen, jetzt, da sie dazugehörte - zu denen, die sowieso schon nicht gut gelitten waren. Bei Hofe. Hatte der Baron sie doch gleich zweifach auf dem Kieker: einmal, weil sie an Lupius’ Seite seine Pläne durchkreuzt und nun das reiche Rickenbach unter sich hatte, zum anderen, weil sie eine Frau an der Waffe war, wo sie laut dem Baron nicht hingehörte. Keine Frau.
“Hauptsächlich erinnere ich mich an Worte wie undiszipliniert, impulsiv, eigenwillig, sogar frech. Euer Ausfall mir gegenüber scheint diese Worte zu bestätigen.”
“Ach, wirklich.” brummte Ira und verdrehte die Augen. Sie hatte wirklich keine Lust auf dieses Gespräch. Sie beschlich jedoch das Gefühl, dass der andere noch nicht am Ende war. Tatsächlich.
“Ihr könntet Euch Euer Leben etwas einfacher machen, wenn Ihr in diesen Punkten an Euch arbeiten würdet. Ihr werdet nämlich immer auf Menschen treffen, die schwierig sind, aber von Praios in eine höhere Position gesetzt wurden, als die Eure. Die Zeit und Kraft, die Ihr verschwendet, um zu verändern, was unveränderbar ist, könntet Ihr sinnvoller nutzen. Vermutlich gebt Ihr gerade einen Scheiß auf meine Worte, aber vielleicht denkt Ihr mal darüber nach.”
Die düsteren Gedanken in sich zurückdrängend und sich auf die Zunge beißend, ließ sie das ihr durchaus schon bekannte Geseiere über sich ergehen. Bla bla bla. Sollte er ruhig glaube, dass sie ihn ernst nahm. Aber jemanden, der Freundschaft mit einem Anselm von Eschengrund schloss, den konnte sie nicht ernst nehmen. Auch, wenn die Worte des Baldurstolz vielleicht doch ganz nett gemeint und aufrichtig waren. Sie fokussierte sich lieber auf das andere, was gleich auf sie einprasseln würde...

Der vernarbte Magus
Ein gänzlich anderer Teilnehmer des Zuges trat erst spät aus seinem Zelt an diesem Tag. Hochgewachsen war er, entstellt durch eine großflächige Brandnarbe auf einer Seite des Gesichts, konnte man auf dem ersten Blick erkennen was jener Mann war, ein Magus.
Rhys Gwenlian, Abgänger der Academia Armarorum Astralis Garethienses, trug eine Robe in, ja was, weiß, grau, schmutzig-weiß. Der darüber liegende Gambeson, den nur wenige Gildenmagier per Dispens tragen durften, stieß so manchem innerhalb des Zuges ebenso übel auf, wie das Rapier an seiner Seite, ebenso Waffe wie Utensil für arkane Handlungen.
Missmutig blickte der Sohn einer alten, garether Familie über das Heerlager, eine lange, qualmende Pfeife im Mundwinkel und den spitz zulaufenden Hut, der dem Codex Albrycus zur Ehre gereichte, tief ins Gesicht gezogen, als wolle er es vermeiden von irgendjemanden angesprochen zu werden.
Viele lieber hätte der Hofmagus des Barons von Hlutharswacht sich in dessen alter Burg im Koschgebirge weiter in seine Studien vertieft. Nachdem Rhys seinen vielbeachteten Standardband über Antimagie, im speziellen den Exorzismus und die willentliche Beendigung des Magnum Opus von Mendena fertiggestellt hatte, widmete er sich nun seit vielen Götternamen der Rekonstruktion alter, bosparanischer Matrizen der Elementarmagie und war bereits im Stadium der Feldversuche angelangt. Dieser Feldzug, dieses hochmütige Privatvergnügen jedoch, war eine ärgerliche Unterbrechung seiner so bedeutenden Studien.

Die Altenweiner
Endlich hatten sie die Capitale erreicht. Vor ihnen ragten die Mauern und die riesige goldene Kuppel der Stadt des Lichtes auf. Praiodara war froh. Sie waren die letzten fünf Tage im Eiltempo geritten und im Gegensatz zu ihrem jüngeren Bruder war sie es nicht gewohnt so lange im Sattel zu sitzen. Bis zur Stadtmauer war es noch ein gutes Stück und sie mussten ja eigentlich noch einmal quer hindurch, doch sie spürte, dass ER nach ihr rief. Sie blickte unwillkürlich zum Himmel und suchte nach der gleißenden Scheibe. “Halt!”, rief sie und ihr Bruder zügelte augenblicklich sein Pferd und blickte sie fragend an. “Sie werden bald den Mittagsgong schlagen und ich möchte am Götterdienst teilnehmen.” Der Ritter sah seine Schwester ungläubig an und seine Lippen formten bereits ein Wort des Widerstands, doch dann sah er den Blick seiner Schwester und wusste, dass es so geschehen musste. Er kannte diesen Blick aus ihrer gemeinsamen Kindheit und wusste, dass sie mit IHM in Kontakt getreten war. Also änderte er die Richtung und führte sie zum großen Tor in der Mauer zur goldenen Stadt. Er half ihr sich zu waschen und die Robe zu richten, bevor sie um Einlass bat, der ihr gewährt wurde. Ihr Bruder Aureus allerdings musste draußen bleiben, wo er sich um die Pferde und das Gepäck kümmerte. Nach einer Weile hörte er die zwölf Gongschläge, welche den Gottesdienst einleiteten. Er sprach ein kurzes Gebet und wartete geduldig auf ihre Rückkehr. Sie war fast zwei Stunden fort und schwieg darüber, was innerhalb des Tempels geschehen war. Doch sie schien beseelt zu sein und auch erholt, so als lägen nicht mehrere Tagen strammen reitens hinter ihr. Aureus fragte nicht. Sie würde sich schon mitteilen, wenn sie es für richtig hielt.
Der Ritt durch die Stadt war mühselig, doch erreichten sie am späten Nachmittag das Lager. (Praiodara und Aureus von Altenwein, Hendrik 06.02.2020)

Der Praiot und seine beiden Magierinnen
Die 15-jährige Maire ni Varaldyn war aufgeregt. Gareth, die große Stadt, in der es an allen Ecken etwas für eine junge kleine Magierin zu sehen gab. Und dann dieses Turnier! Fantastisch. So viele Ritter auf einem so bunten Haufen. Der kleinen Halb-Albernierin gefiel das, denn für Ritter hatte sie etwas übrig. Der Vater ihrer Mutter war einer gewesen. Zwar konnte sie sich fast schon nicht mehr an sein Gesicht erinnern, aber auch väterlicherseits musste es Ritter gegeben haben. Nur ihre Eltern waren Krieger gewesen. Ihren Vater hatte der Herre Boron im Alberniakrieg zu sich befohlen - und ihre Mutter? Maire hatte sich oft gewünscht, dass auch sie… damit diese Frau nicht mehr ein Geist in Maires Kopf war, der in manchen Momenten eine Sehnsucht auslöste, während er in anderen Momenten einfach nur Maires Verlangen schürte, diese Frau nie wieder sehen zu wollen. Jene Frau, die sie alle hintergangen hatte, in dem sie sich auf die Seite des Feindes schlug. Sie alle. Nordmärker, Albernier, die Lande am Großen Fluss genauso wie alle anderen im Kaiserreich, ganz zu schweigen von der göttlichen Ordnung.
Neben der Scolarin mit den langen blonden Haaren ragte die einarmige Turi Eslebon fast wie ein Mahnmal auf: die Bannmagierin aus dem letzten Jahrgang mittelreicher Schüler in Ysilla war hager und großgewachsen, sehnig ihr verbliebener langer Arm und der dürre Hals hielt ein ernstes Gesicht, in das sich immer tiefer Falten eingruben, während der militärische Kurzhaarschnitt die fast schwarzen Haare wie eine Kappe wirken ließ. Der Verlust ihres Armes während der Eroberung Mendenas hatte wohl das Seine zu einer weniger sympathisch erscheinenden Gestalt beigetragen. Der Frau mit dem strengen Blick, die ausgerechnet an der Seite eines Praiosgeweihten in den Nordmarken lebte, sah man nicht an, dass sie sich auch überaus zärtlich um ihre kleinen Kinder kümmern konnte. Was den Umgang mir ihrer Scolarin Maire anging, so war das Verhältnis beider durchwachsen von Mutter-Tochter-Gefühlen, der kleine Reo, der Sohn des Paares, längst ein Bruder für die Varaldyn geworden.
Turis Gemahl liebte seine kleine Familie, ganz gleich, ob Maire ‘nur’ eine Schülerin seiner Ehefrau war. Er hatte das Mädchen lieb und wollte es längst nicht mehr missen. Auch, weil es Turi immer einen guten Grund gab, wegen ihrer Behinderung nicht zu verbittern. Hane von Ibenburg-Luring, jüngster Bruder des bekannten Illuminaten Godefroy von Ibenburg-Luring gehörte einer anderen Strömung der Praioskirche an, als der Rest seiner Familie. Als schwarzes Schaf seines Hauses verschrien, hatte Hane aus dieser Not eine Tugend gemacht und sich mittlerweile aus den familiären Dingen gänzlich zurückgezogen, so dass er sich seiner neuen Aufgaben widmen konnte: der Gründung einer eigenen kleinen Familie und seit jüngster Zeit der Führung des Albenhuser Anconiterklosters. Mit einigen seiner magischen Heilmönche war er dem Ruf des Barons von Hlutharswacht - den Hane vom Feldzug der Kaiserin her kannte - gefolgt, denn, so schön und edel dessen Bestreben von der Befriedung der schwarzen Lande war, so sehr wusste Hane doch, dass dies nicht ohne Heiler geschehen durfte. Heiler, die sich auch vor dem Nichtalltäglichen nicht scheuten.

Die Albenholzer
Dieses Unterfangen kam doch etwas zur Unzeit. Am liebsten wäre Eoban nahe der Heimat geblieben, um ein Auge auf die Familie und den Fortlauf der Ereignisse zu haben. Er presste sich gute Laune ab. Es blieb ja doch keine andere Wahl.
Den anderen schien es genauso zu ergehen. Beim Blick in die Gesichter der Truppe sah er überwiegend gläserne Augen und verkniffenes Lächeln. Nur Wichard, sein Knappe, sprühte förmlich vor Tatendrang. Seine Augen blickten neugierig zu den Mauern der Stadt und die hohen Dächer der dahinter liegenden Paläste. Und ja, auch Thobalt, Eobans Waffenknecht und einer seiner besten Freunde, blickte munter und pfiff ein Liedchen, doch der war ohnehin ein sehr genügsamer und anpackender Geselle.
Vielleicht war es nur der 10-Tageritt nach Gareth, doch Eoban spürte Müdigkeit in seinen Gliedern. Sie führten ihre Pferde durch die Zeltreihen. Das Lager war überschaubar und er hatte bereits das Banner der Albenholzer ausgemacht. Das Banner der Albenholzer… Bei allem Ungemach, das Wiedersehen mit Adalhard und Firman und den anderen aus der Familie war ein großer Lichtblick. Mit jedem Schritt in Richtung dieses Banners fielen die trüben Gedanken ab wie Steine. Ja, es fühlte sich fast an wie nach Hause zu kommen.
Um den Wimpel der Albenholzer gruppierten sich gut ein halbes Dutzend Zelte. Im Zentrum des Banners war zudem ein großes Leinentuch aufgespannt, dass einem großzügigen Holztisch samt Bestuhlung Schatten spendete. Eoban gehieß seinem Trupp auf dem Weg zu warten.
Kaum hatte er den Zeltkreis betreten, erhoben sich mehrere Leute von ihren Stühlen. Eine braunhaarige junge Frau im Ornat einer Traviapriesterin und zwei stattliche Männer kamen ihm schließlich entgegen. Die Männer trugen den Wappenrock der Ritterherrschaft Waldwacht. Alle drei besaßen große Ähnlichkeit miteinander und waren darüber hinaus recht ansehnlich. Wie irgendwie alle Mitglieder dieser Familie. Gerüchten zufolge lag das an einer guten Portion verjüngendem Elfenblutes, das angeblich Vorfahren dem Hause einst 'beigemischt' hatten. Und das vermutlich mehrmals.
"Na, sieh mal einer an, wenn das nicht unser Liepensteiner ist. Willkommen in Gareth, kleiner Bruder," lachte der jüngere von beiden und klopfte Eoban freudig auf die Schulter. Eigentlich waren sie Vettern, doch lange gemeinsam aufgewachsen zu sein wie Brüder, das verband brüderlich, auch wenn Firmans Vater der Bruder von Eobans Mutter war. Der Ritter mit dem Waldwachter Wappen auf der Brust behielt die Hand auf der Schulter des Neuankömmlings und musterte diesen neugierig. "Und? Wie steht es um den Familienzuwachs, was ist es denn diesmal geworden....?"
"Das kann er doch auch gleich allen erzählen." brummte hinter ihm die wohlklingende Stimme Adalhards, der seinen Ältesten fortschob, um dem Anführer des Liepensteiner Trupps ebenfalls herzlich willkommen zu heißen, was bedeutete, dass er den Mann freudig an seine Brust zog und drückte. "Eoban. Junge" Sein Onkel nannte ihn immer so. "Schön, dass es dir gut geht." Adalhard seufzte für den Moment laut. Die jüngste Vergangenheit hatte gezeigt wie schnell Glück die Farbe triefrot-klebrig bekommen konnte. Er fasste sich und wich zurück, um seiner Tochter Platz zu machen.
Das braune, leicht wellige Haar fiel der Priesterin füllig über die Schultern. Ihre grauen Augen waren nicht das Einzige, das an ihr die Blicke anzog. Auch im Gewand einer Rahjani hätte die ansehnliche Albenholzerin etwas her gemacht. Liebgardis war aus männlicher Sicht eine kleine Schönheit, Eoban wusste aber, dass sie sich auf ihr Aussehen noch nie etwas eingebildet hatte, weil er auch sie schon aus seinen frühen Jahren auf dem Gut kannte. Die Geweihte gab dem Vetter einen innigen Kuss auf die Wange. Sie war sonst eine muntere Person, doch lag nun ein Schatten auf ihr. "Bitte sprich Vater nicht auf deine Mutter an. Nach der blutigen Hochzeit des Barons fürchten wir das Schlimmste um sie." flüsterte sie Eoban eilig zu, bevor sie sich von ihm löste und ebenfalls zurücktrat. Ihr Blick fiel dabei auf den anderen ihrer Brüder, Ossian, der noch am Tisch saß und absolut keine Anstalten machte, Eoban ebenfalls zu begrüßen. Dies hatte Gründe. Eoban und Ossian waren im selben Jahr geboren worden, doch war das und ihr Name das einzige, was beide verband. Er stand auch nicht auf, als die Geweihte ihm Zeichen gab.
Für Eoban war die Zeit für einen Moment wie eingefroren. Was wollte sie ihm damit sagen?
Zwar hatte Adalhard ihm seine Mutter schon in frühen Jahren offenbart - gezwungenermaßen, denn Ossian hatte ihm oft genug allerlei Gehässigkeiten über sie erzählt, was nicht selten in blutigen Nasen und zerrissenen Kleidern endete - doch das Band der beiden schien zunächst nur lose. Noch als junger Mann wusste Eoban nicht, wie er diese seltsame Frau und mit ihrem durchdringenden Blick einordnen sollte. Erst mit der Geburt seines ersten Kindes, ist das Band stärker, ja heute sogar unzertrennlich geworden. Dieses Unterfangen kam wirklich zur Unzeit...
"Mh...", brummte die tiefe Stimme Adalhards und beendete damit diesen seltsamen Moment des Schweigens.
Eoban besann sich. Er wandte seinen Kopf in Richtung des mürrisch dreinblickenden Albenholzers am Tisch und begrüßte Ossian mit einem kurzen Nicken.
"Weiß Seine Hochgeboren schon von eurer Ankunft?", fragte Adalhard. "Wenn nicht, geh ruhig und lass deine Leute hier, wir zeigen ihnen, wo ihr eure Zelte aufstellen könnt, und dann gibt's was zu Trinken. Gutes Zwergen- Bock aus Hlutharsruh! Zur Feier des Tages. Nicht wahr?" Adalhard sagt oft 'Nicht wahr'. Es war eine Eigenheit, die an Eobans Gefühl von Heimkommen appelierte und ein Schmunzeln in seinem Gesicht weckte.
"Aber Vater, Du kannst Dir doch denken, dass seine Hochgeboren vor morgen früh nicht mehr im Lager zu erwarten ist.", erwiderte Liebgardis mit wohlklingender Stimme.
"Ach ja! Nun, dann brauchen wir wohl nicht mehr so lange auf das Gute Zwergen-Bock zu warten, nicht wahr? Komm, wir begrüßen Deine Mitstreiter!"

Der Flusswachter
Gundeland von Flusswacht war leicht zu erkennen. Dem fast 95 Finger großen Mittfünfziger sah man sein tatsächliches Alter nicht an. Einzig die Lachfalten um seine Augen deuteten an, dass er zu den reiferen Rittern in der Baronie gehört. Das blonde volle Haar war ordentlich kurz geschnitten und auch seinen Wangen und der Bart zeugten von einer akkuraten Rasur.
Auf seiner breiten Kriegerbrust leuchtete das Wappen derer von Flusswacht. Der weiße Turm auf rotem Grund. Er trug die Farben mit Stolz und dieser Stolz war ihm anzusehen.
Begleitet wurde er von zwei seiner Dienstritter und natürlich seinem Knappen Berenz von Guglenberg. Für diesen wird dieser Feldzug die Feuertaufe und es wird sich zeigen, ob sein Herr bei der Ausbildung die richtigen Grundsteine gelegt hat. Doch Gundeland war guter Dinge. Schließlich hatte er schon dem ein oder anderen Burschen den letzte Schlag gegeben, den dieser ohne Wiederworte hinnehmen musste. Die beiden Knappen seiner Dienstritter hingegen haben noch das ein oder andere Jahr ihrer Knappenzeit vor sich.
Das Gundeland seinen Baron – wann würde er dabei nicht an Ulfried denken - auf diesen Feldzug begleitet war für ihn einen Selbstverständlichkeit. Er war – nein, er ist ein treuer Ritter des Barons von Hlutharswacht. Auch wenn die Vorzeichen für diesen Feldzug nicht die besten waren und er mit Wehmut an seine Frau in Flusswacht dachte. Mochten die Götter ihre schützenden Hand über sie halten und falls nötig seinem Dienstältesten Ritter den er zur Sicherung von Haus und Burg in Flusswacht zurückgelassen hatte, die Hand führen. Wer konnte schon mit Sicherheit sagen, ob diese Plage, die zur Bluthochzeit führte, vollständig ausgerottet war. Doch nun war es notwendig den Blick nach Osten zu richten und den Baron auf seinem Feldzug zu begleiten.

Die Zwerge
Borix groscho Borix, genannt “Borix der Jüngere”, hatte von Oberst Dwarosch den Auftrag bekommen sich aus der Leibgarde 25 der besten Soldaten auszusuchen und mit diesem Halbbanner gen Gareth zu ziehen.
So ließ er das Banner auf dem Hof der Kaserne antreten, erklärte den Soldaten, was er für eine Aufgabe bekommen hatte und begann dann anschließend das Halbbanner zusammenzustellen. Nach einer guten Stunde der Auswahl standen auf der linken Seite des Hofes 25 Soldaten und auf der rechten Seite des Hofes 25.
Borix atmete auf als die Aufgabe vollbracht war, dann erklärte er den beiden angetretenen Gruppen der Hammerträger: “Ich habe jetzt eine gute und eine schlechte Nachricht für jeden von euch. Fangen wir mal mit der guten für die Gruppe rechts an: Ihr dürft heute Abend auf Kosten des Oberst drei Fässer vom guten Dunklen leer machen. Aber dafür bleibt ihr hier.
Und für die linke die schlechte zuerst: Ihr müsst nüchtern bleiben und morgen früh im Morgengrauen bereitstehen! Aber ihr kommt mit mir mit.”
So brachen dann am nächsten Morgen die Zwerge auf und marschierten mit einem lauten Lied auf den Lippen aus der Kaserne. Hinter ihnen rollte der Trosswagen mit der Verpflegung und dem Gepäck. Als sie dann aus der Stadt heraus waren, befahl Borix mit das Singen einzustellen und die Marschordnung zu lockern. So marschierten sie dann durch die schönen Sommertage weiter auf Gareth zu.
Abends wurden an den Straßenrändern die Lager aufgeschlagen, die Wachen eingeteilt und ein wenig der Biervorräte vom Trosswagen vernichtet.
Da dieser Feldzug die erste große Aufgabe war, die Borix als Hauptmann gestellt bekam, ließ er am Vorabend bevor die Truppe Gareth erreichte alle am Lagerplatz antreten. Er stellte sich vor die Zwerge auf und begann: “Soldaten! Angroschim! Freunde!
Morgen Vormittag werden wir Gareth erreichen. Diese Stadt ist die Hauptstadt des Kaiserreichs der Menschen, also erwarte ich von euch, dass ihr euch entsprechend benehmt.
Ich will Morgen saubere Uniformen sehen, geputzte Stiefel und geölte Hammerköpfe!
Wer unser Banner und damit mich blamiert, der wird den Rückweg nach Hause in tiefster Gangart antreten!
Also, Angroschim, ihr habt jetzt bis zum Zapfenstreich Zeit eure Ausrüstung auf Vordermann zu bringen. Morgen früh bevor wir aufbrechen, werde ich das inspizieren!
Angaruschoromdrosch und weggetreten!”
Wie er erst angekündigt hatte, ließ Borix das Halbbanner am nächste Morgen in Linie antreten und kontrollierte selber die Makellosigkeit der Rüstung und der Waffen. Hier und das musste noch ein Rostfleck wegpoliert werden, ein Stiefel oder ein Riemen geputzt und geölt werden, ein Bart noch einmal geteilt und geflochten werden. Nachdem er die Linie abgegangen war und alles zu seiner Zufriedenheit war, begann die letzte Etappe des Marschs.
Als gegen Mittag die Mauern von Gareth in Sichtweite kamen, befahl der Hauptmann der Truppe zu Dreierreihen aufzuschließen und der Fähnrich nahm die Standarte vom Trosswagen und dann ging es im Gleichschritt und mit einem Lied auf Lippen in die Hauptstadt.
Vorweg marschierte Borix, den schweren Hammer geschultert, hinter ihm der Fähnrich und die acht Dreierreihen der Krieger. Hintendrein ruppelte der jetzt schon ein wenig leichtere Trosswagen.
Als sie dann endlich beim Lagerplatz der Heerschau angekommen waren, begannen sie ein wenig abseits der ‘Kurzlebigen’ ihre zwei handvoll Zelte aufzuschlagen und es sich mehr oder weniger gemütlich einzurichten. Borix suchte derweil nach dem Zelt des Heerführers um die Ankunft seiner Abteilung zu melden.
Derweil wurde auf dem Wagen nun auch noch das letzte Fass des mitgebrachten Biers angestochen und an die Soldaten verteilt. Anschließend setzte man sich um die Lagerfeuer einen Humpen in der einen, ein Pfeifchen in der anderen und harrte der Dinge die auf die Angroschim zukommen sollten.
Borix schaute sich auf dem Rückweg zu seinem kleinen Lagerplatz neugierig die Banner, Wimpel und Feldzeichen der im Heerlager vertretenen Einheiten an und grüßte höflich wenn er ein bekanntes Gesicht erblickte, bei den unbekannten verhielt er sich eher militärisch korrekt.
Bei seinen Soldaten angekommen, unterrichtete er sie über die verschiedenen Adligen, Ritter und Truppenteile und meinte dann mitten im Kreis der Soldaten stehend: “Heute habt ihr ein schönes und exaktes Bild von einer Truppe Angroschim gezeigt. Morgen wenn die Heerschau ist, erwarte ich noch einmal dasselbe!
Aber jetzt Baroschem!”

Die Schusselige
Herrje, es war schon so spät. Gleich würde sie der Frau Mersea beim Ankleiden behilflich sein müssen. Hetta schlenderte nicht durchs Lager, sondern rannte. Ihr Ziel waren die ausgehobenen Latrinen, die eigentlich gut zu erreichen waren folgte man nur dem mittlerweile schon recht ausgetretenen Hauptweg durchs Zeltlager. Da sie jedoch bei ihren vorherigen Diensten trödelte und es nun eilig hatte, aber niemand sehen sollte, wie eilig sie es hatte, nahm sie einen Umweg in kauf und stolperte den Schleichweg der Knechte entlang, der im munteren Zickzack hinter den einzelnen Truppenlagern verlief. Vorbei an einigen Pferdekoppeln und Trosswägen. Hoffentlich reichte die Zeit. Sie wolle keine einzige Klage hören, hatte ihre Schwertmutter zu Hetta vor der Abreise gesprochen. Und Hetta hatte ihr Versprechen gegeben, eine Vorzeige-Knappin zu sein, damit sich niemand ihrer schämen musste. Weder ihre Schwertmutter, noch ihre Familie. Denn obwohl Hetta nichts dafür konnte, passierten ihr immer wieder Missgeschicke. Sie war nicht schusselig, oh nein, sie hatte nur ein Talent, dass Dinge, die sie in der Hand hielt, kaputt gingen, oder anderweitig unbrauchbar wurde, schmutzig, oder dergleichen. Und dass sie sich oft schneller in beschämenden Situationen wiederfand, als es ihr lieb war. Jetzt, auf diesem Zug, zu dem ihre Schwertmutter durch ihre Familie berufen worden war, wollte Hetta zeigen, dass sie nicht nur das schusselige Mädchen sein konnte, sondern eine Kämpferin für das Haus Sturmfels-Maurenbrecher und ihre eigenen Familie, das Haus Albenholz auf Waldwacht. Ihr Großvater war hier, ihr Vater, einige ihrer Tanten und Onkel... Sie wollte sich wirklich bemühen. Leider kam immer etwas dazwischen. Meist das Unglück, welches Hetta mit Regelmäßigkeit stets immer wieder fand. Sie hasste diese Momente. Aber es geschah ihr einfach, dass der Stuhl, auf den sie sich setzte, unter ihr brach, die Suppenschüssel, die sie auftrug splitterte, das Fett, mit dem sie den Lederharnisch einrieb, plötzlich ranzig roch oder der Sack, aus dem sie eben noch Futter für die Rösser schöpfte, einfach wie von Zauberhand umfiel und Hetta dann den Inhalt erst einmal zusammenkehren musste. An diesem Morgen hatte sie sich vorgenommen, am heutigen Tage nichts mehr fallen zu lassen. Beim Versorgen der Pferde hatte sie sich bemüht, dass keines beim Kämmen der Mähne vor Schmerz wieherte und daher Strähne für Strähne bearbeitet, leider nur die Zeit darüber vergessen. Jetzt musste eigentlich das Feuer angefacht werden, doch Hettas Aufgabe bestand erst noch darin, die alte Asche vom Vortag zu entsorgen. Mit einem Eimer in der Hand hastete sie also zwischen den Zelten hindurch, als sie plötzlich mit jemandem zusammenstieß, der eben wie sie um die Ecke eines Zeltes trat, und über dessen Gewand sich - PUFF! - bei dem unerwarteten Zusammenstoß leider ein Großteil der Asche entleerte.
Eigentlich hatte er keine Zeit. Wie immer. Aber dennoch, die Blase forderte ihr Recht und so wartete er einen passenden Moment ab, entschuldigte sich kurz und hastete zu den Latrinen. Aaaaaah! Was war das für eine Erleichterung. Da sein Herr großen Wert auf Sauberkeit legte, wusch er sich die Hände und kontrollierte nochmal seine Kleidung, glitt mit der Zunge über seine Zähne und strich eine Strähne zurück in den Pagenschnitt seines dunkelblonden Haares. Dann hastete er eine Abkürzung zwischen den Zelten entlang, bog um eine Ecke und prallte gegen etwas Hartes. Er stürzte rücklings zu Boden und konnte, dank seiner Ausbildung, gerade noch rechtzeitig Mund und Augen schließen, bevor er in einer grauschwarzen Wolke verschwand. Leider unterließ er es entweder auszuatmen oder die Luft anzuhalten und so kam, was kommen musste. Die feineren Aschenreste fanden ihren Weg in seine Nase und kitzelten ihn, andere wiederum drangen tiefer vor und so begann er zuerst zu husten, was freilich noch mehr Asche aufwirbelte, als auch zu niesen. Er rollte sich auf den Bauch und versuchte aufzustehen. Ein Großteil der Asche fiel zu Boden und er konnte sich nun endlich um seine Atmung kümmern. Er griff zu seiner Feldflasche, nahm einen Schluck und konnte sich nur mit Mühe beherrschen diesen nicht herunterzuschlucken. Stattdessen spülte er seinen Mund damit aus und spie das Dreckwasser wieder aus. Nun, holte er tief Luft, drehte sich zu der Person um, die dafür verantwortlich war und rief dabei ärgerlich: ”Was fällt Dir eigentlich ein…”, weiter kam er nicht, denn was oder besser wen er da sah, hatte er nicht erwartet. Die Kinnlade klappte runter und er riss seine grünen Augen weit auf als er dem hübschen Mädchen ansichtig wurde.
Unter einer Kurzhaarfrisur aus wilden schwarzen Locken, von denen der Maid einige in die Stirn fielen sahen ihn aus einem überaus hübschen Gesicht, das wie vom Pinsel Rahjas gemalt schien, zwei blaue Augen mehr als erschrocken an. Ihr sinnlicher Mund mit den vollen Lippen stammelte panische Worte der Entschuldigung, während sie eilig versuchte, mit einem Taschentuch, das sie sich aus ihrer Knappenhose zog, den angerichteten Schaden zu begrenzen. Doch je mehr sie die Asche aus der Kleidung rieb, umso mehr fraß diese sich darin fest, was die leise Panik in ihrer Stimme mehrte.
Folcrad wusste nicht, wie ihm geschah. Wer war diese Alveranierin? Eigentlich sollte er zornig sein, denn er wusste, dass ihm großer Ärger bevorstand, wenn ihm nicht schleunigst etwas einfiel. Obwohl er die Berührung genoss, musste er diesen kläglichen Reinigungsversuch beenden, bevor der Schaden zu groß wurde. Er griff ihre Hand und blickte in ihre Augen, wohl wissend, dass er Gefahr lief darin zu ertrinken. “Bitte lass! So schlimm ist es nicht”, lächelte er.
Hetta sah den anderen einen Moment lang irritiert an. Spürte seine Hand an ihrem Handgelenk. Schnell blickte sie an die Stelle, an der er sie berührte, dann wieder zu dem jungen Mann ihn. In sein Gesicht. Er war kein Ritter, nein, zu jung. Er war aber auch kein Knecht, nein, denn dafür war er im Grundsatz nicht schmutzig genug. Aber er hatte sicherlich einen Herrn oder eine Herrin und wenn er ihr oder ihm von diesem Missgeschick erzählte… Und was, wenn die Frau Mersea davon erfuhr? Hetta brach der Schweiß aus. “Tut.. tut mir leid. Ich...ich…” stammelte sie in ihrer Panik. “...ich hab dich nicht gesehen. Ehrlich. Oh bitte, bitte, sag es nicht deinem Dienstherrn, ja? Die Frau Mersea, sie...sonst… Nein bitte sag es niemandem, dass ich das war! Bitte. Ja?” Mit einem flehenden Ausdruck im Gesicht wandt die Maid sich entschlossen aus dem Griff des Fremden, sprang auf die Beine, schnappte sich den Ascheeimer und wollte davon…
“Warte”, er stockte. Was sollte er sagen? Wie sollte er sich jetzt verhalten? “Ich… äh, also”, stammelte er. Dann fiel ihm etwas ein: “Ich werde Dich nicht verraten”, sagte er sanft, ”wenn Du mir Deinen Namen verrätst.” Er lächelte verlegen, blickte zu Boden und seine Wangen nahmen eine rosa Färbung an. Dann blickte er scheu auf und sah ihr mit einem fragenden Lächeln ins Gesicht.
Da hielt das Mädchen inne. Sie war zwar schusselig und im Moment fürchtete sie eine Strafe, aber erpressen lassen wollte sie sich auch nicht. Nur leider ging es nicht anders. Eins für das andere. “Hetta,” sagte sie daher eilig, in der Hoffnung, er würde Wort halten. Dann stürzte sie mit hochrotem Kopf davon, um weiteren Fragen, aber vor allem ihrem Missgeschick aus dem Weg zu gehen.
“Hetta”, murmelte er und blickte dem forteilenden Mädchen hinterher. Ein erneuter Hustenanfall riss ihn wieder aus seinen Gedanken. Dann rappelte er sich auf. Er war schon viel zu lange weg. Aber so konnte er nicht zurück. Eilig überlegte er, bevor ihm endlich etwas einfiel. Erstmal musste er die Tunika reinigen. Glücklicherweise hatte Hetta -Aaach Hetta seufz - kein Wasser benutzt. Er eilte zurück zu den Latrinen, zog rasch die Tunika aus und versuchte die Asche heraus zu klopfen.Seinem Herrn würde er sagen, dass er ein größeres Geschäft zu erledigen hatte. Vielleicht würde sich dieser täuschen lassen. Später wollte er ihn darum bitten frei zu bekommen, denn er wollte sie wiedersehen. Irgendwo in diesem Lager musste sie sein. Die schönste Maid, die er je gesehen. Zwei leuchtende Saphire umgeben von schwarzer Seide. Hetta...

Die Kaldenberger (Nachzügler)
Schlaff und mit gebeugtem Rücken saßen die vier Reiter in ihren Sätteln, die sich der Wiese östlich der Kaiserstadt näherten. Eines der beiden Packpferde, die sie mit sich führten, hinkte leicht, auch die Reittiere stolperten gelegentlich.
Die Erschöpfung war der offensichtlichen Anführerin der Gruppe ins Gesicht geschrieben, einer jungen Frau mit blondem Haar und einem Wappenmantel in blau und schmutzig-weiß auf den Schultern. Ihr Gefolge war deutlich älter, eine Frau und zwei Männer mit harten Augen, die erfahrenes Kriegsvolk kennzeichnete. Die drei trugen dieselben Wappenfarben und auch dieselbe, borongefällige schwarze Binde am Oberarm.
Die vier Reiter stammten aus der Baronie Kaldenberg, den efferdwärtigen Nachbarn der Hlûtharswacht, und hatten einige Tage mit Gewaltmärschen hinter sich. In der stetigen Sorge, den Heerzug zu verpassen, hatten sie sich nicht geschont, einen Gefährten mit verletzten Pferd hatten sie gar an einer Wegstation zurücklassen müssen.
Die junge Anführerin der Gruppe war Leonora von Heiternacht. Alle trugen sie Trauer, denn die Baronie hatte ihren Baron, seine Tochter und Enkel zu betrauern. Jene Enkel - sie waren Leonoras Neffen und Nichten gewesen, und Leonora hatte sie sehr, sehr lieb gehabt. Ausgerechnet auf der Hochzeit des Hlûtharswachter Barons war die Baronfamilie zu Tode gekommen, unter Umständen, die noch ungeklärt waren, aber ganz ungeheuerlich klangen.
Die junge Frau von Heiternacht hatte ihren eigentlichen Plan, dem Kriegszug beizuwohnen, ob der Trauerfälle zunächst aufgegeben. Erst unter Bitten ihrer Freundin, der Nichte des Barons und designierte Nachfolgerin im Amt, hatte sie sich umstimmen lassen. Leonora würde nun als Auge und Ohr Kaldenbergs am Kriegszug teilnehmen, und mit sehr scharfen Sinnen beobachten, was der Baron von Hlutharswacht tat. Ob er finstere Pläne verfolgte, ob er sinistre Anwandlungen hätte, die seine Schuld am Tod der Kaldenberger aufzeigen würden. Die junge Frau würde ihm auch jeden Moment der Freude zürnen, den er, unter dessen Obhut Leonoras Lehnsherr und dessen Familie - ihre Familie! - einen furchtbaren Tod erlitten hatten.
Jedes Lachen, jeder Scherz auf den Lippen Josts während dieses Kriegszugs würde er büßen müssen, das hatte sich Leonora geschworen.

Kein Schmaus für die Ohren
“Tu’ mir ein Gefallen, mein Sohn, und trag das.”
Der angesprochene, ein Knecht, der gerade zwei schöne Pferde an einem Gatter angebunden hatte, zuckte zusammen angesichts der hohen und schrillen Stimme der Perainehochgeweihten, die dafür sorgte, dass beide Rösser die Ohren anlegten, den Kopf aufwarfen und erschrocken an ihrem Halfter zogen.
Valeria von Galebfurten selbst war dabei, einen bis unter das Dach vollgepackten Planwagen, der allerlei Zubehör zu einem vertiablen Feldlazarett enthielt, teilweise zu entladen - und mühte sich mit einer großen, mit Griffen versehenen Holzkiste, als sie des kräftigen, braven und offensichtlich nur mäßig beschäftigten Burschen ansichtig wurde.
“Das muß da hin. Magst du mir helfen?”
Der arme Kerl musterte die Besitzerin dieser durch Mark und Bein schneidenden Stimme vom Kopftuch bis zum Saum ihrer Geweihtenrobe, schluckte und nickte mit einem dienstfertigen “Selbstversändlich, Hochwürden.”, arg bemüht, die Arbeit abzuschließen, möglichst ohne dass erneut das Wort an ihn gerichtet wurde.

Später Besuch
"Hauptmann", rief Wunnemar den Zwergen schon im Näherkommen an und dieser wusste sofort, als er den Menschen erblickte, dass es sich um den Trossmeister handelte, der da näher kam. Die langen, weißen Haare und der graumelierte Vollbart in einem jugendlich markanten Gesicht besaßen einen hohen Wiedererkennungswert, immerhin hatte Borix schon bei ihm Meldung gemacht, kurz nachdem sein Halbbanner Hammerträger ins Heerlager einmarschiert war.
Nun war es fortgeschrittener Abend, der Vorabend der Heerschau und des Abmarsches in Richtung Osten und der Trossmeister trat zu der Gruppe Angroschim ans Lagerfeuer.
"Angrosch zum Gruße. Könnt ihr mir einen Moment eurer Zeit opfern", fragte der Baronet geradeheraus und blieb neben Borix am Feuer stehen.
Wunnemar von Galebfurten trug einen langen Kettenmantel, deren Haube abgestriffen im Nacken lag und bei jeder Bewegung klimperte. Auf einen Wappenrock oder Gambeson schien er zu dieser späten Stunde zu verzichten.
Als er angerufen wurde, sprang Borix auf und versuchte in der Dunkelheit zu erkennen, wer sich da dem Feuer näherte. Als der Trossmeister dann zu erkennen war, nahm Borix Haltung an und mit einem lauten “Achtung!” befahl er auch den gemütlich um das Feuer lagernden Soldaten ebenfalls Haltung anzunehmen.
So stand das Halbbanner stramm als der Trossmeister letztlich neben Borix am Feuer stand.
“Euer Wohlgeboren!” grüßt Borix Wunnemar. “Was können wir für Euch tun?”
Borix hatte ebenso wie seine Soldaten das übliche knielange Kettenhemd an, darunter lugten ein Stück einer dicken Lederhose hervor, die in hohen schweren Stiefeln steckt. Über dem Kettenhemd trug er einen nachtblauen Wappenrock auf dem auf der linken Brust das Wappen der Einheit - ein schwarzer Zwergenschlägel auf silbernem Grund - aufgestickt war. Der Tellerhelm lag mit dem Waffengehänge, dem schweren Kriegshammer und dem Drachenzahn auf seinem Platz am Lagerfeuer. Die kupferroten Haare waren durcheinander geraten und der lange Bart von der gleichen Farbe hing in drei schwere Zöpfe geflochten bis zu seinem Gürtel hinab.
“Gönnt euren Männern einen ruhigen Abend. Ab morgen wird marschiert”, brachte der Trossmeister lächelnd in Richtung des Hauptmanns hervor. Den Eifer, die Disziplin der Zwerge registrierte er wohlwollend. Anerkennend nickte der Baronet daher den Soldaten zu und wies dann gegenüber ihrem Hauptmann in Richtung des Lagerfeuers. “Darf ich mich einen Moment zu euch setzen?”
Borix ließ die Soldaten wie gewünscht rühren und bot dann dem Trossmeister einen Platz am Feuer an.
Nachdem sich beide nebeneinander ans Feuer gesetzt hatten, kam der junge Rittersmann ohne Umschweife zum Grund seines Besuchs.
“Ich komme wegen einer Bitte zu euch Hauptmann”, setzte der Trossmeister an und blickte Borix in die Augen. “Ich möchte, dass ihr und eure Männer und Frauen im Zentrum des Heerzuges marschiert, unmittelbar vor dem Tross. In seiner Nähe solltet ihr nach Möglichkeit auch euer Nachtlager aufschlagen.
Für den unwahrscheinlichen Fall, dass wir angegriffen werden, werden die Wagen eine Wagenburg bilden. Die Schützen werden sich dorthin zurückziehen. Euch obliegt die Aufgabe zu verhindern, dass irgendjemand durchdringt, dass heißt in die Wagenburg gelangt.
Angroschim verstehen sich darauf auf engem Raum effektiv zu kämpfen. Verstellt die Zwischenräume und verteidigt sie, die Bogenschützen werden euch decken.”
Der Trossmeister zuckte mit den Schultern. “Ich weiß, dass solche Maßnahmen vor der Trollpforte kaum Sinn machen, dennoch ist es mir lieber wir sind von Anfang an auf alles vorbereitet.
Einwände?”
Borix überlegte kurz, dann antwortete er dem Trossmeister: “Wir werden diese Aufgabe selbstverständlich übernehmen.
Wir werden unseren Wagen mit in den Tross integrieren und uns wie Ihr befehlt in der Nähe aufhalten. Es ergibt sich sicherlich auf dem Marsch die eine oder andere Gelegenheit die Sicherung des Trosses zu über - dann sind wir bei einem realen Angriff an der richtigen Position.”
Dann warte er und hakte dann nach: “Ist das alles, was Ihr wünscht?”
"Eines noch", entgegnete der Trossmeister und seine Stimme verlor seine Förmlichkeit. "Ich bin gekommen, um mich persönlich im Namen meiner Familie zu bedanken. Dafür, dass Oberst Dwarosch den Bergkönig überzeugen konnte Soldaten des Garderegiments zu entsenden und jedem einzelnen von euch, die ihr gekommen seid, für eure Anwesenheit und euren Einsatzwillen."
Borix verneigt sich ob der höflichen Worte des Trossmeisters. “Für unsere Anwesenheit und den Einsatzwillen müsst Ihr Euch nicht bei uns bedanken, das ist nur unsere Pflicht als Soldaten und damit eine Selbstverständlichkeit. Wir sind hier weil der Rogmarog es uns befohlen hat. Und jetzt seid Ihr der Befehlshaber.”
Da im Moment wohl alles gesagt war, schaute sich Borix am Lagerfeuer um, dann kam ihm eine Idee: “Darf ich Euch noch zu einem Humpen Bier einladen?”
Der junge Ritter legte aufgrund der Frage den Kopf leicht schief und schmunzelte. “Warum nicht. Ich werde sicher auch besser schlafen mit einem kräftigen Bier im Bauch.”
Borix schien es, als wenn Erleichterung in der Stimme des Trossmeisters lag.
Auf einen Wink des Hauptmann brachte einer der Zwerge zwei volle Humpen mit dem schäumenden Gerstensaft aus dem Fass vom Trosswagen. Einen Humpen reichte er mit einer zackigen, leichten Verbeugung dem Trossmeister, den anderen seinem Hauptmann.
“Wohl bekomm’s!” prostete dieser dann dem Trossmeister zu. Er wartete noch bis Wunnemar den ersten Schluck aus dem Humpen genommen hat und setzte dann seinen an die Lippen und leerte ihn bis auf den Grund.
“Ein herrliches Bier, nicht wahr?” fragte er danach den Trossmeister.
“In der Tat”, bestätigte dieser mit anerkennenden Gesichtsausdruck. “Auf jeden Fall stark genug, um mich beim zweiten Humpen umzuhauen fürchte ich.” Beide Männer lachten.
Nachdem sie die Humpen bei freundschaftlichem Plausch gelehrt hatten, erhob sich der Trossmeister. "Hauptmann, habt dank für eure Gastfreundschaft. Ich wünsche euch und euren Männern und Frauen eine erholsame Nacht. Mögen die Götter unserer Sache gewogen sein."
Als sich der Trossmeister erhob, hallte wieder ein “ACHTUNG!” durch den Abend und die Zwerge standen wieder stramm bis sich Wunnemar aus dem Lagerbereich entfernt hatte.
Dann rief er seine beiden Weibel und den Fähnrich zu sich, um die Lage für den nächsten Tag mit ihnen zu besprechen.

"Hoher Herr von Wasserthal", erklang eine Stimme hinter dem Ritter, der gerade dabei war einen Hasen über das Lagerfeuer zu hängen.
Dunkelheit hatte sich über das Feldlager gelegt, so dass Radulf Augen einen Moment benötigten den Trossmeister zu erkennen, als er sich zu dem späten Besucher umdrehte.
"Rondra zum Gruße. Ich hoffe ich störe nicht", fragte der Baronet und wies auf das abgezogen Tier, welches auf einem Stock aufgespießt war. "Lasst euch nicht abhalten. Ich werde euch nicht lange aufhalten. Was ich mit euch besprechen möchte, wird euch nicht daran hindern euer Abendessen zu bereiten."
“Rondra zum Gruße, Wohlgeboren,” erwiderte Radulf. “Ihr stört keinesfalls. Wollt Ihr euch setzen?” Radulf wies auf eine am Feuer stehende Bank, auf der bereits Palinor, der junge Knappe gesessen hatte. Dieser war bei der Ankunft Wunnemars allerdings aufgesprungen und verbeugte sich nun artig. In seinen Händen hielt er eine Schüssel und einen Pinsel. Sorgfältig tauchte er nun den Pinsel in die Schüssel und bestrich mit deren Inhalt den Hasen. Der Duft nach Honig, Knoblauch und Kräutern hing in der Luft. Radulf musterte den jungen Trossmeister kurz. “Wie kann ich Euch helfen?”
Zunächst wies der Trossmeister gegenüber dem Knappen freundlich lächelnd zur Bank, um ihm anzuzeigen, dass er sich wieder setzen möge. Dann tat er es ihm gleich.
“Ich habe eine Bitte, die mit der Zugordnung zusammenhängt”, eröffnete der Baronet sein Anliegen. “Ich möchte, dass ihr, eure Lanze und die anderen Männer, die euch unterstehen den Abschluss des Heeres bilden.
Der Orgilsbund wird während der Märsche zu Pferde dafür sorgen, dass der Zug zusammenbleibt. Ihr sollt ein Auge auf unseren Rücken haben und regelmäßig Meldung an die Reiter machen. Diese werden mir weitergeben, was ihr zu sagen habt.
Bis wir die Trollpforte passiert haben, wird diese Aufgabe vermutlich von pure Routine geprägt sein, auf der anderen Seite jedoch, kann sie womöglich Leben retten.”
Der Ritter nickte bedächtig. “Wie Ihr wünscht, Trossmeister.” Radulf hatte das letzte Wort etwas betont, allerdings nicht unfreundlich. Er deutete auf den Knappen “Palinor hier, wird als Melder fungieren.” Der Knappe wirkte positiv überrascht und nickte enthusiastisch, während Radulf weitersprach. “Sagt, wisst Ihr um die Besonderheit der bunten Schar dort drüben?” Radulf zeigte auf das Lager seiner Schutzbefohlenen. “Einige der Älteren kennen Tälerort noch aus ihrer Kindheit, denn sie sind dort geboren worden. Später mussten sie fliehen und haben in Meilingen eine neue Heimat gefunden. Ursprünglich wollte keiner nach der Befreiung zurückkehren als der Aufruf kam, zu unsicher erschien es ihnen. Aber nun, da Ihr das Lehen zurückfordern wollt, waren sie es, die bei der Baronin vorgesprochen haben, damit sie hierbei teilnehmen dürfen. Wenn Ihr die Baronie erfolgreich zurückfordern könnt, werden diese Menschen in Tälerort bleiben und ihre Familien nachholen, so Ihr dies erlaubt. Die Maraskaner, welche den Zug begleiten, sind Freunde oder durch Heirat mit den tobrischen Familien verbunden. Es könnte also sein, dass Ihr euch auf diesem Weg auch ein paar von denen einhandelt.” Der Ritter lachte, wurde dann aber wieder ernst. “Was ihnen an Ausbildung fehlt, machen sie mit ihrer Motivation wieder wett.”
Der Trossmeister nickte schmunzelnd. “Mir sind die Maraskaner bisher immer etwas ‘eigen’ in Erinnerung geblieben und damit meine ich nicht allein ihre verschrobenen Glaubensvorstellungen.”
Nach diesen Worten schwand das Lächeln aus dem Gesicht des Baronet und er wurde ernst, fast ein wenig schwermütig. “Mir war nicht bewusst, dass ihr Männer und Frauen unter euch habt, die einst aus Tälerort geflohen sind.
Die Göttin des Herdfeuers wird es fügen, dass sie wieder einen Platz in ihrer alten Heimat finden. Meine Großmutter wird sie ebenso mit offenen Armen aufnehmen, wie ich es tun werde, wenn ich erst Baron bin.
Ich bin euch zu Dank verpflichtet, dass ihr diese Leute unter eurem Banner versammelt und hierher geführt habt.”
“Habt Dank für Eure Worte, aber ihr solltet eher Ihrer Hochgeboren vom Berg zu Meilingen danken. Schließlich hat sie ihre Zustimmung gegeben.” Wiegelte der Ritter ab, lächelte aber. “Seid bei den Maraskanern nur vorsichtig, wenn sie Euch etwas zu essen anbieten. Gerade diese kleinen Pastetchen die sie machen, sind mit Vorsicht zu genießen, wie mein junger Vetter hier zu berichten weiß.” Palinor sah ein wenig beschämt auf seine Füße, bevor er seinen Blick auf den Trossmeister richtete und der Aufforderung Radulfs nachkam. “Mir wurden kleine Pasteten angeboten, gerade groß genug um sie komplett in den Mund zu schieben. Die erste war sehr süß und richtig lecker, aber die danach war unglaublich scharf. Es fühlte sich an als würde ich von innen verbrennen und es ließ auch nicht nach. Auch Wasser half nicht, erst Milch brachte Linderung. Aber die Leute aus Neue Hoffnung meinen das nicht böse, Wohlgeboren. Sie essen selber davon.” Der Knappe schüttelte den Kopf. Radulf schmunzelte ob den Worten Palinors, wurde dann aber wieder ernst. “Wenn es unterwegs zum Kampf kommen sollte, könnt Ihr Euch auf uns verlassen. Wir werden standhalten bis Ihr uns Entsatz schicken könnt.”
“Ich werde euren Rat beherzigen und vorsichtig sein”, erwiderte der Trossmeister breit grinsend. “Mir ist schon zu Ohren gekommen, dass die Menschen von der ‘giftigen Insel’ ihr eigenes Essen derart würzen, dass es für Fremde schmeckt, als sei es vergiftet.” Der Baronet lachte, nur um kurz darauf zu nicken und dann auf das einzugehen, was der Wasserthaler als erstes gesagt hatte.
“Seid versichert, dass ich mich bei ihrer Hochgeboren ebenfalls bedanken werde, sobald ich ihr persönlich begegne. In meiner Korrespondenz mit ihr habe ich dies jedoch bereits getan, nachdem sie mir zusicherte Kräfte zur Unterstützung für den Feldzug zu entsenden.”
Der Trossmeister erhob sich von der Bank. “Hoher Herr, ich wünsche euch einen guten Appetit und später eine angenehme Nachtruhe. Möge Bishdariel über eure Träume wachen.”
Die beiden Wasserthaler erhoben sich ebenfalls. “Möge Bishdariel auch über die euren wachen, Trossmeister.” erwiderte Radulf. Der Galebfurter mochte noch jung sein, aber Radulf mochte seine Art und war bereit ihm zu folgen. Ein Blick auf den Knappen verriet ihm, dass auch Palinor von dem Trossmeister angetan war. Trotzdem fragte er sich, warum man gerade ihn und seine Truppen für die Nachhut eingeteilt hatte. Aber dies würde sich vielleicht im Laufe des Feldzugs aufklären lassen.
Wunnemar nickte dem Knappen noch freundlich zu, er wusste was solch kleine Gesten aufmunternd wirken konnte, dann wandte er sich ab.

Halbe Linde und Baumdrache in Gold
Am Morgen der Heerschau, vor Sonnenaufgang am Zelt des Trossmeisters.
„Rondra zum Gruße, Euer Wohlgeboren.“ Ein stattlicher, hochgewachsener junger Mann mit dunklem Haar trat an den Trossmeister heran. Der Rock der Liepensteiner zierte ihn – darauf ein Wappen, gespalten in Blau und Rot, eine halbe Linde und ein Baumdrache in Gold.
“Rondra zum Gruße”, erwiderte der Trossmeister den Gruß und wartete dann, auf dass sich der Fremde vorstellte.
„Mein Name ist Eoban von Albenholz. Ich stehe im Dienst der Hochgeborenen Gundela von Liepenstein. Ich führe einen Trupp aus fünf Männern und Frauen zu Pferde. Wir sind am gestrigen Abend im Lager angekommen. Wir haben unsere Zelte bei der Ritterlanze Waldwacht aufgeschlagen. Es ist uns eine Ehre, dieses Vorhaben zu unterstützen und mit Euch reiten zu können.
“Es ist mir eine Freude euch im Heerzug begrüßen zu können hoher Herr”, erwiderte der Baronet lächelnd. “Wenn ihr eine Frage zur Ordnung des Heerlagers, der Hierarchie oder sonst etwas habt, so lasst es mich wissen.”
“Sagt bitte, seine Hochgeboren und Initiator weilt nicht im Lager? Gerne will ich ihm die erhabensten Grüße der Baronin überbringen. Oder gibt es hierzu vielleicht eine Möglichkeit nach der Heerschau?“
“Der Baron von Hlutharswacht weilt im Heerlager. Derzeit laufen jedoch die Vorbereitungen zur Heerschau und zum Aufbruch. Ich würde also vorschlagen ihr nutzt den Weg nach Rommilys, um mit ihm zu sprechen.”
Der Trossmeister schmunzelte. “Wir werden mindestens drei volle Tage unterwegs sein, da ist jede Abwechslung willkommen vom schmerzenden Hintern abzulenken.”
“Habt Dank. So werde ich es halten. Rondra zum Gruße.”