Abendlicher Diskurs

Ort: Bannstrahler-Kloster St. Aldec

Zeit: Ingerimm 1043 BF

Personen:


Eine kurze Briefspielgeschichte von StLinnart.


Inhalt: Im Kloster St. Aldec macht man sich Gedanken über den tobenden Bürgerkrieg im Herzen des Reiches.

Kloster St. Aldec, Baronie Kyndoch, Ingerimm 1043 BF:

Gehetzte Schritte zerrissen die herrschende Stille in den dunklen Fluren des Klosters St. Aldec. Die schweren Stiefelsohlen knallten auf steinigem Boden und das Gewölbe der Arkaden gab den Klang schier dutzendfach wieder. Es entstand eine hektische Geräuschkulisse, welche die schweren Atemgeräusche der beiden durch die Gänge hetzenden gänzlich übertönen sollte. Es waren dies ein junger Ritter anfang 20 und eine um ein paar Götterläufe ältere Ritterin, beide gewandet in den weißen Wappenrock des heiligen Ordens vom Bannstrahl Praios´.

Linnart vom Traurigen Stein blickte auf die Ritterin neben sich. Ihr Gesicht war vor Anstrengung gerötet und ihre schulterlangen blonden Locken wippten im Rhythmus ihrer kraftvollen Schritte. Kurz schenkte er ihr ein Lächeln, doch sollte sie ihn nicht beachten. Der junge Ritter kannte den Grund dafür. Jeder im Kloster wusste, dass Praihild und der alte Abt seit Jahr und Tag eine Liebschaft zueinander unterhielten und dennoch war es ihm und Praihild vor einem guten Götterlauf passiert, dass sie ein paar mal beieinander gelegen haben. Dies führte dazu, dass Linnart und die Ritterin immer noch jedes mal einen fahlen Beigeschmack empfanden, wenn der Abt sie beide zu sich ins Arbeitszimmer bat. War er nun etwa dahinter gekommen? Würde er sie beide nach Beilunk versetzen? Zur Säuberung der Sonnenmark? Der Linnartsteiner atmete tief durch.

“Wollen wir ..?”, fragte die flüsternde Stimme Praihilds neben ihm.

Als Antwort folgte ein Nicken, dann klopfte Linnart fest gegen die schwere Eichentür.

*

Adelhelm Praiowin von Halberg stand am Fenster seines Arbeitszimmers. Draußen war schon vor einiger Zeit das Mahl des Herrn Praios hinter dem Horizont verschwunden und die Dunkelheit der Nacht umfing die Lande um das Kloster. Dort wo er sich sonst der Schönheit der Weinberge Linnartsteins erfreuen konnte, waren nun bloß vereinzelte Lichter auszumachen - wohl Öllampen von fleißigen Arbeitern, die sich noch nicht von ihrem Tagwerk loslösen konnten. Sein Blick ging vom Fenster weg und fiel auf den Schild neben ihm an der Wand. Einst in makellosem Weiß, trug er nun deutliche Spuren von Schwärzungen. Adelhelm musste beim Anblick seiner einstigen Wehr seufzen. Es war ein Relikt aus dem Borbaradkrieg, geschwärzt vom Dämonenfeuer an der Trollpforte. Der Herr hatte damals wahrlich seine schützenden Hände über ihn gehalten und es ihm gewährt eben jenen Tag unversehrt zu überstehen.

Dem alternden Bannstrahler fehlte die Zeit an der Front. Ihm fehlten die Jahre im belagerten Beilunk - das Leben, welches ausschließlich aus Gebet und dem Dienst an der Waffe bestand. Ihm fehlte das damit verbundene, erhebende Gefühl für den Glauben und die Menschen zu streiten, genauso wie diese niemals endende Siegesgewissheit in ihm, obwohl die Tage um ihn herum dunkler und dunkler wurden. Nun da die Sonnenmark befreit und die Dämonenknechte weitestgehend besiegt waren, warteten neue Aufgaben auf ihn und den Orden. Die Anhänger des Dreizehnten regten sich überall im Reich und die nordmärker Grafschaft Albenhus sah sich gar mit einer Vampirplage konfrontiert. Darüber hinaus gab es immer wieder Probleme mit ketzerischen Kulten, die gerüchteweise sogar hochadelige Kreise unterwandert haben. Auch die Naturzauberer waren seit Jahr und Tag ein Ärgernis, das an der Praiosgefälligen Ordnung zerrte und dem es sich zu entledigen galt.

Der Blick des Abten ging wieder zum Fenster hinaus. Tief sog er die kühle Abendluft ein, dann klopfte es an seiner Tür.

*

“Herein!” Ohne sich umzuwenden ließ er die Wartenden eintreten. Adelhelm wusste selbstverständlich um wen es sich handelte. Er hatte nach Ritterin Praihild und Ritter Linnart schicken lassen. Praihild, weil sie ihm ein wichtiger Mensch war und er ihr vertraute und Linnart … nun ja, er war der Sohn seiner Nichte und die letzte Chance für die verkommene Sippschaft vom Traurigen Stein die Kurve zur rechtschaffenen Familie zu kriegen.

“Setzt euch …”, immer noch wandte der Abt den beiden Ankömmlingen den Rücken zu. Mit am Rücken verschränkten Armen wartete er ab bis sich seine beiden Ritter gesetzt hatten, dann erst wandte Adelhelm sich sich zu ihnen um. Dass er sogleich in zwei vor Anstrengung gerötete Gesichter blickte, ließ ihn zufrieden schmunzeln.

“Danke, dass ihr beiden so plötzlich gekommen seid …”, er nickte ihnen grüßend zu, “... ich wollte euch beiden nicht vom Essen fernhalten.”

“Ihr wolltet uns sprechen, Hochwürden?”, warf Praihild dann ein und selbst Linnart konnte erkennen, dass ihre Stimme einen nervösen Unterton hatte.

Vielleicht war dies auch der Grund dafür gewesen, dass der Abt die junge Ritterin besonders lang musterte bevor er fortfuhr. “Ja, genau.” Adelhelm nickte und wandte sich dann dem jungen Linnartsteiner zu. “Was sind die Aufgaben unseres Ordens, Ritter?”

Der Angesprochene war sich ob der Frage unsicher. So unsicher, dass er sich erst Praihild neben ihm zuwandte, von der er jedoch bloß ein fragendes Schulterzucken erntete.

“Die Aufgaben … Ritter …”, presste der Abt nach einigen Momenten der wachsenden Ungeduld hervor.

“Ähm ja ... “, hob Linnart dann an, “... Erhaltung und Schutz der praiosgefälligen Ordnung, sowie der Kampf gegen Chaos, Ketzerei und schädliche Magie.”

Der Halberger nickte zufrieden, schien mit seiner Reaktion doch die auf der Zunge des Ritters brennende Frage nicht beantworten zu können.

“Hochwürden wollen zu dieser späten Stunde doch nicht über die Gebote und die Aufgabe unseres Ordens disputieren …”, der Linnartsteiner ließ die Bemerkung offen im Raum stehen.

Den Abt schien die Bemerkung zu erheitern. Kurz bleckte er seine Zähne und verzog dann seine Lippen zu einem schiefen Grinsen. “Nein natürlich nicht”, bestätigte er dann und blickte in die fragenden Gesichter seiner Ritter. “Ich werde zwei Briefe aufsetzen und ihr beiden werdet sie für mich überbringen. Es soll …”, Adelhelm stoppte und kratzte sich sein Kinn, “... einer davon zu Handen seiner Eminenz Rudewerth von Quintian-Quandt in die Stadt des Lichts, der andere zu Handen seiner Eminenz Pagol Greifax nach Elenvina. Freiwillige?”

Abermals wandten sich die beiden jungen Ritter einander zu. Es war in diesem Moment nicht nötig irgendwelche Worte zu wechseln. “Ich werde für Euch nach Gareth reisen, Hochwürden …”, sprach Linnart mit fester Stimme, “... es ist mir eine Ehre.”

Adelhelm war sichtlich zufrieden und nickte seinem jüngsten Ritter zu, dann ließ er seinen Blick einen Moment zwischen beiden hin und her schweifen. “Wie denn?”, fragte er einige Herzschläge später, “... gar keine Neugier worum es eigentlich geht.” Der alternde Abt ließ seine Augenbrauen nach oben wandern, als auch weiterhin keine Frage folgen sollte. Kurz schnaubte der Halberger, dann brach er selbst die nun herrschende Stille im Raum. “Ihr beiden habt wahrscheinlich schon davon gehört, dass das Herz des Mittelreiches von einem Bürgerkrieg heimgesucht wird.” Der Halberger vermied absichtlich das Wort ´Fehde´, welches in diesem Zusammenhang stets überstrapaziert wurde.

Die beiden Ritter nickten mit ernster Miene.

“Dann wisst ihr beiden auch, dass die Sache dort schon seit längerem vollkommen aus dem Ruder läuft?”

Abermals folgte ein diesmal betretenes Nicken.

“Nun denn …”, Adelhelm leckte seinen Zeigefinger und wühlte dann in einem Stapel von Pergamenten, “... ich befinde mich in regem Austausch mit Ordensbrüdern und Schwestern aus Garetien und der Rommilyser Mark und habe die letzten Monde einiges an Berichten zusammengetragen.” Der alternde Bannstrahler schob einige Pergamente ans andere Tischende, um den beiden Rittern einen Blick darauf zu gewähren. “Das was ich lesen musste, ließ mir das Blut in den Adern gefrieren.”

Linnart überflog kurz eines der Dokumente, legte es aber dann sogleich wieder beiseite. “Hochwürden, entschuldigt meinen Einwand. Aber ist das nicht Sache unserer Brüder und Schwestern in Garetien?”

Für den Zeitraum einiger Herzschläge musterte der Abt seinen jungen Ritter, dann schüttelte er lächelnd den Kopf. “Ihr habt mir die Aufgaben unseres Ordens gerade erst aufgezählt, Ritter. Denkt ihr unsere Aufgaben enden an den Grenzen des Herzogtums?”

Der Linnartsteiner schüttelte den Kopf. “Nein, aber wir haben doch im Herzogtum schon genügend Probleme…”

“Es ist gerade das Schweigen der Kirchen, welches diese Situation so schlimm macht, Ritter. Dass der Adel sich in unnützen Spielereien gegenseitig die Köpfe einschlägt gab es schon immer und wird es leider auch immer geben. Doch die Kirche sollten da drüber stehen, was sie jedoch in dieser Sache bisher gänzlich vermissen lassen.”

“Wie meint Ihr das, Hochwürden …”, kam die zögerliche Frage Praihilds dann aus unerwarteter Richtung.

Adelhelm war mit der gestellten Frage jedoch zufrieden. Er nickte ihr zu. “Was in dieser Sache vollkommen untergeht ist der Beginn dieser Auseinandersetzung …”, der Abt lehnte sich in seinem Ledersessel zurück und führte einen Zinnkelch, gefüllt mit Rotwein an seine Lippen, “... am Anfang stand ein Streit zwischen den Grafschaften Hartsteen und Reichsforst. Ein Ungereimtheit, wohl auf einem Vertragsbruch fußend, die, so wollte es die Kaiserin, durch einen Schiedsspruch der Rondra im Kloster Leuengrund entschieden werden sollte.”

Linnart holte Luft, doch schnitt ihm der Abt mit einer einfachen Handbewegung das Wort ab.

“Ja genau. Es ist dasselbe Kloster, in dem die Verräterin Invher ni Bennain einsitzt.” Adelhelm nickte knapp und konnte in diesem Moment seine geringe Meinung für die ehemalige Königin Albernias nicht verhehlen. “Doch nicht nur das. Es sollte auch Invher als Laie sein, die den uneindeutigen Schiedsspruch der Rondra als Willen der Göttin auslegte, dass Blut fließen soll.” Der Halberger stieß ein in diesem Moment unangebrachtes Lachen aus. “Hesinde wirfs herab, diese Garetier …”, er ließ ein Kopfschütteln folgen, “... in einer Zeit wo eine Prophetin an der Spitze der Rondrakirche sitzt, bedient man sich bei solch einer wichtigen Deutung einer gefallenen Verräterin, die noch dazu nicht einmal die niederen Weihen empfangen hatte.”

Praihilds Augen nahmen bei eben jenen Worten einen seltsamen Glanz an, der auch Adelhelm nicht verborgen blieb. Dennoch sollte sie nicht zu Wort kommen.

“Die Frage, die sich mir stellt ist folgende …”, abermals nahm der alternde Bannstrahler seinen Schluck aus seinem Kelch, “... warum diese Farce an deren Ende ein uneindeutiges Orakel und die Deutung einer dazu nicht befähigten Frau stand? Ich habe lange Zeit darüber nachgedacht.”

“Vielleicht wollte man genau dieses Ergebnis erreichen”, warf Linnart ein und erntete dafür ein bestätigendes Nicken des Abten.

“Genau das ist meine Befürchtung. Entweder bewusst durch die Königin herbeigeführt oder eine Intrige von Mächten, die an Praiosgefälligen Ordnung rütteln wollen …”, der Halberger wühlte abermals in seinen Papieren. “Inzwischen macht man übrigens nicht einmal mehr vor der Autorität der zwölfgöttlichen Kirchen halt. In Hartsteen brennen Klöster und Geweihte wurden gemeuchelt. Die Situation entwickelt sich zu einem nicht mehr zu stoppenden Flächenbrand und die Kirchen schweigen.”

Adelhelm blickte in die Gesichter seiner Ritter. Es ließ sich daraus eine Mischung aus Betretenheit und Zorn herauslesen. “Gerade jetzt wo die vom Krieg gebeutelten Menschen die Präsenz und den Rat der Götterdiener am meisten brauchen, gibt man sich mit einer höchstwahrscheinlich stümperhaften Deutung zufrieden? Nein, es gilt Stärke und Präsenz zu zeigen und ein jeder, der seine frevlerische Hand gegen Unschuldige oder Diener der Zwölf erhebt, gehört aus der Gemeinschaft der Rechtgläubigen ausgeschlossen und für vogelfrei erklärt. Egal ob ein Barons- oder Grafentitel vor seinem oder ihrem Namen steht. Auch die Rolle der Kaiserin in dieser Sache muss hinterfragt werden. Sie sollte es besser wissen. Immerhin war es ihr eigener Großvater, der das Reich beinahe ins Verderben gestürzt hatte. Praios sieht alles und weiß alles. Ich hoffe für ihre Majestät, dass ihre Rolle in dieser Farce lediglich Naivität und nicht vorsätzlichem Handeln geschuldet ist.”

Der Abt stoppte in seiner Rede und füllte seinen Kelch nach. “Der Herr hat das Herz des Reiches in seinem Jahresorakel davor gewarnt, reagiert wurde darauf nicht. Es ist eine Prüfung und die Gemeinschaft des Lichts glänzt durch Untätigkeit, wo wir doch unsere starke Stimme erheben sollten und erst wieder verstummen wenn die des Herrn heilige Ordnung wiederhergestellt ist.”

“Deshalb die Briefe …”, flüsterte Praihild mit belegter Stimme.

“Genauso ist es …”, bestätigte der Abt, “... irgendjemand muss einen Anfang machen. Selbst wenn es der Abt eines kleinen Klosters der Bannstrahler sein muss, der den Stein ins Rollen bringt.”

Linnart und Praihild nickten sich gegenseitig zu, dann erhob noch einmal die Ritterin das Wort. “Und wenn Ihr keine Antwort erhaltet?”

Wieder huschte ein Lächeln über die Züge des Halbergers. “Ich rechne sogar fest damit, dass ich keine Antwort erhalten werde.”

Den fragenden Blick Praihilds schien Adelhelm zu ignorieren. “Ihr könnt die Briefe morgen abholen und ich erwarte, dass ihr beiden dann sogleich aufbrecht.” Mit einer wedelnden Handbewegung und einem knappen “Lux triumphat” entließ Adelhelm seine beiden Ritter.

-Fin-