Belhanka41 Abendmahl

Belhanka 1041: Abendmahl mit dem Horasier

Den Tag der Ankunft konnte sich jeder der Hlutharswachter frei gestalten, vorausgesetzt, der Dienst wurde nicht beeinträchtigt. Am nächsten Tag wolle man sich dann, wie im Vorjahr, gemeinsam zur Anmeldung begeben, um sich in die Turnierbücher einzuschreiben. Und wie im Vorjahr hatte Jost für den ersten Abend nach Ankunft in der Stadt der berauschende Genüsse veranlasst, dass sich alle mit den Gaumenfreuden Belhankas auf die kommende Zeit einstimmten. So war geplant, den Tag mit köstlichsten Spezialitäten aus dem Sikramdelta und in ungezwungener Kameradschaft ausklingen lassen. Es gab: Verschiedensten Fisch in allen möglichen Zubereitungsarten, frittiert, gebraten, getrocknet, in Wein gegart, dazu frische Meeres-Muscheln, die man in den Nordmarken schwerlich bekam und die in Markbrühe oder Zwiebelsoße gekocht oder roh mit dem Saft der Praiosfrucht beträufelt einfach ein Schmaus waren, oder Salat aus gegrillten Artischockenherzen mit sauer eingelegtem Gemüse in Begleitung eines herzhaften, luftgetrockneten Schinkens, oder Kalbs- und Hühnerleber auf Spieße gesteckt, ebenfalls gegrillt oder in Olivenöl ausgebacken, nicht zu vergessen den frittierten Tintenfisch, den man in süße Marmelade tunkte oder in eine weiße Creme aus Ei – um nur ein paar der wichtigsten Spezialitäten zu nennen. Dazu stand samtig-schwerer Roter und lieblich-erfrischender Weißwein aus der Coverna sowie ein süßer Dessert-Weinessig auf dem Tisch.

Nun war der Abend mit Lichtern und Lampions angebrochen. Kerzen erhellten den Tisch mit den Köstlichkeiten und die anderen Hlutharswachter Ritter saßen schon beisammen, als die Plötzbogen wieder auftauchte. Allerdings war sie nicht allein: der schwarzhaarige Cavalliere kam mit ihr ins Lager.

Travingo blickte sich interessiert im Lager der Hlutharswachter um. Es war nicht sein erstes Mal zwischen den Zelten der Nordmärker und auch deren Gesichter waren ihm durchwegs bekannt. Vor einigen Monden, als er Ira am Garether Turnier nachstellte, war er der Plötzbogen in eben diese Zeltstadt gefolgt, bezahlte Schweigegeld an den Knappen des Barons, der ihn daraufhin verpfiff und ihm somit einiges an Ärger einhandelte. Iras Dienstherr war damals sogar drauf und dran gewesen ihn wegen Sabotage der Turnierleitung zu melden. Der Rizzi lächelte. Nun spazierte er abermals zwischen die rot-weißen Zelte der nordmärker Delegation. Dieses Mal jedoch nicht hinter Ira her, sondern als Gast an ihrer Seite. Dabei interessierte es ihn was die Anwesenden über sein Auftauchen wohl denken würden - immer noch war der Rizzi nicht unbedingt der Meinung, dass es eine gute Idee war hier her zu kommen.

"Die Zwölf zum Gruße...", grüßte er mit fester Stimme in die Runde, "...Rondra...", während sein Blick über die anwesenden Ritter und Knappen schweifte, "...und Travia voran...", und dann auf Wunnemar liegen blieb. Kurz nur, aber dennoch lange genug, dass es auffiel. Dann wandte sich Travingo dem Baron zu. "Vielen Dank für Eure Gastfreundschaft, auch wenn ich mir denke, dass Ihr nichts von Eurem Glück wusstet.", schloss er lächelnd und mit einem flüchtigen Seitenblick auf Ira.

Der Baronet schenkte dem Liebfelder einen leicht missbilligendem Blick, nachdem seine Verwunderung verflogen war und sah dann Ira vielsagend an. Sie wusste, dass Wunnemar das Tête-à-Tête zwischen ihr und Travingo in Gareth nicht gern gesehen hatte, war sie doch versprochen. Das "Rondra zum Gruße", entgegnete er trocken und tonlos. Beide, Ira und Travingo hörten das 'und lass Travia da raus' fast schon zwischen den Zeilen heraus, auch wenn Wunnemar es nicht aussprach.

Zum anstehenden Abendessen hatte Jost seinen Knappen Ado entlassen, aber den jungen di Piastinza bei sich behalten, denn er sollte aus seiner Kindheit im lieblichen Feld erzählen. Ein wenig Lokalkolorit konnte sicher nicht schaden.

Als dann Ira mit ihrem Gast im Schlepptau an seinen Tisch herantrat, konnte Jost Verian nur schmunzeln. Er sah seine Vermutung, was der Grund für Iras fast schon überbordende Vorfreude auf dieses Turnier sein könnte, in dem dunkelhaarigen Mann bestätigt.

Der Baron aus den Nordmarken nickte daher auch mit einem wissenden Lächeln dem Cavalliere entgegen und erwiderte:

"Die Zwölf auch mit Euch ...? Ich habe Euren Namen nicht mitbekommen wie mir scheint. Aber wen auch immer meine Ritter an meine Tafel laden, sei auch selbstverständlich mein Gast."

Ira legte eine Hand auf den Oberarm des Horasiers und trat ein Stück nach vorn. „Ähm, das ist Cavalliere Travingo Rizzi aus Unterfels.“ Stellte sie ihr Mitbringsel überflüssigerweise vor. Eigentlich dachte sie ja, dass zumindest Jost sich den Namen zu Travingos Gesicht gemerkt habe, weil sie genau wegen ihm ja miteinander in Gareth Ärger gehabt hatten. Dass dem nicht so war überraschte sie. „Vielleicht könnt ihr euch erinnern: Travingo und ich sind beim Turnier in Gareth in der Tjoste gegeneinander geritten. Naja, um genau zu sein, er war derjenige, der mich rausgeworfen hat. Im wahrsten Sinne.“ Ira sah den Rizzi dabei mit funkelnden Augen schmunzeln an, löste sich dann errötend von ihm und griff Josts Worte auf, indem sie ihrem Gast einen Platz am Tisch anbot und sich neben ihn setzte. „Also…Ich hoffe, es ist für alle in Ordnung, dass ich ihn eingeladen habe?“ Eher eine Feststellung denn Frage. „Travingo war so freundlich, mir diese wunderbare Stadt zu zeigen, da wollte ich mich einfach gerne… revanchieren.“ Ein kurzer Seitenblick zu dem Rizzi, für den sie das Wort ganz bewusst wählte. Als Anlehnung nämlich an vorhin. Ihre Worte waren allerdings eher an Wunnemar gerichtet, denn Jost hatte den Gast am Tisch ja schon willkommen geheißen. Wunnemars missmutigen Blick begegnete Ira hingegen mit einem Lächeln. Schließlich hatten sie und Travingo nichts Verbotenes getan. Egal, was ihr Bundbruder dachte.

Der Baronet indes tat so, als hätte er die verbale Spitze Iras nicht registriert und setzte sein Mahl einfach fort.

"Ich danke dir, Ira...", richtete der Rizzi sich daraufhin lächelnd an die Plötzbogen, "...nur hat der Baron schon recht - wo bleiben meine Manieren?" Auch Travingo war Wunnemars kühles Gebaren zuvor nicht entgangen. Er ignorierte es und beschränkte sich darauf milde zu lächeln. "Eigentlich wäre es ja an mir gewesen mich zu revanchieren. Ein sonniger Tag, an der Seite einer schönen Frau, in dieser aufregenden Stadt...", er wies in einer weitläufigen Geste um sich herum, "...und jetzt wird mir auch noch die Ehre und Freude zuteil mit Euch allen zu speisen. Ich komme mir beinahe vor wie ein Dieb." Seinen Anflug an falscher Bescheidenheit beendend, wandte sich der Cavalliere wieder dem Gastgeber zu. "Ich hoffe Ihr verzeiht meine Neugier, Hochgeboren, aber Ira hat mir davon erzählt, dass Ihr Eure Knappschaft im Alten Reich abgeleistet habt?"

„Wo ihr gerade vom Speisen sprecht, Cavalliere“ war der Baron mit einem dezenten Grinsen und an Ira gewandt ein. „Da wir einen unerwarteten Gast an unserer abendlichen Tafel haben, fehlt uns noch ein Gedeck. Ira, sei bitte so gut und hole eines aus der Truhe, ja? - Und Ihr, Signor, setzt Euch bitte und bedient Euch. Es sollte für jeden Geschmack etwas zu finden sein.“

Jost deutete auf die Speisen und Getränke vor sich und hieß den Gast mit erhobenen Glas willkommen.

„Ja, ich war als Knappe des Condottiere Zandor von Nervuk in diesen schönen Landen. Was hat sie Euch denn sonst noch erzählt? Bitte verzeiht Ihr nun meine Neugierde?“

Travingo nickte dem Baron dankbar zu als er sich zu ihnen an den Tisch setzte. "Zandor von Nervuk...", wiederholte er dann langsam und rieb sich dabei sein Kinn, "...für wahr ein Name mit Klang bei uns im nördlichen Reich." Der Blick des Cavallieres ging kurz zwischen der pflichtbewussten Ira, die sich gerade nach der Truhe bückte, und dem Baron hin und her. "Ira hat Euch als einen gebildeten Mann beschrieben. Als einen Freund der Kunst und edler Tropfen. Gerade letztere Dinge finde ich sehr interessant, bin doch auch ich ein begeisterter Sammler von Kunstwerken aller Art und alles andere als ein Verächter vorzüglicher Weine. Wenn Ihr möchtet empfehle ich Euch meine Kunsthändlerin."

„Ich denke, so falsch lag Ira in der Beschreibung meiner Person nicht, es würde mich aber auch wundern, wenn sie nach all dem, was wir gemeinsam erlebt haben, mich nicht passend beschreiben könnte. Wo residiert die Händlerin Eures Vertrauens? Vielleicht können wir einen kleinen Besuch an dieses Turnier anschließen?“

Er blickte zu seinen Rittern, von denen er eigentlich keinen als an Kunst und Kultur übermäßig interessiert einschätzte. „Was sagen denn meine geschätzten Ritter zu ein wenig mehr Kunstgeschehen nach dem Turnier?“

Wunnemar rümpfte leicht die Nase bei dieser Frage. Natürlich erfreute sich auch der Baronet an den schönen Künsten, doch sah er es aus seinem Blickwinkel fast als Verrat an, hätte er sich ernsthaft damit beschäftigt etwas davon zu erwerben, wo doch jeder Kreuzer gebraucht wurde, um seine Heimat neu aufzubauen.

Jost fiel es nicht schwer die Miene des Galebfurteners zu lesen und entsprechend zu deuten. Die vergangenen Götternamen hatten sie sich gut kennenlernen können. Eine verbale Antwort war somit überflüssig und hätte wohl auch als Vorwurf aufgefasst werden können. Wunnemars Zurückhaltung war also auch der Höflichkeit geschuldet.

Lioba schaute auf, blickte kurz zu ihrem Pagen und sah anschließend Jost an. "Ich denke etwas Kunst und Reiz für das Auge kann uns allen gut tun." Nur von Zeit zu Zeit hatte die Ritterin Phasen, in denen sie sich Kunstwerke ansehen wollte, in der sie sich die Zeit nehmen wollte um sich ein Werk ausgiebig zu betrachten und die Gedanken des Künstlers zu ergründen suchte.

Mittlerweile lag ein Gedeck vor Travingo und Ira saß neben ihm. Ihr Bauch gierte nach all den dargebotenen Köstlichkeiten. Die Aussicht, nach dem Turnier noch auf irgendeine Weise Zeit hier zu verbringen, mit dem Rizzi, fand sie jedoch auch sehr lecker. „Bin auch dabei,“ antwortete sie wenig überraschend, obwohl sie sich selbst anders als Jost nicht viel aus Gemälden und Skulpturen machte. Wenn nicht gerade die Schöne abgebildet war. Aber auch diese Affinität hatte irgendwo mit dem Cavalliere, dessen Bein sie mit dem ihren unterm Tisch berührte, zu tun.

Travingo wartete artig die Antworten der angesprochenen Ritter ab. Iras Zusage ließ ihn dabei vielsagend lächeln. Kurz strich er unter dem Tisch über das Knie ihres beim ihm angelegten Beins. "Die Kunsthändlerin heißt Yesaria Bronzino und lebt nicht weit von hier im Stadtteil Penumbre", erklärte der Rizzi dann. "Sie wurde mir letztes Jahr von einer Kindheitsfreundin vorgestellt, deren Mutter einen Kunsthandel in Unterfels und Vinsalt betreibt und in dieser Funktion wohl schon öfter mit ihr gehandelt hatte." Dass Yesaria, genauso wie die angesprochene Madalena Grisetti, nicht immer zimperlich in der Wahl ihrer Mittel zur Beschaffung der Exponate war, ließ der Cavalliere dabei unausgesprochen. War es denn wirklich wichtig? "Sie ist bekannt für den Handel mit Statuen, Statuetten, Masken und Gemälden, wobei sie sich bevorzugt auf rahjanische Motive spezialisiert. Gerne arrangiere ich Euch ein Treffen."

„Oh JA, sehr gerne. Vielleicht finde ich ein schönes Stück, über das sich meine Verlobte und mein Schwiegervater freuen können. Sie sind recht anspruchsvoll in Sachen neuer Kunst in ihren Hallen.“

Jost Verian dachte nach diesen Worten noch ein wenig nach, bevor er mit ernsteren Worten nachfasste. „Cavalliere, sagt, meint ihr, ihr könnt später die Zeit für einen kleinen Spaziergang mit mir einrichten? Es gäbe da tatsächlich eine kleine Angelegenheit, welche ich mit Euch in privatim besprechen möchte. Sie würde meine guten Ritter wohl nur bis ins Mark langweilen.“

Eine kleine Angelegenheit in privatim? Ira sah von dem, was sie gerade machte, hellhörig auf und hinüber zu Jost. Dabei flutschte ihr die Muschel, die sie eben versucht hatte zu öffnen, aus der Hand. Sie konnte nicht verhindern, dass das Schalentier in einen Topf mit roter Soße fiel, der vor dem Tälerorter Baronet stand, und dessen Hemd mit einem gescheckten Muster verzierte.

Travingo neigte bescheiden lächelnd sein Haupt. "Ich bin mir sicher, dass Eure Verlobte entzückt und Euer Schwiegervater höchst zufrieden sein wird", ging er dann auf die erste Bemerkung des Barons ein. "Je erlesener der Geschmack, desto besser ist man bei Yesaria aufgehoben. Ich werde es veranlassen." Die Frage des Barons nach einem Gespräch unter vier Augen ließ den Horasier jedoch hellhörig werden. Interessiert lehnte er sich nach vorne. Wollte er ihn wegen seiner Beziehung zu Ira rügen? Er rechnete fest damit. "Was das Gespräch angeht, Hochgeboren, stehe ich Euch selbstverständlich gerne zur Verfügung."

Gespielt langsam blickte Wunnemar auf und verzog säuerlich das Gesicht. Der Ausdruck verweilte jedoch nur kurz, dann wandelte sich die Miene des Baronet zu einem frechen Grinsen. "Da du ja über keinen eigenen Knappen verfügst wirst du mein Hemd wohl oder übel selbst reinigen müssen. Vielleicht hindert diese Tätigkeit dich ja daran zu sündigen, dann hätte das Ganze am Ende noch etwas Gutes."

Kurz hielt Ira auch bei dieser Bemerkung inne, entschied sich aber, der Provokation vorerst die kalte Schulter zu zeigen. „Was, du willst dieses Kunstwerk wirklich loswerden? Ich finde ja, es steht dir. Macht dich irgendwie... verwegen.“ Entgegnete sie dem Weißhaarigen lachend, während sie unter dem Tisch jedoch nach Wunnemars Schienbein trat.

Dieser hatte Mühe keinen überraschten Schmerzenslaut von sich zu geben. Wunnemars Gesicht jedoch verzog sich und er funkelte Ira undeutbar an, bevor er sich wieder dem Essen widmete und die ganze Sache offenbar für sich abhakte.

Während die Aufmerksamkeit auf dem Malheur zwischen Wunnemar und Ira lag, nickte Jost Verian dem horasischen Ritter zu und erhob sich. Er ging gemächlichen Schrittes aus dem Lager der Hlûtharswachter, langsam genug für Travingo, aufzuschließen.

Iras Blick folgte beiden, wie sie sich entfernten. Zu dem unguten Gefühl im Bauch, das die Ritterin eben noch durch Lachen kaschierte, kamen die wilden Gedanken, die Ira mit sich fortrissen, während sie weiter in jene Richtung starrte, in der Jost mit Travingo verschwunden war. Sie vergaß darüber ganz das Essen. Im Schein der Kerzen spiegelte sich Besorgnis in ihrem Gesicht.

Wunnemar schien hingegen wie üblich einen äußerst gesunden Appetit zu haben. Nur kurz blickte er den beiden Männern hinterher, doch schien ihn nicht sonderlich zu interessieren was sie zu besprechen hatten, denn alsbald kümmerte ihn mehr sich erneut den Teller zu füllen.

Zugegeben kam es nicht oft vor das es sich so gestaltet offenbarte, doch Lioba war durchaus aufmerksam und zugleich mitfühlend. Mit einem freundlichen Blick und warmen Lächeln begegnete sie dem besorgten Gesichtsausdruck der Jungritterin. "Keine Sorge. Einer von beiden tut, was er tut, weil er Euch liebt, während der Andere einlenken wird, weil er etwas in Euch sieht." Ob Jost nun der erste oder zweite war, klärte sie jedoch nicht auf.

So angesprochen wandte Ira den Kopf und sah die Ritterin Thomundson für den Moment ebenso überrascht wie wortlos an. War es etwa so offensichtlich, wie sie und der Horasier zueinander standen? Die zweite Hälfte von Liobas Bemerkung verstand sie allerdings nicht ganz. Als doch etwas zwischen ihren Lippen hervordrang, war es ein vorsichtiges „Wie…öhm…meint Ihr das denn?“

Für Lioba vollkommen klar, brauchte sie einen Moment, bis sie die Frage der jungen Frau verstand. Wieder einmal zeigte sich für die ältere Rittfrau, dass Ira eigentlich noch immer ein Küken war, eines, dass viel zu früh aus dem Nest geworfen worden war und dennoch noch immer von einer Glucke behütet wurde. "Die beiden werden sich schon verstehen, es wird kein Blut fließen und am Ende, wenn sie zurückkehren, werden beide so tun, als könnte nichts und niemand den Frieden dieses Lagers stören."

„Hm… Vermutlich habt Ihr recht.“ Entgegnete das Küken der Thomundson, nachdem Ira einen kurzen Moment für sich nachgedacht und zum Schluss gekommen war, dass es wohl so sein würde. Anschließend warf sie wieder Blicke ins Dunkel und seufzte.

Zwar noch immer mit den Gedanken bei den beiden Männern, schaffte sie es dennoch ein wenig andersartige Konversation zu führen – auch wenn das Thema weiterhin mit ihr selbst zu tun hatte: „Morgen müsst ihr die Turnieranmeldung ohne mich machen. Ich werde mich ganz früh einschreiben und dann…“ Kurz hielt sie inne, maß mit einem vorsichtigen Blick vor allem Wunnemars Reaktion. Was er wohl über sie dachte, wenn sie nun auch noch damit kam? „…erwartet mich ein Diener der Schönen im Tempel. Also… naja… wegen meiner Narbe, wisst ihr. Er kann und wird mir nämlich meine Wange heilen.“ Wieder fixierte sie ihren Bundbruder, dieses Mal schaute sie ihn direkt an. „Wunnemar, ich weiß, dass du denkst, dass meine Narbe ein Teil von mir ist, eine Erinnerung, die ich ehren sollte. Doch glaub mir, ich hab mir das gut überlegt. Und ich kann das nur hier in Belhanka machen. Die Geweihten der Rahja in den Nordmarken sind leider dazu nicht im Stande, darüber habe ich mich informiert. Darüber hinaus weiß ich ja nicht, wann ich wieder herkommen kann.“ Ein ‚verstehst du?‘ behielt sie für sich. Eigentlich würde sie ihr Vorhaben so oder so durchziehen, egal, ob ihr Freund ihr dafür seine Absolution erteilte oder eben nicht. Allerdings würde es sich besser anfühlen, wenn er etwas Verständnis für ihren Wunsch aufbrachte.

"Wenn dies der einzige Grund ist warum es dich in den Rahja-Tempel zieht…", weiter sprach der Baronet nicht, sondern zuckte nur mit den Schultern und trank einem kräftigen Schluck Wein. Danach lehnte er sich satt und offenbar zufrieden zurück. "Ein gemeinsamer Aufmarsch beim Turnierherold wäre mir aber lieber gewesen und seiner Hochgeboren sicher auch. Du weißt was ihm diese letzte gemeinsame Reise bedeutet."

Ira seufzte. Wunnemars Vorwurf verärgerte sie. „Scheiße, das weiß ich doch! Aber –“ wieder hielt sie mitten im Satz inne, schüttelte diesmal den Kopf und damit ihr Wunschdenken beiseite. Vermutlich würde er ja doch nie verstehen, was sie bewog, also konnte sie sich die Streiterei sparen. „Das ist nun eben so.“ schloss sie, bevor sie sich weiteren Muscheln widmete, diesen das Messer regelrecht zwischen die Schalen rammte und selbige energisch aufstemmte, um sie nur einen Augenblick später genusslos hinab zu schlingen.

Der Baronet quittierte ihre für ihn wenig sinnvolle Erwiderung lediglich mit einem Schulterzucken. Auch hier schien er nicht weiter in sie dringen zu wollen.

Ein wenig tat Ira in ihrer Verzweiflung Lioba leid. So überlegte sie, welches Thema sie wohl ablenken konnte, etwas weniger verfängliches. "Habt ihr euch denn bereits entschieden in welchen Disziplinen ihr antreten wollt?" stellte sie die Frage an die beiden jungen Ritter am Tisch.

„Einhandwaffen und Lanzenreiten,“ antwortete Ira recht leidenschaftslos, bevor sie jedoch aufsah und mit einem kurzen Seitenblick in Richtung Wunnemar noch etwas hinzufügte, was wahrscheinlich der Wahrheit entsprach, sich aber trotzdem provokanter anhörte, als es wohl gemeint war: "Aber ich bin nicht gram, wenn beides nichts wird. Es gibt schließlich so viele wesentlich schönere Dinge, die man hier tun kann." Eigentlich hatte sie damit sagen wollen, dass sich ihr Freund Wunnemar nicht wieder so verbissen versuchen sollte, sich krampfhaft zu beweisen. Das letzte Jahr hatte er ja in kühner Verwegenheit einen wesentlich älteren Comto gefordert und war natürlich auf die Schnauze gefallen. Erst als es ihrem Mund entronnen war, merkte Ira, wie man es auch verstehen konnte, und sie errötete vor Scham.. "Ich, äh, meine, wir sind doch nicht nur wegen dem Turnier hier." Das war leider auch nicht besser, darum errötete sie noch mehr und senkte schließlich den Blick auf den Tisch. Man konnte durchaus den Eindruck bekommen, als sei die Plötzbogen mit dem Kopf noch immer dort, woher sie vor nicht allzu langer Zeit mit dem Cavalliere gekommen war. Tatsächlich musste Ira die meiste Zeit an ihren Besuch mit Travingo im Tempel denken. Abermals schielte sie ins Dunkel.

Der Baronet jedoch grinste seine Bundesgenossin nur frech an und nickte. "Punkt für dich", gestand er trocken. Ärgern tat er sich ganz offenbar nicht über die Anspielung. Warum auch, war er doch von Ira weit gröbere verbale Kellen gewohnt, mit der sie auszuteilen pflegte.